Worum geht es in deinem Buch Speck zu Gold?
Kennst Du den Märchenausspruch von Rumpelstilzchen: „Stroh zu Gold!“? Darauf bezieht sich auch der Titel. Aus etwas scheinbar Wertlosem wird etwas Kostbares. Dabei steht Gold nicht für Geld. Es geht um eine innere Entwicklung. Ulla entdeckt einen Schatz in sich.
Es geht um ihre Lust zu tanzen, die Lust am eigenen Körper, u n a b h ä n g i g von Alter, Gewicht und gängigen Idealvorstellungen.
Ursula ist eine Frau Mitte 40, die diesen Wunsch unterdrückt, aufgrund einer Demütigung im Balettunterricht als sie vier Jahre alt war. Ausgerechnet der Burlesquetanz weckt Jahrzehnte später ihre Aufmerksamkeit. Ein Tanz, in dem es um das flirtende Spiel mit dem eigenen Körper und dem Publikum geht.
Wie lange hast du daran gearbeitet?
Ich arbeite in Schüben. Der Roman lag zwischendurch in der Schublade und wäre beinahe dortgeblieben … Es ist länger als drei Jahre her als ich begann ihn zu schreiben.
Wie kamst du auf die Idee, gab es eine Art Initialerlebnis?
Mein Mann hatte sich für einen Burlesque-Kurs angemeldet. Er verspürte Lust, in eine andere Facette seiner selbst zu schlüpfen. ;D
Danach gab es eine Präsentation im Keller eines Möbelhauses. Drei Etagen über uns standen die toten Einrichtungsgegenstände – und im Untergeschoss tobte das pure Leben. Ich war hin und weg von der Vielfalt, den Ideen und der Lebenslust, die sich auf der kleinen Bühne zeigte. Alles war dabei: Glamour, Trash, Comedy, Mainstream … Anfängerinnen tanzten neben Profis. Frei, leicht, spaßig und unverkrampft. Das war mal ein ganz anderer Beitrag zur sexuellen Befreiung …
Was man vielleicht wissen sollte: Zu Beginn jeder Burlesque-Show gibt es ein Ritual, das von der Moderation eingeführt wird: Wenn die Dame auf der Bühne etwas fallen lässt, dann wird gejubelt. Dadurch wird eine unglaubliche Solidarität mit der Tänzerin erzeugt. So ein Feedback ist extraordinär. Es entsteht eine sich hochschraubende, positive, kreischende Feedbackschleife.
Wie fühlt es sich an, wenn Speck zu Gold ‚endlich’ erschienen ist und gelesen werden kann?
Befreiend. Ulla tanzt ab jetzt ohne mich durch die Welt. Ich kann ihr nicht mehr helfen und habe wieder Platz in meiner Schublade …
Was reizte dich daran, Ursulas Geschichte zu schreiben?
Mir geht immer das Herz auf, wenn ich füllige Frauen sehe, die ungezwungen mit ihrem Körper umgehen. Die sich diesem ganzen Idealbild-Quatsch nicht unterwerfen. Es kommt so viel Kraft und Lebenslust rüber, wenn sich eine „sogenannte Dicke“ burlesquetanzend bewegt. Es ist einfach eine andere Art von Energie.
Mich interessierte Ullas Konflikt. Sie befindet sich im Zwiespalt mit sich und ihrer Umwelt, die sie verhöhnt und verachtet, nur weil sie ihre erotische Weiblichkeit zurückerobert. Und zwar so wie sie es möchte: Offensiv. Als Dicke. Und im Scheinwerferlicht.
Burlesque wird gern mit Striptease in einen Topf geworfen und natürlich kann man behaupten, dass sich eine Frau, die sich auf der Bühne halb oder ganz auszieht, selbst zum Sexobjekt degradiert und sich visuell ausbeuten lässt. Ich finde aber, es ist eine Frage der inneren Haltung, ob ich ein „Objekt“ oder ein „Subjekt“ bin. Und es ist meine oder eben Ullas Entscheidung, sich diese Freiheit zu nehmen.