Interview Autorin Amy Nordberg im Interview

Worum geht es in deinem Buch Tief im Dunklen See?

In meinem Kriminalroman geht es um die Aufklärung zweier Morde am Ufer eines Schwarzwaldsees durch die eigensinnige Dorfpolizistin Helen Winter, die immer tiefer in die Vergangenheit des Ortes hineingezogen und mit ihren eigenen Untiefen konfrontiert wird. Tief im dunklen See ist ein spannender Krimi mit Regionalbezug – und einer Prise Gänsehaut! Denn ich habe mir erlaubt, eine (zugegeben, erfundene!) Legende aus den Tiefen des Schwarzwaldes auferstehen zu lassen!

 

Was zieht dich an Krimis besonders an?

Ein Krimi befriedigt einerseits die Lust am Rätselraten, andererseits zeichnet sich ein Krimi immer durch Konflikte aus. Das reizt mich – sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben! Ich möchte den Finger in die Wunde legen, möchte die Abgründe der Figuren kennenlernen, mit ihnen lieben und mit ihnen leiden.

Beim Krimischreiben liebe ich es, die Untiefen meiner Protagonisten auszuloten – und sie tief fallen zu lassen! Tatsächlich habe ich daran die größte Freude. Denn erst, wenn sie ganz am Boden angekommen sind, erst wenn sie Staub schlucken, ist der Leidensdruck groß genug, etwas zu verändern. Dann – und erst dann! – lehnt sich der Mensch gegen sein vermeintliches Schicksal auf und trotzt dem Trägheitsgesetz. Ab diesem Zeitpunkt geht es ums Ganze – das liebe ich!

 

Glaubst du der Mensch ist grundlegend gut oder böse?

Natur vs. Kultur – Ist der Mensch gut geboren und sind es die Umstände, die ihn böse werden lassen? Gibt es »das Böse«? Gut und Böse sind aus meiner Sicht rein menschliche Kategorien, die nicht selten dazu dienen, Herrschaftsformen und Handlungen zu legitimieren. Ich denke nicht in dieser Binarität. Menschen handeln aus ihren Motiven heraus. Daraus entstehen mitunter Konflikte. Gerade wenn es ums (vermeintlich) Existentielle geht, rücken moralische Aspekte oft aus dem Fokus. Oder aber die eigenen Handlungen werden moralisch legitimiert und somit gerechtfertigt – man denke beispielsweise an die Inquisition!

Ich denke, es sind die Grautöne, die uns Menschen ausmachen. Und ich denke, dass es sich lohnt, Fragen zu stellen.

 

Wie würdest du Kommissarin Helen Winter in 3 Sätzen beschreiben?

Helen Winter entspricht nicht der vermeintlichen »Norm«: Sie verhält sich bisweilen seltsam, scheint manche Dinge nicht zu verstehen, andere nicht zu »können«. Auf ihre eigene Art ist sie Perfektionistin. Helen Winter ist Polizistin mit Haut und Haar – und sie hat den sprichwörtlichen »Riecher« für Verbrechen!

 

Du lässt deinen Roman in einem kleinen Dorf im Schwarzwald spielen. Was ist deine Beziehung zum Schwarzwald?

Mein bereits seit langer Zeit verstorbener Großvater wurde in der ehemaligen Wüstung »Schwarzhalden« geboren – einem Ort, den es heute gar nicht mehr gibt … Auf dem Grund des Schluchsees finden Taucher noch heute die Überbleibsel der gefluteten Häuser. Das hat mich zu der Geschichte um den »Kohlebruckner« inspiriert, die ich übrigens erfunden habe.

 

Wie gehst du mit grausamen Sequenzen im Schreiben um? Hast du eine Routine zum Abschalten?

Tatsächlich verzichte ich meist auf explizite Gewaltszenen. Ich zeige Gewalt lieber aus dem »Off« heraus und überlasse diese der menschlichen Phantasie, die weitaus grausamer ist als jedes Wort. Schreiben hat für mich auch eine reinigende Funktion. Danach bin ich auch mal erschöpft, aber ich fühle mich meist sehr viel besser.

 

Was macht für dich einen guten Psycho-Krimi aus?

Ein guter Krimi zeichnet sich für mich vor allem durch seine Figuren und die Sprache aus. Natürlich ist mir ein spannender Plot wichtig und ich möchte nicht bereits im ersten Viertel bereits vorhersagen können, wer der Täter oder die Täterin ist. Aber was für mich mindestens genauso wichtig ist wie der Plot, sind gut ausgearbeitete Charaktere. Ich persönlich liebe kauzige bis skurrile Ermittler (wie den »Brenner« von Wolf Haas), aber ich mag es nicht seicht!

Ein guter Krimi zeichnet sich aus meiner Sicht auch durch den sprachlichen Stil aus. Um es (anti)martialisch auszudrücken: Ich will Worte – und keine Streumunition.

Interviewbild Amy Nordberg

Auf welche neuen Buchprojekte können wir uns freuen?

Natürlich erst einmal auf Tief im dunklen See! Im Herbst dieses Jahres wird dann mein Nordseekrimi mit dem Arbeitstitel Mörderische Tide bei dp erscheinen, den ich zusammen mit meinem Autorenkollegen André Wegmann geschrieben habe. Und nein, es wird auch diesmal nicht »cozy« werden ????. Aktuell durchstreife ich bereits wieder die Tiefen des Schwarzwaldes. Denn eine wächserne Frauenleiche ist im Moor des Urseetals gefunden worden. Wenn das kein Fall für Helen Winter ist …?


Zu guter Letzt: Hast du eine Buchempfehlung für uns?

Ich bleibe mal im Krimi-Genre. Nach wie vor ist für mich Fred Vargas die Meisterin der Kriminalliteratur! Neben einer grandiosen Sprache (es lohnt sich übrigens, die Bücher auf Französisch zu lesen!) zeichnen sich ihre Krimis durch liebevoll ausgearbeitete, herrlich verschrobene Figuren und einen Hauch Mystik aus. Mein erster Vargas war »Der vierzehnte Stein« mit dem wunderbaren Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg. Toll auch »Der verbotene Ort« sowie die Krimis rund um ihre drei »Evangelisten« (drei arbeitslose Historiker), z.B. »Die schöne Diva von Saint-Jacques«. Beeindruckt hat mich jüngst Frank Dommels »Gott aus Stroh« - ein Nordic Crime/Country Noir, der in der Finnmark spielt und mich stilistisch wie inhaltlich überzeugt hat! Wer auf atmosphärische Krimis steht, kommt hier voll auf seine Kosten!