Interview Gabriele Ketterl im Interview

Worum geht es in deinem Buch Die Tochter des Fischers?

Es geht um ein Eintauchen in die Geschichte. Um ein junges Mädchen, das sich mutig für ein Leben entscheidet, vor dem viele Angst hätten. Als ihr Vater stirbt, muss Estrella mit ihren Schwestern darum bangen, in die Armut abzurutschen. Eine Ehe, ausgerechnet mit dem jungen Fischer, den sie für den Tod des Vaters verantwortlich macht, wäre für sie unerträglich. So entscheidet sie sich, gemeinsam mit der Dame Alba, die ihre maurischen Wurzeln im Zuge der Reconquista zwingen, Al-Andalus zu verlassen, in Richtung Marokko zu segeln. Ja, Estrella hat Angst, alles andere wäre naiv, aber die Neugier überwiegt bei Weitem. Sie findet ein Land, das sie fasziniert, Menschen, die sie lieben lernt und sie erlebt, dass Märchen wahr werden können. Vor allem aber wird einer ihrer Träume wahr: Die ganz große Liebe auf den ersten Blick. Das Buch zeigt, wie einfach es sein könnte, die Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.

 

Was hat dich zu diesem Roman inspiriert?

Geschichte liebe ich schon seit der Schulzeit. Das Kalifat von Granada, die bunte, mit Mosaiken ausgelegte Welt im Andalusien von 1489, reizte mich schon lange. Nun kam noch die Begeisterung dazu, mit der mein Freund Karim, der aus einer uralten Berberfamilie stammt, immer von Marokko erzählte. Außerdem folgte dann noch, dass ich erfuhr, dass die Berber, die eigentlich das Land aufgebaut haben, von denen die großen Städte gebaut wurden, es heute sehr schwer haben. Also war es für mich fast schon eine Frage der Ehre kopfüber in die Geschichte Marokkos und der Berberstämme einzutauchen und auf Basis einiger Fakten einen schönen, versöhnlichen Roman zu schreiben. Es war mir wichtig, wieder einmal die alten Bilder, die alten Stämme und die Herrscherhäuser auferstehen zu lassen. Wie so oft wollte ich auch hier versuchen zu erzählen, wie einfach es eigentlich wäre, miteinander anstatt gegeneinander zu leben.

Hast du eine persönliche Verbindung zu Marrakesch?

Die Stadt kenne ich tatsächlich nur von hunderten von Bildern. Dazu habe ich sehr viel darüber gelesen, schon als Kind. Bereits als Neunjährige ritt ich (leider nur im Buch) durch die Wüste und sah das gigantische, karmesinrote Stadttor von Marrakesch und die Gipfel des Atlasgebirges im Hintergrund. Es war an der Zeit, der Stadt in einem meiner Bücher meine Referenz zu erweisen.

 

 

Wie sah deine Recherche für das Buch aus?

Lesen, lesen, lesen! Zahllose Geschichtsbücher, dazu Dokumentationen über Marokko, alte Bilder, alte Trachten, alte Lebensweisen und so weiter. Und lange Gespräche mit Karim, der sein Land und seine Geschichte liebt. So lernte ich Lebensweisen, Gerichte, Getränke, die Verbindungen zwischen den alten Berberclans, die Regierungsentwicklung und vieles mehr kennen.

 

Was ist für dich die größte Herausforderung für eine junge Frau im 15. Jahrhundert?

Eindeutig der Mut, einen eigenen Willen zu haben, oder gar Träume zu leben. Estrella hat Träume und will lernen. In dieser Zeit war das nicht selbstverständlich. Unsere Protagonistin ist privilegiert! Die Kinder von Fischern, gerade Mädchen, gingen damals nicht zur Schule. Estrella und ihre Schwestern hatten das große Glück, dass ihr Vater die maurische Dame Alba sehr schätzte und diese wiederum gab ihr großes Wissen gerne und umfassend weiter. Damals hatten Mädchen nicht zu lernen, sondern zu heiraten und für Nachwuchs zu sorgen. Dank Alba lernte unsere Protagonistin, dass es da noch so viel mehr gab. Wenn eine junge Frau in jener Zeit zu eigenständig, zu klug und zu wortgewandt war, wurde der Grat zur Hexe, zur Aufrührerin oft recht schnell verflixt schmal. Unangepasst sein, das war nicht erwünscht!

Wie sieht dein Schreiballtag aus?

Den größten Teil des Jahres lebe ich mittlerweile auf Gran Canaria. Damit habe ich mir einen Traum erfüllt, auf den ich 36 Jahre lang hingearbeitet habe. Mein Haus hier hat eine riesige Dachterrasse, mit Blick in den Barranco (die Schlucht, das Tal) von Mogán. Ich habe einen traumhaften Blick auf die Berge, der zusätzlich inspiriert. Dort schreibe ich fast täglich bis zu 6 Stunden. Zwischendurch werden die Zeiten für die Recherche eingeschoben, also Bücher wälzen, Dokus suchen und so weiter. Sehr wichtig für mich ist aber auch Inspiration. Die hole ich mir bei Fahrten über die Insel, bei Ausfahrten mit den Schiffen von Freunden und so weiter. Und mit Menschen sprechen. Hier ist vor allem das Zuhören wichtig, man hört so Vieles, wenn man genau zuhört. Zwischen den Zeilen stehen die besten Geschichten.

 

Kannst du dir vorstellen, noch weitere historische Romane zu schreiben?

Ganz sicher sogar. Hier habe ich noch so viele Ideen, dass es für einige Romane reicht. Gerade wenn man oft und gerne in die Geschichte eintaucht, tun sich immer wieder neue Türen auf, durch die man gehen kann. Jedes Mal landest du in einer anderen Welt, in einem anderen Jahrhundert und jedes Mal lernst du ausnehmend interessante Menschen kennen. Diese Menschen haben viel zu erzählen! Wir sollten ihnen viel öfter zuhören.