Leseprobe Cruel Secrets

Prolog

Adriana

Rumänien

Der kleine Seitenvorhang, der vor dem offenen Fenster hin und her schwingt, ist das einzig Fröhliche in diesem Raum.

Immer wieder sehe ich herüber, während ich mich zwinge, die Beine still und den Rücken gerade zu halten.

Normalerweise mag ich das gemeinsame Essen an der reichlich gedeckten Tafel im Beisein meines Vaters, doch nicht heute. Die Anwesenheit einer bestimmten Person trübt das schöne Bild. Da können auch der prächtig duftende Truthahn oder die Ciorbă de burtă, die dampfend in der Tischmitte stehen, nichts ändern.

„Nun“, beginnt mein Vater zu sprechen und lehnt sich in dem mit rotem Samt bezogenen Barrockstuhl zurück. „Wie laufen die Geschäfte, Balász?“

Während der unangenehme Gast, der bei jedem Treffen offenkundig einen viel zu dunklen Abdeckstift auf seinen Tränensäcken trägt, meinem Vater antwortet, starre ich wie hypnotisiert auf meinen Teller und beachte ihn mit keinem einzigen Blick. Alles in mir ist bis auf die kleinste Zelle angespannt. Ohne hinzusehen, weiß ich ganz genau, mit welch arrogantem Gesichtsausdruck dieser Widerling seine Geschäfte vor meinem Vater schönt. Niemand kann auf kurze Zeit so erfolgreich werden wie er. Ich bin nicht dumm und mein Vater ist es auch nicht. Trotzdem scheint er Balász zu mögen. Warum auch immer. Wahrscheinlich aus finanziellen Gründen. Mein Vater denkt an erster Stelle immer wirtschaftlich.

„Nun, wann wollen wir über die Vermählung mit meiner Tochter sprechen, Balász?“ Mein Magen schnürt sich zusammen, als ich die Worte meines Vaters wie in Trance aufnehme. Ein Schleier bildet sich vor meinen Augen, den ich nicht in der Lage bin wegzublinzeln. Zumindest nicht, ohne dass sich die Tränen lösen. Aber ich habe meinen Stolz. Ich werde nicht weinen. Nicht hier am Tisch. Und nicht vor Vater oder diesem aufgeblasenen Abdeckstiftbenutzer.

„Wenn du Zeit hast, Zoltan, dann besprechen wir das gerne morgen detailliert. Aber jetzt kann ich dir schon mal sagen, dass ich die Hochzeit gern in meinem Anwesen ausrichten möchte.“

Erschrocken blicke ich auf und sehe nun doch hilflos meinem Vater entgegen.

Dieser reibt sich den weißen Bart und wendet den Blick sofort von mir ab. Warum tut er das? Liebt er mich denn kein Stück? Wie ein Vieh verschenkt er seine eigene und einzige Tochter an diesen Bastard!

Ein Kälteschauer erfasst mich und als ich zu Balász herübersehe, weiß ich auch, warum.

Seine eisblauen Augen sind auf meine gerichtet, bohren sich wie Dolche durch mich hindurch. Bereit, meine Seele zu brechen und alles, was mich ausmacht zu vernichten. Bis nur noch ein willenloser Zombie von mir übrig ist, der nur Gehorsam kennt. Zumindest könnte man das annehmen, wenn man den Gerüchten über ihm Glauben schenkt. Ein willenloser Zombie … Das werde ich nicht. Und das will ich auch niemals sein. Dieser Mann, der mich wie sein Besitz beäugt und sich wahrscheinlich in diesem Augenblick ausmalt, was er mit mir alles anstellen wird, wird mich nicht brechen. Niemals!

„Das halte ich für eine gute Idee.“ Ich nicht. Mein Vater nippt an seinem Weinglas. „Wie viele Gäste planst du ein?“, fragt Vater ihn, mich weiter ignorierend.

Balász legt das Besteck nieder und lehnt sich zurück, als würde er es sich gerade vor dem Fernseher gemütlich machen und nicht hier bei uns im Esszimmer sitzen und meinen Untergang beschließen. Er rutscht mit dem Stuhl ein Stück vom Tisch zurück und schlägt die Beine übereinander. Dann fährt er sich durch das zurückgekämmte, blonde Haar, das wie in einer Werbung für Haarspray frisiert ist und rümpft die kleine Knollnase. „Nun, ich denke nicht mehr als sechshundert Gäste. Ich möchte es klein halten“, sagt er überheblich und sieht mich an, als würde er mich genauso hassen wie ich ihn.

Klein. Dass ich nicht lache. Du willst dich doch am liebsten vor aller Welt als neuer Traumschwiegersohn von Zoltan Stoica präsentieren. Unser Familienname ist deine Eintrittskarte in eine noch dunklere Geschäftswelt als die, in der er ohnehin schon fischt. Warum sonst, will er meinen Namen annehmen? Seine Augen unter den gezackten Brauen mustern mich argwöhnisch und kalt, als hätte er die Gabe, meine Gedanken lesen zu können. Er spürt es. Er spürt, dass ich ihn aus tiefster Seele verabscheue. Und wahrscheinlich macht es ihn sogar noch an.

Mein Hals ist auf einmal staubtrocken und meine Hände langsam, aber sicher verschwitzt. Guck weg! Sieh meinen Vater oder die Blumenvase an, aber nicht mich! Ich habe dir nichts zu sagen. Denn das Einzige, was ich an Worten für dich übrighabe, würde üble Konsequenzen für mich zur Folge haben.

„Nun, es ist schon spät. Ich hatte einen langen Tag“, bemerkt mein Vater und zerreißt endlich die tödliche Stille. „Wir besprechen alles Weitere morgen in Ruhe. Vielleicht bei einer Partie Golf?“

„Einverstanden“, erwidert Balász, wirft mir einen weiteren kalten Du-wirst-schon-sehen-Blick zu und erhebt sich von seinem Stuhl. Ja, spielt ruhig Golf. Am liebsten würde ich mich dazugesellen und ihm den Schläger in die Eier rammen. Ich hasse diesen Kerl so sehr.

Wie zu einer Salzsäule erstarrt, bleibe ich sitzen und zupfe nervös an meinem elfenbeinfarbenen Abendkleid herum. Ganz bewusst habe ich eines mit hohem Kragen ausgesucht, das auf den ersten Blick zwar etwas bieder wirkt, Balász allerdings keine Chance auf einen Blick auf mein Dekolleté ermöglicht.

Oana, unser Dienstmädchen, tritt durch die Tür und beginnt mit dem Abräumen der Tafel.

Ich hebe den Blick und starre auf meine Suppe, die ich nicht angerührt habe. Mein Magen ist so leer wie meine Seele, wenn dieser Mann in meiner Nähe ist.

„Kindchen, dein Teller ist ja noch gar nicht leer“, flüstert mir Oana ins Ohr, während ich meinem Vater und Balász nachsehe, wie sie durch die Tür treten.

„Adriana! Willst du dich nicht von unserem Gast verabschieden?!“, höre ich meinen Vater streng aus dem Foyer rufen, worauf mein Puls zu rasen beginnt. Nein, will ich nicht. Es sei denn, ich darf ihm „auf Nimmerwiedersehen“ sagen.

Ich seufze schwer, erhebe mich aus dem Stuhl und eile mit immer wackeliger werdenden Schritten zu ihnen.

Die beiden stehen im Foyer unter dem riesigen Kristallkronleuchter.

Balász knöpft die Jackettjacke zu und zieht einen Schlüssel mit einem Pferd als Logo aus der Tasche seiner Anzughose. Der Multimillionär hat nicht nur einen Ferrari in seiner XXL-Garage, wie er immer gerne prahlt. Sein unterbelichtetes Ego kann er damit aber auch nicht ausgleichen. Das sollte mein Vater doch auch langsam bemerken.

Ich trete neben die beiden und bemühe mich, die aufsteigende Galle bei mir zu behalten.

Während der Widerling meinem Vater den Schlüssel vor die Nase hält, weil er ihn darauf anspricht, und mit den vielen PS unter der Motorhaube hausiert, spüre ich seine Hand von hinten unter den Stoff meines Kleides wandern, das knapp über meinen Knien endet.

Ekel überkommt mich und lässt mich sofort einen Schritt vorspringen, bevor er seine schmierigen Hände zwischen meine Schenkel stecken kann. Doch der Bastard rutscht nach. Finger weg!

„Adriana, zappele nicht so herum, wenn sich jemand mit mir unterhält“, tadelt mich mein Vater, der überhaupt nicht mitzubekommen scheint, dass sich die Hand seines Gastes den Weg zwischen meine Schenkel bahnt. Oder er ignoriert es. So, wie er vieles ausblendet, das vor seinen Augen passiert.

Ich habe das Gefühl, am Ekel zu ersticken. „Lass das“, knurre ich in Balász Richtung, sodass mein Vater es nicht genau hören kann. Er ist schon über sechzig und seine Ohren nicht mehr die Besten.

Balász, dieser Bastard, schmunzelt nur und schiebt mit einem Finger meinen Slip beiseite.

Das reicht! Ich springe zur Seite, hole aus und scheuere ihm eine, dass er die Engel singen hört. Lieber würde ich einsam auf Schloss Bran leben, als mich von diesem Kotzbrocken noch einmal berühren zu lassen.

Die Augen meines Vaters weiten sich, als er realisiert, was ich getan habe. Er sieht mich entrüstet an, bevor sich seine buschigen, weißen Brauen finster zusammenziehen und er mich ohrfeigt, dass es durch das ganze Foyer zu hören ist. Taumelnd gehe ich zu Boden.

„Entschuldige, Balász“, sagt er, legt den Arm um den Widerling und dreht sich mit diesem von mir weg. Mir den Rücken zugewandt, flanieren sie in Richtung Ausgangstür.

Oana kommt sofort angelaufen und kniet vor mir nieder. „Kind! Was machst du?!“ Ihre Wangen sind gerötet, aber bei weitem nicht so wie meine. Ich liebe Oana. Sie ist das einzig Gute in diesem Haus und für mich wie die Mutter, die ich seit meinem fünften Lebensjahr schmerzlich vermisse. Ich weiß noch genau, wie mein Vater mir von ihrem „Verkehrsunfall“ erzählte. Doch nicht nur ich vermute, dass sie abgehauen ist. Wer könnte es ihr verübeln, wenn sie genauso behandelt wurde, wie ich.

Oana greift mir unter den Arm und hilft mir auf. Mitleid spiegelt sich in ihren Augen wider, als sie mein kakaobraunes Haar zurückstreicht. Ein paar Strähnen haben sich aus meinem braven, französischen Zopf durch die Ohrfeige gelöst. Die Hand meines Vaters ist beinahe so breit wie mein Gesicht. Ich wette, ich kann gleich jeden seiner Finger auf meinen glühenden Wangen sehen, wenn ich auf meinem Zimmer in den Spiegel schaue. „Was machst du denn nur, Adriana?! Du weißt doch, dass dein Vater so etwas nicht duldet.“

„Aber dieser Widerling …“ Ein „Shhh“ von Oana unterbricht mich.

Bitterernst und flehend sieht sie mich an. Dann nimmt sie den Finger von ihren Lippen. „Nicht hier unten“, flüstert sie.

„Aber …“

„Ich habe es gesehen und jetzt schweig lieber“, unterbricht sie mich erneut und bringt mich durch ihre Ernsthaftigkeit zum Schweigen. Ich sollte wirklich die Klappe halten, bevor ich mir noch eine Tracht Prügel einfange.

Während heiße Tränen über meine pochende Wange laufen, steige ich neben Oana, die sich bei mir eingehakt hat, die Treppe hinauf. Meine Schritte sind wackelig und mein linkes Ohr rauscht von dem Schlag, sodass mir schwindelig wird.

Oana festigt den Griff. Sie bemerkt immer sofort, wenn mir etwas fehlt. „Ich bringe dich auf dein Zimmer, Kindchen. Und dann hole ich dir etwas zum Kühlen.“

„Danke“, antworte ich ihr mit zittriger Stimme und starre auf den roten Teppich auf der Treppe.

Dieses Haus mit all seinen pompösen Schätzen, der sündhaft teuren Dekoration und dem gut durchdachten Einrichtungskonzept ist nur eine lächerliche Fassade, um die Grausamkeit zu übertünchen, die darin herrscht.

Die Tür meines Zimmers öffnet sich schier lautlos.

Oana hilft mir zu dem goldenen Himmelbett, das mit mehr Kissen ausgestattet ist, als ich benötige, und hockt sich mit sorgenvoller Miene vor mich. „Ich hole dir jetzt ein Coolpack und dann schläfst du.“

„Aber es ist noch früh.“

„Keine Widerrede. Und morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.“

Ich ergreife Oanas Hände, während mir dicke Tränen von der Nasenspitze tropfen. „Oana, du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt“, flüstere ich und sehe sie mit brennenden Augen an.

Sie schluckt hart, weil sie die Wahrheit kennt, und diese genauso wenig ertragen kann wie ich. Oana presst die schmalen Lippen zusammen, erwidert jedoch nichts. Dann erhebt sie sich und gibt mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, bevor sie mein Zimmer verlässt.

Mit bleischwerem Herzen greife ich nach dem Handspiegel aus meiner Nachttischschublade und betrachte das Werk meines Vaters. Es ist nur eines von vielen, aber definitiv das Letzte, denn ich werde keine Zeit mehr in diesem goldenen Käfig verbringen. Schon seit Wochen habe ich meine Flucht geplant, die ich heute Nacht antreten werde.

Kapitel 1

Léron

Palais Longchamp, Marseille

Man sagt, in allem Schlechten steckt etwas Gutes. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn noch nie habe ich mich so beschissen und belogen gefühlt wie jetzt.

Wie ein hüllenloser Zombie laufe ich zwei Tage nach dem größten Verlust meines Lebens die beleuchteten Straßen nahe dem Palais Longchamp hinab auf der Suche nach dem Hotel, das ich gebucht habe. Ich kann es immer noch nicht fassen, aber nun, zwei Tage danach, scheint der Tod meiner Mutter langsam real zu werden. Da war der viele Alkohol, mit dem ich versucht habe, meine Trauer zu betäuben, völlig nutzlos. Ich bin kein Mensch der großen Emotionen, aber der Verlust meiner Mutter lässt mich nicht kalt. Sie war der einzige Mensch, für den ich jemals echte Liebe empfunden habe. Dass sie mir ihr dunkles Geheimnis ihr Leben lang verschwiegen hat, kann ich ihr wohl nicht mehr verzeihen. Wie kann man nur jahrelang mit dem Wissen herumlaufen, dass man drei Kinder, statt nur einem hat und nie ein Wort darüber verlieren? Und wie konnte ich – ein Mann, der nahezu jeden Menschen durchschaut – das nicht bemerken? Das will mir einfach nicht in den Kopf.

In der Straßenbahn bin ich gedankenlos versehentlich zwei Station zu früh ausgestiegen und zu ungeduldig, um auf die nächste Bahn zu warten.

Mein Handy klingelt schon zum zweiten Mal. Es ist Jerome, einer meiner Vorgesetzten. Doch ich gehe nicht ran, denn ich habe offiziell Urlaub – auch wenn es der erste in den letzten Jahren ist, den ich freiwillig genommen habe und ich mit freien Tagen eigentlich nicht viel anfangen kann. Ich lebe für meinen Beruf. Aber in diesem muss man zu einhundert Prozent funktionieren und das kann ich gerade nicht. Vielleicht werde ich ihn später zurückrufen, wenn ich im Hotel angekommen bin, aber gerade habe ich keinen Kopf dafür – zu sehr bin ich damit beschäftigt, die Tatsache zu verarbeiten, dass meine Mutter gestorben ist und ich einen Bruder sowie eine Schwester habe, die sie mir verschwiegen hat.

Als das Klingeln verstummt, stelle ich das Handy auf Vibration.

Die Straßen sind voll, denn die Dämmerung ist bereits über die Stadt hereingebrochen und das Nachtleben erwacht. Mein Ziel, das Hotel Mercure, ist doch weiter entfernt als gedacht, so zeigt es mir die Karte auf meinem Smartphone an. Ich drängele mich durch das Getümmel auf dem Gehweg, flaniere an einigen kleinen Cafés und nett beleuchteten Bars vorbei. Musik dringt aus dem Inneren hervor, Tische und Stühle, die zum Verweilen einladen, sind auf den Terrassen vor dem Eingang aufgestellt. Als die nächste Station der Straßenbahn in Sicht gerät, gehe ich langsamer. Die Verlockung ist groß, obwohl es vielleicht nur noch knapp anderthalb Kilometer sind, die ein so sportlicher Mann wie ich locker in wenigen Minuten schafft. Nichtsdestotrotz entscheide ich mich um, denn ein Blick in den trüb-grauen Himmel, lässt Regen erahnen.

Die wartenden Menschen tummeln sich vor dem Bahnsteig.

Schnell drängele ich mich samt meinem Koffer dazwischen.

Das Smartphone in der Tasche meiner Jacke vibriert erneut. Ich ignoriere es abermals.

Um mich herum sind Dutzende fremder Leute und unterschiedlichste Gerüche. Von teurem Parfum, über kalten Zigarettenqualm zum Gestank billigen Fusels. Als ich zu meiner Linken blicke, sehe ich auch, woher der letzte Geruch stammt.

Ein Mann, vermutlich Mitte vierzig, mit kahlrasiertem Kopf und Piercings im Gesicht hält eine Papiertüte in der Hand, aus der der schlanke Hals einer Flasche herausschaut. Seine Kleidung ist schmutzig und ich wette seine Haut hat auch ewig keine Seife gesehen. Die Laufsohle seiner Schuhe löst sich an der Vorderkappe bereits ab. Was für eine verlorene Seele. Wobei ich mir eingestehen muss, dass ich heute ebenfalls eine bin. Auch wenn ich nicht so heruntergekommen aussehe, fühle ich mich so.

Ein lautes Quietschen erweckt die Aufmerksamkeit der Leute, die ihren Kopf nach links schnellen lassen, wo in der Ferne bereits die Bahn zu sehen ist.

Ich sehe mich schon, wie ich mich zwischen dieser Menschenmasse in die Bahn quetsche und bereue es, nicht weitergelaufen zu sein. Genervt entgleitet mir ein Seufzen. Flüchtig blicke ich über die Köpfe der vielen Menschen hinweg, stelle mich gedanklich auf eine anstrengende, wenn auch kurze Fahrt ein und will mich gerade über meine Dummheit ärgern, zu früh aus der anderen Bahn gestiegen zu sein … doch dann entdecke ich dich und halte inne.

Du hast eine schwarze Kappe ins Gesicht gezogen, trotzdem erkenne ich deine Schönheit sofort. Dein gedankenverlorener Blick ist starr auf die Gleise gerichtet, als du deine Nase tiefer unter den Seidenschal vor deinem zierlichen Gesicht steckst. Ist dir kalt oder willst du nicht bemerkt werden? Bemühe dich nicht, unscheinbar zu sein, denn umso weniger kannst du dich meiner Aufmerksamkeit entziehen.

Nach fünf Jahren Dienst in der Gendarmerie und drei in der Spezialeinheit GIGN stelle ich sofort fest, wenn jemand nicht gesehen werden will. Ich gebe zu, die Zeit im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität haben mich geprägt, doch wenn ich ein so hilfloses Wesen wie dich sehe, spüre ich trotz aller Trauer um meine Mutter immer noch den Beschützer in mir, dessen Augen immer wachsam sind.

Der Kerl mit dem rasierten Schädel hat dich ins Visier genommen und schiebt sich an mir vorbei. Während er auf dich zusteuert, kann ich seine lüsternen Gedanken förmlich hören.

Ungeachtet von ihm folge ich dem Gestank seines Fusels, halte jedoch erst einmal Abstand, denn eine korpulente Dame stellt sich mir in den Weg.

„Hey, nicht vordrängeln!“, geht sie mich an, was ich einfach ignoriere und den Glatzkopf und dich nicht aus den Augen lasse. Ich stelle mich seitlich, sodass ich dich möglichst gut beobachten kann.

Auch du hast ihn bemerkt und drängst dich dichter an den Bahnsteig, um dir Raum zu verschaffen. Bitte nicht zu nah, sonst wird nicht der Kerl, sondern die Straßenbahn dich erfassen, denn du stehst zu weit weg, als dass ich eingreifen könnte.

Meine Sinne sind geschärft – dabei liegt der Fokus nicht nur bei euch und der Straßenbahn, sondern auch bei den Menschen, die von hinten in Richtung Bahnsteig drängeln.

Die Gleise heulen auf, als die Bahn weiter vorfährt und der Mann, der mir ein Dorn im Auge ist, neben dich tritt.

Wie ein scheues Reh siehst du ihn flüchtig an. Deine Augen weiten sich für den Bruchteil einer Sekunde. Der Kerl ist dir nicht geheuer. Du suchst Raum, den es in dem Gedränge nicht gibt.

Ich dränge mich ein Stück in eure Richtung und sehe, wie er dich anspricht. Was er sagt, kann ich nicht verstehen, dazu ist es hier zu laut und ich stehe zu weit weg. Doch, dass du nicht mit ihm reden willst, ist für mich mehr als offensichtlich, so hilfesuchend, wie du dich umsiehst.

Der Kerl legt seinen Arm um deine Schulter und drückt dich an sich. Ich sehe dir an, dass dir das nicht recht ist, da du versuchst, zur Seite auszuweichen. Mit der einen Hand umklammerst du deine Reisetasche, während du mit dem anderen Arm versuchst, ihn von dir fernzuhalten, aber der Kerl rückt dir nicht von der Pelle.

So ein hübsches, kleines Ding wie du passt perfekt in die Opferrolle. Aber ich werde dafür sorgen, dass er dich nicht zu seinem Opfer macht. Eher mache ich ihn zu meinem.

Ich drängele mich langsam weiter an den Leuten vorbei und habe euch fast erreicht, als du erneut von ihm wegzurücken versuchst.

Die Bahn kommt auf den quälend aufheulenden Gleisen zum Stehen.

Ich sehe dir an, dass du zögerst einzusteigen. Dir wird klar sein, dass der Kerl dich bis zu deinem Ziel verfolgen wird. Du ziehst den Schal noch höher und die Kappe tiefer ins Gesicht, doch auch das hilft dir nicht, den aufdringlichen Kerl auszublenden, weil er nicht nachgibt. Es wird Zeit, einzuschreiten.

Blitzschnell dränge ich mich vor und rempele den Penner grob mit der Schulter an. „Pardon, ich glaube, du baggerst an meiner Frau rum, kann das sein?“ Ich greife nach deiner Hand, als du zeitgleich mit dem Glatzkopf zu mir aufsiehst, der nicht annähernd so breitschultrig ist wie ich. Selbst wenn wir gleich gebaut wären, hätte er gegen mich mit meiner Nahkampfausbildung keine Chance.

In deinen palisanderfarbenen Augen mischen sich gleichermaßen Angst wie Dankbarkeit.

Der Kerl sieht mich wie ein Begriffsstutziger an.

Die Türen der Bahn öffnen sich und um uns herum drängen sich die Menschen, um einzusteigen. Doch dass wir den Verkehr behindern, ist mir scheißegal. Wir klären das. Und zwar auf der Stelle.

„Was willst du von mir, Mann? Ich habe sie nur nach der Uhrzeit gefragt!“, verteidigt sich das nach billigem Fusel stinkende Arschgesicht.

„Stimmt das?“, frage ich dich und du schüttelst schweigsam den Kopf.

Inzwischen sind alle Leute vom Bahnsteig eingestiegen.

„Ich habe genau gesehen, dass du deinen schmierigen Arm um sie gelegt hast! Fass meine Frau noch einmal an und ich stampfe dich in den Boden!“, knurre ich bedrohlich, greife nach seinem Handgelenk und biege es so, dass er es nicht bewegen kann, ohne es sich dabei zu brechen. Ein Griff, den man bereits in der Grundausbildung der Gendarmerie lernt. Schnell schubse ich ihn in die Bahn, deren Türen sich zu schließen beginnen.

Als der Bastard ins Innere der Straßenbahn taumelt und fast zu Boden geht, hat er keine Zeit mehr, um zu uns nach draußen zu kommen, denn einer der Fahrgäste hilft ihm auf. Der Kerl reißt sich eilig von seinem Helfer los, doch schon ist die Tür zu.

Ich winke der Bahn provokant hinterher, als sie losfährt, und belächele den erhobenen Mittelfinger des Glatzkopfes.

Du bist ganz still, als ich von ihm zu dir herübersehe. Wahrscheinlich verarbeitest du noch, was gerade passiert ist. Von der sich entfernenden Bahn wendest du den Blick zu mir. „Danke“, antwortest du mit einem kaum auffallenden, ausländischen Akzent, den ich noch nicht einzuordnen weiß. Aber ich als gebürtiger Franzose höre ihn auch in dem kleinen Wort heraus.

„Du bist nicht von hier?“, frage ich dich deswegen auf Englisch.

Schüchtern schüttelst du den Kopf und deine Augen werden glasig. Heul jetzt bloß nicht los. Ich bin echt kein Typ für sowas und erst recht kein guter Tröster. „Wir können ruhig Französisch sprechen“, bemerkst du leise und scheinst dich wieder zu fangen.

„Okay. Wo wolltest du denn hin?“, frage ich und sehe, dass du zögerst. „Also, ich muss ins Mercure Hotel.“

„Ich auch“, erwiderst du mit Bedacht, als wüsstest du nicht recht, ob du mir trauen kannst.

„Keine Sorge. Ich stelle keine Gefahr für dich dar.“ Aus der Hosentasche ziehe ich vorsichtig meine Marke, um dir zu zeigen, dass ich einer von den Guten bin. Doch beim Anblick derer, wirkst du noch verschreckter.

„Ich muss gehen“, sagst du hektisch und willst auf dem Absatz kehrtmachen. Allerdings hast du nicht mit meiner Hand gerechnet, die blitzschnell und grob nach deinem Arm greift. Wie ein scheues Reh siehst du zu mir auf.

Deines verschreckten Gesichtsausdrucks halber lasse ich los. „Hör zu, ich habe keine Ahnung, vor was oder wem du wegläufst. Aber ich biete dir gerne an, dir ein Taxi mit mir zu teilen, wo immer du hin musst. So Kerle wie eben gibt es hier leider zuhauf.“

Du zögerst und taxierst mich von oben bis unten. „Also … ich weiß nicht.“

„Ich möchte einfach nur, dass du heil zu deinem Ziel kommst, okay?“ Es ist nicht meine Absicht, mich dir aufzudrängen, aber ich kann es schlecht mit meinem Pflichtbewusstsein vereinbaren, wenn ich nicht ganz zweifellos weiß, dass du dein Ziel sicher erreicht hast.

Ich winke ein Taxi heran und obwohl du einfach deines Weges ziehen könntest, bleibst du neben mir stehen. Offenbar hast du dir Gedanken darüber gemacht, ob der Schutz, den ich dir bieten kann, es wert ist, deine Scheu zu überwinden.

Es dauert einige Minuten bis endlich ein Taxi hält, denn die ersten Regentropfen beginnen vom Himmel zu fallen.

Ich öffne dir die Tür – ein bisschen Anstand haben auch wir vom GIGN – und lasse dich zuerst einsteigen. Dann laufe ich um das Taxi herum, verstaue mein Gepäck im Kofferraum und steige auf der anderen Seite zu. „Das Hotel Mercure also?“, frage ich dich, nachdem du die Tasche, die du bei dir trägst, zwischen deinen Füßen verstaut hast. Offenbar möchtest du sie nicht außer Reichweite lassen, was den Anschein erweckt, dass du dein ganzes Hab und Gut mit dir herumzuschleppen scheinst. Deine Obacht untermauerst du unbewusst durch das ständige nervöse Spielen mit einer Haarsträhne und das fahrige Berühren deiner Tasche.

„Ja. Hotel Mercure“, wisperst du wiederholend und siehst immer wieder zwischen deiner Tasche und mir hin und her. Hey, ich bin wirklich einer von den Guten.

Ich schmunzele. „Du hast Glück, dass du den Geleitschutz bis zum Empfang bekommst.“

Du blickst von der Tasche zu mir auf. In deine Iriden mischen sich ein paar jadegrüne Sprenkel. Wie aus einem Automatismus heraus erfasse ich jedes noch so kleine Detail deiner Person, was ich als Berufskrankheit abtue, bevor ich noch in Erwägung ziehe, unterbewusst auch nur einen Funken ernstes Interesse an dir zu hegen. „Danke. Auch für eben. Das war nicht selbstverständlich“, sagst du und siehst scheu zwischen mir und der Tasche hin und her.

„Keine Ursache. Bei sowas kann man doch nicht wegsehen.“

„Die anderen haben weggesehen“, wirfst du ein und streichst dir eine Strähne deiner schokobraunen Haare, die sich unter der Kappe hervorgestohlen haben, hinter das Ohr.

Vielleicht sollten wir das Thema wechseln, ehe es zu sehr ins Negative abschweift. „Ich bin übrigens Léron.“

„Léron … ein schöner Name“, stellst du verhalten fest, und die Seiten deiner Lippen verwandeln sich in ein Schmunzeln. Dann siehst du zu mir, presst die Lippen wieder angespannt aufeinander und wickelst den Schal von deinem Hals. „Ich bin … Yulia“, bemerkst du mit einem schüchternen Lächeln.

„Schöner Name. Aber von hier bist du nicht“, entgegne ich feststellend, gebe dir jedoch nicht das Gefühl, dass ich dich aushorchen will, obwohl es Tatsache ist. Irgendetwas an deinem Verhalten alarmiert mein Bauchgefühl, dass du neben der Reisetasche ein dunkles Geheimnis mit dir herumträgst. Daher interessiert mich jedes Detail, das du von dir preisgibst.

Du schüttelst mit dem Kopf. „Nein, ich bin nicht von hier. Ich bin auf dem Weg in den Urlaub.“

Urlaub? Mit einer kleinen Reisetasche? Ganz sicher nicht. Das sieht ein Blinder. Du verstrickst dich in Lügen, Cherie. Tu das lieber nicht, denn ich verstehe meinen Beruf sehr gut. Lügner enttarne ich sofort.

„Und du?“ Langsam scheinst du mit mir warm zu werden.

Schnell verdränge ich meine Skepsis und mime den Unbehelligten. „Ich bin auch nur auf der Durchreise. So, wie du“, antworte ich und stelle eine weitere Gemeinsamkeit her, um dich zu ermutigen, weiterzureden.

Fahrig streichst du mit den Fingern über deinen Mantel. „Dann haben wir ja mehr gemeinsam als nur das Hotel.“

„Scheint so.“

Dicke Regentropfen prasseln auf die Windschutzscheibe nieder und perlen auch an unseren Fenstern in kleinen Schlieren hinab.

„Und du bist bei der Polizei?“, möchtest du schließlich doch wissen. Mir war klar, dass dir diese Frage noch auf der Zunge brennt, so erschrocken wie du beim Anblick meiner Marke ausgesehen hast.

„Ich war fünf Jahre in der Gendarmerie und seit drei Jahren gehöre ich der GIGN an.“

„Was ist die GIGN?“

„Eine Spezialeinheit der französischen Gendarmerie zur Terrorismus- und Kriminalitäts-Bekämpfung.“

Deine Augen weiten sich. Aber nicht aus Furcht, sondern es ist die reine Neugierde, die den Glanz in deinen Iriden verursacht. „Das ist sicher ein spannender Beruf.“

„Das ist er. Aber auch ein nicht ganz ungefährlicher.“

Du nickst, als du wieder zu deiner Tasche herabsiehst, in der du etwas ziemlich Wichtiges befördern musst, so sehr wie du sie im Auge behältst. Ich kann es nicht genau definieren, aber etwas hast du an dir, das mir offenbart, dass in dir nicht das kleine Unschuldslamm steckt, das du mir vorzuspielen versuchst. Und damit hast du den Profiler in mir geweckt. Inzwischen bin ich mir sicher, dass mein erster Eindruck von der verschüchterten, jungen Frau ein Trugschluss war. Das sagt mir mein Instinkt – und der täuscht mich nie. Du bist clever, überlegst genau, was du sagst und wie du dich bewegst, damit dich jeder mögliche Gegner unterschätzt. In deinen Augen lodert diese Leidenschaft, die ich auch bei mir manchmal beobachte, wenn ich mit meiner Einheit losziehe – genau wie ich hast du ein klares Ziel vor Augen. Eine Mission, die du mit deinem Leben verteidigst und zu erfüllen bereit bist. Ich spüre, dass wir uns ähnlicher sind, als du denkst. Wahrscheinlich ist es das, was mich in deinen Bann zieht und meinen Kummer für einen Augenblick beiseiteschieben lässt.

Das Prasseln des Regens wird zunehmend lauter. Das ist kein Schauer mehr, sondern verändert sich schon in Richtung Unwetter.

Ich sehe aus dem Fenster und blicke nach oben. Der Himmel ist von dicht-dunklen Wolken bedeckt. Die Lichter der Innenstadt ziehen an uns vorbei. Weit dürfte das Hotel Mercure nicht mehr sein.

„Und wie lange bleibst du in der Stadt?“ Du zeigst zunehmend Interesse.

„Morgen geht es schon weiter.“

Wir biegen an einer Kurve ab und werden von den Scheinwerfern eines entgegenkommenden Autos geblendet.

Weil du dich scheinbar gerade selbst dabei ertappst, dass du mich auszufragen beginnst, legt sich eine leichte Röte auf die Wangen. „Entschuldigung, ich wollte nicht …“

„Schon okay“, schieße ich schnell, aber in entspanntem Tonfall dazwischen. „Ich bin auf dem Weg zu meinem Bruder“, sage ich, damit deine Neugierde befriedigt wird, du aber nicht das Gefühl haben musst, mich ausgefragt zu haben.

„Wo lebt er?“ Jetzt beginnst du offenbar doch, mich auszufragen. Bei dir muss ich wohl deutlich mehr aufpassen, als ich zunächst angenommen habe.

„Nahe Menton. Ist also nur ein paar Kilometer von hier entfernt.“ Ein kleines Stück an Strecke, aber eine riesige Überwindung für mich.

„Und du?“, wirfst du ein und spielst mit einer Haarsträhne.

„Ich komme aus Paris.“ Ein Lächeln, das ich mit einem Kopfschütteln verbinde, geht mir über die Lippen, weil ich auf deine Ausfragerei reingefallen bin. Aber was willst du schon mit dieser Information anfangen? Paris ist mit seinen 2,1 Millionen Einwohnern nicht gerade klein.

Du nickst. „Dann seht ihr euch bestimmt nicht oft. Er freut sich sicher, dich zu sehen.“

Ich schlucke hart und presse die Lippen aufeinander. „Ich komme unangemeldet. Und ich weiß auch nicht, ob er zuhause ist, wenn ich ankomme.“

„Oh“, bemerkst du verwundert und ziehst die Brauen zusammen, sodass sich eine zugegeben niedliche, kleine Furche über deinem Nasenrücken bildet. „Er wird sich sicher freuen, dich zu sehen.“

„Bestimmt.“ Nicht. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, wie er auf mich reagieren wird. Vielleicht sollte ich doch zuerst nach meiner Schwester suchen, aber zu ihrem Aufenthaltsort haben selbst meine besten Kontakte nichts herausfinden können. Durch meinen Bruder erhoffe ich mir mehr Informationen. Deswegen ist er mein erstes Ziel.

Das Taxi hält vor einem hell erleuchteten Gebäude.

„Oh, ich glaube, wir sind da.“ Ich sehe auf das Taxameter, ziehe das Portemonnaie aus meiner Hosentasche und beuge mich zum Fahrer vor, um ihn zu bezahlen. Ein kleines Trinkgeld lege ich oben drauf, das er dankend annimmt.

Zeitgleich mit mir öffnest du deine Tür und hältst inne, weil es wie aus Eimern schüttet.

„Auf drei“, sage ich an, worauf du lachst, weil sich die Tatsache, dass wir nass werden, nicht vermeiden lässt. „Eins.“

Du wirfst „Zwei“ ein und schmunzelst, indes du deine Reisetasche fest umklammerst.

„Drei!“

Während dich dein Weg geradewegs zum Eingang führt, muss ich noch einen Stopp am Kofferraum einlegen und bekomme so erheblich mehr vom Regen ab als du. Doch das macht mir nichts aus. Bei meinen Einsätzen bin ich Unangenehmeres gewohnt als ein paar Regentropfen. Rasch öffne ich die Klappe des Kofferraums und hieve meinen Reisekoffer heraus. Schnellen Schrittes eile ich zum Eingang, vor dessen Tür du bereits auf mich wartest.

„Ich würde mal behaupten, du hast gewonnen.“

„War das ein Wettrennen?“, fragst du mit einem amüsierten Augenaufschlag.

„Vielleicht.“ Ich verkneife mir das schelmische Grinsen, das du mir beinahe entlockt hättest.

„Dann wären deine Teammitglieder aber nicht sonderlich stolz auf dich, wenn dich eine Frau in High Heels schlägt.“ Mit einem neckischen Grinsen deutest du auf deine Schuhe. Auf diesen Absätzen könnte ich keine zehn Meter laufen, ohne mir die Beine zu brechen.

„Du hattest ja auch eine viel kürzere Strecke als ich. Aber mit der Niederlage kann ich leben“, gebe ich augenzwinkernd zurück und halte dir die Tür auf.

Hinter dir betrete ich die Hotellobby, die mit hellem Marmorboden ausgestattet ist. Ebenfalls cremefarbene Säulen aus Marmor stehen links und rechts im Raum verteilt und auch der Tresen der Rezeption ist aus selbigem Material. Eine große Palme steht unweit davon entfernt. Klassische Musik läuft dezent im Hintergrund und unterstreicht damit das edle Ambiente.

Du stellst dich an den Tresen und wartest geduldig, bis die Rezeptionistin zu dir aufsieht.

Ich lasse dir den Vortritt. Nachdem die Empfangsdame dich eingecheckt und dir deine Zimmerkarte ausgehändigt hat, machst du einen Schritt auf mich zu. „Danke nochmal.“

„Keine Ursache. Pass gut auf dich auf.“

„Mach ich. Und viel Erfolg mit deinem Bruder.“

Ich nicke dir zu und deine Wangen nehmen wieder einen leichten Rotton an. Dann drehst du dich um und steuerst mit der Reisetasche in der Hand den Lift an.

Du steigst in den Aufzug und siehst noch einmal zu mir herüber bevor sich die Türen schließen und die einzige schöne Ablenkung an diesem Tag beenden.