Interview Autorin Laura Nieland im Interview

Worum geht es in deinem Buch Der Anrufer?

In Der Anrufer geht es um Frank Lamber, einem Bestsellerautor in Ruhestand. Eigentlich will er nur sein Leben abseits des Trubels in Los Angeles in Frieden genießen. Mit dem Schreiben will er nichts mehr zu tun haben, denn seine Karriere hat einen dunklen Schatten über sein Leben geworfen.

Doch als er seine Haushälterin ermordet in seinem Haus vorfindet, und alles danach aussieht, dass er der Täter ist, ist es vorbei mit dem Frieden. Bevor er realisiert, was geschieht, erhält er einen anonymen Anruf. Der Unbekannte bedroht das Leben seiner Töchter und will, dass Frank wieder ein Buch schreibt.

Für den Autor beginnt eine Hetzjagd in den Schatten Los Angeles’ und im Dunkel seiner Vergangenheit, um das Phantom zu finden und seine Töchter zu retten.

 

Wie kam die Idee zu dem spannenden Plot von Der Anrufer zustande? Gab es eine bestimmte Inspiration oder ein Ereignis, das diese Geschichte ausgelöst hat?

Die Kernidee entstand bereits vor Jahren. Damals gab es einen Schreibwettbewerb für Krimi-Kurzgeschichten – ich glaube, der war damals sogar von Sebastian Fitzek organisiert worden. Als ich verschiedene Kurzgeschichten konzipierte, kam mir diese Idee, merkte aber auch schnell, dass sie sich nicht als Kurzgeschichte eignete, weil sie zu lang und zu komplex gewesen wäre.

Es brauchte einige Jahre in meinem Hinterkopf, bis ich die Idee zu Der Anrufer detaillierter ausgearbeitet habe. Inspiriert dazu, hat mich auch das Zitat von Georg Büchner „Jeder Mensch ist ein Abgrund. Es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Denn die Geschichte greift auch die Thematik der menschlichen Abgründe auf.

 

Was hat dich dazu bewegt, einen Schriftsteller als Protagonisten zu wählen?

Das ist eine gute Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist. Meistens sind die Personen schon von Anfang an da, gemeinsam mit der Idee. In diesem Fall war schnell klar, dass es ein Autor sein wird, der in der Mitte seines Lebens ist, mit einem ziemlich großen Ego. Bei Frank war meine größte Inspiration tatsächlich Stephen King bzw. seine Protagonisten. Ich bewundere es sehr, wie roh und voller Makel die meistens sind. Und so wollte ich das auch machen. Einen Protagonisten, der nicht dem Publikum schmeichelt und kein Blatt vor den Mund nimmt und auch mal derbe flucht – ein Mensch halt.

Interviewbild Laura Nieland Autorin von Der Anrufer

Der Anrufer setzt Frank unter enormen Druck und zwingt ihn, ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit zu offenbaren. Wie hast du den inneren Konflikt und die Spannung für diesen Charakter entwickelt?

Bevor ich den Roman geschrieben habe, habe ich mich damit auseinandergesetzt, wer Frank eigentlich ist. Ich habe einen detaillierten Steckbrief verfasst. Wer sind seine Eltern, wie war seine Kindheit, das Verhältnis zu seinen Eltern und Geschwistern? Was waren seine Träume und was sind seine dunkelsten Geheimnisse? Ich habe mich also sehr stark mit Franks Vergangenheit auseinandergesetzt und dort seine Abgründe kreiert, die in seinem inneren Konflikt und dem Druckmittel des Anrufers resultieren.

 

Das Buch behandelt die Grenzen zwischen Realität und verdrängter Erinnerung. Wie bist du bei der Gestaltung dieses psychologischen Aspekts vorgegangen? 

Durch meinen Steckbrief stand die Vergangenheit bereits und ich hatte sie beim Schreiben im Hinterkopf. Allerdings habe ich dabei schnell gemerkt, dass es interessant für den Leser wäre, die Rückblenden in Franks Kindheit einzubauen, damit sie ihn noch besser verstehen und kennenlernen. Dabei macht es aber auch Spaß nicht immer alles (sofort) zu offenbaren und dem Leser immer nur ein kleines Puzzleteil der Wahrheit zu geben.

 

Franks Strandhaus spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte. Wie hast du diesen Ort beschrieben, um eine bestimmte Stimmung oder Atmosphäre zu erzeugen?

Das Strandhaus ist ein Ort des Friedens für Frank. Während seiner erfolgreichen Karriere hat er teilweise gern und viel im Blitzlicht gestanden und sich vom Glitzern der Lichter Los Angeles’ blenden lassen. Das Strandhaus liegt nun fernab der strahlenden Innenstadt, hinter den sanften Hügeln.

Neben dem modernen Anwesen gibt es keine direkten Nachbarn. Im Inneren des Hauses ist alles offen gestaltet und verglast, damit man aus jedem Raum einen Blick auf das Meer werfen kann. Den Strand kann man direkt über die Veranda erreichen, auf der Frank jeden Morgen seinen Kaffee trinkt.

Doch im Laufe der Geschichte kippt dieses Bild leider und das Haus wird zu einem schrecklichen Schauplatz.

 

Der Plot enthält viele unerwartete Wendungen. Wie planst du deine Geschichten im Voraus, um solche Überraschungen effektiv einzubauen?

Ich plotte eigentlich nicht besonders gern, hab mir aber angewöhnt vorab ein Exposé zu schreiben, um so einen roten Faden zu haben, an dem ich mich entlanghangeln kann. Dabei plane ich bereits Wendungen mit ein, aber auch, wie ich die Leser auf eine falsche Fährte locke, also wie ich gewisse Umstände aussehen lasse. Manchmal ergeben sich Wendungen aber auch spontan.

 

Wie hast du den mysteriösen Anrufer und seine Motivation entwickelt? Was war dir wichtig, um diesen Charakter überzeugend und furchteinflößend zu gestalten?

Die Motivation ist verknüpft mit Franks Karriere und Kindheit. Das war von Anfang an klar. Um die Figur furchteinflößend und überzeugend zu gestalten, habe ich ihr eine ganz eigene Stimme gegeben – im Vergleich zu Franks. Man merkt sofort, wann der Anrufer spricht. Er ist ein authentischer Charakter, der grausame Dinge tut und tun wird. Furchteinflößend ist er meiner Meinung nach, weil man sehr lange nicht weiß, wer dieser Anrufer ist. Er ist wie ein Schatten und offenbart sich nicht, gibt aber immer wieder genug von sich Preis, um eine Ahnung zu erhalten, was er für eine Persönlichkeit ist.

 

Die Beziehung zwischen Frank und seinen Töchtern ist ein wichtiger Teil der Geschichte. Wie hast du diese Dynamik in die Handlung integriert und was wolltest du damit ausdrücken?

Die Beziehung zwischen Frank und seinen Töchtern ist sehr unterschiedlich. Ashley ist – aus Sicht des Anrufers – seine Lieblingstochter. Und da hat er auch recht, denn Frank weiß viel über sie und kennt ihre Tonlagen und Launen. Bei Courtney ist das anders. Sie beide haben ein problematisches Verhältnis, woran die Scheidung von seiner Frau Bridget nicht ganz unschuldig ist.

Die Beziehungen, die er zu beiden pflegt, fließt immer wieder in die Handlung mit ein, entweder schwelgt Frank in Erinnerungen über eine der beiden oder er spricht mit ihnen. Die Dynamik während der Gespräche verrät viel über ihre Beziehungen.

Die beiden Mädchen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Nicht nur sind sie das perfekte Druckmittel für den Anrufer, aber man lernt Frank durch die beiden auch von einer weicheren Seite kennen. Außerdem reflektiert Frank durch seine Töchter über die Machtstrukturen in unserer Gesellschaft und wie sie als Frauen dadurch benachteiligt sind.