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In Mord und Flut geht es um die Kriminaloberkommissarin Levke Tönnens, die nach ihrer Ausbildung in Hamburg wieder an ihren Heimatort Horumersiel im Wangerland an der ostfriesischen Küste zurückkehrt. Ein Ort, den sie bewusst verlassen hat, an dem nur ein im Rollstuhl sitzender Vater auf sie wartet, der ihr die Schuld an seinem Zustand gibt. Und dann sitzt da eines Tages eine Leiche am Schilliger Strand – drapiert wie ein Kunstwerk. Und kurz darauf folgt der nächste Tote – wieder als Kunstwerk arrangiert. Und Levke hat bald keine Zeit mehr, sich über ihr Verhältnis zu ihrem Vater und Horumersiel Gedanken zu machen, weil ihr die Zeit davonläuft ...
Was hat dich dazu inspiriert, Kunstwerke der Romantik in die Mordszenen deines Krimis einzubauen?
Die künstlerische Entwicklung von der Romantik zum Realismus finde ich persönlich faszinierend. Die Romantik wird oft zusammen mit dem Viktorianischen Zeitalter genannt – eine Zeit, in der gern einiges vertuscht wurde. England, speziell London, hatte ein Problem mit Armut, Gewalt und Prostitution, wollte aber nach außen ein gediegenes, höfisches Bild erhalten. Alles war toll – und was nicht toll war, wurde eben passend gemacht. Aus diesem Grund sollte auch in der Malerei ein Bild der schönen Körper vorherrschen: keine Makel, keine Geschlechtsmerkmale, eher perfekte, fast schon engelsgleiche Figuren. Auch die Landschaftsmalerei zeigte meist friedliche, weite Szenen. Gleichzeitig wurde den Menschen so vorgegaukelt, alles sei perfekt, friedlich, angepasst. Im Realismus kehrte sich das Bild – der Name sagt es schon: Jetzt sollte alles so real wie möglich dargestellt werden. Diese Grundthematik passt hervorragend zu meinen Mordfällen: Es wird vieles vertuscht, zurechtgebogen, und selbst die Leiche sieht noch schön aus. Aber das reale Bild zeigt etwas anderes. Fast alle haben etwas zu verbergen, sind nicht ehrlich zu ihren Mitmenschen gewesen und haben sich auf die eine oder andere Art schuldig gemacht. Ob das allerdings ein hinreichender Grund für einen Mord ist, das klärt sich in der Geschichte.
Levke Tönnens ist eine starke und vielschichtige Figur. Wie hast du sie entwickelt, und was macht sie für dich besonders?
Levke ploppte eines Tages in meinem Kopf auf, erst schemenhaft, dann immer deutlicher. Eigentlich hat sie innerlich resigniert, sie muss an einem Ort leben, an dem sie nicht sein will, ärgert sich mit ihrem Vater herum, der sie zwar irgendwo schon liebt, auf sie angewiesen ist, aber das ganz schlecht zeigen kann. Den ganzen Frust hat sie in sich hineingefressen, im wahrsten Sinne des Wortes. Mittlerweile weiß sie selbst, dass es so nicht weitergehen kann – sie behindert sich selbst, ist schnell außer Atem, schwitzt bei jeder Gelegenheit, an eine Verfolgungsjagd zu Fuß ist gar nicht zu denken. Dazu kommt das Alter – mit ihren 40 Jahren sieht sie das Leben, von dem sie einst geträumt hat, an sich vorbeiziehen. Kein Mann, keine Familie, kein Haus. Man könnte jetzt meinen, das ist ja eine ziemlich trostlose, fast schon depressive Figur, aber Levke hat einen gehörigen Pluspunkt: Sie gibt nicht auf. Sie macht weiter, kämpft mit ihrem inneren Schweinehund und will etwas ändern. Und sie hat Freunde, die sie dabei unterstützen und sie so annehmen, wie sie ist. Das gibt ihr die Kraft, all die Steine aus dem Weg zu schaffen, die ihr Leben dort platziert hat.
Die Nordseeküste als Schauplatz bringt eine besondere Atmosphäre in die Geschichte. Warum hast du dich für diese Region entschieden?
Die Nordsee liebe ich einfach – ein wunderbarer Ort, um zur Ruhe zu kommen. Der Wind bläst einem in die Nase, manchmal kommt der Regen senkrecht, die Gischt des Meeres gleich hinterher, dazu die endlose Weite. Allein der Himmel mit seinen unendlichen Facetten und Wolkenformationen – ich bin begeisterte Hobby-Fotografin, ich kann mich bis heute nicht daran sattsehen. Das Wetter wechselt so schnell, dass man sich auf eine Wettervorhersage nicht verlassen sollte. Bei langen Spaziergängen am Meer entlang beruhigen sich das Auge und der Geist – da fallen mir ganz von selbst Geschichten ein. Aus diesem Grund fahre ich jedes Jahr mehrmals an die Nordsee – für mich der perfekte Ort zum Abschalten.
Levke und Veit haben eine komplexe Beziehung. Was hat dir an ihrer Dynamik am meisten Spaß gemacht?
Die beiden kennen sich seit der Grundschule, und Levke vertraut Veit nahezu alles an. Er kennt ihre Lebensgeschichte, er hat ihr geholfen, wie ihre Mutter gestorben ist und ihr Vater in den Rollstuhl kam, er ist mit ihr durch dick und dünn gegangen. Bei Levke und Veit fasziniert mich auf jeden Fall das, was zwischen den Zeilen steht, die Spannung, das Hintergründige. Das, was man eben nicht sofort sieht, sondern erst mit der Zeit versteht. Vielleicht ist es auch das, was eine lange Freundschaft ausmacht. Man kennt sich so lange, dass man gar nicht alles in Worte fassen muss. Das ist gar nicht so einfach in Worte zu fassen, wie es sich vielleicht anhört. Gerade das Schreiben zwischen den Zeilen, also das, was nicht dasteht, erfordert mehr Konzentration als ein schlichter Dialog. Und viel Rückmeldung von fleißigen Testlesern – denen ich dafür sehr dankbar bin.
Dein Roman kombiniert Spannung, Intrigen und psychologische Tiefe. Wie gehst du beim Schreiben an diese Mischung heran?
Mich hat bei einem Mordfall schon immer mehr interessiert, was dahintersteht: Was macht eine Person zum Mörder? Ist das automatisch eine „schlechte“ Person, oder ist sie vielleicht wie du und ich, nur hat sie eben an einem bestimmten Punkt eine Entscheidung getroffen, die nicht mehr umkehrbar ist?
Was geht in einem Kopf vor, der einen anderen Menschen töten will? Was muss davor alles geschehen, gibt es den geborenen Mörder, und was passiert eigentlich danach? Abhaken und weitermachen?
Ich habe mir mehrere Vorträge dazu angehört, unter anderem mit dem Leiter der forensischen Psychatrie des Bezirksklinikums in Erlangen und dem Leiter der Dienststelle der operativen Fallanalyse in München, Alexander Horn. Bei diesen Vorträgen hat man immer die Möglichkeit, auch seine eigenen Fragen zu stellen, und das hat mir persönlich weitergeholfen, sozusagen einen Blick in das Gehirn der Täter zu werfen – und festzustellen, dass es da weitaus mehr zu entdecken gibt, als man vielleicht anfänglich glaubt. All das in Kombination hilft mir, meine Figuren und den Plot so entwickeln, dass die Mischung (hoffentlich) passt, um nicht nur unterhalten zu werden, sondern sich auch auf den nächsten Band freut.
Die Idee, Mord als „Kunstwerk“ darzustellen, ist faszinierend und erschreckend zugleich. War es schwierig, diese Szenen zu schreiben?
Das war es in der Tat. Allein schon eine Szene zu beschreiben, wie ein Toter jetzt vor Ort aussieht, wenn er wie ein Gemälde drapiert ist. Man kann sich das vielleicht so vorstellen, wie wenn man mit eigenen Worten versucht, ein Kunstwerk einer Person zu beschreiben, die das Kunstwerk noch nie gesehen hat. Trotzdem soll diese Person am Ende der Beschreibung ein Bild vor Augen haben, das dem Kunstwerk nahekommt. Dazu konzentriere ich mich auf die wesentlichen Faktoren, die das Bild ausmachen und benenne sie in kurzen Sätzen. So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Und auch hier helfen natürlich wieder Testleser, die mir Rückmeldung geben, ob sie jetzt verstanden haben, wie das Bild gemeint ist.
Hast du selbst eine Leidenschaft für Kunstgeschichte, oder war das eher Recherchearbeit für den Krimi?
Ich bin eine Museumstante, ich muss einfach überall in die Kunstmuseen gehen, wenn möglich. Ich zeichne auch gern, wenn auch nicht übermäßig gut. Mich faszinieren die Geschichten hinter den Werken fast genauso wie die Geschichten hinter dem Motiv – vielleicht ist es ja auch ähnlich miteinander verwoben. Und natürlich habe ich mich im Rahmen der Schreibarbeit noch intensiver mit den Hintergründen beschäftigt. Die Recherche war schon ziemlich intensiv. Allein die Geschichte von Gustave Courbet und seinem L’homme blessé – wie viele Jahre er mit diesem Gemälde verbracht hat, wie viel von ihm selbst, von den schlimmsten Zeiten seines Lebens darin steckt, ist schon ein eigenes Buch wert. Und wer sich jetzt fragt, wovon spricht sie denn? Tja, lest das Buch, dann wird einiges klarer.