Leseprobe Das feurige Herz des Highlanders

Prolog

Dunsithe Castle an der schottischen Grenze, 1527

Sie schlief, als sie kamen, um sie zu holen. Keine bösen Träume störten ihren Schlaf, dennoch war ihr nicht richtig klar geworden, dass ihr Vater, dieser große, lachende Mann, der sie immer neckte und den sie zutiefst bewunderte, für immer aus ihrem Leben gegangen war.

Adam Gordon, der mächtige Lord, der mit unwahrscheinlichem Glück das Blutbad von Flodden im Jahre vierzehn überlebt hatte, starb mit achtundzwanzig Jahren an einem Messerstich, den ihm ein gewöhnlicher Räuber beigebracht hatte – und noch dazu, nachdem er dem Schuft die Todesstrafe erlassen und ihn lediglich zur Brandmarkung verurteilt hatte. Nachdem Gordon gestorben war, machten seine Männer die falsche Entscheidung ihres Herrn rückgängig, doch das spielte für Gordon dann schon keine Rolle mehr und er würde nie erfahren, welche Verwicklungen sein Tod verursachen sollte. Wenn er nur einen männlichen Erben hinterlassen hätte, wäre alles anders gekommen, doch das hatte er eben nicht.

„Wach auf, Mädchen.“ Die fremde Stimme sprach eindringlich. „Du musst mit uns kommen.“

Vergeblich versuchte Molly, die große Hand abzuschütteln, die auf ihrer Schulter lag. Sie war fünf Jahre alt und schlief den schweren, tiefen Schlaf eines unschuldigen Kindes. Es war also nicht so leicht, sie aufzuwecken, wie es sich der Mann wohl gedacht hatte.

„Um Himmels Willen, heb sie doch einfach hoch, Davy.“ Eine andere Stimme, noch ein fremder Mann. „Seine Lordschaft will, dass wir sie auf der Stelle nach unten bringen.“

„Aber sie muss doch erst mal anständig angezogen werden“, wandte der erste ein.

„Psst! Glaubst du denn, das kleine Dingelchen weiß, wo seine Sachen liegen? Nimm sie einfach hoch, Mann. Sie schläft doch wie eine Tote.“

Sie spürte einen kalten Luftzug, als die Decke zurückgeschlagen wurde, war aber immer noch zu schläfrig, um sich zu wehren, selbst als der Mann sie hochhob. Als er ihren kleinen Körper an seiner breiten Brust barg, drückten sich harte Spitzen durch ihr dünnes Hemdchen in ihre zarte Haut und sie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden.

Sie blinzelte benommen. Es war dunkel im Zimmer, doch wo war ihre Kinderfrau. Die Männer ihres Vaters kümmerten sich nicht um Kinder.

„Sie wird frieren“, sagte der Mann, der sie auf dem Arm hatte. „Vielleicht sollte ich die Decke auch mitnehmen.“

„Seine Lordschaft wird uns schon sagen, was das Mädchen braucht“, sagte der andere barsch.

Sie war jetzt ein wenig wacher und begann sich zu sträuben. „Lass mich runter“, murmelte sie. „Wer bist du? Du darfst mich nicht anfassen.“

„Ruhig, Mädchen“, brummte der Mann, der sie trug. „Du wirst tun, was man dir sagt.“

Sein brüsker Befehl brachte sie zwar zum Schweigen, doch sie ärgerte sich darüber. An Grobheit war sie nicht gewöhnt.

Der fremde Mann trug sie über die von Fackeln erleuchtete Wendeltreppe in die große Halle hinab. Dort war es auch kalt, denn an den Wänden mit ihren Wandbehängen hatte man zwar mehrere Fackeln entzündet, doch das Feuer in der Halle war gänzlich heruntergebrannt. Sie erschauerte. Es war nicht richtig, dass sie hier war.

„Hier ist die Maid, Mylord“, sagte der Mann, der sie trug.

„Setz sie ab.“

Diese Stimme erkannte sie. Es war ihr Onkel, der Graf von Angus.

Weil Angus nur selten zu Besuch kam, blickte sie ihn noch verwirrter an als zuvor und versuchte, seine Stimmung einzuschätzen, während der Mann, der sie getragen hatte, sie auf ihre bloßen Füße stellte.

Da bemerkte sie plötzlich ihre Mutter im Schatten des großen offenen Kamins und gut erzogen wie sie war, machte sie sogleich einen hastigen Knicks und sagte: „Guten Abend, Onkel.“

Obwohl sie auf einem Teppich stand, wurden ihr langsam die Füße kalt und ihr war klar, dass ihre Mutter sie für ihren ungebührlichen Aufzug schelten würde und dafür, dass sie im Nachthemd die Treppe heruntergekommen war. Dennoch hielt sie den Blick fest auf ihren Onkel gerichtet.

Angus war ein gut aussehender blonder Mann Ende dreißig, doch seine stechenden blauen Augen waren so kalt wie die Halle und starrten sie ohne zu blinzeln an. Als er ihren Gruß nicht erwiderte, stieg Furcht in ihr auf.

Mit unbewegter Miene und harter Stimme blaffte er schließlich: „Wo zum Teufel sind deine Kleider?“

Auf einmal tat ihr die Kehle weh, sie musste hart schlucken und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen stiegen. „K-Keiner hat sie mir gebracht“, stammelte sie und traute sich nicht, ihrer Mutter dabei einen Blick zuzuwerfen.

Zu ihrer Verblüffung sagte Lady Gordon mit scharfer Stimme: „Ich bitte dich, Archie, was hast du denn erwartet? Das Kind ist noch keine sechs Jahre alt. Ich weiß wirklich nicht, warum du auf deinem schrecklichen Vorhaben bestehst, denn sie ist noch viel zu jung, um aus ihrem Heim gerissen zu werden.

Molly spannte die Muskeln an und rieb einen kalten Fuß am anderen, doch sie redete nicht dazwischen. Obwohl sie noch klein war, hütete sie sich zu quengeln. Ihre Mutter war genauso unberechenbar wie Onkel Archie und würde es nicht sehr schätzen, wenn sie jetzt ihre Meinung kundtat.

Der Graf schaute ihre Mutter missbilligend an. „Du wirst dich mir nicht widersetzen, Eleanor“, sagte er. „Du wirst tun, was das Beste für deine Familie ist, und ich entscheide, was das ist. Ich habe einen neuen Ehemann für dich gefunden. Er ist zwar durchaus bereit, eine Frau zu heiraten, die nicht im Ehebett geboren ist, zumindest, wenn es sich bei ihr um meine Schwester handelt, ich kann ihm jedoch nicht gestatten, über die Maid von Dunsithe oder ihre derzeitige Erbin zu bestimmen. Die Geschicke der beiden werde ich selbst in die Hand nehmen.

„Du kannst mir Bessie nicht auch noch wegnehmen“, protestierte Lady Gordon. „Sie ist doch noch so klein.“

„Selbstverständlich werde ich sie mitnehmen. Kinder sterben nun einmal, meine Liebe, und falls Mary stirbt, wird ihre Schwester die Maid von Dunsithe und erbt alles.“

Wäre er jemand anderer gewesen, dann hätte ihm Molly unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht Mary genannt werden wollte. Ihr Vater hatte immer Molly zu ihr gesagt.

„Das Wohl meiner Töchter kümmert dich keinen Deut“, sagte Lady Gordon ärgerlich. „Dir geht es nur darum, Dunsithe und seinen Reichtum in die Finger zu bekommen, ebenso, wie du dir in den vergangenen Jahren die Gunst des Königs erschlichen hast. Ich bin Marys Mutter und daher am besten geeignet, mich um sie zu kümmern und auch um die Besitztümer meines verstorbenen Mannes.“

„Sei doch nicht so dumm“, erwiderte er. „Dunsithe ist eine Grenzfestung, die von einem starken Mann gehalten werden muss. Ich bin im Besitz einer königlichen Urkunde, die mich zu Marys Vormund macht und mir das Recht verleiht, sie zu verheiraten; du wirst also gefälligst genau das tun, was ich dir sage, sonst wirst du dich bald ganz gewiss in einer ungemütlichen Lage wiederfinden.“

Er machte eine Pause und blickte sie scharf an, doch das Kind war keineswegs überrascht, dass seine Mutter nichts mehr erwiderte. Niemand ließ sich auf ein Streitgespräch mit einem Mann ein, der in einem solchen Ton sprach.

„Das ist schon besser“, sagte Angus. „Nimm das Mädchen mit und lass es warm anziehen. Und kümmere dich auch um die Kleine.“

„Was ist mit ihrer Kinderfrau?“

„Sie bleibt hier. Auf Tantallon habe ich Kinderfrauen für sie, denen ich vertrauen kann. Geh nun, denn ich habe noch weitere Angelegenheiten zu regeln, bevor ich gehe.“

Ohne ein weiteres Wort riss Lady Gordon ihre Tochter an sich und Molly presste die Lippen fest zusammen, um angesichts dieser unwirschen Behandlung nicht in Tränen auszubrechen. Als sie die Treppe hinaufgetragen wurde, hörte sie ihre Mutter murmeln: „Weitere Angelegenheiten, wahrhaftig. Ihm geht es nur darum, den Besitz und die Erbin von Dunsithe in die Finger zu bekommen.“

Oben angekommen, rief Lady Gordon nach ihrer Zofe, und als die würdige Dame erschien, sagte die Lady ungehalten: „Wir müssen sie reisefertig machen, Sarah. Also sag ihrer Kinderfrau, sie soll dir warme Sachen für Mary geben und auch Elizabeth dick anziehen. Außerdem soll sie noch mehr Kleidung einpacken. Sie gehen mit Angus.“

Bei der Vorstellung, mit ihrem unfreundlichen Onkel fortgehen zu müssen, schossen Mary die Tränen in die Augen.

„Nimmt seine Lordschaft denn die beiden Kleinen mit?“

„Ja“, antwortete Lady Gordon, „und wenn du gestattest, werde ich einen Mann seiner Wahl heiraten. Immerhin ist Molly jetzt eine Erbin und mein werter Bruder hält mich für ungeeignet, für sie zu sorgen. Und er will auch Elizabeth für den Fall, dass Molly sterben sollte. Es wäre mein gutes Recht, das Vermögen zu verwalten, bis Molly erwachsen ist, doch ich muss mich mit dem zufriedengeben, was Angus und mein zukünftiger Ehemann mir gestatten. Zweifellos wird man die arme Molly auch so schnell wie möglich verheiraten.“

„Ach, aber sie ist doch noch viel zu jung zum Heiraten!“

„Ein Mädchen mit einem solchen Vermögen ist niemals zu jung zum Heiraten“, sagte Lady Gordon in schroffem Ton. „Angus wird sich sie und ihr Vermögens zu seinem eigenen Vorteil verwenden.“

„Wenn sie sich verheiratet, wird er den Schatz von Dunsithe nicht mit ihr ziehen lassen, glaub‘ ich.“

„Nein, aber in der Geschichte läuft nicht immer alles nach Plan, Sarah, und der junge König Jakob mag meinen Bruder nicht. Noch muss er ihm Gunst erweisen, doch eines Tages wird Jakob sich von ihm befreien und dann wird Angus nicht mehr so viel Macht besitzen wie jetzt. Und was ist, wenn Molly etwas zustößt? Oder wenn jemand ihren Anspruch auf das Erbe anfechten sollte?“

„Aber wer sollte denn so etwas tun?“

„Jetzt denk doch mal nach, Weib!“, sagte Lady Gordon ungeduldig. „So etwas passiert immer dann, wenn ein Mann etwas begehrt, das einem anderen gehört. Es braucht nur jemand daherzukommen und sie eine Betrügerin zu nennen oder zu behaupten, dass da irgendein Schwindel im Gange sei.“

„Aber dann werdet Ihr doch wohl alles richtig stellen, Madam. Ihr seid doch immerhin ihre Mutter.“

„Ja, aber ich würde mich nicht wundern, wenn Angus mir verbietet sie zu sehen. Er veranstaltet die Entführung – und was ist es schließlich anderes als eine Entführung – ja nicht, weil er glaubt, sie besser erziehen zu können. Er will einfach verhindern, dass ich über die Maid von Dunsithe und ihren Besitz verfüge. Jetzt bring mir ihre Kleider, sonst holen sie sie noch, so wie sie ist.“

Die Frau eilte davon und das Kind blieb mit seiner Mutter allein.

„Hör mir zu, Molly“, sagte Lady Gordon. „Du gehst jetzt mit deinem Onkel Archie fort. Du musst ein braves Mädchen sein und ihm immer gehorchen, denn er ist sehr streng.“

„Aber ich will nicht weggehen“, sagte Molly und kämpfte schon wieder mit den Tränen. „Ich lebe hier und ich kann Onkel Archie nicht leiden.“

„Du musst gehen, damit du auf Bessie aufpassen kannst.“

„Aber warum können wir nicht beide hier bei dir bleiben?“

„Es geht eben nicht und fertig.“

Die Augen liefen ihr über und sie wischte hastig die Tränen ab. Nur Babys weinten.

Die Tür ging auf und die Zofe erschien mit Mollys Kleidern. Sarah blickte sehr besorgt drein.

„Was ist denn?“, wollte Lady Gordon wissen. „Was ist los?“

„Ein paar Männer haben die Kleine geholt, Mylady! Sie sind einfach in die Kinderstube eingedrungen und haben Elizabeth aus der Wiege genommen.“

„Mein Gott, was fällt ihm bloß ein?“

Sarah standen die Tränen in den Augen, und als Molly das sah, begann sie zu zittern. Wieder liefen ihr die Tränen über die Wangen und diesmal wischte sie sie nicht ab.

Während Sarah sie zügig ankleidete, sagte sie betrübt zu Lady Gordon: „Warum nur nimmt uns der Graf die kleine Bess weg, Mylady?“

„Wenn Molly etwas passiert, wird Bessie die Maid von Dunsithe, und er will unter allen Umständen die Verfügungsgewalt über das Vermögen behalten. Allerdings“, setzte sie nachdenklich hinzu, „würde ich es Angus zutrauen, eine eigene Erbin zu präsentieren, falls beide Mädchen sterben sollten. Wenn er sie vor der Welt verborgen hält und sie immer wieder auf eine andere seiner Burgen bringen lässt, wer würde da etwas merken? Wahrscheinlich würde selbst ich nach ein paar Jahren die wahre Maid von Dunsithe nicht mehr erkennen.“

„Aber das könnte doch sicher nie geschehen!“

„Wir dürfen es einfach nicht zulassen“, entgegnete Lady Gordon knapp. „Für Bess kann ich nichts mehr tun, da Angus sie schon in seine Gewalt gebracht hat, aber Molly werde ich auf jeden Fall wiedererkennen.“ Sie zog einen kleinen Schlüssel von dem Schlüsselring, der an ihrem Gürtel hing, und reichte ihn Sarah. „Fache das Feuer an und erhitze diesen Schlüssel, bis er rot glühend ist. Ich werde dafür sorgen, dass es niemals einen Zweifel daran geben wird, wer die wahre Maid von Dunsithe ist.“

„Herrin, Ihr werdet doch dem Mädelchen wohl kein Leid antun!“

„Hüte deine Zunge, Weib, und tu, wie dir geheißen. Ich werde jetzt dafür sorgen, dass sich die Kinderfrau mit dem Zusammensuchen der Kleidung beeilt, doch ich bin gleich wieder da. Und du Molly“, setzte sie in scharfem Ton hinzu, „hörst auf zu weinen, wenn du nicht meine Hand zu spüren bekommen willst, wenn ich zurückkomme.“

Ihr krampfte sich der Bauch zusammen, sie atmete stoßweise und ihre Handflächen brannten, doch mit einer schnellen Armbewegung wischte sich das Kind die Tränen aus dem Gesicht und sah schweigend zu, wie die Zofe in den Resten des Feuers stocherte.

Sarah legte noch ein Holzscheit nach und blies gekonnt die Glut an, bis erneut Flammen hochschlugen. Sobald das Feuer kräftig flackerte, schob sie den kleinen Schlüssel auf das Ende des Schürhakens und hielt ihn mitten in die Flammen. Als Lady Gordon zurückkahm, war der Schlüssel rot glühend.

„Such mir etwas, womit ich ihn halten kann und dann entblöße ihre Brust“, befahl sie. „Den Rest mache ich schon selbst.“

Erst in diesem Augenblick merkte Molly, was ihre Mutter vorhatte. Laut schreiend versuchte sie sich aus Sarahs Griff zu befreien. Obwohl sie so klein war, mussten sie sie zu zweit festhalten.

Kapitel 1

Insel Skye, Schottland, 1539

Der Wind heulte um das kleine strohgedeckte Häuschen und aus dem schwarzen, nur von Blitzen erhellten Himmel stürzten Regen und Schneegraupeln herab. Der Regen prasselte laut auf das Strohdach und nach jedem Blitz grollte der Donner, doch die Bauern in der Hütte waren an derartige Geräusche gewöhnt. In dem einzigen kleinen, überfüllten Raum war es still, bis auf das Tosen des Sturms, das gleichmäßige Surren eines Spinnrades, das Knistern und Zischen des Torffeuers, das in der Mitte des festgetretenen Lehmbodens brannte, und die Stimme des langbärtigen alten Mannes, der auf dem Ehrenplatz saß.

„Vor vielen Jahren“, hob er an, „erzählte mir mein Vater die Geschichte von der Frau, die nicht wusste, wie sie mit all dem Spinnen und Weben fertig werden sollte.“

Er machte eine Pause, blinzelte zu der Frau am Spinnrad hinüber und tat einen langen, durstigen Zug aus seinem Krug. Dann stellte er den Krug auf seinem Schoß ab, umfasste ihn mit den knotigen, altersfleckigen Händen und fuhr in geheimnisvollem Ton mit seiner Geschichte fort: „Obwohl man sie gewarnt hatte, sprach sie eines Nachts den Wunsch aus, dass ihr jemand bei der Arbeit helfen möge, und am nächsten Tag erschienen sechs oder sieben Elfenfrauen in langen grünen Gewändern vor ihrem Haus und sangen geheimnisvolle Zauberworte, die nur sie allein verstehen konnten. Sie machten sich an die Arbeit, krempelten und spannen die Wolle und am folgenden Mittag lag bereits das Tuch auf dem Webstuhl. Als sie fertig waren, fragten sie die Frau, ob sie noch mehr Arbeit für sie hätte, doch es gab nichts mehr zu spinnen und zu weben und die Frau überlegte, wie sie die Elfen wieder aus dem Haus bekommen konnte.“

Die siebzehnjährige Molly Gordon saß auf ihrem Umhang in einer Ecke des Zimmers auf dem Lehmboden und lehnte sich zufrieden gegen die Wand. Die Arme um die Knie geschlungen lauschte sie auf die altbekannte Geschichte und hatte für einen flüchtigen Augenblick beinahe das Gefühl dazuzugehören, zu Hause zu sein. Sie kannte jeden Einzelnen im Raum gut, ebenso gut wie die Familie, die sie aufgezogen hatte, und sie fühlte sich ihnen tief verbunden.

Der Duft des brennenden Torfes waberte durch die Luft, mischte sich mit den Essensgerüchen der Mahlzeit, die man zuvor auf dem Feuer gekocht hatte, mit dem Geruch der nassen Hunde, die sich neben ihren Herrn zusammengerollt hatten und dem Dunst, der aus den regenfeuchten Wollkleidern aufstieg. Obgleich alle in der Hütte die Erzählung schon oft gehört hatten, lauschten sie doch ebenso hingerissen, als sei es das erste Mal.

Jeder hatte etwas zu essen mitgebracht und nun, da sie alles verspeist hatten und die Dunkelheit hereinbrach, begann der wichtigste Teil des ceilidh, des geselligen Beisammenseins. Während des Essens hatte man miteinander geplaudert und den neuesten Klatsch und Tratsch ausgetauscht. Die Männer hatten noch Torf nachgelegt, und als es aufflammte und dann vor sich hin glühte, kamen die Geschichten an die Reihe.

Beinahe zwanzig Menschen, Erwachsene und Kinder, drängten sich in der Stube zusammen. Die meisten hatten sich in einem engen Kreis um das Feuer niedergelassen, doch achteten sie darauf, noch genügend Platz zwischen sich und dem Feuer zu lassen, falls jemand vom kleinen Volk zu ihnen stoßen und sich an den Geschichten ergötzen wollte. Die Mädchen kuschelten sich an Familienmitglieder oder Freundinnen und die Jungen zwängten sich in jede verfügbare Lücke – drei von ihnen saßen auf dem massiven eckigen Tisch, den man an die Wand geschoben hatte, und noch ein paar mehr hatten sich darunter gequetscht.

Der Mann, der neben Molly saß, drehte beim Zuhören Heidekrautzweige zu Seilen, mit denen er sein Dachstroh befestigen wollte. Ein anderer fertigte Kälberstricke aus Queckenwurzeln und ein weiterer flocht einen Binsenkorb für Lebensmittel.

Die Hände der Gastgeberin am Spinnrad vollführten flink die vertrauten Bewegungen, während ihre älteste Tochter neben ihr Wolle hechelte. Eine weitere zupfte die Knoten von einem fertigen Stück Tuch. Die anderen Frauen nähten, strickten oder versorgten ihre kleinen Kinder. Säuglinge wurden gestillt oder schliefen auf einer Eckbank und Molly gegenüber schlummerte ein älterer Mann und begleitete die Erzählung mit seinem Schnarchen.

Molly hatte keine Arbeit, um ihre Hände zu beschäftigen, kein Knie, an das sie sich lehnen, keine Hand, die sie halten konnte. Sie saß ein Stück von den anderen entfernt und dennoch wurde ihr an diesem Abend warm ums Herz und ihre rastlose Seele kam zur Ruhe.

Der Erzähler war an der Stelle der Geschichte angelangt, wo die Hausfrau sich bei ihrer Nachbarin beklagte, dass die Elfenfrauen sie zur Verzweiflung trieben.

„‚Geh zu ihnen hinein‘, riet ihr die Nachbarin, ‚und sag ihnen, sie sollen an den Strand hinuntergehen und den Sand zu Tuch spinnen und weben. Dann sind sie beschäftigt und bleiben dir aus dem Haus‘. Das tat die Frau auch“, fuhr der Erzähler fort, „und soweit man weiß, sind die Elfen noch bis auf den heutigen Tag damit beschäftigt.“

Wie immer wurde das Ende der Geschichte mit Kichern begrüßt und noch bevor die Heiterkeit abgeklungen war, sagte ein anderer Mann in nüchternem Ton: „Mein Vater und Großvater kannten einen Mann, den hat die Wilde Jagd die ganze Strecke von South Uist nach Barra getragen.“

„Also dann, erzähl uns davon, Mann“, murmelten mehrere Stimmen im Chor.

Danach erzählte der alte Mann die Sage von den Dracae oder Wasserelfen, eine von Mollys Lieblingsgeschichten. Da verstummten sogar die Kinder und hörten eifrig zu, was der Frau widerfuhr, die von den Wasserelfen ergriffen und in deren unterirdische Behausung verschleppt wurde, wo sie den Elfenkindern als Kinderfrau dienen sollte. Gerade an der Stelle, als es der Gefangenen gelang zu fliehen und sie die Fähigkeit erhielt, die Dracae zu sehen, wann immer sie sich unter die Menschen mischten, schlief ein kleiner Bursche, der sich nur noch mit Mühe wach gehalten hatte, ein und kippte um. Seine Brüder, die daraufhin in schallendes Gelächter ausbrachen, wurden sofort von ihrem Vater und ein paar anderen Erwachsenen zur Ordnung gerufen. Molly musste lächeln.

Als die Geschichte von den Wasserelfen zu ihrem glücklichen Ende kam, tat sie einen tiefen zufriedenen Atemzug. Es war ganz egal, wie oft man diese Erzählungen hörte, denn wenn man wusste, wie sie ausgingen, machte es nur noch mehr Spaß. Sie musste sogar für den Regen dankbar sein. Keiner würde von ihr erwarten, dass sie bei diesem Wetter nach Dunakin Castle zurücklief.

 

Obwohl der schwarze Sturm, der draußen vom Atlantik kam, mit unverminderter Gewalt wütete, lenkten die Ruderer das kleine Fischerboot bemerkenswert sicher und unbeirrt von Kintail auf dem Festland hinüber zur Insel Skye, deren Silhouette sich verschwommen in der Ferne abzeichnete. Im Schein eines Blitzes konnte man im Boot die Sechs-Mann-Besatzung sehen. Einer kauerte im Bug, einer saß an der Ruderpinne und die anderen bedienten die langen Ruder. Der Donner grollte und rumpelte und eisige Graupelschauer prasselten auf sie herab. Die Sturmböen waren so heftig, dass die Männer das viereckige Sturmsegel des Bootes eingeholt und fest am Mast vertäut hatten.

Der nächste Blitz enthüllte die weiße Gischt, die sich überall um sie herum wie Schnee türmte. Dann krachte ein Donnerschlag und wieder hüllte Finsternis sie ein.

Im Bug, das Gesicht vom Sturmwind abgewandt, saß Sir Finlay Mackenzie, Baron Kintail, wickelte sich noch fester in seinen eingeölten Wollumhang und betrachtete das winterliche Wetter mit gemischten Gefühlen. Ihm war kalt und trotz seines schweren Umhangs war er auch durchnässt. So hatte er sich die Sache nicht vorgestellt, als er sich vorgenommen hatte, seinem Leben wieder einen festen Halt zu geben.

Früher am Tag waren er und die fünf anderen zu Pferd von Eilean Donan Castle in das Dorf Kyle geritten. Von dort aus waren sie mitten im Sturm in See gestochen. Normalerweise wäre es nur eine kurze Fahrt gewesen, denn die Insel Skye lag nur eine halbe Meile vor der Küste. Da sie jedoch direkten Kurs nach Süden halten mussten, traf sie der Atlantiksturm von rechts und drohte sie immer wieder vom Kurs abzubringen. Auf diese Weise dauerte die Überfahrt eine Ewigkeit.

Ungeachtet der eisigen Graupeln, die in sein Gesicht stachen, warf Fin einen Blick über die Schulter und spähte in die Dunkelheit hinaus. In der Schwärze des Unwetters flackerte ein winziges Lichtpünktchen – es war das Leuchtfeuer von Dunakin Castle, hoch oben auf seiner Klippe. Trotz aller Bemühungen des Sturms, sie zurück nach Eilean Donan zu treiben, hatten sie Kurs gehalten.

Er hoffte, dass er das Richtige tat. Es mochte tollkühn sein, sich im Interesse seines Vorhabens in solche Gefahr zu begeben, besonders, da er nur so wenige Männer im Gefolge hatte. Doch immerhin war er ein Anführer der Mackenzies, ein Baron und Gerichtsherr und damit ein Mann von beträchtlicher Autorität. Vielleicht hätte er besser einen ruhigen Tag abwarten sollen, an dem er so viele Pferde und bewaffnete Männer nach Skye bringen konnte, wie es einem Häuptling geziemte.

Andererseits, bis er das bewerkstelligen konnte, würde jedermann auf Skye von seiner Ankunft wissen, und nicht alle hegten freundliche Gefühle für die Mackenzies von Kintail.

Daher hatte er sich entschlossen, seine Vorhaben rasch, ohne Vorwarnung und vor allem still und heimlich auszuführen. In ein Hornissennest würde er trotzdem stechen, doch das scherte ihn wenig. In Wirklichkeit freute es ihn sogar, dass sein größter Feind, Donald von Sleat – der Mann, der ihm solch schwere Verantwortung aufgeladen hatte – seinen wertvollsten Besitz einbüßen würde. Die Maid von Dunsithe, reichste Erbin im ganzen Land, würde einen neuen Vormund bekommen und Donald von Sleat, den man im westlichen Hochland und auf den Inseln nur den grimmigen Donald nannte, hatte von diesem Wechsel noch keinen Schimmer.

Ihm die Maid wegzunehmen war nur ein kleiner Schachzug im großen Gesamtplan, aber es war immerhin etwas, und Fin Mackenzie hatte noch eine Rechnung mit dem grimmigen Donald zu begleichen. Erst wenige Monate zuvor, mitten im tiefsten Winter, hatten Donald und noch ein paar von seinem Clan Fins Vater kaltblütig ermordet. Rache war süß, ganz gleich in welcher Form.

Es war nicht zu unterscheiden, ob es nun die Meeresgischt oder die peitschenden Graupelschauer waren, die ihn durchnässten, doch als sie sich der Insel Skye näherten, fanden sie ein wenig Schutz vor dem schlimmsten Wüten des Sturmes. Im Gegensatz zur offenen See waren sie jetzt geschützt und durch das Brüllen des Sturms konnte er das Quietschen der Ruderdollen hören und das Wasser, das gegen die Bordwand schlug. Wenn der Wind einmal für kurze Zeit nachließ, konnte er sogar das Keuchen seiner Ruderer vernehmen. Als Küstenbewohner waren sie alle gute Bootsmänner, doch sie waren ebenfalls gute Krieger.

Wieder flammte ein Blitz auf und Fins Blick traf sich mit dem von Sir Patrick MacRae, seinem engsten Gefährten und besten Freund. Im Hochland nannte man die MacRaes das ‚Kettenhemd der Mackenzies‘ und Patrick war ein echter MacRae. Er war etwa im gleichen Alter wie sein Herr und hatte Fin seit seiner Kindheit gedient. Er hatte ihn sogar auf die St. Andrews Universität begleitet, wo die beiden gemeinsam eine ganze Reihe von Abenteuern erlebt hatten.

Patrick grinste wie gewöhnlich und unwillkürlich lächelte Fin zurück. Doch als der Donner krachte und die Finsternis sie erneut verschlang, wanderten seine Gedanken zurück zur Maid von Dunsithe. Vor allem überlegte er, was er wohl mit ihr anfangen sollte.

Seine größte Liebe galt seiner Heimat und seinem Volk. Jakob, fünfter seines Namens und von Gottes Gnaden Oberster König der Schotten, hatte ihm die Erlaubnis erteilt, die Maid so zu verheiraten, wie es ihm den größten Nutzen brachte. Er konnte sie sogar selbst heiraten, wenn er wollte, aber er hatte überhaupt noch keine Lust zur Ehe, mit welcher Frau auch immer.

Fin war mehr am Reichtum der Maid interessiert, der ihm sehr gelegen gekommen wäre, um damit seine Leute zu beschützen und die Befestigungen von Eilean Donan zu verstärken. Es gab da allerdings ein Problem. In ganz Schottland, von der Grenze bis ins Hochland, stimmte man darin überein, dass die Maid von Dunsithe die reichste Erbin des Landes war. Unter normalen Umständen hätte daher einer ihrer früheren Vormünder – von denen sie im Laufe der Zeit mehrere gehabt hatte – sie schon lange unter die Haube gebracht. Doch ihr Vermögen war ein Anreiz und ein Hindernis zugleich, denn es hieß, dass noch niemand es je zu Gesicht bekommen hatte. Doch diese ganze Geschichte kam ihm sehr merkwürdig vor. Wenn es einen Schatz gab, würde er ihn finden, wobei er allerdings überzeugt war, dass dieser Schatz im Laufe der Zeit in den Erzählungen immer gewaltiger geworden war. Doch ganz gleich, wie groß er nun wirklich sein mochte, er, Fin, würde ihn sehen, berühren und ihn sich aneignen, bevor er über das weitere Schicksal der Erbin entschied.

Er konnte sich gar nicht genug darüber wundern, was für ein unwahrscheinliches Glück ihm widerfahren war. Nach all den Monaten der Ungewissheit, in denen er daran gezweifelt hatte, ob es ihm gelingen würde, in die Fußstapfen seines mächtigen Vaters zu treten, hatte er schließlich die Aufmerksamkeit des Königs erregt und ein Bündnis mit dem einflussreichen Grafen von Huntly, dem Anführer der Gordons, schließen können. Huntly regierte über das östliche Hochland und war so etwas wie ein Cousin der Maid.

Dadurch verfügte die Erbin unter anderem über wichtige Verbindungen nach Edinburgh, doch zurzeit gehörte sie einem Baron, der außerhalb des Hochlands kaum Einfluss hatte.

Fin war sich schmerzlich bewusst, dass es schon eines Wunders bedurfte, sie zu behalten, wenn mächtigere Männer als er erst herausfanden, was König Jakob getan hatte, und das Mädchen für sich beanspruchten. Falls diese Männer, darunter der grimmige Donald, die Geschichte mit dem Schatz nicht ebenfalls für ein Märchen hielten, würde er um sie kämpfen müssen.

Leider war der König sehr wankelmütig bei der Wahl seiner Freunde. Er hetzte gerne seine Adligen gegeneinander auf, doch wenn es hart auf hart kam, so glaubte Fin, würde er seinen Besitz verteidigen können. Auch ohne verstärkte Befestigungen war Eilean Donan eine bedeutende Festung und er selbst war ein Krieger, der sein Hab und Gut durchaus zu wahren wusste. Und wenn dann noch der Schatz der Maid seine Stellung festigen würde, wer weiß, was sich dann nicht noch alles erreichen ließ.

Die Bootsleute zogen die Ruder ein und der Kiel des Bootes schrammte über den Kiesstrand. Auf dem Steilufer über ihnen erhoben sich die hohen Mauern und eckigen Türme von Dunakin Castle, Festung der Mackinnons auf Skye. Am Fuße des Burgfelsens kauerten sich die Hütten des Fischerdörfchens Kyleakin zusammen, deren Umrisse Fin in der Dunkelheit vage ausmachen konnte. Es bestand lediglich aus einer Reihe von Hütten, Schuppen und geteerten Verschlägen, in denen Fisch geräuchert wurde, doch zumindest drang das Tosen des Sturmes nicht bis hierhin. Alles war dunkel und still und die Dorfbewohner schienen schon alle zu schlafen.

Fin spürte eine Welle der Erregung. Er kannte Mackinnon nicht, doch er liebte das Abenteuer und zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass er bekommen würde, was ihm zustand.

Als Fin auf den Kiesstrand sprang, schlug ein einsamer Hund an. Dann stimmten weitere Hunde in das Gebell ein, doch in den Fischerhütten regte sich nichts.

Seine Männer folgten ihm und gemeinsam zogen sie das Fischerboot ans Ufer, wo es bis zu ihrer Rückkehr sicher aufgehoben wäre. Fin genoss das angenehme Gefühl, in diesem Spiel die Oberhand gewonnen zu haben, noch bevor sein Gegner überhaupt wusste, dass er mit ihm rechnen musste. Er ließ seine Augen über die Festungsmauern wandern, dann marschierte er los, um sich seinen Siegespreis zu holen.

 

„Wach auf, Claud! Verdammt noch mal, du nichtsnutziger Kerl, wach endlich auf!“

So grob aus seinem schönen Schläfchen auf der Bank am Feuer der Wohnstube gerissen, öffnete Brown Claud ein Auge und blickte verschlafen auf den Störenfried. Beim Anblick seiner Mutter schloss er messerscharf, dass irgendetwas ihr aufbrausendes Temperament erregt hatte, und fragte vorsichtig: „Willst du etwas, Mama?“

„Ich will, dass du aufwachst“, fuhr ihn Maggie Malloch an.

Bevor er auch nur einen Finger rühren konnte, packten ihn zwei plumpe, doch erstaunlich kräftige Hände vorne beim Kittel und rissen ihn hoch. Das nächste, was er mitbekam, war, dass er durch die Luft segelte. Es war allerdings nur ein kurzer Flug. Mit einem markerschütternden Krachen landete er in voller Länge auf dem Steinboden, wo er sich verrenkt und verblüfft, doch ganz gewiss hellwach wiederfand.

Er setzte sich mühsam auf, rieb sich die schmerzende Schulter und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf drehte sich, tat aber zumindest nicht weh. Also war er damit wohl nicht auf dem Boden aufgeprallt.

Die Hände in die Hüften gestützt stand seine Mutter da und starrte auf ihn hinunter. Ihre ganze rundliche Gestalt bebte vor Wut und einem anderen, weniger vertrauten Gefühl. „Die Runde ist zusammengekommen“, sagte sie grimmig. „Sie haben eine Entscheidung gefällt.“

„Was haben sie gesagt, Mama?“, fragte er. Es sollte beiläufig klingen, doch angesichts seiner jüngsten Taten würde wohl seine gesamte Zukunft von der Entscheidung der Runde abhängen. Daher krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen und seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren angstvoll und jämmerlich.

Falls seine Mutter seine Furcht spürte, so ließ sie es sich nicht anmerken, sondern sagte nur kurz angebunden: „Du selbst bist dafür verantwortlich, Claud, und niemand sonst.“

„Hat man mich verurteilt, Mama? Will der Clan mich ausstoßen?“

„Meine Stimme hat immer noch einiges Gewicht in der Runde“, erwiderte sie barsch. „Für den Augenblick konnte ich das Schlimmste verhüten, aber ich kann dich nicht für immer beschützen, Junge, wenn du dich nicht langsam auf die eigenen Füße stellst und tust, was deine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist.“

„Aber ich dachte, ich hätte meine Pflicht getan.“

„Pah“, stieß sie hervor. Sie schob drohend den Kopf vor, um ihren folgenden Worten Nachdruck zu verleihen: „Du solltest auf die Maid aufpassen und sie vor Unheil beschützen. Stattdessen hast du dich auf Sachen eingelassen, aus denen nichts Gutes entstehen kann.“

„Ich wollte ihr doch nur helfen. Solange sie unter der Aufsicht des grimmigen Donald stand, konnte es ihr nicht gut gehen. Das weißt du genauso gut wie ich!“

Sie schüttelte den Kopf. „Was ist nur in dich gefahren, Junge? Du hast ja schon manches Mal Unfug angestellt, aber so eine Dummheit hast du dir noch nie geleistet. Geht es um eine andere Frau? Wenn eine Frau im Spiel ist, kannst du ja nie einen klaren Gedanken fassen.“

Er zögerte, doch sie war so viel stärker als er und er wusste nicht, wie er ihr die Wahrheit verschweigen sollte. „Ja“, sagte er leise, „aber Catriona ist nicht einfach eine Frau, Mama. Sie ist eine wahre Göttin.“

„Ach was“, gab seine Mutter zurück. Sie trat noch einen Schritt näher und setzte hinzu: „Das habe ich mir schon gedacht. Ich wette, sie hat sich die ganze Sache ausgedacht.“

„Nein, das stimmt nicht“, protestierte Claud. „Es war alles ganz allein meine Idee, Mama.“ Er wollte ihr lieber nicht verraten, dass er einfach hatte sehen wollen, ob er es schaffen würde; ob er stark genug wäre, den Obersten König der Schotten zu beeinflussen. Außerdem wollte er nicht, dass sie ihm seinen unglaublichen Erfolg verdarb. Aus diesem Grund würde er nie eingestehen, dass jemand anderer dabei die Hand im Spiel hatte.

Dass Catriona ihm ursprünglich die Idee in den Kopf gesetzt hatte, mochte er noch nicht einmal sich selbst, geschweige denn seiner Mutter gegenüber eingestehen.

„Ja sicher, ich bin überzeugt davon, dass du das selbst glaubst, mein Jungchen“, sagte Maggie Malloch seufzend. Dann fuhr sie wieder mit fester Stimme fort: „Aber du hast dich in die Angelegenheiten des Königs nicht einzumischen und ihn schon gar nicht zu etwas zu bringen, das er eigentlich gar nicht wollte. Du darfst so etwas nie wieder tun, denn darauf habe ich der Runde mein Wort gegeben.“

„Ich danke dir, dass du zu mir gehalten hast, Mama.“

„Du bist schließlich mein Sohn, Claud, und außerdem werde ich es nicht zulassen, dass du unseren guten Namen in den Schmutz ziehst.“

Mit zorngeschwelltem Busen ragte sie drohend über ihm auf und so rappelte er sich hoch und versuchte, der Furcht Herr zu werden, die in bei solchen Gelegenheiten immer wieder überfiel. „Auch die Mitglieder der Runde können nicht in die Zukunft blicken, Mama“, sagte er in dem Versuch, tapfer zu klingen. Doch er hörte selbst nur die Verzweiflung in seiner Stimme. Dennoch fuhr er mit Bestimmtheit fort: „Ich versichere dir, dass alles gut ausgehen wird. Du wirst schon sehen. Und die in der Runde auch.“

„Das wollen wir auch hoffen, Junge, denn der Anführer hat selbst gesagt, dass sie dir nur noch eine letzte Chance geben. Wenn du noch einmal deine Grenzen überschreitest, wollen sie dich ausstoßen und du weißt ja, was dann aus dir wird.“

Eiskalte Furcht kroch ihm den Rücken hinauf und verschlug ihm beinahe die Sprache. „Ja, ich weiß“, konnte er nur flüstern.

„Jetzt hast du Angst bekommen und das ganz zu Recht“, sagte sie. „Aber wenn du in König Jakobs Süppchen rühren willst, darfst du nicht jammern, wenn du dir die Finger verbrennst.“

Er schwieg einen Augenblick und versuchte sich zu beruhigen. Er wollte ihr erklären, dass er das Richtige getan hatte. Doch als er merkte, dass er seine Stimme noch immer nicht in der Gewalt hatte, wollte er sich stumm an ihr vorbeidrücken.

„Wo willst du hin?“

„Raus“, murmelte er.

„Wohin? Du wirst jetzt nicht zu diesem verflixten Mädchen gehen.“

„Nein, es gibt ein ceilidh“, stieß er hervor. „Ich möchte den Geschichten zuhören.“

Er schob sich an ihr vorbei aus dem Zimmer und fühlte ihren wütenden Blick wie ein scharfes Schwert im Rücken.

Ihre Stimme, tief und grollend, klang ihm nach.

„Denke daran, Claud – Könige, Drachen und Clanhäuptlinge speien Feuer, wenn man ihnen zu nahe kommt.“