Interview Sophie Brahms im Autorininterview zu Gretes Weg

Worum geht es in deinem Buch Gretes Weg – Anbruch einer neuen Zeit?

Es geht um eine junge Krankenschwester, die eine Schuld aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt, denn sie glaubt, dass sie für die verunstaltete Nase ihres Bruders verantwortlich ist. Um ihn zu helfen, und weil sie wegen ihres Wissens und Handels aus dem Viktorias geworfen wird, macht sie sich auf die Suche nach einem jungen aufstrebenden Arzt, der in einem Vortrag hat verlauten lassen, der er dafür sorgen will, dass niemand unter seinem Äußeren leiden sollte. Schließlich schafft sie es auch ohne Abschuss bei ihm arbeiten zu dürfen und hat einen langen steinigen Weg an dessen Seite vor sich. Aber sie lernt darüber auch die junge Polin Valerie kennen. Valerie arbeitet dort zunächst als Putzfrau, hat aber eine eigene Agenda – sie will Mannequin werden.

Was hat dich dazu inspiriert, den Roman im historischen Berlin des späten 19. Jahrhunderts spielen zu lassen?

Ich wollte unbedingt einen Roman über die Anfänge der Schönheitschirurgie in Deutschland schreiben, da war die Zeit gewissermaßen vorgegeben. Obendrein war es eine wirklich spannende Zeit, in der sich viele technologische, kulturelle und soziale Veränderungen abgezeichnet haben. Das ist natürlich die beste Grundlage für einen historischen Roman. Und da ich selbst in Berlin lebe, hat es mich wahnsinnig gereizt, die Stadt aus einer anderen Perspektive kennenzulernen, als ich es tagtäglich tue. Denn Berlin hat damals in Sachen Schönheitschirurgie und Mode eine Pionierrolle eingenommen.

Hast du ein persönliches Interesse an (historischer) Medizin?

Ja, ich habe großes Interesse an medizinischen und auch historischen Themen. Das liegt unter anderem daran, dass mein Großvater Schönheitschirurg war. Ich fand es schon als Kind sehr spannend, wenn er mir von seinen Operationen berichtet hat. Ich selbst habe ja dann zunächst Design studiert und auch da spielt die Historie und Vergangenheit eine wichtige Rolle.

Außerdem finde ich, dass man gerade in der heutigen Zeit viel aus der Geschichte lernen kann. Trotz ihres teils schlechten Rufs haben medizinische Durchbrüche unser Leben verlängert und verbessert, die Kindersterblichkeit gesenkt und Krankheiten wie Diabetes beherrschbar gemacht.  Gleichzeitig sehe ich aber auch die Schattenseiten. Gerade in der Schönheitschirurgie. Die hat inzwischen Ausmaße angenommen, von denen damals noch niemand geahnt hat, obwohl sie damals wie heute umstritten war. Genau dieser Zwiespalt reizt mich sehr und ist deshalb letztlich auch in meinen Roman eingeflossen.

Gibt es in Berlin besondere Orte, die dich zum Schreiben inspirieren?

Definitiv! Berlin ist voller inspirierender Orte, besonders wenn man sich mit der Zeit um 1900 beschäftigt. Einer meiner Lieblingsorte ist das Nikolaiviertel – mit seinen verwinkelten Gassen und historischen Gebäuden fühlt man sich direkt in die Vergangenheit versetzt. Dort bin ich oft spazieren gegangen. Oft bin ich auch über das historische Klinikgelände der alten Charité geschlendert und habe mir vorgestellt, wie Ärzte und Krankenschwestern damals gearbeitet haben. Auch wenn der erste Teil meines Romans nicht an der Charité spielt.

Die Kapitel über Valerie habe ich teilweise in einem Café nahe dem Hausvogteiplatz geschrieben, wo früher die Konfektionsindustrie blühte, die durchaus mit Paris konkurrieren konnte. Viele Händler und Hersteller hatten einen jüdischen Background, weshalb nach dem Zweiten Weltkrieg kaum etwas davon übrigblieb. Die neuen Besitzer führten die Betriebe oft ohne Fachwissen oder Leidenschaft für Mode, sondern meist aus Profitgier und nationalistischen Motiven, beides schlechte Ratgeber.

 

Was machst du, wenn du mal eine Schreibblockade hast?

Da ist mit bei diesem Roman zum Glück nicht passiert, was vielleicht auch daran lag, dass ich gut vorbereitet war, bevor ich wirklich mit dem Schreiben angefangen habe. Und dann, als ich einmal drin war, lief es irgendwie ganz von selbst. Aber wenn ich mal ins Stocken gerate, fahre ich raus in die Natur. Frische Luft, ein anderer Fokus und andere Gedanken können manchmal Wunder wirken. Genauso wie der Austausch mit geschätzten Kollegen.

 

Beschreibe deine Protagonistin mit nur 5 Worten.

Grete ist zäh, empathisch, zielgerichtet, wissbegierig und aufopferungsvoll.

Valerie ist clever, hartnäckig, charmant, quirlig und offen.

Wie kam es dazu, dass du Liebes- und Gesellschaftskonventionen in der damaligen Zeit zum Thema deines Buches gemacht hast?

In erster Linie wollte ich einfach keinen klassischen historischen Roman erzählen und habe dementsprechend nach Stellschrauben gesucht, mit denen ich die Konventionen etwas aufbrechen kann. Zum anderen finde ich es einfach spannend, wie stark Liebe und Beziehungen von gesellschaftlichen Normen und Regeln bestimmt waren und heute ja auch teilweise immer noch sind. Heiraten aus Liebe war um das Jahr 1900 nicht selbstverständlich – oft zählten Status, Geld oder Familienehre mehr. Besonders für Frauen gab es enge Grenzen, und wer dagegen verstieß, hatte es schwer. Ich wollte zeigen, wie Menschen trotzdem nach Glück suchten, welche Kompromisse sie eingingen und wie mutig manche waren, diese Regeln zu brechen. All das bietet spannende Geschichten, die auch heute noch relevant sind. Deshalb fand ich es reizvoll, zu zeigen, wie unmöglich es für Grete erschien, sich ihre Gefühle einzugestehen. Ich hoffe, dass ich ihren Umgang damit, und ihren Weg, diese Liebe zu leben, gut darstellen konnte.

 

Arbeitest du gerade an einem anderen Buch und wenn ja, kannst du uns schon einen kleinen Einblick geben?

Ideen habe ich viele Aber gerade sortiere ich meine Notizen für eine eventuelle Fortsetzung von Gretes, Valeries und Johanns Geschichte um den ersten Weltkrieg herum. Denn das war sowohl für die Schönheitschirurgie als auch für die Mode eine spannende Zeit. Aber auch für die persönlichen Geschichten meiner Figuren habe ich noch einiges auf Lager, was für mindestens zwei weitere Teile reichen würde. Also schauen wir mal