Worum geht es in deinem Buch Die Frau am See?
Im Vordergrund steht die Entführung eines Kindes durch eine psychotische Frau. Subtil geht es aber vor allem um den Bruch von Normalität, denke ich. Es gibt viele Möglichkeiten, dass unsere heile Welt plötzlich einen Riss erlebt. Hier ist es eine schöne Frau, die plötzlich auftaucht, die heile Welt der Protagonisten sogar noch abzurunden scheint, bis sie ihr wahres Gesicht zeigt und das Leben so in eine völlig andere Richtung lenkt.
Wie sah die Entwicklung von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript aus?
Wie in all meinen Büchern: Ein, zwei Figuren tauchen in meinem Kopf auf. Wenn sie sich penetrant genug aufdrängen, lasse ich sie ein wenig agieren, bis sie ein Eigenleben entwickeln und optimalerweise andere Personen hinzu kommen. Sind die Figuren kraftvoll genug, schicke ich sie los in die Geschichte. Die machen das dann schon … ich führe nur noch Protokoll.
Was ist besonders an Emily, deiner Hauptfigur?
Ihr unbedingter Wille, die Welt nach dem Jahre zurückliegenden Tod der Mutter endlich wieder lebenswert zu machen … für ihren Vater. Ihre große Energie, dieses Ziel unter allen Umständen erreichen zu wollen, auch als die Voraussetzungen sich um 180 Grad drehen. Ihre Unbeirrbarkeit, diesen Weg zu gehen. Sie ist eine sehr starke und bodenständige junge Frau, die sich nicht beirren lässt.
In Die Frau am See spielt das Idealbild der „perfekten“ Familie eine große Rolle. Gibt es so etwas überhaupt?
Ja. Wenn man anerkennt, dass es keine perfekte Familie geben kann, kann eine Familie wirklich perfekt werden. Aber nur dann …
Emily zeigt Menschenkenntnis und eine gute Intuition. Ihr Vater hingegen ignoriert viele Warnzeichen erst einmal. Ist es manchmal besser, misstrauisch zu sein?
Wie bei allen wichtigen Dingen im Leben ist es auch hier wichtig, eine gute Balance zu finden. Zu wenig Misstrauen basiert oft auf Naivität, im Falle von Emilys Vater allerdings darauf, dass er tief in sich drinnen noch immer zu sehr mit etwas anderem beschäftigt ist: dem Jahre zurückliegenden Tod seiner Frau. Er lebt sein ganzes Leben viel zu unkonzentriert. Da kann es schon mal passieren, dass man nicht genau genug hinguckt. – Zu misstrauische Menschen jedoch haben es auch schwer, glücklich zu sein. – Also: eine gute Mischung ist immer das richtige.
In Die Frau am See hat ein Blind Date folgenschwere Konsequenzen. Denkst du, dass in Zeiten des Online Datings Verabredungen größere Risiken mit sich bringen?
Ja, auf jeden Fall. Man lässt sich auf Fremde ein, Menschen, von denen man nur wenig weiß. Lerne ich jemanden auf „konventionellem“ Weg kennen, weiß ich am Anfang auch nicht wirklich, wer der andere ist. Aber ich sehe seine Augen, seine Reaktionen, sein Lächeln, ein kleines Zucken auf der Oberlippe, die zittrigen oder sicheren Hände. Ich registriere die Art, wie er sich bewegt, höre die Farbe seiner Stimme. Danach beurteile ich, ganz automatisch, ob mir jemand gefällt oder nicht. Ob ich ihn oder sie näher kennenlernen möchte, entscheide ich nach all diesen Puzzleteilen. Das Kennenlernen startet nicht mit dem Lesen eines Online-Profils, in dem jeder versucht, sich gut darzustellen (und das zudem auch noch ein Fake sein kann), sondern mit der Frau, die mir als Mensch gefällt. Für mich ein riesiger Unterschied. Ich bin echt froh, in diesem Punkt noch „Old School“ zu sein ;-)