Kapitel Eins
Lady Rowena schnappte beim Anblick von Lord Raouls majestätischem, purpur behelmten Krieger der Liebe vor Entsetzen nach Luft.
„Gütiger Gott“, keuchte sie, einer Ohnmacht nahe. Ihre Augen weiteten sich, als der Krieger vorwärts schnellte und seine mächtige Lanze vor ihr schwenkte. „Wie wollt Ihr dieses mächtige Schwert in meine kleine und bisher noch unberührte seidene Scheide bekommen?“
„Genau so“, knurrte Raoul, und er warf sich auf sie und tauchte tief, tief, oh so tief in ihre Tiefen ein, entriss ihr das wertvollste Juwel der Weiblichkeit und entlockte ihr einen Schrei des Vergnügens, als er seine Liebeslanze in ihr versenkte.
„Also, was meinst du?“
Ich konnte die Stille fast greifen.
„Komm schon, Isabella, du hast gesagt, du würdest mir hiermit helfen. Was meinst du dazu? Du kannst ehrlich sein, du wirst meine Gefühle schon nicht verletzen.“
„Nun …“
„Es ist sehr lebendig, oder?“
„Ja …“
„Magst du die Symbolik? Ich habe versucht, es anschaulich zu gestalten.“ Ich angelte mir die Teetasse und umschloss ihren kleinen runden Bauch. Er war kalt. Mist. Ich erhob mich von meinem Sitzkissen und tappte barfuß in das Kämmerchen, das als Küche galt.
„Ja, es ist sehr lebendig …“
„Und wie du siehst, habe ich sie im ersten Kapitel schon im Bett. Sex sells, weißt du, und ich habe mit einem großen Knall angefangen. Ha ha, ein Knall, verstehst du?“ Ich kicherte vor mich hin, während ich den Wasserkocher anstellte.
„Ähm …“
„Also, was meinst du nun? Findest du es gut?“ Ich ging zurück und stand schließlich vor der jungen Frau, die sich auf der Weidenrécamiere fläzte. Isabella nagte an ihrer Unterlippe und sah ein wenig unbehaglich aus, obwohl sie auf dem bequemsten Möbelstück in der Wohnung lag. „Alix …“
„Ja?“
„Es ist furchtbar.“
Ich runzelte die Stirn. Furchtbar? Meine Geschichte? „Sicher ist es doch nicht so schlimm, oder?“
Isabella zog eine Grimasse und wedelte mit ihrer schlanken Hand mit den rosa lackierten Nägeln auf eine beiläufige Art und Weise in meine Richtung, als würde sie eine unwichtige Mücke erschlagen.
„Es tut mir leid, Liebling, aber das ist es. Es ist einfach nur furchtbar. Grässlich. Abgedroschen und abscheulich brutal.“
„Brutal? Es ist nicht brutal, es ist erotisch! Das ist ein Unterschied.“
Sie schüttelte den Kopf, ihr Haar ein glänzender Vorhang aus Silberblond, das in meinem Herz meinen eigenen dunklen Haaren geschuldet den heftigsten Neid erweckte, und erhob sich in eine sitzende Position. Sie klopfte auf den Stapel der Manuskriptseiten, der auf dem kleinen Weidentisch neben der Récamiere lag. „Das ist nicht erotisch, es ist gleichbedeutend mit Vergewaltigung. Da sind keine Gefühle im Spiel, bei keinem der beiden Charaktere, kein Vorspiel, keine Zuneigung, nur ein Mann, der sich nimmt, was er kann.“
„Oh.“ Ich spürte, wie mein Gesichtsausdruck gemeinsam mit meinen Gefühlen in den Keller rauschte, aber sofort sah ich wieder einen Weg nach oben. Immerhin sagte Isabella von sich selbst, dass sie keine Romane las, und vielleicht würde sie einen guten nicht einmal erkennen, wenn er ihr in den Hintern biss. Trotzdem war es wichtig, dass ich das hier auf Anhieb verstand – ich hatte nicht viel Zeit, mich damit zu befassen. „Mochtest du Lady Rowena nicht? Oder den schneidigen Lord Raoul? Was kann man an ihm nicht mögen?“
„Ich mochte keinen von beiden. Nein, das stimmt nicht. Ich mochte Rowena. Und ich schätze, Raoul ist vielversprechend.“ Sie wedelte erneut mit der Hand und zuckte leicht mit den Schultern, während ich meinen Fuß um einen dreibeinigen Hocker wand, ihn zu mir heranzog und mich vorsichtig darauf setzte. Ich hatte Erfahrung mit diesem Hocker gesammelt in den zehn Tagen, in denen ich in der Wohnung wohnte, und begegnete ihm nun mit dem nötigen Respekt. Mehr als einmal war ich unvorsichtig gewesen, mit dem Resultat, dass der Hocker mich abgeworfen hatte und ich grausame Brandverletzungen von diesem grässlich kratzigen, orangefarbenen Polyesterteppichboden davongetragen hatte.
„Ehrlich, Alix, es sind nicht die Personen, es ist deine Art zu schreiben.“
Ich setzte mich auf und griff nach der Platte mit den Zitronenkeksen, von denen Isabella sich gerade einen nehmen wollte. Das war jetzt wirklich ein bisschen viel! „Was stimmt nicht mit meiner Art zu schreiben?“
„Na ja, sie ist ein bisschen … purpur.“
„Purpur!“
„Ja, purpur. Überzogen. Niemand nennt einen Schwanz einen purpur behelmten Krieger der Liebe.“
Ich wurde ein bisschen rot. „Na ja, ich nenne es auch nicht … du weißt schon.“
„Was?“
„Du weißt schon. Wie du es genannt hast. Das Sch-Wort.“
„Schwanz?“
„Ja.“
„Wie nennst du es?“
„Ich verwende beschönigende Umschreibungen“, sagte ich mit großer Würde und erlaubte Isabella, sich genau einen Zitronenkeks zu nehmen. Es waren meine Lieblingskekse, und sie waren sehr teuer. Aber sie war meine Vermieterin und sie hatte freiwillig angeboten, mir ihre Meinung zu meinem Werk mitzuteilen. Manchmal waren Opfer eben unvermeidlich. „Trotzdem möchte ich letztendlich Schriftstellerin werden. Ich denke, ich werde eben eher auf der überschwänglichen Seite stehen, um genau zu sein.“
Isabella schürzte die Lippen und legte einen eleganten Finger auf deren rosige Fülle. Als ich ihren perfekten Mund in ihrem perfekten Gesicht auf ihrem perfekten Körper anschaute, sog ich meine Unterlippe ein und knabberte die Hautfetzen ab, die sie zierten. Währenddessen notierte ich mir in Gedanken, herauszufinden, ob die staatliche Krankenversicherung für Amerikaner auf Besuch plastische Chirurgie abdeckte.
„Euphemismen wie Liebeslanze und irgendetwas mit einem Helm sind passé, Alix. Ich schlage vor, du versuchst etwas weniger Blumiges.“
„Blumig, ja?“ Sie nickte. Ich dachte darüber nach. „Wie wäre es, wenn ich die erste Zeile wie folgt ändere: Lady Rowena schnappte beim Anblick von Lord Raouls pulsierender Männlichkeit nach Luft …“
„Nein“, sagte Isabella entschieden und schüttelte den Kopf. Ihre Pagenfrisur wippte nachdrücklich. „Kein Pulsieren. Nichts sollte pulsieren. Es klingt, als wäre etwas krank. Denk dir etwas anderes aus.“
„Mmm … Lümmel und Schniedel?“
Sie hob eine perfekt geformte hellblonde Augenbraue. „Ich denke nicht.“
„Ähm … Fleischpeitsche?“
„Wirklich, Alix, das ist nicht dein Ernst.“
„Wie wär's mit Ständer? Ständer ist gut. Ich mag Ständer. Ständer hört sich männlich und kräftig an und nicht im Mindesten krank.“
„Nein“, sagte sie gedehnt, nachdem sie einen Moment überlegt hatte. „Das ist zu plump. Wenn du meinen Rat hören willst …“
„Was ist mit Gemächt?“
„Was?“
„Zu altertümlich?“
„Definitiv.“
„Wie wär's mit Streitaxt?“
Sie schauderte leicht. „Zu gewalttätig. Wieso musst du um den heißen Brei herumreden? Wenn du nicht Schwanz sagen willst, dann sag eben Glied.“
„Glied“, spottete ich. „Glied! Wie prosaisch. Glied.“
Sie schaute auf die schmale Golduhr an ihrem filigranen Handgelenk. Ich gab meinen Protest auf und ging zum nächsten Thema über, denn ich hielt es für besser, die wirklich wichtigen Dinge zu klären. Wenn ich eins gelernt hatte, dann war es, sich nicht über Kleinigkeiten den Kopf zu zerbrechen.
„Na schön, damit wir endlich weiterkommen, ich nehme Glied. Jetzt zur nächsten Szene …“
„Weißt du, Schätzchen, ganz ehrlich, ich glaube du bist ein bisschen überfordert mit dem Projekt. Du hast selbst gesagt, dass du noch nie etwas geschrieben hast, und nun gleich mit einem Roman zu beginnen scheint mir ein wenig …“
„Gewagt?“
Sie seufzte. „Ambitioniert. Alix, ich glaube, du solltest deinen Plan noch einmal überdenken. Sicher würde deine Mutter es verstehen, wenn du zu dem Schluss kämst, dass es für dich einfach zu viel ist, um es in drei Monaten zu bewältigen. Warum genießt du nicht einfach deinen Urlaub, anstatt die ganze Zeit zu schreiben? Du könntest herumreisen, nach Europa fahren, dir den Rest Englands ansehen …“ Sie schwieg, als ich eine ungezogene Grimasse schnitt.
„Ich denke, du hast meine Mutter anhand des Geldes, das sie für die Wohnung überwiesen hat, nicht besonders gut kennengelernt, aber ich kann dir sagen, dass unsere Vereinbarung in Stein gemeißelt ist. Und es sind keine Änderungen erlaubt: Sie bezahlt diese recht teure Wohnung für zwei Monate, und ich schreibe ein Buch. So einfach ist das. Wenn ich es nicht schaffe …“ Mein Mund wurde trocken angesichts der Alternative. „Nun, ich möchte lieber nicht daran denken. Wenn ich das Buch beende, kann ich leben wie Gott in Frankreich. Mom hat zugestimmt, dass ich ein Jahr mietfrei in der Wohnung über ihrer Garage wohnen kann, um mich als Schriftstellerin zu etablieren. Danach ist meine weitere Zukunft verhandelbar.“
Träge griff sie nach dem roten Lackfächer, der auf dem Beistelltisch neben dem Teetablett lag. Ich ignorierte die Fragen in ihren Augen und sah nach dem Teewasser.
„Falls du dich wunderst, ich habe diese Teebeutel weggeschmissen und mache den Tee jetzt so, wie du ihn magst. Obwohl ich zugeben muss, dass es mir immer noch ein Rätsel ist, wie ihr Engländer im Hochsommer heißen Tee trinken könnt.“ Ich füllte die Teekanne mit heißem Wasser und gab losen Tee hinzu. „Man sollte Eistee trinken, wenn es draußen dermaßen heiß ist.“
Isabella inspizierte ihre perfekt lackierten, roséfarbenen Fußnägel. „Tee sollte heiß sein und nicht kalt“, sagte sie spitzfindig und lächelte, während ich den Tee auf den kleinen Tisch neben ihr stellte. „Und Kaffee sollte mit Milch getrunken werden und nicht schwarz.“
Ich schauderte, als ich das Sitzkissen neben den Tisch kickte. „Ich werde nicht schon wieder mit dir darüber diskutieren. Du vergisst, dass ich aus Seattle bin. Wenn es nicht stark genug ist, um Farbe zu lösen, ist es kein richtiger Kaffee.“
„Du sagst das mit Stolz.“
Sofort lag mir eine neunmalkluge Antwort auf den Lippen, aber sie schwand dahin, als ich einen Ausdruck von Besorgnis in ihren Augen sah. Ich hatte ihr nicht viel über mein Leben erzählt, aber Isabella hatte offenbar die unheimliche Gabe, hinter die Kulissen zu blicken. Ich lächelte sie reumütig an und ließ mich auf das Kissen plumpsen. „Für Leute aus Seattle ist ihr Kaffee sehr wichtig.“
„Was machst du, wenn du dein Buch nicht fertig kriegst?“
Ich überlegte, was ich ihr sagen sollte, während ich Mutti spielte und Tee eingoss, ihren mit Milch, meinen mit Zitrone. Ich kannte Isabella erst seit wenig mehr als einer Woche. Seit dem Tag, an dem ich die Wohnung zur Untermiete übernommen hatte. Sie war sehr höflich, aber ziemlich distanziert gewesen, erwärmte sich meiner aber von Tag zu Tag mehr, bis ich ihr gestern von dem Grund für meinen Aufenthalt in London erzählt hatte. Obwohl wir täglich nur ein paar Stunden am Nachmittag miteinander verbrachten, hatte sich unsere Freundschaft sehr angenehm entwickelt. Ich vertraute ihr wie nur wenigen sonst.
„Wenn ich es als Schriftstellerin nicht schaffe, werde ich …“ Ich machte eine Pause, starrte in meinen Tee und hoffte auf Inspiration, auf ein lebensveränderndes Ereignis, auf Hoffnung. „… werde ich ein Sklave sein, der keine Zukunft hat. Keine. Niemals.“
Sie schloss die Lider über ihren himmelblauen Augen. Draußen heulte die Sirene eines Streifenwagens, der sich durch den dichten Nachmittagsverkehr kämpfte, um die Ecken des Beale Square fuhr und endlich Gott weiß wohin entschwand. Wir tranken unseren Tee in kameradschaftlichem Schweigen. Der aromatische Duft des Earl Greys vermischte sich mit dem intensiven Geruch der frischen Zitrone und der leicht sauren Note der Blumen, die ich im Laden an der Ecke gekauft hatte. Ich hörte auf, das Unvermeidliche vermeiden zu wollen, und sah Isabella an.
„Ich muss los“, sagte sie mit ehrlichem Bedauern und stellte ihre Teetasse neben den wenigen Seiten meines Buches ab. Für einen kurzen Augenblick erschien eine feine Linie zwischen ihren Augenbrauen, als sie die Seiten ansah. Dann wurde ihre Stirn wieder glatt, und sie erhob sich graziös von der Récamiere, strich mit ihren Händen über ihren handgefärbten, blassrosa Hausanzug, den ich fast so sehr begehrte, wie alles, was sie sonst getragen hatte. „Manchmal will man etwas einfach zu sehr, Liebes. Wenn du alles vergisst, was du jemals über das Bücherschreiben gelesen hast, wird dein Stil vielleicht weniger …“
Ich starrte den seidenen Hausanzug einen Augenblick lang an und überlegte, wie viel er wohl gekostet haben mochte, und kam zu dem Schluss, dass er vielleicht teurer war als mein gesamter Englandaufenthalt. „Was?“ Ich erhob mich von meinem Kissen und ging hinüber zur Tür. „Purpur?“ Ich zog einen Schmollmund.
Plötzlich lächelte sie, wobei winzige Lachfältchen rund um ihre tiefblauen Augen erschienen. Sie klopfte mir aufmunternd auf die Hand. „Scheußlich.“
Mein Lächeln wurde ein wenig schwächer, aber ich schaffte es, meinen Dank für ihre Einschätzung zu murmeln.
„Weißt du, was du brauchst?“, fragte sie, während sie ihren Kopf zur Seite neigte und mich ansah. Ich gab meine übliche krumme Haltung auf und machte mich gerade. Ich wünschte, ich hätte etwas Eleganteres an als das schlichte indische Sommerkleidchen, das ich in einem kleinen Laden in der U-Bahn-Station gefunden hatte. Ich wünschte mir auch kurz, nicht so amazonenhaft zu sein, sondern ebenso grazil wie Isabella, schob den Gedanken aber beiseite. Wünsche würden mich nicht kleiner, schlanker oder anmutiger machen.
„Was brauche ich denn?“, fragte ich, sobald sie ihre Musterung meines zerknitterten Kleides, meiner nackten Beine und unlackierten Zehennägel beendet hatte.
Ihr Lächeln wurde breiter, und ein Grübchen erschien auf einer Seite neben ihrem Mundwinkel. „Einen Mann.“
„Aha!“ Ich heulte vor Lachen. „Sicher hast du einen in deiner Tasche, nicht wahr? Ich nehme ihn!“
Fragend hob sie eine perfekte blonde Augenbraue.
„Du dachtest, ich sage, dass ich keinen will, oder? Denk noch mal nach, Schwester. Ich suche schon mein ganzes Leben nach einem Mann.“
„Verstehe.“
„Ich hatte schon welche. Ich will nicht, dass du denkst, ich hätte noch keinen gehabt.“
„Ich habe mir nie vorgestellt, dass du noch keinen hattest.“
„Sie waren nur alle Versager. Ich ziehe Versager irgendwie an, verstehst du. Wenn irgendein komischer Typ ankommt, der denkt es sei sexy, Chips über all meine erogenen Zonen zu reiben, verliebe ich mich in ihn.“
„Das hört sich ziemlich unangenehm an.“
„Das Chips-Zerreiben oder die Versager? Egal, es ist beides unangenehm. Wenn du also einen Typen hast, der einfach nur eine Freundin sucht, bin ich dein Mädchen.“
„Ich bin nicht sicher, ob er eine Freundin sucht…“
„Natürlich muss er lustig sein. Ich mag diese langweiligen Kerle nicht, Anwälte und Karrieretypen. Und ich habe keine Zeit für eine richtige Romanze, weißt du, nur ein Quickie oder zwei.“
Isabella runzelte die Stirn. „Ich bin sicher, dass mein Freund mehr möchte als nur gelegentlichen Sex.“
„Oh, verdammt. Nun, dann bringst du uns besser nicht zusammen. Ich habe weder die Zeit noch die Kraft für dieses ganze Beziehungsding mit einem Kerl. Kennst du nicht jemanden, der nur gelegentlichen Sex will?“
Sie lächelte ein distanziertes, ziemlich kühles Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass du jede Menge solcher Kerle im Drake’s Bum finden kannst.“
Ich zog einen Flunsch. Ich war im Drake’s Bum gewesen. Es war eine örtliche Kneipe, die um ein Haar um ihr Leben modernisiert worden wäre. Nun war es ein angesagter Treff für jene, die sehen und gesehen werden wollten. Überhaupt nicht mein Publikum. „Ich hatte irgendwie auf jemanden gehofft, der bereits den Versager-Test bestanden hat.“
„Da kann ich dir leider nicht helfen. Ich zähle nur selten Versager zu meinem Bekanntenkreis.“ Sie versuchte, sich an mir vorbeizuschleichen.
Ich stellte mich ihr in den Weg und begann zu philosophieren. „Weißt du, Isabella, ich habe schon immer gesagt, dass Männer wie eine Chipstüte sind. Sie mögen knackig und lecker aussehen, aber wenn du mit ihnen fertig bist, bleibt dir nichts als eine leere Tüte.“
Sie hielt inne und runzelte leicht die Stirn. „Ich verstehe diese Analogie nicht wirklich.“
Ich wedelte geringschätzig mit der Hand. „Unwichtig. Der Punkt ist, wenn du keinen Nicht-Versager kennst, der nur ein kleines Abenteuer will, bin ich nicht interessiert.“
Sie schwebte an mir vorbei. „Wenn du deine Meinung änderst, sag mir Bescheid. Der Mann, an den ich denke, würde perfekt zu dir passen. Ich habe das schon an dem Tag gesehen, an dem du hier angekommen bist, aber ich wollte dich erst etwas näher kennenlernen, bevor ich ihn ins Gespräch bringe.“
Eine kupplerische Vermieterin – alles, was ich zu meinem Glück noch brauchte. „Danke, aber nein danke.“
Sie nickte und trat durch die Tür. Ich beobachtete, wie sie die Treppe zum höhergelegenen Stockwerk hochstieg, das sie mit einem weiteren Mieter teilte. Dabei lehnte ich mich an den Türrahmen, um eine Stelle zwischen meinen Schulterblättern zu kratzen.
Ein perfekter Mann. Ha ha! In meinen ganzen neunundzwanzig Jahren hatte ich so etwas noch nicht gesehen. Perfekt für jemand anderen, ohne Zweifel, aber nicht für mich. Ich hatte nicht vor, diesen rutschigen Weg in die Hölle noch mal zu gehen. Nein, nicht ich. Das gebrannte Kind scheut das Feuer. Betrüge mich einmal, Schande über dich; betrüge mich zweimal, Schande über mich. Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube … Oh je.
„Ähm … Isabella?“
„Ja?“, rief sie ohne innezuhalten.
„Du sagtest, dieser Typ passt perfekt zu mir?“
„Perfekt, ja.“
Sie bog um die Ecke und verschwand auf den oberen Treppenstufen.
„Wie perfekt?“, rief ich ihr hinterher, meine guten Manieren über Bord werfend, obwohl ich mir selbst versicherte, dass ich nicht im Mindesten interessiert war.
„Perfekt.“ Selbst ihre Stimme war elegant. Nur runde Vokale und träge englische Fülle.
Ich trat ans Geländer und sah die Treppe hinauf. „Ist dieser perfekte Mann ein Freund von dir?“
„Sozusagen.“ Ihre Stimme drang zu mir herab und wurde schwächer. Ich hörte das Glockenspiel über ihrer Tür leise klingeln, als sie ihre Wohnung betrat. „Er ist mein Liebhaber.“
Kapitel Zwei
„Oh, dass mein geheiligter Lord Raoul mich hier an diesem abscheulichen Ort findet!“ Lady Rowenas cremefarbener, üppiger Busen hob sich, als sie in der stillen Kammer klagte, in die man sie gesperrt hatte. Sie rang ihre Hände und ohne Rücksicht auf Sittsamkeit und Sparsamkeit zerriss sie ihr Kleid. „Oh, wenn ich in dieser dunklen Zeit nur seine fein gemeißelten Lippen küssen könnte! Oh, wenn ich ihn nur in meinen Armen halten und seine zerzausten Locken aus seiner breiten männlichen Stirn streichen könnte! Oh, wenn ich mich nur auf seinen männlichen Alabasterpfeiler setzen und ihn reiten könnte, wie er noch nie zuvor geritten worden ist! Oh! Oh!“
„Seien Sie ehrlich, ist das etwas, wovon Sie gern mehr lesen würden?“
„Na ja … Es ist sehr anrüchig, nicht? Ich meine, mit seinem Pfeiler und ihrem Busen und so.“
Ich verlagerte das Gewicht auf meine Knie und bewegte meinen rechten Knöchel, um wieder Gefühl in meinen Fuß zu bringen. Ich hatte so lange neben dem Rollwagen mit Büchern gehockt, dass meine Füße ganz taub waren. „In Amerika kommt in allen Romanen Sex vor. Sie sagten, Sie lesen Romane, richtig?“
Die Bibliothekarin neigte in einer schüchternen Bewegung den Kopf und schob den Rollwagen vorwärts die Regalreihen entlang. Ich folgte ihr auf meinen Knien.
„Abgesehen von seinem Pfeiler und ihren Hupen, was denken Sie? Ist das ein Buch, das Sie kaufen würden?“
Die Frau sah sich nervös um, beugte sich nah zu mir heran und flüsterte: „Ich denke, Sie sollten die Pornografie herausnehmen. Romantik hat nichts mit Sex zu tun, wissen Sie. Es geht dabei um zwei Menschen, die sich ineinander verlieben.“ Sie lächelte ein angespanntes kleines Lächeln und nickte, während sie den Rollwagen weiterschob. Ich sah auf das Manuskript in meinen Händen hinab. Kein Sex?
Ich dachte über den Kein-Sex-Standpunkt nach, während ich in meine süße kleine Wohnung zurückging. In dieselbe süße kleine Wohnung, in der ich mich gestern fast totgelacht hätte über Isabellas Angebot, mir ihren aktuellen Toyboy zu überlassen. Oh ja, ich hatte gelacht, als Isabella durchs Treppenhaus rief, dieser perfekte Mann – der Mann, von dem sie glaubte, er sei für mich gemacht – sei ihr Liebhaber. Ich lachte und rollte mit den Augen, als ich in meine kleine feine Wohnung zurückging, um den leeren Raum zu fragen: „Ja, richtig, als hätte der Esel mich im Galopp verloren, oder was?“ Die traurige Wahrheit ist, dass ich, nachdem ich mit Lachen fertig war, begann, ernsthaft über das nachzudenken, was Isabella gesagt hatte.
Ich schätze, es bedarf einer Erklärung, warum Isabellas Angebot auch nur ein Fünkchen Interesse bei jemandem erwecken sollte, der die letzten zehn Jahre seines Lebens damit verbracht hatte, von Versager zu Versager zu springen und ab und zu mal bei einem richtigen Verlierer zu landen, nur um die Monotonie ein wenig aufzulockern.
Die beste Freundin meiner Mutter aus Schulzeiten hatte einen reichen Briten geheiratet. Sie hatten eine Tochter, Stephanie. Steph verbrachte den Sommer in Australien und suchte für ihre ruhig gelegene Wohnung in einem alten Haus einen Zwischenmieter. Nach sechs langen Verhandlungswochen trafen Mom und ich die Abmachung, dass sie die Wohnung bezahlte und ich mich als Schriftstellerin versuchte.
Es gab allerdings noch mehr als nur das Arrangement zwischen Mom und mir; es war die kleine Angelegenheit meines gesamten Lebens, meiner Zukunft, meiner Träume und Hoffnungen und … ja, ich will ehrlich sein, ich war nie besonders erfolgreich im Leben – etwas, das meine Mutter nicht müde wird, mir von Zeit zu Zeit vorzuhalten. Ich war einmal mit einem Microsoft-Yuppie verheiratet gewesen, der nur für seine Arbeit lebte. Er ließ sich von mir scheiden, nachdem er zu dem Schluss gekommen war, ich würde Unglück bringen. Ich hatte achtzehn Jobs in den letzten zehn Jahren, die mit praktisch allem zu tun hatten: Ich habe Kaugummi von den Fußböden irgendwelcher Kinos gekratzt, mit starrem Blick die Mikrofilm-Schecks einer Bank geprüft und die Hunde von Leuten spazieren geführt, die keine Zeit hatten, mit ihren eigenen Hunden Gassi zu gehen. In denselben zehn Jahren hatte ich eine geringfügig kleinere Zahl von Beziehungen mit Typen, von denen einige Charles Manson mühelos an Gruseligkeit überbieten konnten.
Auch wenn es so aussah, als wäre es mein einziges Ziel, als Schriftstellerin erfolgreich zu sein – und meine Motivation zum Erfolg ist stark, denn ein Misserfolg würde bedeuten, dass ich mein Leben aufgeben müsste, um mich in einem Provinznest in einer Wüste im östlichen Washington um die körperlichen Bedürfnisse meiner Großmutter väterlicherseits zu kümmern – war es mir noch viel wichtiger, meiner Mutter ein für alle Mal zu beweisen, dass ich in etwas erfolgreich sein konnte. In irgendetwas. Nur einmal wollte ich ganz oben sein, und sie sollte dabei zusehen, wie ich triumphierte.
Das Bedürfnis nach elterlicher Anerkennung ist ein schweres und unhandliches Päckchen.
Als ich zum ersten Mal in das Haus in London kam, begrüßte Isabella mich höflich, gab mir die Schlüssel, zeigte mir die Wohnung, die für die nächsten beiden Monate mein Zuhause sein sollte, und erklärte kurz, wer die anderen Mieter waren.
„Im Erdgeschoss wohnen zwei Familien mit Kindern“, sagte sie mit einem affektierten englischen Akzent, der mir vor Entzücken eine Gänsehaut über den Rücken jagte. England! Ich war wirklich in England!
Sie runzelte kurz die Stirn beim Anblick eines überdimensionierten goldenen Sitzkissens und rückte es ein winziges Stück nach links.
„Die Familien sind verwandt – Schwestern – und beide verbringen ihren Sommer in der Provence. Ihre Wohnungen sind an Gastwissenschaftler untervermietet. Das sollte repariert werden.“
Ich schaute in die Richtung, in die sie zeigte, und sah, dass eines der Seitenfenster nicht ganz richtig schloss.
„Das ist kein Problem. Ich bezweifle, dass jemand drei Stockwerke heraufklettern würde, um in diese Wohnung einzubrechen.“
„Mmm.“ Sie ging weiter, um einen hässlichen Van-Gogh-Druck gerade zu rücken. „Den ersten Stock teilen sich Dr. Bollocks – er lehrt an der London University – und die Muttsnuts.“ Sie schürzte ihre Lippen und schüttelte kurz ihren Kopf, als sie den letzteren Namen erwähnte. „Sie sind frisch verheiratet. Man sieht sie kaum.“
Dr. Bollocks? Muttsnutts? Herrlich englische Namen – die musste man einfach lieben!
„Im zweiten Stock wohnen zwei Frauen, Miss Bent und Miss Fingers, und Mr. Aspartame. Philippe kommt von den Bahamas.“
Ich sah zu, wie sie kurz an einer abscheulichen gelben Vase voller welkender Gänseblümchen herumfummelte, und fragte mich, wann sie wohl gehen würde, damit ich mich in aller Ruhe auf die breite Couch sinken lassen konnte, die ich in einer Ecke entdeckt hatte. „Fingers. Aspartame. Bahamas. Faszinierend.“
Isabella schob den Perlenvorhang beiseite, der den Eingang zu dem kleinen Kämmerchen namens Küche verdeckte, während ich einen kurzen, sehnsüchtigen Blick in Richtung Couch schickte. Da sie aber keine Anzeichen machte zu verschwinden, stählte ich meine Knie gegen den Jetlag, der sie zum Zittern brachte, und versuchte zuzuhören, was sie sagte.
„Du wirst mit diesem Gasherd vorsichtig sein, nicht wahr?“
Ich nickte zustimmend. Ich war wirklich bereit ihr zu versichern, dass ich das verdammte Ding nie benutzen würde, wenn sie mich nur endlich allein ließe.
„Im dritten Stock befindet sich diese Wohnung und gegenüber von dir leben zwei Studenten, Mr. Skive und Miss Goolies. Sie sind sehr ruhig, du musst dich also nicht um mitternächtliche Partys, laute Musik oder andere Verletzungen der Hausregeln sorgen. Du sagtest, du suchst nach einer ruhigen Wohnung?“
Ich mobilisierte alle Muskeln, die man für ein Lächeln brauchte, aber ich war sicher, dass das Resultat weniger als hübsch war. Isabella wandte den Blick aus verblüffend blauen Augen schnell ab, als ich bestätigte, dass ich in der Tat Ruhe suchte, um ein persönliches Projekt umzusetzen.
„Mr. Block und ich teilen uns das obere Stockwerk“, sagte sie sanft, während sie einen ramponierten Kleiderschrank öffnete und die Nase über den muffigen Geruch rümpfte. „Du solltest den hier lüften, bevor du deine Kleider hineinhängst.“
„Danke“, sagte ich nachdrücklich und bewegte mich in Richtung Tür. „Ich bin sicher, alles wird perfekt sein und ich werde gut in der Wohnung zurechtkommen.“
„Mmm.“ Sie sah ziemlich ungläubig aus, als sie an mir vorbei und durch die offene Tür nach draußen glitt. Ich behielt das halbherzige Lächeln auf dem Gesicht und zählte bis zehn, bevor ich die Tür leise schloss. Besitzergreifend blickte ich mich in der kleinen Wohnung um und ging dann auf direktem Weg zum Bett.
Nach zehn Tagen hatte ich die meisten meiner Nachbarn kennengelernt und war glücklich in meiner neuen Bude – glücklich genug, um über Isabellas lächerliches Angebot zu lächeln und hinauszugehen und ein wenig Recherche für mein Buch zu betreiben. Es war eine Liebesgeschichte aus der Regency-Zeit, und ich wollte sichergehen, dass ich alle Kleinigkeiten bedacht hatte: korrekte Beschreibungen von Rotten Row, Kensington Park, White’s und ähnlichen Landmarken. Ich verbrachte eine angenehme Stunde damit, einen Leserausweis für die neue Bibliothek im British Museum zu bekommen, bevor ich zufrieden nach Hause zurückkehrte. Zufrieden, bis ich meiner Nemesis gegenüberstand.
Isabellas Haus war nicht gerade das, was wir Westküstenamerikaner unter einem Haus verstanden. Es war Teil einer langen Reihe miteinander verbundener Gebäude, die über die gesamte Seite des Platzes reichte. Die Häuser aus weißem Stein hatten nahezu identische schwarze Metallgeländer an weißen Steintreppen, sowie weiße Spitzengardinen in allen Fenstern. Unser Haus hatte eine mahagonifarbene Tür, die meiner Meinung nach aus den Tiefen der Hölle stammte. Die Tür hasste mich. Oder eher das Schloss. Ich hatte gesehen, dass es bei anderen Mietern funktionierte, es war also nicht kaputt. Aber wenn ich mit meinen Armen voller Einkaufstüten näherkam, wandte es sich ab, als könnte es nicht ertragen, mich über die Schwelle zu lassen.
„Du bist heute also in so einer Stimmung“, murmelte ich und ruckelte an dem Schlüssel im Schloss, drehte ihn vor und zurück, um den Mechanismus irgendwie in Gang zu setzen. „Nun gut, mein stählerner Freund, ich habe Neuigkeiten für dich. Ich habe hier eine Kleinigkeit, die dich garantiert zur Vernunft bringen wird!“
Ich legte einen Stapel Taschenbücher auf die Stufen, die ich in einem Krimibuchladen gekauft hatte, dazu meine Lebensmitteleinkäufe und eine kleine spitzblättrige Pflanze, die ich einem Straßenhändler abgekauft hatte. „Aha!“, rief ich, und fuchtelte mit dem kleinen Metalldorn, den ich in einem Glas gefunden hatte, das Stephanie zusammen mit ihren Keramikwerkzeugen aufbewahrte, und den ich seitdem für genau solche Fälle in meiner Handtasche mit mir herumtrug. „Die Rache ist mein, du kleiner Bastard!“ Ich begann, mit dem Dorn im Schloss herumzustochern und murmelte dabei Verwünschungen. „Wir werden schon sehen, wie es dir gefällt, wenn ich dich ausweide“, sagte ich und führte einen besonders fiesen Stich in seine Eingeweide aus. „Du willst dich für mich nicht öffnen, nicht wahr? Ha! Kein Schloss kann mich aussperren, ich bin …“ Ich mühte mich mit meinem Werkzeug ab und lehnte mich mit meinem Gewicht gegen die Tür. Das Metall des Schlosses quietschte unter meinen Stichen. „Ich bin …“ Ein leises metallisches Klicken ertönte. Dem Sieg nahe, drehte ich den Dorn und stocherte in einem anderen Winkel, während ich angestrengt auf meiner Unterlippe kaute. „Ich bin …“
„Ein Einbrecher ist, glaube ich, das Wort, das Sie suchen.“
„Verflixt und zugenäht“, schimpfte ich, wirbelte herum und hielt den Dorn immer noch fest in meiner Hand. Ich kannte den Mann nicht, der auf der Treppe vor dem Haus stand, weswegen ich annahm, dass er einen der Mieter besuchen wollte. Ich starrte für eine Minute in die entzückendsten grünen Augen, die ich je bei einem Mann gesehen hatte, und ließ meinen Blick aufwärts zu einer leicht gerunzelten Stirn schweifen, noch höher zu wundervollem kastanienbraunen Haar, das leicht gewellt nach vorn fiel. Er hatte schöne Wangenknochen, eine lange Nase, Lippen, die vor Verärgerung dünn waren, und ein fein gerundetes Kinn. Ich riss mich zusammen und versuchte nicht daran zu denken, wie diese Lippen wohl aussehen mochten, wenn sie nicht zu einer dünnen Linie zusammengepresst waren.
„Ähm … Das Schloss funktioniert nicht.“
Er sah erneut auf den Dorn in meiner Hand hinab, und eine kastanienbraune Augenbraue schnellte fragend nach oben. Ich fühlte, wie die Röte sich von meinem Hals nach oben ausbreitete. „Ich habe einen Schlüssel, aber er funktioniert nicht. Also dachte ich, ich probiere das hier und sehe, ob ich …“
„… das Schloss überreden könnte, sich zu öffnen. Ja, habe ich gehört.“ Er bedachte mich von oben bis unten mit einem arroganten Blick und wechselte seine lederne Aktentasche von seiner rechten in seine linke Hand. Aus seiner Hosentasche zog er einen Schlüsselbund hervor, schob mich einfach beiseite und steckte den Schlüssel ins Schloss. Die verdammte Tür öffnete sich ohne einen Mucks.
„Die Tür hasst mich“, murmelte ich und bückte mich, um meine Habseligkeiten aufzusammeln.
„Einen Moment bitte“, sagte der grünäugige Schlosser und hielt seine Hand hoch. Er stand recht starr da und hielt seinen Schlüssel und seine Aktentasche umklammert. Auf seiner Stirn hatten sich feine Schweißperlen gebildet. Es waren mindestens sechsundzwanzig Grad und dieser Scherzkeks hatte einen schwarzen Anzug an und sah damit aus wie ein heißer, leicht genervter Anwalt. Er griff hinter sich und zog die Tür wieder zu.
„Hey! Würden Sie die Tür bitte wieder öffnen?“ Ich zog ein Baguette aus meiner Einkaufstasche und schwang es auf angemessen bedrohliche Weise. Er verengte die Augen, als ich einen Schritt näher kam. Ich konnte sein herbes Aftershave riechen, das mich zu vergiften drohte. „Sie öffnen diese Tür jetzt wieder, oder ich schlage Ihnen dieses Baguette auf den Kopf, und ich wette, Sie möchten keinen Kopf voller Krümel haben! Sie könnten auf Ihren Anzug fallen!“
Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „Bedrohen Sie mich, Madam?“, fragte er mit einer tiefen, gehaltvollen Stimme, die mich an Alan Rickman erinnerte, den attraktiven englischen Schauspieler.
„Richtig. Ich wohne hier, Mann. Sehen Sie, ich habe einen Schlüssel!“ Ich zeigte ihm meinen Schlüssel, den ich in meiner Hand hielt, zusammen mit den Henkeln meiner Einkaufstasche, meinen Taschenbüchern und meinem Dorn. Ich hob meine frischgebackene Waffe ein wenig höher. Der Mann war gute zehn Zentimeter größer als ich, aber obwohl er eine Stufe über mir stand, kam ich zu dem Schluss, dass ich ihm das Brot um die Ohren hauen konnte, bis er die Tür öffnete, wenn es drauf ankam.
Er sah nicht eingeschüchtert aus angesichts des drohenden Angriffs mit einem Baguette, aber glücklich schien er darüber auch nicht zu sein. Er zog die Augenbrauen zusammen und musterte mich. Dem Anflug von Missfallen auf seinem Gesicht entnahm ich, dass er keine Bewunderung für den Anblick übrig hatte.
„Sie sind auch kein Hauptgewinn, wissen Sie.“ Er blinzelte überrascht, als ich ihm das Baguette auf die Brust setzte. Das stimmte zwar nicht, aber ich hatte nicht vor, hier zu stehen und mich inspizieren zu lassen wie ein schimmeliges Stück Käse.
„Wie bitte?“
„Wie Sie mich angesehen haben – das war nicht besonders nett. Ich möchte nur, dass Sie wissen, dass Sie mit dieser Alan-Rickmann-Stimme sagen können, was Sie wollen – es interessiert micht nicht.“ Ich nickte nachdrücklich und zog mich ein Stück zurück. Irgendwie schien sein Aftershave mich anzuziehen. Ich kämpfte eine kleine Regung der Lust nieder und sah ebenso düster drein wie er.
„Ich verstehe. Ich danke Ihnen für diese Information. Würden Sie mir nun Ihren Ausweis zeigen?“
Ich glotzte ihn an. Manche Leute hatten echt Nerven! „Meinen was?“
„Ihren Ausweis. Ich nehme an, Sie sind Amerikanerin oder Kanadierin?“
„Amerikanerin. Nicht dass es Sie irgendetwas anginge. Herr Kommissar, könnten Sie nicht einfach die verdammte Tür öffnen und mich in meine Wohnung lassen, bevor meine Eiscreme schmilzt?“
„Sie müssen doch einen Pass haben“, beharrte er.
Ich sah mich auf übertriebene Weise um. „Jesus, ich hätte schwören können, dass ich in Heathrow durch die Passkontrolle gegangen bin. Wenn Sie die Tür schon nicht öffnen wollen, könnten Sie wenigstens aus dem Weg gehen, damit ich sie eintreten kann.“
Er blickte für einen Moment über meinen Kopf hinweg, seufzte und zog dann eine lederne Brieftasche aus der Brusttasche seiner Anzugsjacke. Er klappte sie auf. Ein kleines Foto seines Gesichts, ohne Stirnrunzeln, starrte mich an. Ich las die Worte darüber.
„Metropolitan Police.“
„Richtig.“
„Scotland Yard?“
Er schloss kurz seine Augen und nickte. Ich sah noch mal hin.
„Sie sind ein Detective Inspector! Cool! Wen besuchen Sie hier?”
„Niemanden. Ich wohne hier. Deshalb weiß ich sehr genau, dass Sie das nicht tun, meine liebe kleine brotschwenkende Einbrecherin. Nun zeigen Sie mir bitte Ihren Ausweis.“
„Ich wohne zur Untermiete in Stephanie Shays Wohnung“, sagte ich. Mir fiel auf, dass seine Hände zwar groß, aber schön geformt waren. Ich gebe zu, dass ich besonders auf Männerhände achtete. Und die Kombination aus einem echten Scotland-Yard-Detective, seinem verführerischen Aftershave und diesen Händen machte mich ein bisschen wuschig. „Sie können Isabella fragen. Sie sind nicht einer derjenigen, die im Erdgeschoss wohnen?“
„Nein, ich wohne im vierten Stock.“
Nun war es an mir, überrascht zu blinzeln. „Sie wohnen über mir?“
„Offenbar.“ Er runzelte erneut die Stirn und hob meine spitzblättrige Pflanze auf, um sie genau zu inspizieren. „Tragen Sie für gewöhnlich illegale Drogen mit sich herum?“
„Hä?“
Er hielt mir die Pflanze vor die Nase. Meine Finger berührten seine, als ich versuchte, die Pflanze zu nehmen, aber er ließ sie nicht los. Ich zog fester.
„Sie wissen, dass das eine Marihuanapflanze ist, oder?“
Ich blickte auf meine süße kleine spitzblättrige Pflanze. Sie sah so unschuldig aus! „Ich … nein! Ich habe sie bei einem Typen an der U-Bahn-Station gekauft. Er hatte eine ganze Reihe von denen. Er sagte, es sei … Oh.“
Er hob eine Augenbraue und ließ die Pflanze los. Das Gefühl seiner Finger, die unter meinen entlangglitten, brachte mich zum Labern. „Der Typ, der sie mir verkauft hat, sagte, dass es ein homöopathisches Kraut sei, das benutzt wird, um Freude und Frieden zu bringen, und dass es harmlos sei.“ Ich fühlte die Röte in mein Gesicht schießen, als ich meine Naivität zugab, sagte aber nichts mehr, als er die Tür öffnete und sie für mich aufhielt. Ich lächelte ihn schief an, murmelte der Tür ein Versprechen auf Rache zu und trat in den kleinen Flur.
„Ich werde Isabella nach Ihnen fragen“, warnte er mich, als ich die Treppen hoch ging.
Ich zuckte meine Schultern, so gut es eben ging mit meinen Armen voller Einkäufe, und hörte seine Schritte hinter mir auf den Stufen. „Ich habe Sie nicht angelogen; sie wird Ihnen dasselbe erzählen.“
Ich schaute über meine Schulter, als ich mich auf dem Treppenabsatz umdrehte, und sah zu meiner Befriedigung, dass sein Blick an meinem Hintern klebte. „So so, da sind also doch Fleisch und Blut unter diesem Anzug.“
Sein smaragdgrüner Blick schoss zu mir nach oben. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Wow, ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Mann zum Erröten gebracht habe.“
Er schien noch unnachgiebiger zu werden, wenn das möglich war, seine Kiefer waren so fest zusammengebissen, dass ich die Muskeln vor Anspannung zucken sehen konnte. Offensichtlich bekam der Herr Detective nicht viele Komplimente am Tag. Armer Kerl, hier stand er nun und kam vor Hitze fast um, und ich zog ihn auch noch auf.
„Hey, ist schon gut“, sagte ich mit einem aufmunternden Lächeln und drückte seine Hand, die auf dem Geländer lag, auf freundschaftliche Weise. „Falls Sie sich dann irgendwie besser fühlen, können Sie auch vor mir gehen, und ich gaffe Ihren Hintern an.“
Seine Augen traten ein wenig hervor, und er sah aus, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er lachen oder mit mir schimpfen sollte. Ich lächelte noch ein bisschen mehr und knuffte ihn in die Rippen. „Das war ein Witz, Sherlock. Sie sollen lachen. Wissen Sie, ha ha ha?“
Ein Mundwinkel zuckte, dann der andere, und dann – wer hätte das gedacht, Mutter Maria und alle Heiligen – lächelte er. Ich machte einen Schritt zurück und drückte das Brot an meine Brust. „Oh so beruhige dich, mein armes Herz! Ich muss meine Augen abwenden, bevor dieses umwerfende Lächeln mich in die Knie zwingt und mich all meiner Empfindsamkeit beraubt“, sagte ich mit meiner besten Regency-Heldinnenstimme und grinste, als er ein rostig klingendes Lachen von sich gab.
„Sie benutzen Ihr Lachen nicht oft, oder? Ich wette, es ist wegen all dieser Leichen und Schwerkriminellen, die Sie untersuchen, richtig?“ Ich ging weiter die Treppe hinauf und schwang dabei meine Hüften, nur um zu sehen, ob er hinsah. Er sah hin.
„Sie machen das mit Absicht“, warf er mir vor.
Ich warf ihm über meine Schulter ein Lächeln zu. „Man tut, was man kann“, sagte ich schelmisch und stieg noch ein paar Stufen hinauf, bevor ich innehielt, damit er zu mir aufschließen konnte. „Hey, können Sie mich in dieses Black Museum bringen, von dem ich gehört habe? Ich würde so gern diesen ganzen Jack-the-Ripper-Kram sehen, die Totenmasken und die Dr.-Crippen-Memorabilia.“
Detective Miesepeter schaute mich abgekämpft an und schüttelte den Kopf. „Das Kriminalmuseum ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.“
„Ich weiß. Deshalb frage ich ja Sie, ob sie mich hineinbringen können.“
„Miss … Mrs … Wie heißen Sie eigentlich?“
„Alix.“
„Ja. Und Ihr Name?“
„Alix. Wie heißen Sie?“
Ich hielt abrupt an, als er meinen Ellbogen griff. „Warum fragen Sie mich, wenn Sie es schon wissen?“
„Was? Wovon sprechen Sie?“
Das Stirnrunzeln war wieder da. „Ich habe Sie nach Ihrem Namen gefragt.“
„Und ich habe ihn Ihnen gesagt. Mein Name ist Alix. Kurz für Alexandra, falls Sie es noch nicht erraten haben.“
Das Stirnrunzeln vertiefte sich für eine Minute, glättete sich dann, und ein Lächeln umspielte wieder seine Mundwinkel.
„Sie sollten besser darauf achtgeben, es wird sonst zur Gewohnheit.“ Ich stieg die restlichen Stufen hinauf und suchte vor meiner Tür nach meinem Schlüssel.
„Ich heiße auch Alex“, sagte er mit einer monotonen Stimme und nahm mir die Pflanze und das Brot aus der Hand, damit ich die Tür aufschließen konnte. Er hielt mir die Tür auf und sah zu, wie ich die Einkaufstasche, die Taschenbücher und meine Geldbörse auf dem unglücklichen Tisch neben dem Eingang ablud. Ich nahm das Brot, das er mir hinhielt, und legte es auf den Stapel.
„Sie machen Witze! Wahrscheinlich haben Sie mich gerade für einen Idioten gehalten.“ Ich zog eine Grimasse und fragte mich, was hinter seinem smaragdgrünen Blick vorging. Es war erstaunlich, wie viel Feuer plötzlich darin lag. „Stellen Sie sich das vor, wir haben denselben Namen. Nun, da haben wir die Bescherung!“
Er hob minimal eine Augenbraue.
„Was?“, fragte ich.
„Da haben wir die Bescherung?“
„Habe ich das falsch gesagt? Ich habe gehört, wie jemand im Fernsehen es gesagt hat. Ich dachte, es heißt da haben Sie es.“
Einer seiner Mundwinkel zuckte. „So ist es.“
„Warum haben Sie mich dann so komisch angesehen?“
Er hob seine Hand und strich eine Strähne meines Haares, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte, hinter mein Ohr. Das Blut stieg mir in die Ohren, meine Brustwarzen richteten sich auf und mein Atem ging flacher.
„Es hört sich ein kleines bisschen lächerlich an, wenn Amerikaner es sagen.“
„Oh.“ Mir wurde klar, dass ich gerade beleidigt worden war. Ich ignorierte das Flehen meiner Brustwarzen, sich an ihm zu reiben, presste stattdessen meine Lippen zusammen und legte meine Stirn in Falten. „Blödsinn! Das ist eine einzige große Lüge! Sie wollen mich ärgern, oder? Was für ein Haufen Unsinn! Das ist total verrückt! Also, ich kann …“
Er hob seine Hand als Zeichen der Kapitulation und ein echtes, ehrliches Lächeln erhellte sein Gesicht. „Ich gebe auf. Da haben wir die Bescherung.“
Für einen kurzen Moment lächelte ich zurück und sah, wie sein Gesicht sich verdüsterte und das Lächeln aus seinem Gesicht wich. Ich spürte das fast überwältigende Verlangen, ihn zu küssen, einfach mit meiner Zungenspitze den Punkt zu berühren, an dem sein Unterkiefer in seinen Hals überging. Ich ignorierte die leise Stimme in meinem Kopf, die mich daran erinnerte, dass ich ihn eben erst getroffen hatte, und er sicher nicht an meinesgleichen interessiert wäre, und gab der anderen Stimme nach, die mich zu einem kleinen Flirt drängte, nur um zu sehen, wohin das führen würde. Ich lehnte mich in seine Richtung und atmete seinen Duft ein. Er roch nach Aftershave und Mann und … noch etwas anderem, das ich nicht genau zuordnen konnte. „Bist du dort gewesen, Alex?“
Ein Muskel regte sich in seinem Kiefer, aber er trat nicht zurück. Er ergriff mich auch nicht, um seine Lippen auf meine zu drücken, aber man konnte schließlich nicht alles haben. „Bin ich wo gewesen?“
Ich kam noch ein Stück näher und schaute ihn mit meinem besten Schlafzimmerblick an. „Im Black Museum.“
Ich konnte seinen Puls an seiner Halsschlagader sehen. Sein Adamsapfel bewegte sich über seinem Krawattenknoten. „Ja, war ich.“
„Nimm mich … mit“, flüsterte ich.
Seine Pupillen weiteten sich in seinen schönen grünen Augen. „Bitte?“
Ich neigte leicht meinen Kopf und blies einen kleinen Atemzug an sein Ohr. „Ich hab dich angelogen, Alex. Diese Alan-Rickmann-Stimme macht doch etwas mit mir. Nimmst du mich mit zum Black Museum?“
„Verführst du immer Leute, von denen du einen Gefallen willst?“
Ich grinste, als er einen Schritt näher kam. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Er vermischte sich mit seinem Aftershave, das aus puren Pheromonen zu bestehen schien. „Nicht immer. Nur wenn Drohungen mit Broten nicht funktionieren.“
„Verstehe“, sagte er mit dieser sexy Stimme und neigte leicht seinen Kopf.
Ich drehte meinen Kopf und öffnete meinen Mund gerade weit genug, damit mein Atem seine Lippen streifen konnte. „Also wirst du es tun?“
„Dich mitnehmen?“ Seine Lippen berührten meine, als er sprach, federleicht und angenehm warm. Ich schnappte nach Luft und fragte mich, wohin sie verschwunden war. „Ja, Alix, ich befürchte, wir werden es tun.“
Ich lächelte und meine Lippen berührten seine. Ich genoss den Hitzeschauer, der sich aufgrund dieser leichten Berührung in meinem Bauch bildete. Ich hatte so etwas noch nie gefühlt, noch nicht einmal, als ich mit meinen Ex-Mann ausgegangen war. „Gut“, hauchte ich. „Wann?“
„Bald. Ich möchte dich zuerst ein wenig besser kennenlernen, aber … bald.“
„Gut“, wiederholte ich und wünschte, ich hätte die Nerven, ihm einfach meine Arme um den Hals zu legen und ihn zu küssen, aber meine Vorsicht siegte. Ich umklammerte stattdessen meine Hände hinter meinem Rücken.
Er gab ein leichtes zustimmendes Brummen von sich und ging langsam rückwärts, bis er zur Tür hinaus war.
„Sag mir Bescheid, wann du es angehen willst“, sagte ich mit einem reuigen Lächeln, ein wenig bestürzt über das Gefühl von Verlust, das in mir aufkam, als er sich zurückzog. Ich hatte den Mann gerade erst getroffen, um Himmels willen. Sicher konnte nicht einmal meine ausgehungerte Libido gleich auf den ersten großartigen Engländer reinfallen, der uns begegnet war. „Mein Terminkalender ist recht übersichtlich. Ich brauche nur einen Tag oder so als Vorwarnung.“
Er lächelte nicht mit den Lippen, sondern mit den Augen. Seeehr interessant. Er nickte kurz und drehte sich zur Treppe um.
„Meine Schwester wird schrecklich eifersüchtig sein, weißt du“, rief ich hinter ihm her.
„Wird sie das?“ Er hielt inne und sah mich über seine Schulter hinweg an, einen undurchschaubaren Ausdruck im Gesicht.
„Jep. Sie ist ein riesengroßer Krimifan und wollte schon immer das Black Museum sehen. Sie wird ausrasten, wenn ich ihr erzähle, dass du mich mitnimmst.“
Beide kastanienbraunen Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Ich glaube, ich habe erwähnt, dass das Kriminalmuseum nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, Alix.“
Ich sah, wie er auf den Treppenabsatz stieg, und schloss meinen Mund. „Moment, du hast gerade gesagt, wir werden es tun, und jetzt machst du einen Rückzieher?“
Er hatte einen Fuß auf der untersten Stufe der letzten Treppe. Im Treppenhaus war es zu dunkel, als dass ich seinen Gesichtsausdruck hätte erkennen können, bis er sich zur Seite lehnte, in das Licht, das durch ein Fenster hinter ihm fiel. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd und mir klappte der Unterkiefer herunter. Die kleine Flamme, die unser Flirt entzündet hatte, entwickelte sich zu einem feuerspeienden Vulkan, der drohte, mich an Ort und Stelle auszulöschen. Ich griff nach dem Türrahmen, um meinen plötzlich sehr weichen Knien Halt zu geben.
„Du hast mich gebeten, es zu tun, Alix, und ich beabsichtige voll und ganz, dieser Bitte nachzukommen. Leider ist es mir nicht möglich, dich mit ins Kriminalmuseum zu nehmen.“
Es kam mir vor als wäre jeder Knochen in meinem Körper zu Pudding geschmolzen unter dem Einfluss dieses wölfischen Grinsens. „Aber … aber … du sagtest … wir werden es tun …“ Eine Glühbirne ging in meinem Kopf an. Ich starrte ihn an, unfähig zu glauben, was ich soeben dachte. Sicher hatte er nicht gemeint … Er konnte nicht, er war Engländer und jeder wusste, dass Engländer kühl und reserviert waren und nicht derartig flirteten, und sicher keine Anzug tragenden Detective Inspectors. „Äh …“
„Mach deinen Mund zu, Alix“, sagte er sanft, und entschwand mit einem leichten Nicken die Treppe hinauf.
„Heiliger Strohsack“, sagte ich zu niemandem und sah ihm nach.
Ich schloss die Tür leise hinter mir und lehnte mich dagegen, dachte über das nach, was er gesagt hatte, was ich gesagt hatte, wünschte, ich wäre nicht so ein Idiot gewesen, und erlaubte mir dann, mich einen Moment in dem warmen Versprechen zu sonnen, das in seiner Stimme gelegen hatte. Ich war gerade an dem Punkt angelangt, an dem ich ihn mir nackt auf meiner Récamiere vorstellte, als mir einfiel, was ich zu Isabella über ihren perfekten Mann gesagt hatte. Obwohl Vierter-Stock-Alex genau mein Typ war, war ich mir sicher, dass er nicht an der Art Beziehung interessiert war, die ich mir vorstellte. Er sah nicht aus wie der Quickie-Typ. Und es gab andere Nachteile.
In Gedanken zählte ich all seine Schwächen auf und hob währenddessen meine Einkaufstasche, meine Bücher und das Brot auf. Definitiv hatte er wenig bis gar keinen Sinn für Humor, war arrogant, kratzbürstig, ernsthaft, trug mitten im Hochsommer einen Wollanzug und würde Spaß vermutlich nicht einmal erkennen, wenn er vorbeikäme und vor ihm die Hosen hinunterließe.
Ich sah auf die Bücher und Einkäufe hinab, runzelte meine Stirn und fügte der Liste eine weitere Sünde hinzu. „Der kleine Bastard! Er hat meine Pflanze mitgenommen!“