Leseprobe Das Schicksal der Highlands

2

Anfangs wehrte sich Adela wütend und verbissen, doch dann entschied sie, dass es besser wäre, sich ruhig zu verhalten. Da sie noch immer in vollem Galopp dahinpreschten, bestand die Gefahr, dass sie vom Pferd stürzte und sich schwer, vielleicht sogar tödlich, verletzte.

Er saß hinter ihr im Sattel und hielt sie mit eisernem Griff umklammert, dass ihr beinahe die Tränen kamen. Sie konnte kaum noch atmen, geschweige denn schreien, doch das kümmerte ihn nicht. Wie der Wind ritten er und seine Männer dahin, obwohl niemand Anstalten machte, ihnen zu folgen.

Sie ließen die verdutzte Festgesellschaft hinter sich und sprengten in den Wald hinein. Ihre Pferde bewegten sich mühelos in dem unwegsamen Gelände und durchquerten, ohne zu zögern, einen eiskalten Bach.

Endlich verlangsamten sie ihr Tempo. Adela versuchte, den Arm, der sie umklammert hielt, ein wenig beiseite zu schieben, um besser Luft zu bekommen, doch der Fremde packte nur noch fester zu.

„Ihr tut mir weh!“, wollte sie schreien, doch aus ihrer Kehle drang bloß ein heiseres Krächzen.

Er machte sich weder die Mühe zu antworten noch seinen Griff zu lockern, sondern zog sie nur ein wenig hoch, bis sie – unbequem, doch halbwegs sicher – teils auf seinem Oberschenkel und teils auf dem Rand des Sattels saß. Daraufhin versuchte sie, sich ein wenig zu entspannen, damit bei dem Gezerre ihre Rippen nicht noch stärker gequetscht wurden.

Noch immer ritten sie in halsbrecherischem Tempo. Adela bezweifelte, dass ihnen jemand folgen würde, es sei denn, Ardelve wollte seine Braut zurückhaben. Auch wenn Sorcha ihn pompös fand, so war er doch ein sanfter, freundlicher Mann. Er war etwa im selben Alter wie Macleod, besaß jedoch nicht dessen polterndes Temperament.

Seine guten Eigenschaften hatten Adela bewogen, seinen Heiratsantrag anzunehmen, doch sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Ardelve in den Sattel sprang, um ihre Entführer zu verfolgen. Vielleicht wusste er ja, wie so viele andere auch, dass Sorcha Sir Hugo über die Hochzeit in Kenntnis gesetzt hatte, und nahm an, dass Hugo sie mit ihrem Einverständnis entführt hatte. In diesem Fall wären er und ihr Vater zwar wütend, würden jedoch nichts unternehmen.

Sie selbst war verstimmt, aber auch geschmeichelt, dass Sir Hugo ihretwegen gekommen war. Heiraten würde sie ihn natürlich trotzdem nicht, denn wenn er sie wirklich zur Frau wollte, hätte er bei ihrem Vater um ihre Hand anhalten und um sie werben müssen, wie es sich gehörte. Doch er hatte nichts dergleichen getan.

Überhaupt war ihr Sir Hugo Robison nicht wie ein Mann erschienen, der sich auch nur im Geringsten um eine Frau bemühte. Er war wohl eher der Typ, der erwartete, dass die Frauen ihm nachliefen und in Ohnmacht fielen, wenn er sie nur anschaute.

Wegen eines Mannes würde Adela bestimmt nicht in Ohnmacht fallen, und für Leute, die sich für etwas Besseres hielten, hatte sie schon gar nichts übrig. Falls Sir Hugo annahm, dass er ihr mit dieser haarsträubenden Entführung imponieren konnte, würde er sein blaues Wunder erleben.

Wortlos ritten die vier Männer dahin und trieben ihre Pferde erneut an, nachdem sie einen Höhenrücken erklommen hatten, der, wie Adela wusste, die Südgrenze von Glenelg bildete. Im Südwesten lagen der Sund von Sleat und das Meer, im Südosten Loch Hourn.

Sie waren ein ganzes Stück von Chalamine und Glen Shiel, und damit vom Hauptweg ins Inland, entfernt. Wohin um alles in der Welt brachten die Männer sie nur? Und wie sollte sie noch länger den Klammergriff des Reiters aushalten, ohne vor Luftnot das Bewusstsein zu verlieren?

Scheinbar ziellos bahnten sie sich einen Weg durch den dichten Wald, bis Adela jedes Zeitgefühl verloren hatte. Als sie endlich auf einer Lichtung haltmachten, wusste sie nicht, wo sie sich befanden. Doch sie war froh, dass sie den wilden Ritt hinter sich hatte und Sir Hugo Robison endlich ihre Meinung sagen konnte.

Er saß ab und zerrte sie mit vom Pferd. Anscheinend hatte es ihn nicht die geringste Mühe gekostet, sie die ganze Zeit über festzuhalten. Als er sie schließlich losließ, taumelte sie und wäre beinahe gefallen, doch er tat nichts, um sie zu stützen. Trotz ihrer Erschöpfung stieg heißer Zorn in ihr auf, als er sich jetzt die Maske vom Gesicht zog.

Sie hatte fest damit gerechnet, Sir Hugos freches Grinsen zu sehen, doch stattdessen blickte sie in das grimmige Gesicht eines Fremden, der ihr allerdings vage bekannt vorkam. Doch das war unmöglich – er konnte es einfach nicht sein! Unwirsch wollte sie ihn anfahren und ihn fragen, was er sich bei der ganzen Sache gedacht hatte. Doch sein Blick war so eisig, dass ihr die Stimme versagte und die Kälte ihr bis ins Mark drang.

„Nun?“, sagte er, die Hand in die Hüfte gestützt, und sah mit finsterem Blick auf sie herab. Er war mindestens einen Kopf größer als sie und vermutlich doppelt so schwer; sein Haar war dunkler als das Hugos, seine Augen eher grau als blau, und er hatte auffallend breite Schultern. Schaudernd erinnerte sie sich daran, mit welcher Leichtigkeit er sie festgehalten hatte, obwohl sie mit aller Macht versucht hatte, sich zu befreien.

Während er sie weiter böse anstarrte, sagte er: „Ihr habt mir doch bestimmt etwas zu sagen. Normalerweise bin ich nicht so großzügig, doch jetzt erlaube ich Euch ausnahmsweise zu reden.“

„Ich dachte, Ihr … Ihr wärt tot.“

„Noch nicht“, entgegnete er. „Gott hat mir erneut das Leben geschenkt, damit ich sein Werk vollenden kann. Aber ich freue mich, dass Ihr Euch an mich erinnert. Unsere Bekanntschaft war so flüchtig, dass ich dachte, Ihr hättet mich völlig vergessen.“

„Um ehrlich zu sein, Sir, ich weiß Euren Namen nicht mehr.“

„Den braucht Ihr auch nicht zu wissen. Ihr könnt mich ,Herr‘ nennen oder ,Lord‘.“

Nie im Leben würde sie einen Mann „Herr“ nennen, doch sie hielt es für besser, diese Tatsache im Augenblick für sich zu behalten. Von einer kurzen, unerfreulichen Begegnung auf Orkney wusste sie nur noch, dass er irgendwie mit den Sinclairs verwandt war. Auch damals fand sie ihn schon einschüchternd, und jetzt behauptete er noch obendrein, Gott habe ihn wieder zum Leben erweckt. So etwas konnte doch nur ein Verrückter glauben.

„Ich habe gehört, Ihr wärt letzten Sommer durch einen tragischen Sturz ums Leben gekommen.“

„Ich habe es Euch doch gesagt, Gott hat mich verschont, weil er meine Dienste noch benötigt.“

„Aber er wollte doch bestimmt nicht, dass Ihr mich entführt. Warum habt Ihr es dann getan?“

„Ich verabscheue Undankbarkeit“, sagte er, und seine Augen funkelten so bösartig, dass sie zu zittern begann. Offensichtlich war er tatsächlich verrückt. „Man hat mir berichtet, dass Ihr Euch Rettung vor einer unerwünschten Ehe erhofftet“, fuhr er fort. „Wenn mein Gewährsmann die Unwahrheit gesagt hat, lasse ich ihn aufknüpfen.“

Die Worte klangen so beiläufig, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass er es ernst meinte.

„Wenn ich Euch sage, dass es nicht stimmt, bringt Ihr mich dann wieder nach Hause?“

Statt einer Antwort brüllte er: „Fin Wylie, komm her zu mir!“

Einer seiner Männer wendete sein Pferd und kam herangaloppiert. Kurz vor seinem Anführer zügelte er das Tier so heftig, dass es sich aufbäumte. „Ja, Herr?“

„Hast du nicht behauptet, Lady Adela wäre unzufrieden mit dem Mann, den ihr Vater für sie ausgesucht hat, und wollte die Hochzeit verhindern?“

„Ja, Mylord.“

„Sie sagt, du lügst.“

„Nein, Herr!“ Der Mann erbleichte, vermied jedoch Adelas Blick.

Da bekam sie Angst, dass sie ihren Entführer noch mehr reizen könnte, wenn sie seine Behauptung weiterhin bestritt. Außerdem bestärkte das offensichtliche Entsetzen seines Handlangers sie noch in der Einschätzung seines Geisteszustandes. Womöglich würde er den armen Teufel wirklich aufknüpfen, wenn sie nicht einlenkte.

„Gewiss möchte die Lady erfahren, was dich auf den Gedanken gebracht hat, Fin Wylie“, sagte der Anführer.

„Das war wegen der beiden Botschaften, Sir. Sie waren alle beide für Sir Hugo Robison. Aber das wisst Ihr doch, Sir, schließlich haben wir die Botschaften ja in Eurem Auftrag ausspioniert. Und dass die Angelegenheit sehr dringend war, wusstet Ihr auch.“

„Haben diese Botschaften auch gelogen, Mädchen?“

Am liebsten hätte sie ihn aufgefordert, nicht in einem derart vertraulichen Ton mit ihr zu reden. Sorcha oder Isobel hätten es sich an ihrer Stelle bestimmt verbeten, dachte sie. Doch Adela hatte der Mut gänzlich verlassen.

Auf keinen Fall jedoch würde sie Sorcha der Lüge bezichtigen, selbst wenn deren Botschaften an Sir Hugo für diese ganze schreckliche Situation verantwortlich waren.

Mit erzwungener Ruhe sagte Adela: „Ich habe diese Botschaften nicht geschickt.“

Als er ihr heftig ins Gesicht schlug, biss sie sich auf das Innere ihrer Wange, dass es blutete. Schreck und Entsetzen fluteten wie eine Welle über sie hinweg.

„Wenn ich dir eine Frage stelle, wirst du sie gefälligst beantworten!“, zischte er. „Und wenn ich dir etwas befehle, wirst du gehorchen – und zwar unverzüglich! Mit anderen Worten, du wirst immer genau das tun, was ich sage, verstanden?“

Sie nickte und leckte sich dabei das Blut von den Lippen.

„Verstanden?“, wiederholte er.

„Ja“, murmelte sie.

„Ja, was?“

„Ja, Sir.“ Als sie sah, wie sich seine Augen verengten, fielen ihre seine Worte wieder ein und sie verbesserte sich hastig: „Ja, Mylord.“

„Braves Mädchen. Ich bin sicher, wir werden hervorragend miteinander auskommen.“ Als er ihr die Schulter tätschelte, wurde ihr abermals eiskalt.

Die Tränen stachen ihr in den Augen, doch sie sagte sich, dass er nie und nimmer mit seiner Tat davonkommen würde. Überall im Hochland lebten Verbündete ihres Vaters, ganz zu schweigen von den Gefolgsleuten seines mächtigen Schwiegersohnes, Hector Reaganach Maclean, und dessen Zwillingsbruders Lachlan Lubanach, Großadmiral der Inseln.

Bestimmt würde man sie bald befreien.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er in dem gleichen beiläufigen Ton: „Falls jemand auf die Idee kommt, dich retten zu wollen, werde ich zuerst ihn und dann dich umbringen. Und falls du glaubst, sie könnten mich besiegen, versichere ich dir, das können sie nicht. Wie viele Männer sie auch aufstellen mögen, ich habe den stärkeren Verbündeten.“

Als sie in seine glühenden Augen blickte, wusste sie, welche Frage er von ihr erwartete. Wenn sie sie nicht stellte, würde es ihr zweifellos schlecht bekommen.

„Wer ist stärker als die Verbündeten des Lords der Inseln?“, fragte sie also leise.

„Gott. Ich habe dir ja gesagt, dass er mich vom Tode errettet hat. Ich bin sein Krieger und kämpfe für eine gerechte Sache. Er wird mir alle Taten vergeben, die ich in seinem Namen vollbringe, und daher werde ich stets siegreich bleiben.“

„Aber von welcher Sache redet Ihr denn?“

„Ich übe Rache für das Unrecht, das seiner Heiligen Kirche angetan wurde. Du siehst also, Mädchen, Gott ist auf meiner Seite, und dein Leben ist in meiner Hand. Vergiss das nie, denn Ungehorsam bestrafe ich streng.“

Adela rang vergeblich nach Worten.

„Hochlandfrauen, die sich etwas auf ihre Unabhängigkeit einbilden, könnten viel von den Französinnen lernen“, fuhr er mit gesenkter Stimme fort. „Die sind nämlich ihren Männern gehorsam, wie es sich gehört. Aber ich werde aus dir eine ebenso gute Frau machen. Also tu, was ich dir sage, denn wenn du mir Scherereien machst, schneide ich dir den Kopf ab, stecke ihn in einen Sack und schicke ihn deinem Vater.“

Adela starrte ihn entsetzt an, bis ihr schwarz vor Augen wurde und sie ohnmächtig zu seinen Füßen niedersank.

 

Die Insel Eigg

Mit Bestürzung sah Sorcha, dass Sir Hugo verwirrt die Stirn runzelte. „Aber Ihr habt doch gesagt, Ihr hättet meine Botschaft erhalten!“, rief sie. „Ihr wart es doch, der …“

Sie wurde rot und verstummte, als sie merkte, wie interessiert die Umstehenden mittlerweile dem Wortwechsel lauschten.

„Ich war was?“, fragte Sir Hugo, noch immer stirnrunzelnd.

„Vielleicht sollten wir uns an einem ruhigeren Ort weiter unterhalten“, schlug Sorcha ein wenig verspätet vor.

Sidony, die das Gespräch mit wachsender Bestürzung verfolgt hatte, sagte fassungslos: „Um Himmels willen, Sir, wollt Ihr damit sagen, dass Adela nicht bei Euch ist?“

„Nein, natürlich ist sie nicht hier. Wie kommt Ihr denn darauf?“

„Nun ja, wir dachten doch, Ihr hättet sie von der Trauung weggeholt“, erwiderte Sidony, ohne zu merken, wie still es auf einmal um sie herum wurde.

Sorcha stöhnte leise und funkelte Sir Hugo an. Es war nur seine Schuld, dass Sidony so unbesonnen daherplapperte.

„Sie weggeholt?“ Er blickte immer finsterer drein. „Traut Ihr mir wahrhaftig zu, dass ich eine Frau auf ihrer eigenen Hochzeit entführe?“

„Schnauzt gefälligst meine Schwester nicht so an!“, mischte sich Sorcha ein. Sie war mittlerweile so wütend, dass sie sich an den Zuhörern nicht mehr störte. „Es ist schließlich kein Wunder, dass sie es glaubt, Sir. Einem Schuft, der eine unschuldige junge Frau und ihre Familie glauben macht, dass er sie heiraten will, und dann zulässt, dass ein anderer sie ihm wegschnappt, ist es auch zuzutrauen, dass er es sich anders überlegt und sie vom Altar weg raubt. Aber wenn Ihr mit der ganzen Sache nichts zu tun habt“, schloss sie und warf den Kopf in den Nacken, „dann vergeuden wir hier nur unsere Zeit.“

Mit diesen Worten kehrte sie ihm den Rücken zu und wollte gerade davonstolzieren und ihn mit offenem Mund stehen lassen. Doch dieser Mensch legte ihr tatsächlich eine seiner großen Pranken auf die Schulter und drehte sie zu sich herum.

„Ich verstehe nicht, warum Ihr so wütend auf mich seid, Lady Sorcha“, sagte er ungehalten. „Eure Schwester und ich waren schließlich nicht verlobt.“

„Nur die Ruhe, Hugo“, mischte sich Sir Michael ein. „Sagt uns bitte offen und ehrlich, was Ihr meint, Lady Sorcha. Wurde Eure Schwester wirklich bei ihrer Hochzeit entführt?“

„Ja, Sir, von vier Männern. Und wenn der Anführer nicht Sir Hugo war …“

„Ich habe es ganz gewiss nicht getan“, erklärte der betreffende Gentleman.

„Ihr hättet es aber tun sollen“, gab sie zurück. Dann fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort: „Nach ihrer Rückkehr von Orkney letzten Sommer hat Adela wochenlang nur von Euch gesprochen. Offenbar war sie der Meinung, Ihr hättet etwas für sie übrig. Daher nahm ich an, Ihr würdet gerne von ihren Heiratsplänen erfahren, damit Ihr etwas dagegen unternehmen könntet.“

„Damit ich die Hochzeit verhindern könnte, meint Ihr wohl. Das ist doch …“

„Ich dachte, meine Schwester würde Euch etwas bedeuten!“ Wieder hatte Sorcha die Umstehenden völlig vergessen. „Ich wollte doch nur helfen und die arme Adela vor einer reinen Zweckheirat bewahren. Ich dachte, Ihr würdet ihr zu Hilfe kommen. Aber Ihr habt meine Botschaften gar nicht beachtet. Sie sagte, ihr wärt dickköpfig und nur auf Euch selbst bedacht, aber ich habe es nicht ernst genommen. Ich dachte, sie meint es nicht so. Aber es war ihr durchaus ernst, und sie hatte recht. Und jetzt habt Ihr sie mit Eurer selbstsüchtigen, arroganten Gleichgültigkeit ins Unglück gestürzt!“

„Redet kein dummes Zeug!“, fuhr er sie an. „Zwischen uns war gar nichts abgemacht, und da ich vollauf mit den Vorbereitungen für die heutige Zeremonie beschäftigt war …“

„Sicher, das mag ja alles sein“, erwiderte Sorcha, nun wieder mit gesenkter Stimme. „Aber ich bin davon überzeugt, jemand anderes hätte Eure Aufgaben übernehmen können, wenn Ihr erklärt hättet, dass es um wichtige private Angelegenheiten geht.“

„Ich hab’s aber nicht getan!“ Seine Augen sprühten blaue Funken. „Und selbst wenn, als sich herausstellte, dass nicht alle Männer auf den Inseln damit einverstanden sind, dass Ranald Donald als Lord der Inseln einsetzen will, habe ich ihm meine Unterstützung zugesagt. Und mein Wort ist so gut wie das Ranalds, Mylady“, fügte er in grimmigem Ton hinzu. „Wenn es um die Pflicht geht, müssen Privatangelegenheiten zurückstehen.“

„Und was ist mit Eurer Pflicht gegenüber Adela?“

„Wollt Ihr damit sagen, dass Adela auch wollte, dass ich sie rette?“, fragte er und sah ihr fest in die Augen.

Errötend zwang sich Sorcha, seinem bohrenden Blick standzuhalten. Dann sagte sie steif: „So etwas würde Adela niemals eingestehen. Doch da die ganze Hochzeitsgesellschaft davon ausging, dass Ihr Adela mit ihrem Einverständnis entführt hättet, verfolgte sie niemand. Weiß der Himmel, wo sie sich jetzt aufhält und was ihr zugestoßen ist! Ihr hättet wenigstens auf meine Botschaft antworten können, wenn Ihr sie schon nicht retten wolltet. Wegen Eurer Untätigkeit ist sie jetzt ruiniert und wird nie mehr einen anständigen Gatten bekommen.“

„Seid doch nicht dumm. Wenn überhaupt jemand an ihrem Ruin schuld ist, dann Ihr, mein Mädchen. Weil Ihr Euch in Angelegenheiten gemischt habt, die Euch nichts angehen.“

„Wie könnt Ihr es wagen!“, schrie sie und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. „Ich bin ganz gewiss nicht Euer Mädchen, Ihr eingebildeter Laffe! Ihr solltet Euch was schämen, jemand anderen für Euren Fehler verantwortlich zu machen. Aber wahrscheinlich ist Scham für Euch ja ein Fremdwort. So langsam begreife ich, warum Adela, dieses Muster an Schicklichkeit, Euch Weihwasser ins Gesicht geschüttet hat!“

3

Durch das entsetzte Keuchen und das verstohlene Kichern der Umstehenden hörte Sorcha Cristinas Empörungsschrei. Von irgendwoher klang rasch unterdrücktes Lachen. Doch Sorcha war so wütend, dass sie sich nicht darum scherte. Dieser Mensch war ein unausstehlicher Flegel und hätte noch viel mehr Ohrfeigen verdient. Sie reckte das Kinn und stelzte steif davon. Dabei erhaschte sie einen Blick auf Sir Hugos Gesicht.

Er war fuchsteufelswild.

Da ihr Vater seinen Töchtern meist ohne viel Federlesen eine herunterhaute, wenn sie frech waren, hielt es Sorcha durchaus für möglich, dass Sir Hugo zurückschlagen könnte. Doch vielleicht war seine Ritterlichkeit ja ebenso tief verwurzelt wie seine Ehrbegriffe. Zumindest würde er es wohl kaum wagen, sie hier vor allen Leuten zu schlagen.

Vielleicht, dachte sie, war es nicht recht gewesen, ihn in aller Öffentlichkeit zu beschimpfen, obgleich er es verdient hatte. Auch ihr Vater blickte zornig, stellte Sorcha fest, als sie den Rückzug von diesem unverhofften Kampfplatz antrat. Doch Macleod war schon so oft böse auf sie gewesen und würde es auch in Zukunft noch häufig sein. Und wie immer würde sie es auch diesmal überstehen.

Da sagte Sir Hugo in einem Ton, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ: „Es ist nur zu hoffen, Lady Sorcha, dass Euer Vater Euch langsam Manieren beibringt.“

„Darauf könnt Ihr Euch verlassen, Sir“, erwiderte Macleod in drohendem Ton. „Sobald die Zeremonie vorbei ist, werden wir uns unterhalten, Tochter. Darauf kannst du dich verlassen.“

Sorcha antwortete nicht, sondern redete sich ein, dass sie weder Angst vor Sir Hugo noch vor ihrem Vater hätte.

Doch Sir Hugo war noch nicht fertig.

Mit weithin vernehmbarer Stimme sagte er: „Wenn Ihr meine Tochter wärt, würde ich Euch mit einer strammen Gerte das Hinterteil versohlen, bis Ihr um Verzeihung winselt. Danach würdet Ihr die Mahlzeiten vierzehn Tage lang im Stehen einnehmen, Mädchen. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.“

Sorcha tat, als hätte sie ihn nicht gehört. Verzweifelt um Würde bemüht, stakste sie davon, ohne nach rechts und links zu schauen.

„Warte, Sorcha! Bleib stehen, du dummes Kind. Soll ich dir vielleicht nachrennen und mein Baby gleich hier an Ort und Stelle bekommen?“

Als Sorcha Isobels Stimme erkannte, blieb sie stehen, drehte sich jedoch nicht um. Sie wusste, ihre Schwester würde ohnehin nicht lockerlassen.

„Dummerchen“, sagte Isobel liebevoll, als sie sie erreicht hatte. „Du bist im Kreis gegangen. Schau nur, im nächsten Augenblick wärst du in den Festzug Seiner Gnaden hineingerannt. Und wie willst du ihm oder Ranald gegenüber dein Verhalten erklären?“

Als Sorcha sah, dass Isobel recht hatte, fluchte sie im Stillen vor sich hin. Bestimmt hatten einige Leute im königlichen Festzug sie schon bemerkt und sich gefragt, warum sie gerade jetzt wegging, da die Zeremonie beginnen sollte. Zudem wollte sich ihr Vater als Mitglied des Inselrates soeben dem Zug anschließen, und auch wenn sie den Mund zuvor reichlich voll genommen hatte, hielt sie es für besser, ihn nicht schon wieder zu verärgern.

„Ich verstehe ja, dass du am liebsten verschwinden würdest, mein Schatz“, sagte Isobel. „Aber damit musst du warten, bis die Zeremonie und das anschließende Fest vorüber sind. Und wenn du niemanden überreden kannst, dich in seinem Schiff mitzunehmen, wirst du mit Vater zurückfahren müssen. Also reizt du ihn heute besser nicht noch mehr.“

Sorcha hörte schweigend zu, und als Isobel schwieg, holte sie tief Luft und blickte ihre Schwester an. „Ich hätte ihn nicht schlagen sollen“, gab sie zu. „Aber er hat mich so wütend gemacht, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich hoffe nur, ich habe dich nicht in Schwierigkeiten gebracht, Isobel. Schließlich ist er der beste Freund deines Mannes.“

„Mach dir darum keine Sorgen“, erwiderte Isobel mit einem herzlichen Lachen. „Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich Hugo am liebsten eine geknallt hätte. Er kann eine schreckliche Nervensäge sein, und manchmal benimmt er sich so überheblich, dass es mich förmlich in den Fingern juckt.“

„Trotzdem …“ Sorcha verstummte.

„Komm, wir gehen ein Stückchen“, schlug Isobel vor. „Wir können ja sagen, dass mir nicht gut war.“

„Das würde mich überhaupt nicht wundern“, erwiderte Sorcha, die sich sorgte, dass das schnelle Laufen Isobel oder dem Kind geschadet haben könnte.

„Mir geht’s gut“, versicherte Isobel. „Außerdem habe ich Michael gesagt, ich wollte mich nur um dich kümmern und er brauchte sich keine Sorgen zu machen.“

„Bestimmt ist er auch böse auf mich“, sagte Sorcha.

„Kein bisschen“, erwiderte Isobel. „Schließlich ist er mit mir verheiratet und kennt sich mit dem Temperament der Macleods aus, auch wenn er es zurzeit nicht oft zu spüren bekommt. Er ist immer so freundlich, dass ich ihm einfach sagen kann, wenn mir etwas missfällt. Aber Hugo ist nicht Michael. Hast du wirklich geglaubt, dass er Adela heiraten will?“

„Du nicht?“

„Eine Zeit lang schon“, gab Isobel zu. „Als wir alle zusammen auf Orkney waren, hat er zumindest mit ihr geflirtet, und mir kam es so vor, als könnte sie ihn auch gut leiden. Doch inzwischen kenne ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er mit jeder Frau schäkert, die keine alte Hexe, völlig verblödet oder altersschwach ist. Ich fürchte, es war ihm nicht ernst mit Adela.“

Sorcha verzog das Gesicht. „Dann bin ich froh, dass ich ihm eine saftige Ohrfeige verpasst habe.“

„Na ja, aber halte dich lieber in nächster Zeit von ihm fern. Er unterstützt Michael, so wie Hector den Großadmiral der Inseln, und ist es gewöhnt, rasch und instinktiv Entscheidungen zu treffen. Er ist ein impulsiver Mann, Sorcha, also nimm dich vor ihm in Acht.“

„Ich habe keine Angst vor ihm“, sagte Sorcha ungeachtet des kleinen Schauers, der sie bei Isobels Worten überlief. „Wahrscheinlich werde ich ihn sowieso nicht wiedersehen, bis ich dich eines Tages auf Roslin besuchen komme. Und selbst dann werde ich schwerlich seine Gegenwart alleine ertragen müssen.“

Isobel grinste. „So leicht kommst du nicht davon, mein Schatz. Er und Michael bleiben noch mindestens eine Woche auf Lochbuie, bevor sie nach Roslin zurückkehren. Daher werden sie noch dort sein, wenn du und Sidony zu uns kommen.“

„Hol doch der Teufel diesen Mann! Wie soll ich mich beherrschen, wenn ich ihn so lange ertragen muss?“

Isobel grinste noch immer. „Das wird dir nicht schwerfallen, wenn du daran denkst, dass Hector Reaganach dein Gastgeber ist. Nachdem ich die ganzen Jahre bei ihm und Cristina gelebt habe, kann ich dir nur raten, ihn nicht zu verärgern. Du und Hugo, ihr tätet gut daran, euch zu benehmen, solange ihr Hectors Gäste seid.“

„An Hector habe ich gar nicht gedacht“, musste Sorcha zugeben. Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Himmel, Cristina hatte ich ja ganz vergessen! Sie wird bestimmt ebenso mit mir schimpfen wie Vater.“

Isobel wiegte bedenklich den Kopf. „Daran hättest du früher denken sollen. Aber ich weiß, wie es ist, wenn das Temperament mit einem durchgeht. Sei nur froh, dass Adela die Szene vorhin nicht mitbekommen hat. Sie kann viel schlimmer schelten als Cristina.“

„Ja, aber ich wünschte trotzdem, sie wäre hier“, entgegnete Sorcha.

„Ich auch“, sagte Isobel und legte den Arm um ihre Schwester.

„Wenn du das tust, fange ich gleich an zu weinen“, sagte Sorcha. „Wo kann sie nur sein, Isobel? Wer könnte sie entführt haben, wenn es nicht Sir Hugo war, und was ist ihr bloß zugestoßen?“

Sie wischte sich die ersten Tränen mit dem Handrücken ab. „Ihr geht besser ohne mich weiter“, sagte sie. „Ich möchte nicht, dass mich jemand so sieht, sonst denken sie noch, es täte mir leid, dass ich diesen schrecklichen Kerl geohrfeigt habe.“

„Kommst du denn zurecht?“

„Ja. Schau dir ruhig zusammen mit deinem Mann die Zeremonie an. Es reicht, wenn man sich über eine der Macleod-Schwestern das Maul zerreißt.“

„Na gut, dann gehe ich jetzt“, sagte Isobel. „Aber du darfst die Zeremonie auf keinen Fall verpassen. So etwas bekommst du so schnell nicht wieder zu sehen.“

Sie ging davon, doch Sorcha folgte ihr bald nach, denn schon ertönten die Hörner und riefen alle herbei, die der Einsetzung des neuen Lords der Inseln beiwohnen wollten. Sie trat zu Isobel, Sidony, Hector und Cristina, und gleich darauf kam auch Sir Michael und stellte sich neben seine Frau.

Sorcha fürchtete schon, Sir Hugo würde sich auch zu ihnen gesellen, doch dann sah sie, dass er neben Ranald von den Inseln stand und ihm half, den Ablauf der Feierlichkeiten zu beaufsichtigen.

Allein der festliche Einzug war schon eine großartige Angelegenheit. Neben Donald von Isla nahmen auch seine Mutter, die Prinzessin Margaret Stewart, und mehrere Bischöfe, Äbte und Priester daran teil, die später die Zeremonie durchführen würden. Darüber hinaus alle Mitglieder des Inselrates sowie zahlreiche Brehons, die Inhaber des erblichen Richteramtes auf den Inseln.

Der einzige Sorcha bekannte Geistliche, der nicht an der Zeremonie teilnahm, war der böse Grüne Abt der Heiligen Insel, der sich unter strikter Bewachung an seinem Wohnsitz aufhielt. Nach Auskunft von Macleod hatte Ranald dafür gesorgt, dass der Abt die Amtseinsetzung Donalds weder verhindern noch stören konnte.

Donald war ganz in Weiß gekleidet, während einige Adelige im Festzug die königliche Hoftracht aus prächtigem Samtwams, Pluderhose und schwarzem Samtcape trugen. Wieder andere hatten die traditionelle Hochlandtracht, einschließlich des Kilts und des safrangelben Hemdes, angelegt. Viele trugen Schwerter. Hector Reaganach hatte sich die berühmte Axt des Gillean-Clans auf den Rücken geschnallt. Dennoch schienen alle friedlicher Stimmung zu sein.

Zum Klang der Dudelsäcke und Trommeln bewegte sich der Zug vorwärts, bis er schließlich zum Stehen kam. In der eintretenden Stille hörte man nichts als die Gebete und Segenssprüche der Geistlichen. Sorcha fürchtete schon, dass jeder einzelne von ihnen sich zu Wort melden wollte, doch endlich trat Ranald vor, breitete weit die Arme aus und sprach: „All jenen, die gekommen sind, um die Einsetzung Donalds von Isla mit eigenen Augen zu sehen, sage ich dies: Ihr alle wisst, dass Seine Gnaden, unser Herr Vater, John der Gute von Isla, Donald zu seinem rechtmäßigen Nachfolger ernannt hat. Und Ihr wisst ebenfalls, dass ich mein Einverständnis dazu gegeben habe. Also möge jeder, der Zweifel an der Entscheidung hat, nun vortreten und sprechen oder aber Donald Lehnstreue schwören an diesem ganz besonderen Tag.“

Sorcha vernahm das gleiche Stimmengemurmel wie bei Adelas Trauung, als der Priester gefragt hatte, ob jemand Einwände gegen die Eheschließung vorzubringen habe. Fast fürchtete sie, auch heute wieder könnten maskierte Reiter über die Festgemeinde herfallen.

Das Murmeln verstummte, als Ranald einen Arm hob und mit lauter Stimme rief: „Man bringe Lia Fail, unseren heiligen Stein der Vorsehung mit dem Fußabdruck, herbei!“

Vier Mann trugen den heiligen Stein, der angeblich noch älter war als der Stein von Scone auf dem Festland, auf dem die Könige der Schotten gekrönt worden waren, bis Edward von England ihn fast einhundert Jahre zuvor gestohlen und nach England hatte schaffen lassen. Ranald hatte dann den Stein von Fail von Finlaggan nach Eigg gebracht.

Ehrfurchtsvoll setzten die Männer den Stein ab, worauf zwei Priester ihn mit heiligem Sturmvogelöl salbten. Selbst von ihrem ziemlich weit entfernten Standpunkt aus konnte Sorcha sehen, dass sich zwei Fußabdrücke auf dem Stein befanden – ein sehr großer am Rand und mehr zur Mitte hin ein kleinerer, etwa von der Größe eines normalen Männerfußes.

Als die Priester beiseitetraten, stellte sich Donald vor den Stein und setzte seinen bloßen linken Fuß auf den kleineren Abdruck, wobei er ein wenig die Zehen bewegte, bis sie genau in den Mulden lagen. Sein Fuß passte haargenau in die Vertiefung, was beifälliges Gemurmel, Lächeln und Nicken bei den Zuschauern auslöste.

Der Bischof von Argyll reichte ihm einen weißen Stab zum Zeichen, dass es seine heilige Pflicht war, Gerechtigkeit in seinem Reich walten zu lassen. Ein weiterer Bischof übergab ihm das Große Schwert, eines der beiden Hoheitszeichen des Clans Donald und des Lords der Inseln und Symbol für seine Stellung als Beschützer der Inseln. Nachdem Donald sich, in Anlehnung an die Heilige Dreifaltigkeit, dreimal nach rechts um sich selbst gedreht und das Große Schwert dreimal hoch über seinem Haupt geschwungen hatte, brüllte die Menge: „MacDonald, MacDonald, MacDonald!“

Damit war Donald von Isla in aller Form als Lord der Inseln eingesetzt und anerkannt.

Als Adela allmählich wieder zu sich kam und feststellte, dass sie auf etwas Weichem lag, hoffte sie, das ganze schreckliche Erlebnis wäre nur ein Albtraum gewesen. Da ließ ein Geräusch sie die Augen öffnen.

Wenige Meter entfernt stand ihr Entführer und beobachtete sie. Sie befanden sich in einem Zelt, das so groß war, dass er aufrecht stehen konnte. Sie lag auf einem Stapel Felle und Decken, offensichtlich seinem Bett. Ihre Hoffnung erstarb, als sie sich wieder erinnerte, warum sie ohnmächtig geworden war. Doch die Angst, die sie beim Anblick seines Gesichts empfunden hatte, kehrte noch stärker zurück, denn nun fiel ihr auch sein Name wieder ein.

Es waren seine Worte, die die Erinnerung geweckt hatten. Schon auf Orkney hatte er gesagt, dass er einer Frau mit Vorliebe zeigte, wo ihr Platz war. Und schon damals hatte er sich eingebildet, ohne Sünde und Gott besonders wohlgefällig zu sein. Damals war sie nur wenige Minuten mit ihm zusammen gewesen, doch die Erinnerung daran reichte aus, um sie erneut in Angst und Schrecken zu versetzen. Sie presste die Lippen zusammen, um nicht versehentlich seinen Namen auszusprechen und ihn damit womöglich erneut in Wut zu bringen.

Er schwieg und blickte sie mit harten Augen an. „Ich … mir war auf einmal so schwindlig“, sagte sie hastig. „Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte.“

„Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen“, erwiderte er. „Vermutlich hattest du einfach Hunger. Wenn du versprichst, dich zu benehmen, darfst du mit uns essen.“

„Oh ja, ich verspreche es. Vielen Dank“, sagte sie, von Dankbarkeit nahezu überwältigt. Wenn er ihr etwas zu essen geben wollte, hatte er zumindest nicht vor, sie umzubringen. Und vielleicht gelang es ihr ja, ihn gnädig zu stimmen.

Nach dem Essen bereiteten die Männer zu Adelas Überraschung noch nicht ihr Nachtlager, sondern saßen sogleich wieder auf. Zu gerne hätte sie ihr eigenes Pferd gehabt, doch diesmal durfte sie wenigstens hinter dem Anführer sitzen.

Adela war froh, dass sie weiterritten, doch zugleich wuchs ihre Furcht. Der Augenblick, als sie sich, auf seinem Bett liegend, allein mit ihm im Zelt befunden hatte, hatte ihr ins Gedächtnis gerufen, in welch heikler Lage sie sich befand. Wenn es ihm in den Sinn kam, sie zu vergewaltigen oder zu töten, würde ihn niemand daran hindern. Vermutlich wartete er nur den richtigen Augenblick ab. Um sich ein wenig abzulenken, malte sich Adela aus, wie ihr Vater und Hector an der Spitze eines Suchtrupps zu ihrer Rettung eilten. Doch dann fiel ihr wieder ein, was er ihr und ihren Rettern für diesen Fall angedroht hatte. Die Vorstellung versetzte sie noch stärker in Angst und Schrecken.

Bald darauf ließen sie den Wald hinter sich, und Adela stellte erstaunt fest, dass sie noch gar nicht allzu weit gekommen waren. Vor ihnen lag das Ufer des Loch Hourn, wo eine Galeere auf sie wartete. Die Ruderer warfen Adela neugierige Blicke zu, als man sie an Bord brachte, doch da niemand etwas sagte, hielt auch sie lieber den Mund. Bei einbrechender Nacht stachen sie in See und nahmen Kurs gen Süden durch den Sund von Sleat.

Adela hatte vollkommen die Orientierung verloren. Während der gesamten anstrengenden Fahrt in der eisigen Kälte saß sie nur still da, ohne ein Wort zu sagen oder sich zu beklagen. Beim Licht des halben Mondes legten sie schließlich an.

Am Ufer warteten zwei Männer mit Pferden, doch die ganze Gegend schien unbewohnt. Hier fand sie mit Sicherheit keine Hilfe. Nachdem die Männer am Strand ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, stellte Adela erleichtert fest, dass sie alleine in dem großen Zelt schlafen durfte. Als sie spät am Sonntagmorgen erwachte, war die Galeere verschwunden, doch die Männer mit den Pferden waren noch da.

Weil sie spät aufgebrochen waren, machten sie erst wieder halt, als es bereits dunkel wurde. Diesmal schlugen sie ihr Lager einige Meilen östlich von einem Dorf namens Kinlocheil auf. Adela kam der Name vage bekannt vor, doch sie wusste noch immer nicht genau, wo sie sich befand. Sie war erschöpft, nicht so sehr vom Reiten als vielmehr von der ständigen Anstrengung, nicht den Zorn des Lords zu erregen, und vom Ansturm der Gefühle, der sie immer wieder zu überwältigen drohte.

Wenn er ihr Wasser oder etwas zu essen anbot, empfand sie die gleiche tiefe Dankbarkeit wie am Tag zuvor. Zweimal hätte sie ihn sogar vor Freude umarmen können, doch zugleich war sie über diesen Impuls bestürzt, als hätte ihre eigene Seele sie verraten. War es wirklich ihre Seele? Was wäre, wenn er tatsächlich von Gott auserwählt war?

Blickte er sie an, so fragte sie sich ängstlich, womit sie ihn gereizt haben könnte, beachtete er sie hingegen nicht, ärgerte sie sich. Krampfhaft lauschte sie auf jeden Unterton in seiner Stimme und steigerte sich immer mehr in ihre Furcht hinein, je weiter sie sich von Glenelg entfernten.

Am Montag stießen weitere Reiter zu ihrer Gruppe, und Adela wurde bald klar, dass ihr Vater schon einen ziemlich großen Suchtrupp würde aufstellen müssen, um sie zu befreien. Sie wusste, dass sich die meisten Inselbewohner auf Eigg aufhielten, um der Einsetzung des zweiten Lords der Inseln beizuwohnen. Als Ratsmitglied konnte auch Macleod diesem wichtigen Anlass nicht fernbleiben. Zuweilen hoffte sie, dass ihr Vater nach ihr suchen ließ, dann wieder wünschte sie, er täte es nicht.

Sie bekam eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte, wie ihr Furcht einflößender Entführer sie angesehen hatte und was er ihr womöglich antun würde. Dann erinnerte sie sich daran, dass er absoluten Gehorsam von ihr erwartete.

Es war eine eindrucksvolle Zeremonie gewesen. Dennoch war Sorcha froh, als sie vorüber war und alle dem großen Festzelt zustrebten. Sie ließ sich von der Menge treiben, immer darauf bedacht, weder ihrem Vater noch Sir Hugo Robison unter die Augen zu kommen, denn Isobel hatte sicher recht – es war besser, ihn nicht noch mehr zu reizen.

Während sie also ihre Umgebung im Auge behielt, schritt sie gedankenverloren dahin und hoffte, dass man sie nicht ansprechen würde. Plötzlich hörte sie, wie jemand den Namen ihres Vaters nannte.

„Eine von Macleods Töchtern ist sie“, sagte eine Frauenstimme.

„Einfach schamlos“, meldete sich eine andere zu Wort. „Ihr Vater sollte sie übers Knie legen, genau wie der junge Mann gesagt hat.“

„Jaja, das ist eine wilde Bande – alle sieben“, ließ sich eine dritte vernehmen.

„Nein, nicht alle!“, widersprach die erste.

„Na ja, bis gestern hätte ich gesagt, dass Lady Adela eine Ausnahme ist, aber Ihr habt ja von dem Skandal bei ihrer Hochzeit gehört. Wie kann ihre eigene Schwester es nur in aller Öffentlichkeit herumposaunen!“

„Weißt du was?“, erwiderte die zweite Frau nachdenklich. „Ich möchte mal wissen, ob die Männer, die gestern in der Nähe von Kinlocheil kampiert haben, wohl Lady Adelas Entführer waren. Ein Vetter, dem wir auf dem Weg hierher begegnet sind, hat uns davon erzählt. Er hat gesagt, eine schöne Frau hätte hinter einem der Männer auf dem Pferd gesessen. Es waren mindestens ein Dutzend, gekleidet wie Edelleute, meinte er. Und sie waren auf dem Weg nach Edinburgh.“

„Wenn es sich um Edelleute handelte, war sie es vielleicht wirklich“, sagte eine der anderen. „Die Schwestern Macleod sind sich ihrer Stellung wohl bewusst, und ich möchte wetten, Adela kannte ihren Entführer genau.“

Am liebsten hätte Sorcha den drei Klatschtanten ihre Meinung gesagt, doch sie beherrschte sich. Nachdem sie kurz erwogen hatte, die Frau, die die Reiter erwähnt hatte, nach weiteren Einzelheiten zu fragen, entschloss sie sich, doch lieber mit ihrem Vater zu sprechen. Vielleicht würde die Fremde auch gar nicht mit ihr reden wollen, wenn sie erfuhr, wer Sorcha war. Es half also alles nichts, Sorcha konnte sich nicht länger vor dem Gespräch mit ihrem Vater drücken, schließlich ging es um Adela.

Sir Hugo Robison hatte schon vor langer Zeit gelernt, persönliche Belange zurückzustellen, wenn die Pflicht rief. Daher war es ihm nicht schwergefallen, während Donalds Einsetzung die unerfreuliche Szene mit Sorcha aus seinen Gedanken zu verbannen.

Doch kaum hatten sich Ranald und der neue MacDonald der Inseln in das große Zelt begeben, das Ranalds Leute für das Fest errichtet hatten, schaute sich Hugo nach dem Mädchen um, das ihn geohrfeigt hatte. Als er sie nirgends entdecken konnte, hoffte er, ihr Vater würde ihr irgendwo eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen.

Das hätte sie jedenfalls verdient, sagte er sich. Doch dann musste er wieder an ihren Zornesausbruch denken und an das Grübchen neben ihrem linken Mundwinkel, und er schmunzelte vor sich hin. Angesichts seiner eigenen Stellung und der seiner Lehnsherren, der mächtigen Sinclairs, hätten nur wenige Mädchen den Mut gehabt, ihn zu schlagen. Doch sie stand unter dem Schutz des gleichen einflussreichen Clans. Immerhin hatte ihre Schwester Isobel den jüngeren Bruder des Fürsten von Orkney geheiratet – oder des Grafen von Orkney, wie Henrys Titel in Schottland lautete. In Norwegen jedoch galt er als Fürst und stand damit im Rang unmittelbar unter dem norwegischen König. Wie dem auch sei, vor der verdienten Strafe konnten sie auch ihre Familienbande nicht bewahren.

Doch im Grunde genommen war Hugo davon überzeugt, dass sie keinen Gedanken an seine Stellung oder an ihre eigene verschwendet hatte, bevor sie zuschlug.

Auf jeden Fall war sie eine ausgesprochene Schönheit, noch faszinierender als ihre Schwestern – zumindest diejenigen, die er kennengelernt hatte. Und im Unterschied zu anderen jungen Frauen, die sich in seiner Gegenwart übertrieben scheu und affektiert gaben, hatte sie ihn offen, wenn auch wutentbrannt, angeblickt.

Da er halb verhungert war, machte er sich auf den Weg zu dem großen Zelt. Abermals musste er lächeln, als er an das vorwitzige Grübchen in ihrer Wange dachte und an ihr trotzig gerecktes Kinn. Im Eifer des Gefechts hatten sich einige bernsteingelbe Locken unter ihrer Haube hervorgestohlen, und ihre weit auseinanderstehenden Augen mit den dunklen Wimpern hatten Funken gesprüht. Schneeweiß hatten ihre Zähne geblitzt, als sie ihn anschrie, und ihre vollen rosigen Lippen luden zum Küssen ein.

Er wusste, dass sie zur gleichen Zeit wie er und Michael nach Lochbuie fahren wollte. Vielleicht konnte er sie dort bewegen, ihre Meinung über ihn zu ändern. Das wäre recht amüsant. Doch falls sie noch einmal versuchen sollte, ihn zu schlagen, würde er ihre Bestrafung nicht Macleod überlassen.

„Hugo, ich würde gerne ein Wort mit dir reden.“

Der ernste Ton, den Michael ihm gegenüber nur selten anschlug, veranlasste Hugo, sofort stehen zu bleiben und auf seinen Vetter zu warten.

Mit gerunzelter Stirn ließ Sir Michael Sinclair seinen Blick über die Menge schweifen, die auf dem Weg zum Mittagsmahl war. Er wartete, bis eine Gruppe von Männern an ihnen vorüber ins Zelt gegangen war, dann sagte er leise: „Bevor wir zum Essen gehen, möchte ich wissen, was da vor der Zeremonie los war.“

„Das weißt du doch genauso gut wie ich“, erwiderte Hugo, „schließlich warst du auch dabei.“

„Du hattest also nichts mit der Entführung dieser jungen Frau zu schaffen.“

Obwohl Michaels Worte eher wie eine Feststellung und nicht wie eine Frage klangen, hätte er die Angelegenheit wohl kaum erwähnt, wenn ihn nicht doch gelinde Zweifel geplagt hätten. Darüber ärgerte sich Hugo, doch er sagte so sanft wie möglich: „Das solltest du doch wissen.“

Michael blickte ihn eindringlich an, bevor er erwiderte: „Ich hoffe es. Bist du sicher, dass du Lady Adela keinen Grund zu der Annahme gegeben hast, du würdest sie heiraten?“

„Sei doch nicht dumm“, erwiderte Hugo, der spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg.

Michaels Blick wurde noch eine Spur schärfer. „Wirklich nicht?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Hugo mit fester Stimme, bemüht, dem Blick seines Freundes standzuhalten. Falls er selbst einen ganz leisen Zweifel hegte, würde er es sich zumindest nicht anmerken lassen.

Er schwieg, bis Michael schließlich nickte und sagte: „Das wollte ich nur wissen. Falls Macleod uns um Hilfe bittet, werden wir sie ihm gewähren.“

„Ja, sicher“, erwiderte Hugo, als sie gemeinsam das Zelt betraten.

Nachdem sie ihre Plätze auf der Männerseite der hohen Tafel eingenommen hatten, stellte er fest, dass weder Lady Sorcha noch Isobel anwesend waren. Auf einmal hatte er gar keinen so großen Appetit mehr.

Er machte höflich Konversation mit seinen Sitznachbarn, doch seine Gedanken waren weit weg. Schließlich betrat Isobel das Zelt, begleitet von ihrer Schwester Cristina und Hector Reaganach, den man nicht umsonst „den Grimmigen“ nannte. Heute blickte er jedenfalls reichlich grimmig, und Hugo konnte nur hoffen, dass Lady Sorcha der Grund für Hectors Unmut war und nicht der Mann, den sie geohrfeigt hatte. Denn noch weniger als mit Michael wollte Hugo es mit diesem mächtigen Krieger verderben, der auf Schritt und Tritt die sagenumwobene Streitaxt seiner Familie mit sich herumschleppte. Zu seinem Leidwesen konnte sich Hugo nur einen Grund vorstellen, warum Lady Sorcha Macleod auf die Idee gekommen war, er wolle ihre Schwester heiraten – Adela musste es ihr selbst gesagt haben.

Inmitten des allgemeinen Stimmengewirrs versuchte er sich zu entsinnen, was er über Lady Adela wusste. Außer ihrer goldenen Schönheit war ihm vor allem die hochmütige Haltung im Gedächtnis geblieben, mit der sie auf Orkney sein Getändel zurückgewiesen hatte. Und als er auf diese Zurückweisung reagiert hatte, wie es seine Art war, hatte sie ihm eine Schale mit Weihwasser ins Gesicht gekippt.

Auch bei dieser Szene war Michael Zeuge gewesen, doch offenbar erinnerte er sich nicht mehr an Adelas gezischte Worte, als sie ihm die kalte Dusche verabreichte. Ums Ehelichen war es schon gegangen, doch nur insofern, als sie ihm versichert hatte, sie würde ihn nie und nimmer heiraten.

Bestimmt hatte sie ihren Schwestern von dem Vorfall erzählt, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sie dabei die Unwahrheit gesagt hatte. Wie also kam Lady Sorcha auf die Idee, er wolle Adelas Eheschließung verhindern?

Auf dem Weg von Orkney zum Castle Sinclair in Caithness hatte er erneut versucht, mit Adela zu schäkern, doch wieder ohne Erfolg. Sie hatte sich genauso zugeknöpft gezeigt wie zuvor.

Ihm war durchaus die Idee gekommen, sie könnte die richtige Frau für ihn sein, wenn er eines Tages Lust und Zeit zum Heiraten hätte. Doch wie Adela dazu stand, daran hatte er keinen Gedanken verschwendet. Junge, wohlerzogene Damen hatten an dergleichen gar nicht zu denken, auch wenn sie es vermutlich hin und wieder doch taten.

Er hatte vorausgesetzt, dass sie ihn als Gatten akzeptieren würde, weil es seines Wissens niemanden gab, den sie ihm hätte vorziehen können. Und erst durch Lady Sorchas Nachricht hatte er erfahren, dass sich ein anderer Mann für Adela interessierte. Bis dahin war Hugo einfach davon ausgegangen, dass sie immer verfügbar sein würde, bis er eines Tages bereit wäre zu heiraten, und dass ihr Vater ganz begeistert von einem so großartigen Freier wäre.

Peinlich berührt dachte Hugo an seine eigene Arroganz. Das Mädchen hatte ganz recht gehabt, als sie ihn einen eingebildeten Laffen schimpfte. Doch andererseits hatte er ja nur ein wenig geflirtet, das musste auch Lady Adela zugeben. Auf jeden Fall hätte ihre undamenhafte Schwester Sorcha ihm keine Botschaften schicken, geschweige denn ihn schlagen dürfen.

Seine Gedanken liefen im Kreis. Wenn er doch unschuldig an der ganzen Sache war, warum musste er dann ständig daran denken, was dieses kleine Biest gesagt hatte?

Endlich erblickte er sie am Eingang zum Zelt, doch zu seiner Überraschung ging sie geradewegs zu ihrem Vater und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Darauf blickte Macleod sie finster an und begann sie auszuschelten, ohne Rücksicht auf die interessierten Zuhörer um sie herum. Das geschieht ihr ganz recht, dachte Hugo, doch zugleich verspürte er den unerklärlichen Drang, ihr zu Hilfe zu eilen.

„Bitte, Sir, redet doch wenigstens mit ihr“, bat Sorcha leise. „Es war Lady Gowrie, eine Freundin von Lady Clendenen. Ich bin sicher, dass die Männer, die ihr Vetter gesehen hat, die Entführer waren. Weiß der Himmel, was sie Adela antun, während wir noch zögern!“

„Du hast doch keine Ahnung!“, entgegnete Macleod und erhob sich. „Und außerdem habe ich für heute genug von deinem Geschwätz. Du kommst jetzt auf der Stelle mit mir oder ich werde hier vor allen Leuten dafür sorgen, dass dir dein Benehmen gegenüber Sir Hugo leidtut.“

Er packte sie beim Arm, worauf sie sich widerstandslos von ihm hinausführen ließ. Dabei tat sie so, als hörte sie das vereinzelte Kichern nicht, das ihren Weg begleitete. Sie musste ihren Vater unbedingt überzeugen, daher bestürmte sie ihn noch einmal, kaum dass sie das Zelt verlassen hatten.

„Bitte, Sir, Ihr dürft Adela nicht im Stich lassen. Ihr könnt doch nicht dulden, was man ihr angetan hat.“

„Wieso nicht?“, gab er zurück. „Du hast dich schön zum Narren gemacht, Sir Hugo mit deinen Botschaften zu belästigen. Jetzt siehst du mal, wohin das führt. Jedermann im weiten Umkreis hat davon erfahren, und alle waren davon überzeugt, dass es Sir Hugo war, der sie zu sich aufs Pferd gezogen hat. Und jetzt stellt sich heraus, dass wir untätig mitangesehen haben, dass irgendwelche Schurken meine Tochter entführten. Aber mit einem hatte Sir Hugo recht.“

Sie wollte gar nichts weiter hören, doch Macleod hielt sie bei den Oberarmen, blickte ihr aus nächster Nähe ins Gesicht und zischte: „Es stimmt, dass es ganz allein deine Schuld ist, Sorcha Macleod. Was immer Adela zustößt, sie kann sich dafür ausschließlich bei dir bedanken.“

„Dann werde ich auch nach ihr suchen“, entgegnete Sorcha mit wachsender Angst. „Wenn es wirklich meine Schuld ist, wie alle behaupten, dann werde ich es wiedergutmachen. Ihr werdet schon sehen!“

„Du wirst nichts dergleichen tun“, sagte er und schüttelte sie. „Ich verbiete es dir! Und außerdem werde ich dich nach Hause schicken, damit du nicht auch noch auf Lochbuie Dummheiten machst. Ich wollte sowieso ein Boot heimschicken, um Ardelve zu berichten, was wir hier erfahren haben. Jetzt schicke ich eben beide Schiffe und fahre mit Hector Reaganach nach Lochbuie. Da ich versprochen habe, zwei Schiffe für die Flotille Seiner Gnaden zu stellen, wenn er zum König fährt, um den Treueeid zu leisten, müssen meine Leute eben wieder nach Lochbuie kommen, sobald sie dich zu Hause abgesetzt haben.“

„Das könnt Ihr nicht tun! Bitte, Vater! Was werden die Leute sagen? Was sie über mich denken, ist mir gleich, aber was wird aus der armen Adela? Soll sie darunter leiden, dass ihre Schwester ein Dummkopf ist?“

„Ein Dummkopf bist du wahrhaftig, aber was soll ich von Adela halten? Wenn sie einem Mann schöne Augen gemacht hat, dann vielleicht noch einem Dutzend anderer. Immerhin stand dieses verflixte Mädchen einfach da und rief noch nicht mal um Hilfe.“

„Bestimmt dachte sie ebenfalls, es wäre Sir Hugo.“

„Umso schlimmer. Dann hat sie ihre gerechte Strafe erhalten. Ardelve ist ganz traurig nach Hause gefahren. Dazu kannst du dir auch gratulieren.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sehr traurig war“, erwiderte sie. „Er schien sich nicht besonders über die Hochzeit zu freuen, und wo keine Freude ist, kann es auch keine Trauer geben.“

„Du bringst mich, weiß Gott, noch so weit, dass ich Robisons Rat auf der Stelle befolge!“, fuhr Macleod sie an. „Geh sofort auf das Schiff, Mädchen, bevor ich dich übers Knie lege!“

Sorcha merkte, dass sie beinahe zu weit gegangen war. Normalerweise hatte es mit seinem Geschimpfe nicht viel auf sich, doch wenn sie es zu bunt trieb, machte ihr Vater seine Drohungen wahr. Das wusste sie aus Erfahrung. Und das Letzte, was sie wollte, war, schon wieder ein öffentliches Spektakel zu bieten, vor allem, wenn die Gefahr bestand, dass Sir Hugo unter den Zuschauern war. Also bat sie ihren Vater um Verzeihung und schwieg.