Interview Thomas Tippner im Interview

Worum geht es in deinem Buch Das Vermächtnis der McBrights?

Um großes Gefühl, eine Intrige und darum, der zu werden, der man ist, egal was andere von einem denken.

Es ist ja eines meiner immer wiederkehrenden Themen. Und es geht auch darum, mit der Vergangenheit abschließen zu können, um aus ihr zu lernen, ohne zu verbittern. Dass es immer wieder zu Unwegsamkeiten kommen kann und man sie eher als kleine Lehrer, anstatt als große Stolpersteine, zu sehen.

Es ist ja leider so, dass wir heutzutage eher das Negative, als das Positive sehen. Was ich sehr schade finde. Denn es gibt so viel zu entdecken, so viel zu sehen, und es ist doch so viel schöner, sich zu freuen, als sich zu ärgern.

Und natürlich darf die Intrige nicht fehlen – denn ohne den Spiegel, in den wir gucken dürfen, um zu erkennen, wer wir sind, wären wir ja nichts. Und die Intrige dient mir ja auch dazu, nicht nur – hoffentlich – Spannung zu erzeugen, sondern auch den Blick auf die Menschen zu schärfen, die uns Gutes und nichts Böses wollen.

 

Wie lange hast du an diesem Buch geschrieben?

Viel zu lange. Viel, viel zu lange. Eigentlich gehen mir Geschichten, die geplant und vom Verlag abgenommen sind, schnell von der Hand. Aber als ich angefangen habe zu schreiben, fiel mir auf, wie unsympathisch Edward ist und wie leichtfüßig meine Lindsey. Und schon nach der ersten Begegnung der beiden war mir klar – so einen Typen würde niemand liebenswert finden, geschweige denn sich in ihn verlieben.

Und Lindsey braucht die Liebe – denn sie muss ja an sich und ihrem erlittenen Schicksal wachsen. Aber mit einem Typen wie meinem „ersten“ Edward wäre das unmöglich gewesen. So wollte ich Edward einen Assistenten an die Seite stellen, der Edward liebenswert macht. Um dann das Dilemma zu haben – warum sollte sein Assistent so einen Stinkstiefel positiv besetzen wollen und wieso findet Lindsey den Assistenten dann nicht netter?

Also den Assistenten streichen, weiter knobeln, Szenen schreiben, die einem leicht von der Hand gingen.

Dann wollte ich Edward eine beste Freundin an die Seite stellen. Wieder das selbe Dilemma. Schließlich wollte ich dann eine Großmutter integrieren – die ja meine ganze Geschichte torpediert hätte, da sie ja das ganze Familiengeheimnis ausplappern würde – außerdem geht es ja auch schon um Edwards Oma.

Ich merkte einfach, der Stinkstiefel Edward bekommt nicht eine Möglichkeit, sich irgendwie freundlich zu präsentieren. Und dann kam mir die Szene mit dem Kind am See in den Sinn. Dass Lindsey sehen konnte, wie Edward tickt, dass er sich für ein Kind in die Fluten stürzt. Und plötzlich wurde aus dem Mann, der eine Journalistin von sich fernhalten wollte, die hinter sein Geheimnis kommen will, eine verletzte Persönlichkeit, die Kinder liebt.

Warum liegen ihm Kinder am Herzen?

Was ist es, was sie in seinen Augen beschützenswert macht?

So nahm mein Edward endlich Gestalt an und das obergeordnete Familiengeheimnis, das ich erst erzählen wollte, wurde in die Geschichte von Edward eingewoben und plötzlich hatte alles Hand und Fuß. Und endlich konnte ich einen Edward erzählen, der begreifen musste, dass man nur glücklich wird, wenn man sich öffnet und nicht verschließt.

Ich sag euch, das war richtig schwer und hat mich viele Nächte des Grübelns gekostet, des Ausprobierens, des Löschens und des Neuschreibens.

Keine Ahnung, wie oft ich die Datei löschen und dem Verlag sagen wollte: „So, das war es jetzt. Ich packe es nicht. Ich trete vom Vertrag zurück.“

Zum Glück habe ich es nicht getan.

Denn das Vermächtnis ist dann doch zu schön geworfen, als dass man es in den virtuellen Müll werfen sollte.

 

Du arbeitest unter verschiedenen Namen – gibt es Unterschiede im kreativen Prozess, je nach „Maske“, die du anlegst?

Nein. Ich versuche immer, eine runde Geschichte zu erzählen. Ich weiß ja, dass ich als Nele Hansen eher auf die Liebe gehe, auf das romantische Herz, das jeden zum Seufzen bringen soll.

Und als Thomas Tippner bin ich da ja etwas freier und kann mehr experimentieren und auch Geschichten aus anderen Blickwinkeln erzählen. Das ist beim Flüstern der Elbe so gewesen und jetzt auch beim Vermächtnis der McBrights.

Hier kann ich mehr Perspektiven einnehmen.

Nele aber gefällt mir dahingehend gut, weil ich mich da auf total sicherem Boden bewege. Die Geschichten sind alle individuell, haben aber immer das übergeordnete Thema Liebe in sich. Und das ist das Schöne an Nele. Ich kann der Liebe aus so vielen unterschiedlichen Richtungen begegnen. Sie selbst ergründen und neue Perspektiven einnehmen.

Daher – ich begegne meinen Geschichten immer auf Augenhöhe und will den Lesern die eine oder andere schöne Stunde ermöglichen.

 

Gab es einen realen Ort, der dich beim Erschaffen des McBright-Anwesens inspiriert hat?

Ich weiß nicht, ob ihr Dan Schockers Macabros kennt. So eine alte Trashheftromanserie, von der es eine wunderbare Hörspielvariante gibt, die Douglas Welbat mit seiner Frau und einem Freund erschaffen hat. Und in der Folge 6 der Hörspielserie Blutregen geht es um ein altes Anwesen, in dem der Geist eines Mädchens umgehen soll. Das fand ich ein spannendes Motiv und dachte mir, so ein Anwesen kannst du ja auch kreieren. Eben nur ohne Geist, ohne Urwesen, die auf Haien durch Blutregen reiten (ihr seht, es ist totaler Trash – aber so wunderbar von Douglas und seiner Frau erzählt).

Na ja, von der Macabros-Geschichte ist nichts in die Geschichte geflossen oder wurde schnell rausgeschrieben, da es ja was Eigenes ist. Und die Vergangenheit von Edward und dem Anwesen hat ja ihre eigene Historie. Es atmet sozusagen seinen eigenen Geist.

Aber anfangs wollte ich es genauso düster und verloren haben – fast unbewohnbar.

Na ja, es ist anders gekommen. Zum Glück, denn sonst hätte meine Lindsey sich nicht so wohl auf dem Grundstück gefühlt.

 

Wie bist du auf die Idee für dieses Buch gekommen?

Auf Mallorca, im Bienentöpfchen in Palmanova. Ich hatte mich mit meiner Agentin Alisha aus der Agentur Ashera getroffen. Wir hatten uns über die Möglichkeit eines Familiengeheimnisses unterhalten. Haben uns die ersten groben Bälle zugeworfen, was wir wie erzählen könnten.

Die erste Idee entstand, ihr habt euch für die Geschichte interessiert und dann ging es los, mit der Ausarbeitung und die oben beschriebenen Probleme sind aufgetaucht. Danke noch einmal dafür, haha.

 

Hattest du schon mal eine Schreibblockade? Wenn ja, wie gehst du damit um?

Nein, eine Blockade hatte ich noch nie. Nur ab und zu eine Nullbockphase. Und die darf sich nicht verfestigen, da ich ja sonst nicht fertig werde. Und die Nullbockphasen entstehen eher dann, wie oben beschrieben, wenn ich nicht weiterkomme. Wenn die Geschichte zwar erzählt werden will, sich aber ziert und sich total sträubt, logisch zu werden.

Aber dafür denkt man ja viel auf den einzelnen Ideen und Strängen herum, um diese Probleme so schnell wie möglich zu lösen.

 

Auf welches deiner bisher geschriebenen Bücher bist du am stolzesten?

Ich mag heute noch sehr gerne Herzklopfen und Meersalz, besonders deshalb, weil es so schön von Yesim Meisheit eingelesen worden ist.

Aber es gibt auch Geschichten die ich mag, weil sie in der Gegenwartsliteratur angesiedelt sind und mal eine andere Erzählweise haben – so wie Seine allererste Liebe zum Beispiel.

Aber besonders stolz bin ich auf Das Flüstern der Elbe, da ich in der Geschichte etwas aus meiner Familiengeschichte erzählen konnte. Und es wichtig ist, den Menschen und nicht irgendeine kranke Ideologie zu sehen.

Und dann ist da noch der Booksnack von euch – Schockverliebt. Eine Geschichte über Masken und den Sinn, den Menschen zu sehen und nicht das, was er vorgibt zu sein.

 

Gibt es Autoren oder Werke, die dich besonders inspirieren?

Oh ja, da gibt es einige.

So alte Meister wie Edgar Allan Poe zum Beispiel, H.G. Wells, Doyle, Fallada. Alles fantastische Erzähler. Und heute liebe ich die Geschichten von T.C. Boyle, von John Green und die Gegenwartsliteratur von Stephen King. Alles Leute, die es schaffen, mich voll in ihren Bann und deren Figuren zu schlagen. Ich kann so gut abtauchen, wenn ich Boyles Talk Talk lese oder seinen Roman Die Frauen. Und ich lache mich kaputt über Grün ist die Hoffnung.

Dasselbe bei King. Allein die Geschichte Feuerwerksrausch ist köstlich, oder Angeschlagen hat mich bitter schlucken lassen. Der Antwortmann hat mich nachdenklich zurückgelassen. Und ich bin von dem Schaffen von John Green fasziniert. Wie er Zum ersten Mal verliebt – zum 19. Mal schreibt, ist irre. Oder einen gefangen nimmt bei Eine wie Alaska. Absoluter Wahnsinn. Ja, diese Autoren sind faszinierend und holen mich immer wieder ab.

Aber auch Geschichtenerzähler wie Frank Miller finde ich super – der viel im Batman-Universum aktiv war und ist.