1. Noemi
In meinem Lieblingscoffeeshop im belebten Berliner Kiez Friedrichshain herrscht am Montagvormittag noch eine angenehme morgendliche Ruhe. Der Laden mit seinen zartrosa gestrichenen Wänden ist fast leer und ich mache es mir in der Ecke am hinteren Fenster gemütlich. Zwei schwangere Frauen sitzen auf dem pinkfarbenen Plüschsofa und lassen sich zwei Caffè Latte bringen. Eine ältere Dame mit einem winzigen Chihuahua auf dem Schoß verspeist genüsslich ihr Stück Käsekuchen. Es ist mir noch zu frisch, um zu dieser Zeit draußen auf dem Bürgersteig zu sitzen, obwohl die strahlende Spätaprilsonne wieder mal die Illusion vermittelt, der Frühling sei endgültig angekommen.
Ich bestelle mir eine heiße Schokolade und ein Cupcake mit sündhaft leckerem Erdbeer-Topping. Als ich in der Geldbörse nach dem Kleingeld fische, wird mir wieder mal bewusst, dass ich dringend einen Job brauche. Seit drei Jahren studiere ich Kunstgeschichte und Slawistik, wohlwissend, dass mir meine Berufswahl nicht gerade eine finanziell abgesicherte Zukunft verspricht. Doch für was Praktisches und Bodenständiges wie BWL oder Lehramt war ich damals nach dem Abi nicht zu begeistern. Ich mag nun mal Sprachen und Kunst, und berechnend war ich auch noch nie. Lieber verbringe ich die restliche Zeit bis zur Rente mit Dingen, die mich interessieren, und verdiene weniger Geld, statt einen gut bezahlten und sicheren, aber langweiligen und nervtötenden Job machen zu müssen. Aber ganz ohne Geld geht es leider auch nicht, und da hilft mein Idealismus nicht wirklich. Noch vor zwei Wochen habe ich neben dem Studium als Babysitterin gearbeitet, doch ich habe gekündigt. Die zwei verwöhnten Kids einer frisch geschiedenen Anwaltsgattin haben mir den letzten Nerv geraubt. Die ständigen Wutanfälle und Bockigkeit der knapp dreijährigen Zwillinge sind mir eine zu große Herausforderung geworden. Ich mag Kinder wirklich, aber diese kleinen Kevins in Doppelpack haben mich an meine Grenzen gebracht. Frau Becker hat zwar öfter meine Engelsgeduld und Gelassenheit gelobt und bewundert. Innerlich kämpfte ich dennoch fast täglich mit dem Wunsch, die Zwillis unter die kalte Dusche zu stecken oder in der Kammer einzusperren, bis sie aufhören zu schreien und sich theatralisch auf den Boden zu schmeißen. Und das taten sie regelmäßig – sei es auf dem Spielplatz, beim Einkaufen, Spazierengehen, Essen, Anziehen oder Zubettgehen. Und zwischendurch auch.
Frau Becker meinte entschuldigend, das wäre ihre Reaktion auf die Scheidung, sie hätten lediglich ein Trennungstrauma und bräuchten besonders viel Aufmerksamkeit und Liebe. Mein starker Verdacht war eher, dass sie ihren Papa, der vor einigen Monaten ausgezogen ist, gar nicht so sehr vermissten, sondern vielmehr ihre Mama. Frau Becker schenkte ihre volle Aufmerksamkeit ihrem jungen Liebhaber, einem unverschämt gut aussehenden Yogalehrer und Tantracoach, der angeblich auch der Grund für die Trennung von ihrem fast zwanzig Jahre älteren Ehemann war. Tagsüber waren die Zwillis bei der Tagesmutter und abends kümmerte ich mich meistens um sie, manchmal sogar jeden Tag in der Woche. Der Job war gut bezahlt, doch ich sah bald ein, dass ich mit diesen beiden Kindern nicht so richtig umgehen konnte, besonders weil sie im Doppelpack vorkamen. An einem Abend, als sie sich nach dem Essen schreiend und tobend weigerten, ins Bett zu gehen, und ich Tomatensauce mitsamt Vollkornspaghetti nicht nur auf meinem T-Shirt, sondern auch in den Haaren hatte, reichte es mir. Ich rief Frau Becker an und sagte ihr ohne viel zu erklären, dass ich kündige und nach Hause gehen möchte. Am Ende taten mir die Zwillis dennoch leid. Die Jungs sahen so süß und unschuldig aus, als sie in ihren Designerbettchen endlich eingeschlafen waren. Trotzdem habe ich meine Entscheidung nicht bereut.
Das Einzige, was ich jetzt bereue, ist meine chronisch leere Geldbörse. Meine Eltern unterstützen mich zwar immer noch finanziell, doch mit meinen zweiundzwanzig Jahren fühle ich mich verpflichtet, für die Extrakosten hier in Berlin selbst auszukommen. Ich gebe zu, mit meinen Mädels gehe ich viel zu oft essen oder einfach mal shoppen, auch wenn ich nicht unbedingt neue Klamotten brauche. Nicht, dass ich mich als verschwenderisch bezeichnen würde. Aber ich gönne mir gerne Sachen, die mir guttun, und die kosten ja meistens Geld. Ein neuer Job muss her, und zwar möglichst schnell. Der Cupcake schmeckt sündhaft gut und ich vergesse sofort meine guten Vorsätze – auf Süßigkeiten zu verzichten und endlich ein paar Kilos abzuspecken. Fett bin ich zwar nicht, aber als schlank kann ich mich auch nicht bezeichnen. Nur wenn ich mich in die enge Shapewearwäsche zwinge, die meinen Hintern und die Hüften schön kaschiert, sehe ich einigermaßen schlank aus. Wenn man aber mit jemandem ins Bett geht, wird spätestens beim Ausziehen klar, dass ich gemogelt habe. Und das will ich nicht. Der Kerl soll sich schließlich nicht verarscht fühlen. Klar könnte ich stolz sagen, ich stehe zu meinen weiblichen Rundungen. Das tue ich ja auch. Ich brauche keinen Push-up-BH und ich besitze einen Hintern wie eine Latina. Die meisten Männer stehen doch auf Frauen mit Kurven, nicht wahr? Es ist alles nur in meinem Kopf … diese blöde Erinnerung an meinen letzten Lover Paul, in den ich wahnsinnig verliebt war. Und der mich nach drei Monaten Beziehung mit meiner Freundin Lara betrogen hat, weil er, wenn er ganz ehrlich ist, doch auf richtig schlanke Frauen steht, wie er mir anschließend gestanden hat. Das hat noch mehr wehgetan als die Tatsache, dass ich nicht nur ihn, sondern auch eine gute Freundin verloren habe. Lara hat eine Modelfigur – lange, schlanke Beine, Wespentaille und einen kleinen, aber knackigen Hintern.
Von der Trennung vor einem halben Jahr habe ich mich schon vollständig erholt. Nur mein Selbstbewusstsein knabbert immer noch an der Tatsache, dass ich für einen so tollen Mann wie Paul offensichtlich zu dick war. Also müssen mindestens fünf Kilo weg, bevor ich mir zutraue, mich auf einen neuen Mann einzulassen. Aber wie bescheuert ist das denn! Vor Pauls Fremdgehen habe ich mich doch pudelwohl in meiner Haut gefühlt und fand mich sexy und attraktiv, so wie ich war. Soll ich jetzt einem untreuen Kerl erlauben, dass er mein gesundes Selbstbild so stark ins Wanken bringt? Nein, diese Genugtuung will ich ihm nicht länger geben! Genüsslich und trotzig beiße ich in den weichen, saftigen Teig. Ich brauche nun mal eine Ersatzbefriedigung, schließlich habe ich meine Bedürfnisse. Mein Körper ist schön so wie er ist und was Paul davon hält, sollte mir an meinem prallen Arsch vorbei gehen!
Endlich mache ich meinen Laptop auf und widme mich meiner Arbeit für die baldige Prüfung in Kunstgeschichte. Das Thema, was ich mir ausgesucht habe, lautet Frau als Muse in der Geschichte der Malerei. Ich recherchiere gerade über Alma Mahler und ihre Beziehung zu den Malern Klimt und Kokoschka. Sie war überhaupt nicht schlank, sie war vielleicht sogar fülliger als ich, aber die Männer waren verrückt nach ihr, und man nannte sie das hübscheste Mädchen von Wien. Wie blöd ist das mit den Schönheitsidealen! Sie setzen uns nur unter Druck, statt unsere Weiblichkeit so zu zelebrieren, wie sie ist. Am liebsten würde ich mir noch einen zweiten Cupcake bestellen, um mir demonstrativ zu beweisen, dass mein Körper genau so attraktiv ist wie der von Lara, jedoch beherrsche ich mich noch rechtzeitig. Ich will ja nicht übertreiben. Dazu klingelt mein Handy. Es ist Ben, mein zwei Jahre älterer Bruder.
„Bruderherz, was gibt’s?“, begrüße ich ihn.
„Morgen Noemi! Schon am Studieren?“
„Ja, ich versuch’s zumindest, der Abgabetermin ist nächste Woche.“
„Sag mal, brauchst du immer noch einen Job? Ich denke, ich hätte was für dich.“
Plötzlich bin ich ganz Ohr. Nicht, dass ich seinen Fähigkeiten als Geschäftsmann besonders vertraue. Seit er sein Informatikstudium geschmissen hat, hat er so einiges versucht auf die Reihe zu bekommen, bislang jedoch ohne großen Erfolg. Aber ich brauche das Geld und daher bin ich bereit, mir anzuhören, was er zu bieten hat.
„Ja, ich brauche sogar dringend einen Job, Paps wird mir so schnell nichts mehr geben“, antworte ich und seufze. Unsere Eltern haben mir vor vier Monaten zum zweiundzwanzigsten Geburtstag ein gebrauchtes Auto geschenkt, und daher traue ich mich auf keinen Fall, nach irgendwelchen Krediten oder sogar Geldgeschenken zu fragen. Ich muss mir die nötige Kohle alleine dazuverdienen, wenn ich schon mit meinem monatlichen Budget nicht klarkomme.
„An was hast du denn gedacht?“, erkundige ich mich interessiert.
„Also … ich habe mich neulich meinem Kumpel Sven als Geschäftspartner angeschlossen. Er hat im Winter ein Start-Up gegründet, also eine Agentur für Hundesitter, und das Geschäft läuft sehr gut, besonders in Prenzlauer Berg und Mitte, daher war das für mich zweifellos eine sichere Investition. Er stellt neue Leute ein, weil die Nachfrage immer größer wird.“
„Hundesitteragentur? Davon hast du mir noch gar nichts erzählt“, unterbreche ich ihn skeptisch.
„Na ja, ich wollte erst eine Weile abwarten und sehen, ob es wirklich so gut läuft, bevor ich es an die große Glocke hänge. Ma und Pa wissen auch noch nichts davon, ich werde es ihnen am Wochenende erzählen, wenn ich sie besuche.“
„Okay, verstehe. Das heißt, du meinst, ich sollte als Hundesitterin arbeiten?“, frage ich mit Zweifel in meiner Stimme.
„Genau. Du magst ja Hunde und sie sind nicht so nervig wie kleine Kinder. Du kriegst pro Stunde zwar etwas weniger, als du es für deine Kevins bekommen hast, aber dafür ist der Job weniger stressig. Hör zu – ich habe sogar ein Sonderangebot für dich. Ein Kunde sucht eine Hundesitterin, die seinen Liebling für mehrere Stunden am Tag versorgen soll, er ist nämlich geschäftlich viel unterwegs und dafür auch bereit, ordentlich zu bezahlen. Bevor Sven den Job an jemand anderen vermittelt, wollte ich erst dich fragen. Du musst dich aber schnell entscheiden. Der Typ will schon heute Nachmittag die Person kennenlernen, die sich um seinen Hund kümmern wird.“
„Schon heute? Das ist aber sehr schnell. Ich weiß nicht so recht …“ Plötzlich komme ich ins Grübeln. Ein Job als Hundesitterin? Hm. Ist vielleicht wirklich entspannter als Babysitten. Aber dafür muss ich mit dem Hund bei jedem Wetter raus.
„Noemi, er bezahlt zwanzig Euro die Stunde …“
Ach, was soll’s, ich brauch den Scheißjob!
„Okay Ben, ich nehme den Job! Sag mir, was ich zu tun habe und wo ich erscheinen muss“, sage ich entschlossen.
„Super! Wir treffen uns um vier vor dem Haus des Kunden. Ich stelle dich ihm vor, du lernst den Hund kennen und wenn alles passt, kannst du gleich anfangen.“
„Einverstanden. Ich hoffe nur, es handelt sich um keinen Kampfhund oder eine sabbernde Dogge?“
„Bestimmt nicht. Ich habe die Hunderasse nicht mehr im Kopf, aber Sven hat schon alles gecheckt, der Hund fällt nicht aus dem Rahmen“, beruhigt mich mein Bruder sofort.
Ben diktiert mir die Adresse in Prenzlauer Berg und verabschiedet sich schon, bevor ich es mir anders überlege. Das kann ja spannend werden. Jetzt bin ich buchstäblich auf den Hund gekommen! Ich hoffe nur, er wird mich einigermaßen mögen und sich als ein braves und pflegeleichtes Hündchen entpuppen, das keine zu großen Schwierigkeiten verursacht.
Kurz vor vier parke ich meinen weißen Smart vor dem Haus am Helmholzplatz und erblicke auch gleich Ben, der gerade von seinem Fahrrad steigt. Ich gebe ihm ein Küsschen auf die Wange.
„Mensch, du siehst gut aus.“ Ich deute auf seinen neuen Haarschnitt. „Richtig smart.“
Er hat sich sein sonst kinnlanges schwarzes Haar kurz schneiden lassen. Dazu trägt er einen Fünf-Tage-Bart, was ihn ein paar Jahre älter wirken lässt und sein Babyface gut kaschiert.
„Danke! Du siehst aber auch prima aus. Hast du abgenommen?“, fragt er lächelnd, und ich weiß nicht, ob er das als Kompliment meint oder mich bloß verarschen will, wie Brüder es halt so gerne tun.
„Nicht, dass ich wüsste.“ Ich beäuge ihn misstrauisch. Ich trage meine neue Jeans mit Slimeffekt und ein schwarzes Top unter der Lederimitatjacke. Dieses Outfit lässt mich tatsächlich ziemlich schlank aussehen. Mein langes Haar habe ich zu einem lockeren Knoten gebunden und meine blauen Augen, die je nach Stimmung mal grüner, mal grauer aussehen, mit einem dünnen Lidstrich und Wimperntusche betont. Nicht, dass ich mich für meinen Hundesitterjob besonders schön machen wollte, aber es kann ja nicht schaden. Es ist auch eine Art Vorstellungsgespräch, was gerade auf mich wartet. Auch wenn mein potenzieller Klient auf vier Pfoten herumläuft und ich in Zukunft seine Häufchen entsorgen muss … Scheiße. Und das wortwörtlich. Warum habe ich nicht früher daran gedacht?
„Bist du bereit?“ Ben schaut mich streng an, bevor er auf die Klingel drückt.
Nicht mehr so überzeugt nicke ich nur, und gleich darauf summt der Türöffner. Wir fahren mit dem Fahrstuhl in die vierte Etage und laufen noch eine Treppe hinauf. Auf dem Namensschild an der Tür steht Flemming, und ehe wir klingeln können, geht sie schon auf.
Das zweitsüßeste Ding, das ich seit Langem gesehen habe, springt mich an – ein flauschiger, blauäugiger Husky-Welpe! Noch süßer ist aber sein Herrchen, das im Türrahmen steht und uns anlächelt. Mittellanges, gekonnt verwuscheltes, schwarzbraunes Haar umrahmt ein Gesicht mit markanten Zügen und einem großen, sinnlichen Mund. Braune Augen mit dichten Wimpern strahlen warm, als der Mann uns mit tiefer und heiserer Stimme begrüßt: „Hey Leute, ich bin Myles Flemming.“ Er trägt ein lockeres T-Shirt zur Jeans und streckt mir seinen tätowierten Arm entgegen. Sein Händedruck fühlt sich kräftig und vertrauenserweckend an.
„Hi, ich bin Noemi Weißbach. Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Ich versuche, unverbindlich freundlich zu schauen und erröte, als sich unsere Blicke treffen. Der Typ ist echt heiß. Die Bilanz meines Blitzchecks ist äußerst zufriedenstellend – hochgewachsen, breitschultrig und mit schön definierten Bizepsen. Auf die Schnelle schätze ich ihn auf Mitte zwanzig.
„Ich denke, wir können uns ruhig duzen, wir sind ja alle unter dreißig.“ Er lächelt gelassen und entblößt dabei seine weißen Zähne, die vorne eine süße, kleine Zahnlücke besitzen. Endlich lasse ich seine Hand los und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Hündchen.
„Hallöchen! Und ich bin Ben Weißbach von der Agentur“, stellt sich Ben vor und die Männer schütteln sich die Hände. „Rein zufällig bin ich Noemis Bruder“, erklärt er zudem, um irgendwelche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
„Ah, verstehe!“ Myles nickt verschmitzt. „Im ersten Augenblick habe ich tatsächlich gedacht, ihr seid ein junges Ehepärchen.“
„Ach wo, wir sind bloß Geschwister und beide ledig.“ Plötzlich kichere ich auf die dämlichste Art und erröte noch mehr, als mir meine peinliche Bemerkung bewusst wird. Mann, das kommt davon, weil ich schon so lange zölibatär lebe! Der erste heiß aussehende Typ verwandelt mein Gehirn gleich zu Pudding! Als ob ihn mein Beziehungsstatus interessieren würde! Rasch verstecke ich mein sicher tomatenrotes Gesicht und beuge mich zu dem Welpen hinab, der immer noch zwischen meinen Beinen rumwuselt. „Na, du Süßer, und wie heißt du?“ Ich nehme das Hündchen in den Arm und hebe es hoch. Der Husky ist herrlich weich und seine eisblauen Augen sind bezaubernd. Also, mit dem niedlichen Wollknäuel werde ich bestimmt gut klarkommen.
„Das ist Luna und eine sie“, erklärt mir Myles und streichelt ihr über das Köpfchen. Dabei fallen ihm die langen Haarsträhnen ins Gesicht und lassen ihn gleichzeitig frech und süß aussehen. Die Hündin leckt sofort begeistert erst seine und dann meine Hand ab.
„Hallo Luna“, sage ich zu ihr und spüre, wie ich strahle, als ich das Hündchen enger an mich drücke. Während Myles seine Hand zurückzieht, streift er mit seinen Fingern über meinen Oberarm. Diese leichte Berührung löst unmittelbar ein warmes, wohliges Gefühl in meinem Bauch aus. Passierte das zufällig, oder hat er das etwa mit Absicht getan?
„Sie ist wunderschön! Wie alt ist sie?“, frage ich Myles, der mich die ganze Zeit aufmerksam beobachtet.
„Sie ist drei Monate alt. Aber bitte, kommt erst mal rein.“ Jetzt fällt mir auf, dass wir immer noch vor der Tür stehen. Ben stupst mich an und wir folgen Myles in die Wohnung. Sie ist groß und hell. Aus einem der Zimmer dröhnt laute Musik, ich glaube, es ist Linkin Park. Myles führt uns ins Wohnzimmer und stellt die Musik leiser. Die Wände sind mit Konzertplakaten von bekannten und mir unbekannten Rockbands beklebt. An der Wand neben der Musikanlage stehen drei E-Gitarren, und auf der schwarzen Ledercouch liegt mitsamt Koffer eine akustische Gitarre. Sonst ist das Zimmer eher spartanisch eingerichtet – ein Fernseher, mehrere Regale mit CDs und Schallplatten, ein Glastisch voller Getränkedosen, Chipstüten, Pizzaresten auf Papptellern und am Fenster ein Computertisch mit Laptop. Der Typ scheint Junggeselle zu sein.
„Kommt, setzen wir uns.“ Myles macht eine einladende Geste und räumt schnell die Gitarre von der Couch. Mit Luna auf dem Arm setze ich mich neben Ben, und Myles nimmt auf dem Sessel uns gegenüber Platz.
„Sorry für die Unordnung, ich komme gerade nicht zum Aufräumen“, entschuldigt er sich etwas unbeholfen für die Unordnung auf dem Glastisch. „Kann ich euch was anbieten?“
Mein Blick folgt seinem in die offene Küche, die auch nicht gerade den ordentlichsten Eindruck macht. Anscheinend braucht er nicht nur eine Hundesitterin, sondern auch eine Haushälterin.
„Nein, nein, danke, ist schon gut“, beruhige ich ihn.
„Wollen wir gleich zum geschäftlichen Teil kommen?“, meldet sich Ben vorsichtig und trommelt mit den Fingern leise auf seinem schicken Aktenkoffer. Am liebsten würde ich ihm diskret auf den Fuß treten. Er soll Myles mit seiner ungeduldigen Art nicht unter Druck setzen.
„Ja, klar, machen wir.“ Myles schaut mich bedeutungsvoll an, und ich gebe mein Bestes, um nicht wieder zu erröten. Seine tiefgründigen, intensiven Augen machen mich nervös. Sie sind wie geschmolzene Zartbitter-Schokolade – süß, verführerisch, unwiderstehlich.
„Hast du noch Fragen an uns, besonders an Noemi?“, fragt Ben und reißt mich aus meiner Träumerei.
Mädel, du bist hier, um zu arbeiten, nicht um den Typen zu bewundern, ermahne ich mich selbst und setze eine ernsthafte Miene auf.
„Okay, Fragen …“ Myles fährt nachdenklich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Dabei spannt sich sein kräftiger Bizeps unter dem engen Ärmel. Verlockend spitzt er seine vollen Lippen und überlegt kurz. Während ich ihn entzückt beobachte, kraule ich Lunas weiches, warmes Fell und frage mich, wie sich wohl sein Haar anfühlt … bestimmt ist es schön seidig, so toll wie es glänzt.
Schon wieder träume ich! Leicht beunruhigt über mein Verhalten richte ich mich auf und versuche, meine ausufernden Gedanken endlich unter Kontrolle zu bekommen.
„Wie ich sehe, mag Luna dich, was das Wichtigste ist.“ Myles deutet auf die junge Hündin, die sich auf meinem Schoß offensichtlich pudelwohl fühlt. „Ich gehe davon aus, du hast Erfahrung mit Hunden?“
„Oh ja, die habe ich“, bestätige ich sofort. „Ben und ich sind praktisch mit Hunden aufgewachsen. Unser Vater ist Tierarzt und ich habe ihm oft in der Praxis geholfen, als ich noch bei meinen Eltern gelebt habe. Mein Hund Bill, ein Collie, war mein bester Freund, seit ich fünf Jahre alt war. Bis zu seinem Tod vor drei Jahren. Meine Eltern haben jetzt einen neuen Hund, eine Neufundländerin. Als sie noch ein Welpe war, habe hauptsächlich ich ihre Erziehung übernommen. Sie ist einfach toll und ich vermisse sie sehr, seit ich in Berlin wohne. Also, ich denke schon, dass ich was von Hunden verstehe.“
„Schön!“ Myles lächelt zufrieden. „Ich möchte für Luna jemanden, dem ich wirklich vertrauen kann. Hunde, besonders so jung wie Luna, brauchen nicht nur Auslauf und Futter, sondern auch viel Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung. Aber auch etwas Erziehung, natürlich.“
„Auf jeden Fall! Ich verstehe völlig, was du meinst“, stimme ich ihm zu. „Es wird mir nicht schwerfallen, mich um Luna in jeglicher Hinsicht zu kümmern. Sie ist so liebenswert und einfach zum Anbeißen süß!“
So wie ihr Herrchen …
„Das kann ich mir gut vorstellen.“ Myles lächelt mit leicht geneigtem Kopf und beobachtet, wie ich Lunas Fell streichele.
„Noemi ist zeitlich auch ziemlich flexibel, sie kann morgens, nachmittags oder auch mal abends und an den Wochenenden vorbeikommen“, schaltet sich Ben wieder in das Gespräch ein.
Na prima, das klingt so, als ob ich kein privates Leben hätte! Was aber ziemlich der Realität entspricht. Ich treffe mich zwar regelmäßig mit meinen drei besten Freundinnen, aber ich kann mir meine restliche Zeit neben der Uni frei einteilen.
„Das ist cool! Ich brauche tatsächlich jemanden, der auch spontan einspringen oder Luna für mehrere Tage betreuen kann, wenn ich nicht in der Stadt bin“, sagt Myles erleichtert und mustert mich weiter.
Ich kann mir vorstellen, dass seine dunklen Augen heiß wie Glut werden, wenn ihn die Leidenschaft packt.
„Du bist also beruflich oft unterwegs?“, frage ich vorsichtig. So jung und schon so beschäftigt? Bestimmt einer von diesen smarten Start-up-Gründern.
„Ja, das stimmt. Ich bin ein Freiberufler und habe leider wenig Zeit. Der Hund, den ich seit meiner Kindheit hatte, ist vor einem halben Jahr an Altersschwäche gestorben, er ist fast sechzehn Jahre alt geworden. Das war sehr hart für mich, ich war am Boden zerstört. Bob hat mir furchtbar gefehlt, deswegen haben mir meine Eltern im März zum Trost Luna geschenkt. Süß wie sie ist, hat sie sofort mein Herz erobert und so konnte ich sie natürlich nicht wieder abgeben.“
Am liebsten würde ich aufstehen und ihm einen Kuss geben. Ein Typ, der offen über seine Gefühle sprechen kann, ist so verdammt sexy! Aber ich beherrsche mich natürlich rechtzeitig.
„Wenn du dich für mich entscheidest, kannst du sicher sein, dass ich mich sehr gut um Luna kümmern werde“, versichere ich ihm stattdessen ernst.
„Das stimmt! Noemi hat eine mütterliche Ader und ist sehr zuverlässig.“ Ben mischt sich erneut ein und seine gut gemeinte Bemerkung ist mir augenblicklich peinlich. Wenn ich wirklich so mütterlich wäre, hätte ich mit den Zwillis gut klarkommen müssen. Außerdem will ich nicht, dass Myles mich als mütterlich betrachtet. Ich hätte da eher was anderes im Sinn …
Myles mustert mich weiter mit interessiertem Blick und stützt dabei mit der Hand sein Kinn.
„Also, wenn ich Luna wäre, würde ich mich für dich entscheiden“, sagt er schmunzelnd, und ich erröte wieder. „Na, Luna, was denkst du? Nehmen wir Noemi?“
Die Hündin springt gleich von meinem Schoß, als sie ihren Namen hört, und läuft zu ihm. Myles hebt sie liebevoll hoch und küsst sie auf das Köpfchen. Sie leckt ihm die Wange ab und er streichelt ihr zärtlich über das Fell. Erst jetzt fällt mir auf, welch wunderschöne Hände mit schlanken, feingliedrigen Fingern er hat. Sie sind mit mehreren Silberringen geschmückt, was sehr cool aussieht. So wie er Luna streichelt, weckt er in mir den Wunsch, seine Hände auf meiner Haut zu spüren. Der Gedanke löst einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch aus. Das kann nicht wahr sein! Schon wieder überwältigt mich meine unkontrollierbare Fantasie! Ich muss echt etwas dagegen unternehmen. Wahrscheinlich brauche ich einen neuen Lover. Abnehmen kann ich später, wenn überhaupt. Mein letzter Sex liegt schon ein halbes Jahr zurück, was für eine junge Frau mit gesundem Appetit viel zu lange her ist.
„Also.“ Myles blickt erst zu mir, dann zu meinem Bruder. „Ich denke, wir machen den Deal. Wir haben uns schon längst entschieden, nicht wahr, Luna?“
„Das klingt gut!“, sagt Ben schnell und öffnet seine Aktentasche. „Ich freue mich und bin überzeugt, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast! Von mir aus können wir auch gleich den Papierkram erledigen, und dann lasse ich euch allein.“
Nach wenigen Minuten ist der Vertrag unterschrieben und Ben verabschiedet sich von uns, er hat in einer Viertelstunde den nächsten Termin. Myles bringt ihn höflich zur Tür, ich aber bleibe einfach auf der Couch sitzen und warte. Luna springt wieder zu mir und legt mir ihren Kopf auf die Knie. Mein Blick wandert durch das Zimmer, während ich ihr sanft die Öhrchen kraule. All die Plakate, CDs und vor allem die Gitarren wecken in mir die Vermutung, dass Myles Musiker ist.
Er kommt zurück und setzt sich wieder auf den Sessel. „Noemi, hast du noch irgendwelche Fragen?“
Sein Blick ruht sanft auf mir, und ohne nachzudenken schieße ich los: „Sag mal, bist du Profimusiker?“
Eigentlich sollte ich ihn über Luna ausfragen, doch es ist zu spät. Myles hebt leicht eine Augenbraue und ein Lächeln umspielt seine schönen Lippen.
„Ja, ich bin Musiker. Ich spiele Gitarre, seit ich acht bin. Nach dem Gymnasium haben sich meine musikalischen Interessen etwas verändert, und statt klassischer Musik spiele ich jetzt Rockmusik, überwiegend auf der E-Gitarre.“
Das ist ja aufregend! Ein Rockmusiker! Ich höre zwar überwiegend Pop und Soul, doch durch Bens Plattensammlung habe ich etwas Ahnung von Rock. In den vergangenen Jahren hat er mich auch zu einigen Festivals wie Rock am Ring mitgeschleppt und im letzten Sommer sogar nach Glastonbury.
„Das klingt aber geil! Spielst du in einer Band?“ Ich kann meine Neugier nicht länger im Zaum halten. Na klar! Er hat definitiv das Aussehen und die Ausstrahlung eines Rockstars!
„Das kann man so sagen. Anfangs habe ich in einigen unbekannten Indiebands gespielt, aber in den letzten Jahren war ich hauptsächlich als Studiogitarrist tätig“, erklärt er mir immer noch mit diesem sonderbar amüsierten Lächeln. Hoffentlich denkt er nicht, ich wäre ein Groupie oder so.
Na ja, für ein Groupie hast du einige Kilos zu viel auf den Rippen! Ich zerstöre mir gleich selbst die Illusion, dass so ein heißer Typ wie Myles Flemming Gefallen an mir finden könnte. Bestimmt steht er auf ganz dünne Frauen mit Modelmassen.
„Seit einigen Monaten spiele ich aber wieder in einer Band und wir proben halt viel“, fügt er nach kurzer Pause hinzu.
„Verstehe. Dann ist klar, dass du nicht immer Zeit für Luna hast.“
Eigentlich würde ich gerne wissen, wie seine Band heißt und ob sie schon ein Konzert irgendwo in einem Club in Berlin planen, aber ich darf wirklich nicht zu neugierig sein. Myles muss gutes Geld verdienen, die Wohnungen in dieser Gegend sind sehr teuer und auch die Kosten für Luna werden ziemlich hoch sein. Ich erinnere mich, von Ben gehört zu haben, dass professionelle Studiomusiker top bezahlt sind. Myles muss wirklich gut im Geschäft sein, um sich diesen Lebensstil leisten zu können. In seinem Alter hat er anscheinend schon einiges auf die Beine gestellt, was ich sehr beeindruckend finde.
„Dann erzähl mir bitte, was ich noch über Luna wissen muss, alle wichtigen Details, du weißt schon“, sage ich, als mir endlich wieder der Grund meines Besuchs einfällt.
„Gerne! Ich habe schon im Voraus eine kleine Liste ausgedruckt mit allen wesentlichen Infos, Telefonnummern und Hinweisen.“ Myles erhebt sich aus dem Sessel, holt die Liste vom Computertisch und bringt sie mir. „Und dazu bekommst du natürlich noch den Ersatzschlüssel.“ Er greift in seine Hosentasche und reicht ihn mir. Anschließend zeigt er mir in der Küche, wo Lunas Futter steht, und erklärt, welche Hundeleine ich nehmen soll, wenn wir spazieren gehen. Als er mit mir spricht, entgeht mir nicht, dass er zwischendurch diskret seinen Blick auf meine Kurven richtet. Kurz und flüchtig, doch er schaut tatsächlich auf meine Brüste und meinen Hintern! Steht er etwa auf Frauen mit Kurven? Es wird mir dabei richtig heiß und ich versuche so zu tun, als ob ich nichts mitbekommen hätte. Weiterhin höre ich ihm aufmerksam zu, aber meine Blicke wandern immer wieder über seinen sexy Körper. Ich fühle mich immer stärker zu Myles hingezogen und langsam frage ich mich, ob es eine gute Idee war, den Job anzunehmen. Als er meine Telefonnummer in sein iPhone speichert, stehe ich so nah bei ihm, dass ich seinen dezenten Duft wahrnehmen kann. Es ist eine verführerische Mischung aus Weichspüler, Duschgel und seiner Haut. Ich atme den betörenden Geruch noch tiefer ein, und er schaut mich plötzlich an. Hat er etwa bemerkt, wie ich an ihm schnuppere? Kein Wunder, ich bemühe mich nicht mal, meine schamlose Begeisterung zu verbergen. Ertappt erröte ich und weiche seinem Blick aus. Mein Herz springt mir vor Aufregung in den Hals, und in der Stille, die auf einmal herrscht, spüre ich buchstäblich das Prickeln zwischen uns. Myles schiebt sein iPhone in die Hosentasche und greift langsam nach einer langen Haarsträhne, die sich aus meinem Knoten gelöst hat und jetzt vor meinem Gesicht hängt.
„Du hast wunderschönes Haar“, murmelt er und wickelt die Strähne um seinen Finger.
Die unsichtbare Spannung zwischen uns fühlt sich elektrisierend an und ich vergesse fast zu atmen. Verstehe ich das richtig, was er gerade tut? Ich denke schon. Dieser sexy Typ flirtet sehr offensichtlich mit mir und macht mich an! Myles tritt noch ein Stück näher und löst mit der anderen Hand meinen Haarknoten. Mit bewunderndem Blick gleitet er mit seinen Fingern durch meine dichte, fast taillenlange Mähne. Ich atme aufgeregt und blicke ihm endlich in die Augen. Sie erscheinen mir noch dunkler, noch geheimnisvoller als zuvor, und sie faszinieren mich mit ihrem samtigen Glanz. Sein Gesicht nähert sich mir und ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Stirn. Er ist wirklich hochgewachsen, fast einen Kopf größer als ich. Was mich zusätzlich anmacht, denn ich liebe es, wenn der Mann groß ist.
„Noemi, du bist eine sehr attraktive junge Frau“, raunt er mit seiner tiefen, rauen Stimme, und mein Unterleib zieht sich lustvoll zusammen. Verführt er mich etwa gerade? Ich bleibe sprachlos, nur mein Atem wird immer flacher und schneller.
Myles neigt seinen Kopf zu mir und seine Lippen berühren meinen leicht geöffneten Mund. Er küsst mich zurückhaltend und spielt dabei zärtlich mit meinem Haar, doch seine beschleunigte Atmung verrät mir, dass auch er stark erregt ist. Völlig benebelt vor plötzlichem Verlangen erwidere ich stürmisch seinen Kuss und öffne meinen Mund. Die anfängliche Zurückhaltung weicht der Leidenschaft, die uns unmittelbar packt. Wir küssen uns immer wilder, unsere Zungen spielen unbeherrscht miteinander, und Myles presst seinen Körper fester an mich. Ich spüre seine Härte an meinem Bauch und ein leises Stöhnen entweicht mir, als er mit seiner Zunge noch tiefer und fordernd in meinen Mund eindringt. Seine Hand verlässt meinen Rücken und er packt mich lustvoll am Hintern. Bingo, er scheint tatsächlich auf Frauen mit Rundungen zu stehen! Mein Becken sucht von alleine Kontakt mit seinen Lenden, und die heiße Lust in meinem Körper schaltet meinen Verstand aus. Durch unsere leidenschaftlichen Küsse wird mir schwindlig vor Erregung, und ich spüre, wie mein Schoß von intensivem Verlangen regelrecht überflutet wird. Genussvoll beginne ich, die festen Muskeln unter seinem T-Shirt zu ertasten. Er ist athletisch gebaut, doch nicht übertrieben. Genau mein Geschmack.
Auch Myles’ Hände erkunden weiter meinen Körper. Sie sind fiebrig und forschend, zärtlich und fordernd zugleich. Wie gut er küsst! Er isst mich regelrecht auf! Und zurückhaltend ist er definitiv nicht! Seine Hand verschwindet unter meinem Top, um meine nackte Haut zu berühren, und schickt einen lustvollen Blitz in meinem vernachlässigten, ausgehungerten Unterleib.
Plötzlich springt uns Luna an und wimmert laut. Ganz offensichtlich ist sie eifersüchtig und versucht, uns auseinanderzutreiben. Langsam lösen wir uns voneinander, beide außer Atem. Sein Blick ist vor Leidenschaft benebelt. Er geht vor seiner Hündin in die Hocke.
„Luna, was ist los? Bist du etwa eifersüchtig?“ Er krault sie hinter den Ohren, schaut zu mir auf und grinst frech, während ich noch immer meinen Atem zu beruhigen versuche.
„Na ja, ich bin schließlich hier, um mich um sie zu kümmern und nicht, um mit ihrem Herrchen zu knutschen“, sage ich verlegen und bemühe mich, gleichgültig auszusehen.
„Es war meine Schuld. Ich werde in Zukunft lieber meine Hände von Lunas Babysitterin lassen und mich anständig benehmen. Auch wenn mir das nicht leicht fallen wird …“ Myles erhebt sich wieder und seine Augen flackern leidenschaftlich auf. In diesem Mann steckt viel Feuer, das ist nicht zu übersehen. Aber ich darf mit diesem Feuer nicht spielen. Ich arbeite schließlich für ihn!
„Es ist besser so, wir wollen doch beide klare Arbeitsverhältnisse. Richtig?“ Mit größter Mühe versuche ich, vernünftig zu klingen, obwohl ich noch immer an seine Bauchmuskeln unter dem eng anliegenden T-Shirt denken muss. Und mich nach seinen Berührungen und seinem heißen Mund sehne.
„So ist es.“ Myles streift mir ein paar Haarsträhnen, die mir ins Gesicht fallen, hinters Ohr. Sein Blick dabei sagt mir alles. Er will mich und er findet mich begehrenswert. Und das tut verdammt gut! Auch scheint er sehr impulsiv und spontan zu sein, was mir umso mehr gefällt. Ein temperamentvoller Musiker als Liebhaber wäre sicher nicht die schlechteste Wahl. Dazu sieht er verboten gut aus. Doch er ist jetzt irgendwie mein Boss, auch wenn ich nur seine Hundesitterin bin. Und als Musiker hat er sicher genügend Auswahl an willigen Mädchen und Frauen, die sich mit ihm vergnügen wollen. Es wäre das Beste, ich vergesse unseren kleinen Ausrutscher in der Küche und schenke meine volle Aufmerksamkeit seiner Hündin.
Statt mir in meinem Kopfkino vorzustellen, wie er mich auf dem Küchentisch vögelt.
Ich folge ihm und Luna zurück ins Wohnzimmer, wo wir die letzten Einzelheiten meines Jobs besprechen wollen. Natürlich kleben meine Blicke an ihm und ich bewundere ausgiebig seine sexy Figur. Sein Arsch in der tief sitzenden Jeans ist perfekt und zum Anbeißen knackig …
Ich gebe mir Mühe, Myles aufmerksam zuzuhören, und auch er scheint sich wieder im Griff zu haben. Doch zweimal erwische ich ihn, wie sein Blick kurz zu meiner Brust wandert. Das siegreiche Gefühl, das mich dabei überfällt, wirkt anregend wie ein Cocktail am frühen Morgen. Mühsam konzentriere ich mich darauf, ihm in die Augen zu blicken und bloß nicht hinunter zu schauen, als er sich lässig zurücklehnt und noch breitbeiniger vor mir sitzt.
Das geschäftliche Gespräch ist bald beendet. Schon am nächsten Nachmittag werde ich vorbeikommen und mit Luna, die seit zwei Wochen stubenrein ist, einen ersten Spaziergang machen. Myles bringt mich zur Tür, und als wir uns verabschieden, funkeln seine Augen wieder.
„Noemi, es freut mich, dass gerade du Lunas Hundesitterin bist. Ich denke, wir werden uns alle gut verstehen.“ Er lächelt verschmitzt, ehe er die Tür schließt.