Kapitel 1
Kurland Hall,
Kurland St. Mary, England, 1826
„Robert, ich habe gerade einen merkwürdigen Brief von meiner Tante Jane erhalten.“
Lucy, Lady Kurland, kam mit dem eng beschriebenen Dokument in der Hand in das Arbeitszimmer ihres Mannes. Der Himmel über Kurland St. Mary war an diesem kalten Tag grau und barg erste Vorzeichen von Schnee. Aus gutem Grund hatte noch niemand im Haus einen Fuß vor die Tür gesetzt.
„Merkwürdig?“ Robert blickte von seinem Platz am Schreibtisch auf. Direkt vor seinen Stiefeln schliefen seine beiden Hunde seelenruhig. „Deine Tante Jane ist einer der biedersten und steifsten Menschen, der mir je begegnet ist. Ich bezweifle, dass sie überhaupt weiß, was das Wort merkwürdig bedeutet.“
„Nun, das ist es ja gerade.“ Lucy sah hinunter auf das Schreiben. „Sie berichtet, dass Julia sie nicht länger zu Elizabeths Taufe begleiten wird und dass Julias Verlobung mit Lord Penzey beendet ist.“
„Deine Tante Jane wird Elizabeths Patentante, also was spielt es für eine Rolle, ob Julia mitkommt oder nicht?“, fragte Robert. „Wenn Julia ihre Verlobung aufgelöst hat, dann steht ihr vielleicht schlicht nicht der Sinn nach einer Feier auf dem Land zusammen mit ein paar fremden Verwandten.“
„Aber wir haben unsere Einladungen zur Hochzeit bereits erhalten. Tante Jane sagt in ihrem Brief nicht, ob Julia die Verlobung gelöst hat oder Penzey.“ Lucy runzelte die Stirn und drehte den Brief auf die Seite, um auch die senkrecht über das Schreiben gekritzelten Sätze ihrer Tante lesen zu können.
„Was macht das für einen Unterschied?“
„Wenn es Julia war, wird es ihre Aussichten auf einen weiteren Verehrer beeinträchtigen, weil man sie für flatterhaft halten wird. Und wenn er es war, dann gehe ich davon aus, dass mein Onkel dem genauen Grund nachgehen wird.“
„Damit er Penzey vor Gericht ziehen kann und die Familiengeheimnisse in aller Öffentlichkeit breitgetreten werden?“ Robert zuckte mit den Schultern. „Das kann ich mir nicht wirklich vorstellen, du etwa?“
„Das hängt ganz davon ab, wie viel des Ehevertrags bereits umgesetzt worden ist und ob dabei Geld den Besitzer gewechselt hat.“ Lucy seufzte. „Wie auch immer es ausgeht, ich mache mir Sorgen um meine Cousine.“
Robert erhob sich, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und schlang einen tröstenden Arm um die Schultern seiner Ehefrau. „Meine Liebe, du hast doch schon genug Sorgen mit dem Organisieren der Taufe. Da musst du dir doch nicht noch zusätzliche Probleme aufbürden, von denen ich sicher bin, dass der Earl und die Countess sie ohne Schwierigkeiten selbst lösen können.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, gab Lucy schließlich nach und erlaubte sich kurz, ihren Kopf an der Schulter ihres Ehemannes ruhen zu lassen. „Tante Jane schreibt, dass Max sie stattdessen begleiten wird.“
„Max?“ Robert zog eine Augenbraue hoch. „Wie um alles in der Welt überzeugt man einen jungen Mann, der sich aller Annehmlichkeiten des Stadtlebens erfreut, davon, zu einer Taufe auf dem Land mitzukommen?“
„Er ist wieder in Ungnade gefallen.“ Lucy zog erneut den Brief zu Rate. „Offenbar ist Max verschuldet. Mein Onkel weigert sich, auch nur darüber zu sprechen, die offenen Rechnungen zu begleichen, und er besteht darauf, dass Max die beiden zur Taufe begleitet.“
Robert seufzte. „Ich bin froh, dass unsere Kinder noch so jung sind.“
„Ich kann dir versichern, dass weder Ned noch Elizabeth sich jemals derart verhalten werden“, sagte Lucy mit Nachdruck.
Robert gluckste und streifte mit den Fingerspitzen über ihre Wange. „Sei dir da nicht so sicher, meine Liebste. Wie du sehr wohl weißt, war ich in meinen jungen Jahren recht wild. Wie dem auch sei, bist du bereit, mich zum Pfarrhaus zu begleiten? Ich muss mich mit deinem Vater über das Pony für Ned unterhalten. Und dir würde eine kurze Unterhaltung mit meiner Tante über die ganzen Vorbereitungen für die Taufe sicher guttun.“
„Sie hat angeboten, einige unserer Gäste im Pfarrhaus unterzubringen. Das ist wirklich sehr großzügig, wenn man bedenkt, dass die Zwillinge Schulferien haben und gerade erst wieder nach Hause gekommen sind.“ Noch während sie sprach, hakte Lucy sich bei ihm unter und gemeinsam gingen sie in Richtung des Treppenhauses. „Ich kann nicht glauben, wie groß Luke und Michael geworden sind!“
„Sie werden mit Sicherheit einmal so groß und kräftig wie dein Vater sein“, stimmte Robert ihr zu. „Ich kann mir kaum ausmalen, wie viel Essen die beiden wohl verschlingen.“
„Da ich vor unserer Hochzeit die Haushälterin für meinen Vater war und dabei auch dafür sorgen musste, dass all meine Brüder versorgt sind, kann ich dir verraten, dass die Köchin sehr viel zu tun haben wird“, erwiderte Lucy.
Robert blieb am oberen Treppenabsatz stehen und blickte kurz in Richtung der Kinderstube nach oben. „Sollen wir Elizabeth mitnehmen?“
Dass er ihre neugeborene Tochter derart offenkundig anhimmelte, hatte Lucy ein wenig überrascht. Aber sie sprach es nie direkt an, da sie es genoss, ihren sonst so ernsten Ehemann bei jeder noch so kleinen Gemütsregung von Elizabeth springen zu sehen.
Lucy ließ den Blick aus dem Fenster schweifen. „Ich vermute, dass es gleich schneien wird, daher wäre es mir lieber, wenn sie in der warmen Kinderstube bleibt. Wir wollen nicht, dass sie sich vor ihrer Taufe noch eine Erkältung zuzieht.“
„Da hast du wohl recht.“ Robert ging weiter. „Es wäre nur zu schade, wenn ihr großer Tag dadurch ruiniert würde - ganz besonders, weil ihre Patin eine echte Countess sein wird.“
Elizabeth war früher zur Welt gekommen als erwartet und deswegen noch recht klein. Lucy war sich nur zu bewusst, dass sie wegen dieses Umstands dazu neigte, ihre Tochter über die Maßen behüten. Sie hatte die Taufe aufgeschoben, bis ihr Vater die ersten Bemerkungen darüber machte, dass seine Enkelin noch immer Heidin war. Nach inzwischen drei Monaten hatte Elizabeth ein gesundes Gewicht erreicht und präsentierte der Welt ihre strahlende und bezaubernde Persönlichkeit. Sie sei ganz die Mutter, wurde ihr immer wieder nachgesagt.
Es war ungewöhnlich, dass Tante Jane Lucy ihre Familienangelegenheiten anvertraute, daher stellte sich die Frage, wie groß die Probleme im adeligen Zweig der Familie ihres Vaters inzwischen sein mussten, dass ihre Tante sich genötigt sah, Erklärungen und Entschuldigungen anzubieten. Max dürfte wenig Spaß bei der Taufe haben, was vermutlich wiederum seine Eltern verärgern und das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater weiter verschlechtern würde.
Während Lucy sich die Haube aufsetzte, festes Schuhwerk und den wärmsten Mantel anzog, gab sie sich selbst das Versprechen, dass sie einen Weg finden würde, mit allem, was sich bei der Zeremonie womöglich zutragen würde, zurechtzukommen. Sie war als einfallsreiche Frau bekannt, die selbst Mördern und Dieben entgegentrat. Eine einfache Taufe sollte sie daher gar nicht aus der Ruhe bringen.
Nachdem Robert seine Tante Rose begrüßt hatte, deren Ehe mit dem Vater seiner Frau ihre Verwandtschaftsverhältnisse etwas verkompliziert hatte, zog er sich ins Arbeitszimmer des Pfarrers zurück. Sein Schwiegervater war ein begeisterter Reiter, Jäger und Hundezüchter und daher der perfekte Mann, um ein Pferd für Ned auszuwählen. Dieser war zwar erst vier, brannte jedoch schon darauf, selbst reiten zu dürfen. Robert konnte ihm diese Fertigkeit allerdings nicht vermitteln, ohne dass zu viele Erinnerungen an den Moment, als er bei Waterloo unter seinem Pferd begraben worden war, an die Oberfläche kamen.
Das Kutschfahren hatte er sich selbst wieder beigebracht und inzwischen konnte er sich auch wieder bei den Stallungen aufhalten. Aber seinen Sohn bei den Reitstunden zu beaufsichtigen und ihn sich immer wieder in derselben furchteinflößenden Lage vorstellen zu müssen, überstieg sein menschliches Vermögen. Diese Realität war zwar bitter, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie zu akzeptieren. Glücklicherweise waren seine Angestellten und sein Schwiegervater mehr als gewillt, Ned alles beizubringen, was dieser wissen musste.
Die Wahl eines geeigneten Ponys verschlang schon mindestens einen Monat lang die volle Aufmerksamkeit des Pfarrers und hatte für diesen noch vor seinen Pflichten als Vorsteher von drei Gemeinden rangiert. Robert war die Sache inzwischen herzlich leid. Als Kind war er selbst auf jedes Pferd gestiegen, wenn man es ihm gestattet hatte - egal um welche Rasse es sich handelte oder wie groß und temperamentvoll es war. Natürlich wurde er dabei ein paar Mal abgeworfen, was ganz und gar seine eigene Schuld gewesen war. Mit dem Wissen von heute war dies jedoch etwas, das er seinem Sohn lieber ersparen wollte.
„Ich habe das perfekte Pony für Ned gefunden.“
Robert richtete seine abschweifende Aufmerksamkeit wieder auf seinen Schwiegervater.
„Ah, endlich! Ich meine, das sind ausgezeichnete Neuigkeiten. Stammt das Pony aus der näheren Umgebung?“
„Ja, in der Tat! Überraschenderweise bin ich ausgerechnet in Kurland St. Anne fündig geworden. Es handelt sich um eine Zucht eines meiner früheren Stallknechte, der sich zur Ruhe gesetzt hat. Ich könnte mir kein besseres Tier wünschen.“ Der Pfarrer räusperte sich. „Was die Bezahlung angeht, so habe ich Albert Lawrence angewiesen, die Rechnung direkt an Sie zu schicken. Ich hatte nicht ausreichend Geld bei mir, um den vollen Betrag zu zahlen, als ich mich gestern mit ihm traf.“
„Das ist völlig in Ordnung“, sagte Robert. „Wird das Pony nach Kurland Hall gebracht oder müssen wir es abholen?“
„Albert wird er vorbeibringen. Wir dachten, dass wir damit bis nach der Taufe warten und es Ned als Überraschung zu Weihnachten schenken.“
„Eine ausgezeichnete Idee.“ Robert nickte. „Er war über Elizabeths Geburt nicht gerade froh und bekundet sein Missfallen doch recht lautstark. Ich denke, dass wir ihn jetzt auf gar keinen Fall für dieses Verhalten belohnen sollten. Um ehrlich zu sein, wird Ned das Tier nie zu Gesicht bekommen, wenn sich sein Benehmen nicht bessert.“
Der Pfarrer gluckste. „Ich erinnere mich noch, wie empört Tom war, als seine jüngeren Brüder und Schwestern kamen. Er hat gegen die Wiege getreten und darauf beharrt, dass niemand sonst sie benutzen dürfe.“ Sein Lächeln verschwand. „Leider wird der arme Tom nie selbst die Freuden des Elternseins erleben. Möge seine Seele in Frieden ruhen.“
„In der Tat.“ Robert ließ einen Moment des Schweigens zwischen ihnen zu. Tom, das älteste Kind des Pfarrers, war in den Kriegen gefallen, die auch Robert nur knapp überlebt hatte. „Ich weiß, dass Lucy ihn sehr vermisst.“
Der Pfarrer lenkte sich mit dem Ordnen von ein paar Papieren am Rand seines Schreibtisches ab. „Die erste Mrs Harrington und ich haben zwei Kinder kurz nach der Geburt verloren. Aber irgendwie ist es viel schlimmer, wenn es einen erwachsenen Sohn trifft.“ Er blickte mit klarem Blick zu Robert auf. „Bitte entschuldigen Sie, dass ich so in Erinnerungen schwelge. Normalerweise konzentriere ich mich nicht auf das Negative, aber dieses Jahr ist recht herausfordernd gewesen.“
„Dann freut es Sie doch sicher, die Zwillinge über Weihnachten zu Hause zu haben, oder?“ Da ihm die ungewöhnliche Zurschaustellung von Emotionen seines Schwiegervaters unangenehm war, versuchte Robert, das Gespräch in eine positivere Richtung zu lenken. „Sie haben sich zu vorbildlichen jungen Männern entwickelt.“
„Das stimmt.“ Der Pfarrer warf dem Papierstapel einen erneuten Blick zu. „Allerdings sind die Schulgebühren enorm hoch.“
„Vielleicht könnten Sie eine Schule hier in der Nähefinden, sodass sie nicht dort wohnen müssen“, schlug Robert vor.
„Oh nein, das kommt nicht in Frage“, sagte der Pfarrer mit Nachdruck.
„Die Harringtons sind schon immer nach Harrow und Eton gegangen.“
Auch wenn Robert eine weniger bedeutende Schule besucht und dadurch keinerlei Schaden erlitten hatte, ließ er sich nicht auf ein Streitgespräch ein. Sein Schwiegervater war der zweite Sohn eines Earls und hatte sehr hohe Ansprüche an sich selbst sowie an seine Familie. Robert bezweifelte, dass die Zwillinge es interessierte, wo sie zur Schule gingen, aber es stand ihm nicht zu, sich einzumischen. Das würde er seiner Ehefrau überlassen.
Robert verneigte sich. „Nun, ich bin froh, dass Sie ein geeignetes Pony für Ned gefunden haben, und bedanke mich dafür. Richten Sie Albert Lawrence aus, dass er die Rechnung direkt zu Mr Fletchers Büro im Anwesen schicken lassen soll.“
„Es war mir ein Vergnügen.“ Der Pfarrer erhob sich und deutete in Richtung der Tür. „Sollen wir uns wieder zu den Damen gesellen? Ich bin mir sicher, dass Lucy die letzten Einzelheiten der Tauffeier besprechen möchte. Wie die meisten Frauen neigt sie dazu, sich sehr in Details zu verlieren.“
Robert erwiderte nichts darauf und folgte stattdessen seinem Schwiegervater zurück in den hinteren Salon, wo sich seine Tante und seine Ehefrau aufhielten. Von den Zwillingen fehlte jede Spur, da sie losgezogen waren, um ihre alten Freunde im Dorf zu besuchen. Es war daher unwahrscheinlich, dass die beiden vor dem Abendessen zurück sein würden.
Als Robert und der Pfarrer den gemütlichen Salon betraten, blickte Rose auf und begrüßte sie mit einem Lächeln.
„Ambrose! Robert! Wie schön, dass ihr euch zu uns gesellt.
Kann ich euch Tee anbieten?“
„Das wäre sehr nett.“ Robert nahm neben seiner Ehefrau Platz. „Und auch, wenn ich mir sicher bin, dass Lucy dir wahrscheinlich schon für dein Angebot gedankt hat, einige unserer Gäste für die Tauffeier in eurem Haus aufzunehmen, möchte ich es ihr gleichtun.“
„Ach, das macht doch keine Umstände.“ Rose winkte ab. „Du weißt, wie sehr ich Gäste im Haus mag - je mehr, desto besser.“
Der Pfarrer räusperte sich und bedachte seine Ehefrau mit einem solch fragenden Blick, dass es selbst Robert auffiel. „Bist du dir da ganz sicher, meine Liebe?“
„Natürlich.“ Rose erwiderte den Blick ihres Ehemanns und lächelte. „Und ich verspreche, dass du dadurch keinen Ärger haben wirst, Ambrose. Ich habe alles unter Kontrolle.“
Daraufhin musterte Robert seine Tante aufmerksam. Sie sah ein wenig müde aus, aber das war auch keine große Überraschung, wenn man bedachte, was gerade im Pfarrhaus los war: Die Zwillinge waren auf Heimatbesuch, die Tauffeier musste vorbereitet werden und Weihnachten stand ebenfalls vor der Tür. Falls Lucy einen Grund zur Sorge um das Wohlergehen seiner Tante hatte, würde sie Robert vermutlich später davon erzählen.
Die Küchenhilfe kündigte sich mit einem Klopfen an der Tür an und brachte eine Kanne mit frischem Tee. Robert bemerkte, dass der Pfarrer sich stattdessen vom Brandy einschenkte, der in einer Karaffe auf einer der Anrichten stand. Es sah seinem Schwiegervater nicht ähnlich, schon so früh am Tag mit dem Trinken anzufangen. Robert warf Lucy einen kurzen Blick zu und fragte sich, ob sie mit ihren Adleraugen das gleiche gesehen hatte und es ansprechen würde.
Kurz nachdem die Küchenhilfe den Salon wieder verlassen hatte, ertönte die aufgeregte Stimme eines Mannes aus Richtung des Flurs.
„Bitte Maddy, ich möchte nur mit dem Pfarrer sprechen. Ich benötige nur einen kurzen Moment seiner Zeit.“
Robert erhob sich instinktiv, als der Mann eintrat, entspannte sich aber sofort, als er das vertraute Gesicht erkannte.
„Guten Morgen, Mr Harper.“
Der Besitzer der Mühle im Ort nahm seinen Hut ab und blickte hinunter auf seine Füße.
„Morgen, Sir Robert. Ich wollte nicht stören, aber ich muss ein Wörtchen mit dem Pfarrer reden.“
„Worum geht es?“ Robert ließ den Blick von Mr Harper hinüber zum Pfarrer wandern. Dessen Gesicht hatte einen alarmierenden Rotton angenommen und es schien ihm die Sprache verschlagen zu haben.
„Es geht um seine Rechnungen, Sir Robert“, platzte es aus Mr Harper heraus. „Seine Schulden reichen jetzt schon fast ein ganzes Jahr zurück. Normalerweise würde ich nicht danach fragen, aber meine Frau hat gerade erst das jüngste Kind zur Welt gebracht und ich brauche das Geld wirklich dringend.“
Robert legte eine Hand auf die Schulter des jungen Mannes und lenkte ihn sanft zurück in Richtung der Tür.
„Kommen Sie mit mir, Sid, und wir schauen, ob wir die Sache in Ruhe regeln können.“
Nachdem er Sid Harper mit einer Nachricht für Dermot Fletcher zum Anwesen geschickt hatte, kehrte Robert in den Salon zurück. Dort fand er seinen Schwiegervater mit auf dem Rücken verschränkten Armen auf dem Kaminvorleger auf und ab gehend vor.
„Der Kerl hat vielleicht Nerven! Wie kann er es wagen, in den Salon meiner Frau zu stürmen und nach Geld zu fragen?“
Robert lehnte sich an den Türrahmen und musterte den Pfarrer eindringlich.
„Nun, vielleicht muss auch er seine Familie ernähren?“
„Ich hätte ihn ja bezahlt! Es geht um eine lächerlich geringe Summe. Ich habe es schlicht vergessen. Er hätte auch einfach bis zur nächsten Rechnung warten und einen Brief beilegen können, um mich zu erinnern. Aber nein, er musste ja hier aufkreuzen und mich beleidigen.“
„Das kann man nicht wirklich eine Beleidigung nennen, Sir“, sagte Robert mit ruhiger Stimme. „Genau genommen schien er die Sache gar nicht ansprechen zu wollen und wirkte äußerst peinlich berührt..“
„Und das ja wohl auch zurecht“, sagte der Pfarrer mit einem Zungenschnalzen. „Ich bin jedenfalls nicht mehr sein Kunde, so viel kann ich Ihnen sagen.“
„Aber Vater“, schaltete Lucy sich ein, „du hast uns doch immer gesagt, dass er der beste Müller in der Gegend ist.“ Ihr Blick wanderte besorgt zwischen Robert, Rose und ihrem Vater hin und her. „Und …“
„Ich habe in dieser Sache nicht nach deiner Meinung gefragt, liebste Tochter“, fiel er ihr ins Wort. „Dürfte ich vorschlagen, dass du dich auf die Leitung deines Haushaltes konzentrierst und den meinen mir überlässt?“ Er stürmte mit einem energischen Türknallen aus dem Salon.
Lucy schloss ihren offen stehenden Mund und Robert eilte instinktiv an ihre Seite.
„Vielleicht ist es auch für uns an der Zeit zu gehen, Lucy.“
Rose legte die Hand auf seinen Arm. „Dazu besteht kein Anlass, meine Lieben. Sobald Ambrose sich beruhigt hat, wird er merken, dass ihm hier niemand etwas Böses will. Wir alle wissen, dass er sich um viele weltliche und geistige Angelegenheiten zu kümmern hat und man es ihm nicht übel nehmen kann, wenn er einmal vergisst, eine Rechnung zu begleichen.“ Sie ließ sich wieder nieder und machte es sich gemütlich, bevor sie weitersprach. „Vielleicht hätte ich mich darum kümmern sollen, dass die Rechnung pünktlich beglichen wird.“
Lucy gab ein abschätziges Geräusch von sich und reckte trotzig das Kinn vor. „Es ist nett von dir, meinem Vater die Verantwortung abnehmen zu wollen, aber ich weiß nur zu gut, dass er schon immer darauf bestanden hat, die Finanzen der Familie selbst zu kontrollieren.“
„Ich bin mir sicher, dass dein Vater und Rose diese Sache zwischen sich ausmachen werden, meine Liebste.“ Robert nahm Lucy am Ellbogen und drückte diesen zärtlich. „Vielleicht sollten wir uns auf den Weg machen.“
Er lächelte seiner Tante zu. „Vielen Dank für den Tee.“
Mit dem Arm seiner Ehefrau fest unter dem seinen ging er in Richtung der Tür. Kurz bevor er sie erreichte, wurde diese allerdings energisch aufgestoßen und eine weitere unerwartete Besucherin stürmte herein.
„Da bist du also, Mama!“
Lucys Fingernägel gruben sich tief in den Ärmel seines Mantels, als Henrietta, Lady Northam, die älteste Tochter von Rose aus erster Ehe, ins Zimmer marschierte und sie alle abschätzig musterte.
Sie war eine gutaussehende Frau, doch einige kleine Fältchen verrieten, dass sie ihr Gesicht wohl häufiger zu einer grimmigen Fratze verzog. Die langen Federn an ihrem Bonnet ließen sie mindestens einen Kopf größer erscheinen und die fein gearbeitete und reich verzierte Pelisse war ganz und gar nicht für einen Besuch auf dem Land geeignet.
„Was um alles in der Welt willst du denn hier?“, fragte Rose.
„Bin ich hier etwa nicht willkommen?“ Henriettas Lächeln wurde eisig. „Im Hause meiner eigenen Mutter?“
„Selbstverständlich bist du das“, versicherte ihr Rose hastig. „Allerdings ist es üblich, es seiner Mutter in einem Brief mitzuteilen, wenn man die Absicht hat, sie zu besuchen.“
„Ich habe dir geschrieben. Hast du meine Nachricht etwa nicht erhalten?“ Henriettas Nachfrage war so offensichtlich geheuchelt, dass selbst Robert die Lüge bemerkte. „Vielleicht ist der Brief verloren gegangen.“
„Hättest du mir geschrieben, hätte ich dir gesagt, dass gerade kein guter Zeitpunkt für einen Besuch ist.“ Rose erhob leicht die Stimme. Normalerweise war sie eine gutmütige und ausgeglichene Frau, aber sie würde es sich nicht gefallen lassen, in ihrem eigenen Zuhause gegängelt zu werden. „Wir feiern die Taufe des jüngsten Kindes von Robert und Lucy und das Haus ist bis zum Bersten belegt.“
„Und dir ist nicht in den Sinn gekommen, mich einzuladen?“ Henrietta fasste sich empört an die Brust. „Das ist ja geradezu erschreckend, Mama.“
Lucy räusperte sich. „Ich habe Ihnen eine Einladung geschickt, Henrietta. Aber da wir keine Antwort erhielten, gingen wir davon aus, dass Sie bereits anderweitig beschäftigt sind.“
Henrietta wandte sich zu Lucy. „Ich habe keine Einladung erhalten und, um ehrlich zu sein, bezweifle ich, dass Sie mir eine schicken würden.“
Während Lucy sich sichtlich aufplusterte, schaltete Robert sich ein. „Ich kann Ihnen versichern, dass Sie eingeladen wurden, Henrietta. Meine Frau ist in derlei Dingen sehr gründlich. Es drängt sich die Frage auf, ob man das gleiche auch von Ihrem Sekretär behaupten kann.“
Rose erhob sich mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. „Und es spielt auch keine Rolle. Wir haben kein Zimmer frei, um dich hier zu beherbergen, Henrietta. Wenn du in Kurland St. Mary bleiben möchtest, kannst du im Queen’s Head unterkommen. Oder du kehrst nach London zurück und kommst in einer Woche zu einem anständigen Besuch zurück, wenn wir mehr Zeit füreinander haben.“
„Ich bin von deiner Gefühlskälte entsetzt, Mama. Das Leben mit diesen Leuten hier hat dich verändert - und ganz sicher nicht zum Besseren!“ Henrietta zog ein Spitzentaschentuch hervor und tupfte sich mit aufgesetzter Dramatik die Augen ab. „Ich kann nicht glauben, dass du so ablehnend mit mir sprichst nach allem, was ich für dich getan habe.“
Robert zog die Augenbrauen hoch und blickte zu seiner Tante, die völlig überrumpelt wirkte. Henrietta hatte einen furchtbaren Kerl geheiratet, der ihre Mutter jahrelang nur zu gerne als persönliche Bank für seine extravaganten Ausgaben und Schulden missbraucht hatte.
Robert ließ Lucys Arm los und stellte sich zwischen Mutter und Tochter.
„Wenn Sie die Nacht in Kurland Hall verbringen möchten, steht Ihnen die Tür offen, liebe Cousine. Morgen früh können Sie dann in Ruhe und erholt zurück nach London aufbrechen.“
Er musste seine Frau nicht anschauen, um zu wissen, dass sie ihn erbost anfunkelte. Lucy hatte nichts für Henrietta übrig und war immer um das Wohlergehen von Rose besorgt. Aber was sollte er sonst tun? Er konnte es nicht gestatten, dass seine Cousine im Queen’s Head übernachtete. Es war zwar ein ausgezeichnetes Gasthaus, aber wohl kaum eine angemessene Unterkunft für eine allein reisende Frau aus dem Adelsstand.
„Nun, danke zumindest dafür, Robert!“ Henrietta schien vergessen zu haben, dass sie gerade noch vorgegeben hatte zu weinen. „Es ist schön zu wissen, dass die Familie Kurland gewisse Standards hat - im Gegensatz zu meiner eigenen Mutter.“
„Bitte, hör auf …“ Rose fasste sich zitternd ins Gesicht und brach augenscheinlich bewusstlos zusammen. Henrietta schrie, während Lucy und Robert zur Hilfe eilten.
„Die Riechsalze sind in ihrem Nähkörbchen“, sagte Lucy an Robert gerichtet und versuchte, den Oberkörper ihrer Patientin an einen der Sessel zu lehnen. „Holst du sie bitte?“
Als Robert unter den Stickarbeiten das Kristallfläschchen gefunden und zu Lucy gebracht hatte, kam Rose bereits wieder langsam zu Bewusstsein. Mit plötzlicher Klarheit packte sie instinktiv seine Hand.
„Meine Güte! Ich muss mich entschuldigen. Ich muss zu schnell aufgestanden sein.“
„Alles ist gut. Bleib einen Moment ruhig liegen und dann helfen wir dir hoch auf den Sessel. Robert? Kannst du Roses Zofe kommen lassen?“ Lucy löste den Stopfen des Kristallfläschchens und ließ es langsam unter Roses Nase kreisen, bis diese erschauderte. Sie warf Henrietta, die sich keinen Zentimeter gerührt hatte, einen erbosten Blick zu. „Mach dir bitte keine Sorgen, Rose. Einige Menschen handeln einfach gedankenlos und sind ohne Rücksicht.“
„Was geht hier vor sich?“ Der Pfarrer war in den Salon zurückgekehrt und fasste sofort seine Ehefrau ins Auge. „Geht es dir gut, meine Liebe?“
Der Mann, der hinter seinem Schwiegervater in den Raum schlenderte, zog Roberts Aufmerksamkeit auf sich. Er überließ es Lucy, sich um ihren Vater und Rose zu kümmern, während er sich Basil näherte, der nach dem Tod von dessen Vater der neue Lord Northam war. Der dunkelhaarige Mann mit seinen haselnussbraunen Augen hatte wie immer ein charmantes Lächeln aufgesetzt, das im krassen Widerspruch zu seiner boshaften Natur stand.
„Mir war nicht klar, dass Ihr Ehemann Sie begleitet, Henrietta“, sagte Robert. „Ich bin mir sicher, dass er durchaus in der Lage sein dürfte, Sie nach London zurückzubegleiten, ohne dass Sie vorher eine Nacht in Kurland Hall verbringen müssen.“
Northam lächelte ihn an. „Kurland wie schön, Sie zu sehen. Wie ich höre, haben Sie ein neues Töchterchen?“ Er senkte die Stimme, bevor er weitersprach. „Kein Wunder, dass Sie im Frühjahr noch die Freuden von London genießen wollten, während Ihre Frau mit dem Heim und der wachsenden Familie beschäftigt war.“
Robert beschloss, die gezielt provokante Bemerkung nicht mit einer Antwort zu würdigen. Er wusste bereits, dass Northam der Sorte Mann angehörte, die Untreue für eine Gemeinsamkeit aller Männer hielt, weil er selbst so geübt darin war. Robert wusste auch Bescheid über die großzügige Mitgift, mit der Rose Henrietta ausgestattet hatte und die inzwischen vollständig aufgebraucht war. Er hatte nichts übrig für Blutegel, die versuchten, sich an seinen Liebsten festzusaugen.
Der Pfarrer sprach kurz mit Rose, die inzwischen wieder auf ihrem Sessel saß, bevor er mit einer Hand auf ihrer Schulter zur Seite trat und ihr freie Sicht auf alle Anwesenden im Zimmer gewährte.
„So wollte ich unsere Neuigkeiten eigentlich nicht mitteilen, aber vielleicht ist es an der Zeit“, sprach Rose, sodass alle sie hören konnten. „Ambrose und ich sind zwar ein wenig überrascht, aber umso mehr erfreut zu verkünden, dass ich ein weiteres Kind erwarte.“
„Was?“, kreischte Henrietta in einer Lautstärke, die Robert zusammenzucken ließ. „Wie kann das sein? Ihr seid beide alt und das ist … widerwärtig und falsch und …“ Sie brach mit einem erschreckten Kieksen ab, als Northam sie am Arm packte. Ihr Ehemann musterte den Pfarrer mit eisigem Blick.
„Ich hoffe doch, dass Sie von uns nicht erwarten, dass wir Sie zu diesem offensichtlichen Versuch, die Kontrolle über das Vermögen Ihrer Frau zu erlangen, auch noch beglückwünschen.“
„Ich … ich muss doch sehr bitten“, brachte der Pfarrer stotternd hervor. „Das hier ist der Wille Gottes und nicht der meine. Wir beide sind hocherfreut.“ Er tätschelte Roses Schulter und sie blickte zu ihm auf. „Nicht wahr, meine Liebe?“
„Ja“, sagte Rose nachdrücklich mit empor gerecktem Haupt. „So ist es.“
Northam stieß einen giftigen Fluch aus und drängte seine Frau nach draußen.
Rose erhob sich mit der Hilfe ihres Ehemanns, bevor auch sie das Zimmer gemeinsam verließen. Robert blieb nichts, als seine eigene Frau anzustarren, die ungewöhnlich ruhig geblieben war.
„Nun, das ist ein wenig unerwartet, oder?“, bemerkte Robert.
„Ich möchte nach Hause“, sagte Lucy mit brüchiger Stimme.
„Wie du wünschst, meine Liebste.“ Robert öffnete eilig die Tür und begleitete sie hinaus. „Ich nehme an, dass du mir einiges zu sagen hast.“
Lucy ging in ihrem Schlafgemach in Kurland Hall auf und ab und hielt die Arme dicht vor ihrem Bauch verschränkt. Sie hatte beschlossen, nicht sofort hoch in die Kinderstube zu gehen, damit sie ihre Kinder nicht durch ihre jetzige Gemütsverfassung beunruhigte. Allerdings hatte sich die Lage auch nach einer Viertelstunde des Nachdenkens nicht verbessert. Sie blickte auf, als Robert eintrat und sich an die Ankleidekommode setzte.
„Vielleicht sprichst du es einfach aus, meine Liebste“, sagte Robert. „Es wird dir danach so viel besser gehen.“
„Ich … weiß nicht genau, was ich sagen möchte“, gestand Lucy.
Er zuckte mit den Schultern. „Du kannst sagen, was auch immer du willst. Ich werde dir deswegen nicht böse sein, das weißt du.“
„Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass mein Vater und deine Tante …“ Sie ließ ihre Hand kreisen, während sie nach den passenden Worten suchte. „… Nachwuchs kriegen würden.“
„So geht es mir auch. Rose ist zwar viel jünger als meine Mutter, aber ich dachte, dass die Tage, in denen sie noch Kinder kriegen könnte, längst vorbei wären.“ Er runzelte die Stirn. „Sie war erst siebzehn, als sie ihr erstes Kind bekam, daher nehme ich an, dass es tatsächlich im Bereich des Möglichen liegt.“
„Offensichtlich“, sagte Lucy knapp. „Kein Wunder, dass mein Vater so von sich eingenommen ist.“
„Dein Vater benimmt sich derzeit definitiv recht merkwürdig.“
Lucy ließ einen Moment davon ab, im Zimmer auf und ab zu gehen. „Vermutlich, weil er Angst hatte, mir mitzuteilen, was vor sich ging.“
„Ich glaube, es ist etwas anderes“, sagte Robert nachdenklich. „Er bezahlt seine Rechnungen nicht und er hat sich darüber beschwert, wie viel ihn die Zwillinge kosten.“
„Da er weiß, dass er bald wieder Vater wird, macht er sich vielleicht Sorgen, wie er für ein weiteres Kind aufkommen soll.“ Lucy erlaubte ihrem Ehemann nicht, das Thema zu wechseln. „Er hofft wahrscheinlich auf ein Mädchen, damit die teure Schule wegfällt.“
„Wieso bist du so aufgebracht, Lucy?“ Robert musterte sie aufmerksam. „Es hat doch kaum Auswirkungen auf dein Leben.“
„Ich bin nicht aufgebracht. Es ist nur …“ Sie seufzte. „Es ist einfach eine ziemliche Überraschung. Ich wusste, dass die beiden sich mögen, aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass sie ein Bett teilen.“
„Ich hoffe doch, dass wir das auch noch tun, wenn wir in ihrem Alter sind.“ Roberts schiefes Lächeln war beinahe genug, um ihre Laune wieder zu heben. „Um ehrlich zu sein, wäre ich zutiefst betrübt, wenn dem nicht so wäre.“ Er stand auf und kam zu ihr. „Ich muss sagen, ich hätte dich nicht für so prüde gehalten, meine Liebste.“
Sie knuffte ihm halbherzig in die Seite, bevor er sie in die Arme schloss und so lange küsste, bis die Anspannung aus ihrem Körper verflogen war. Sie blickte hinauf in seine dunklen blauen Augen.
„Jetzt, da du meine Laune so exzellent aufgehellt hast, kann ich endlich oben nach den Kindern sehen.“
Er zögerte. „Ah, vielleicht möchtest du dich zuerst noch um unsere Gäste kümmern?“
„Welche Gäste?“ Lucys Anspannung kehrte zurück. „Ist jemand zu früh zur Taufe erschienen?“
„Nein, die Northams meine ich.“ Er verzog das Gesicht. „Sie sind schon vor uns hier aufgekreuzt und haben James gegenüber behauptet, sie hätten unsere Erlaubnis, hier zu übernachten. Ich habe nur davon erfahren, weil ich auf Henrietta traf, als sie sich in deinem Morgensalon Tee servieren lassen wollte.“
„Was?“ Lucy befreite sich sanft aus seiner Umarmung. „Wie um alles in der Welt kommen sie zu der Annahme, dass wir sie hier noch willkommen heißen würden, so, wie sie sich gegenüber Rose und meinem Vater benommen haben?“
„Ich habe den Fehler gemacht, Henrietta einzuladen“, erinnerte sie Robert.
„Da wusstest du noch nicht, dass ihr abscheulicher Ehemann sie begleitet, außerdem hast du die Einladung ausgesprochen, bevor sie so entsetzlich unhöflich zu ihrer eigenen Mutter war!“ Lucy ging zur Tür. „Soll ich ihnen sagen, dass sie verschwinden sollen? Das würde ich nur zu gerne tun.“
„Ich bin kein Feigling.“ Er warf ihr einen entschlossenen Blick zu. „Wenn ich sie nicht hier haben wollte, hätte ich mich der Sache selbst angenommen. Aber meine Tante hat mich in einer Nachricht darum gebeten, die beiden heute Nacht hier aufzunehmen. Sie ist dem Glauben erlegen, dass sie sich vernünftig mit Henrietta unterhalten kann, wenn diese sich erst beruhigt hat.“
„Aber …“
Er verzog erneut das Gesicht und hob die Hand. „Ich weiß, was du sagen willst, aber da meine Tante momentan körperlich ein wenig angeschlagen ist, möchte ich mich nur ungern mit ihr streiten.“
Lucy sah ihn einen Moment lang frustriert an und seufzte. „Ich schätze, du hast recht. Aber ich versichere dir, dass ich mich nicht zurückhalten werde, wenn sie auch nur ein schlechtes Wort über meinen Vater oder Rose verlieren.“
„Ich habe nichts weniger von dir erwartet, meine Liebste.“ Robert folgte ihr zur Tür. „Und jetzt sollte ich lieber nach unten gehen, bevor Northam es sich noch in meinem Arbeitszimmer mit meinem besten Brandy gemütlich macht.“
„Die Stanfords treffen morgen für die Taufe hier ein und die Harringtons ebenfalls“, rief ihm Lucy in Erinnerung. „Denkst du, wir können die Northams dazu bewegen, bis dahin aufzubrechen?“
„Wir können es zumindest versuchen. Andrew verachtet Northam ebenso sehr wie ich. Allerdings heißt das nicht viel, denn er ist eine Persona non grata in den meisten gesellschaftlichen Kreisen.“
„Tante Jane wird Henrietta ebenfalls nicht in ihrem Haus empfangen“, merkte Lucy an, während sie den Flur entlang gingen. Sie hatte den Besuch in der Kinderstube verschoben, um mit der Haushälterin zu besprechen, dass ein weiteres Zimmer für die unwillkommenen Gäste hergerichtet werden musste. „Vielleicht sollten wir sie hier beherbergen, bis Tante Jane eintrifft und sie sich um die beiden kümmern kann.“
„Das würde ich gerne sehen.“ Als sie den Absatz am oberen Ende der Treppe erreichten, nahm Robert Lucys Hand. „Mach dir bitte keine Sorgen. Wir werden sie noch lange vor der Taufe los sein.“
„Das hoffe ich aufrichtig“, sagte Lucy. „Das Letzte, das Elizabeth brauchen kann, ist die Missgunst eines Mannes wie Northam zur Feier ihrer Taufe.“
Kapitel 2
Am Abend des übernächsten Tages später waren die Northams sehr zu Lucys Verdruss noch immer Gäste in ihrem Haus. Rose ging es nicht gut, daher hatte sie darum gebeten, Henrietta bleiben zu lassen, bis die Umstände ein Gespräch mit ihr ermöglichten. Robert hatte diese Bitte unmöglich ablehnen können.
Lucy hatte Captain Joshua Coles, einen alten Freund von Robert aus der Armee, der Elizabeths Pate werden sollte, zum Abendessen mit den Harringtons, Stanfords und Fletchers eingeladen. Northam hatte immerhin den Anstand besessen, dem Essen fernzubleiben, seine Frau hatte sich jedoch zu ihnen gesetzt. Entweder hatte sie die allgemeine Abneigung gegen sie nicht bemerkt oder beschlossen, sie zu ignorieren. Allerdings glaubte Lucy, dass Henrietta derartige Kritik kaum etwas ausmachen dürfte, schließlich hatte sie Northam geheiratet und musste ihn ständig verteidigen.
Laut Roberts Erzählungen war Henrietta bereits als Kind sehr egozentrisch gewesen und hatte nichts anderes im Sinn, als um jeden Preis in den Adel einzuheiraten. Nun, sie hatte ihr Ziel erreicht und Lucy hoffte aufrichtig, dass es die Mühe wert gewesen war. Manchmal fiel es ihr schwer zu glauben, dass Rose eine derart unangenehme und egoistische Tochter hervorgebracht hatte.
Während James und die anderen Bediensteten die Reste des letzten Gangs vom Tisch abräumten, ließ Robert Lucy einen vielsagenden Blick zukommen. Sie erhob sich und sprach mit lauter Stimme zu den anderen Damen. „Sollen wir uns zurückziehen, damit die Gentlemen ihren Port genießen können? Im Salon warten Tee und ein wärmendes Feuer auf uns.“
Sie ging voraus, gefolgt von Sophia Stanford, die Elizabeths zweite Patin sein würde, Tante Jane, Penelope Fletcher und Henrietta. Im Salon waren die Vorhänge bereits zugezogen, um vor der eisigen Brise draußen zu schützen. Trotz all ihrer Anstrengungen war es in einem derart alten Haus jedoch unmöglich zu bewerkstelligen, dass der Wind nicht beständig durch die Kamine und die Spalten unter den Türen zog. Die Angestellten taten dennoch ihr Bestes.
Sie bot ihrer Tante den Sessel in der Nähe des Feuers an und setzte sich selbst auf den Sessel neben Sophia. Henrietta und Penelope blieb damit nur das Sofa.
„Das Haus sieht sehr gut aus“, sagte Tante Jane freundlich, während Lucy Tee einschenkte. „Du leitest deinen Haushalt wirklich vortrefflich.“
„Vielen Dank.“ Lucy reichte die Tasse weiter an Sophia. „Ich habe sehr fähige Angestellte.“
Penelope schnaubte hörbar. Sie war mindestens eine Woche nicht mehr zum Landhaus gekommen, aber da sie immer einen Grund fand, sich wegen irgendeiner Sache überlegen zu fühlen, hatte Lucy die Gesellschaft ihrer oft recht mäkeligen Freundin nicht weiter vermisst.
„Für Lucy ist es leicht, hohe Standards aufrecht zu erhalten, Mylady, schließlich hat sie eine große Dienerschaft“, sagte Penelope.
Henrietta wandte sich zu Penelope, die an ihrer Seite den Salon betreten hatte. Einst hatte man gemeinhin erwartet, dass eine blonde Schönheit wie Penelope frei unter ihren zahlreichen Verehrern würde wählen können. Doch sie hatte sich zunächst auf Robert eingeschossen, nach dessen Verwundung aber das Interesse an ihm verloren.
„Da Sie sich entschieden haben, einen Landarzt zu heiraten, Penelope, können Sie doch wohl kaum erwarten, eigene Diener zu haben“, mischte sich Henrietta mit abschätzigem Tonfall ein.
„Penelope führt ihren Haushalt sehr gut“, warf Lucy ein. Es war recht ungewöhnlich, dass sie für ihre manchmal durchaus schwierige Freundin in die Bresche sprang. „Dr. Fletcher sagt, dass er nicht wüsste, was er ohne ihre Unterstützung tun sollte.“
Tante Jane nickte. „Das ist ein ausgezeichnetes Dienstzeugnis von Ihrem Ehemann, Mrs Fletcher.“
„Vielen Dank, Mylady.“ Selbst Penelope schüchterte der eindringliche, erhabene Blick von Lucys Tante ein. Vom Lob bestärkt funkelte Penelope Henrietta an. „Die meisten Frauen können nur davon träumen, so viel Respekt und Hingabe von ihrem Mann zu erhalten wie ich von Dr. Fletcher.“
„Also, wenn das alles ist, worum Sie sich scheren, dann haben Sie sich sehr verändert“, sagte Henrietta mit scharfem Tonfall. „Als ich Sie kennenlernte, wollten Sie nichts als einen Mann, der Ihnen den Titel und den Reichtum bescheren würde, den Sie selbst nicht besaßen.“
„Bei Ihnen war es nicht anders“, konterte Penelope.
„Sie verwechseln Ihre eigenen Unzulänglichkeiten mit den meinen.“ Henrietta setzte ein schiefes Grinsen auf. „Ich hatte eine umfangreiche Mitgift.“
„Menschen verändern sich“, schaltete Lucy sich erneut ein, als sich die beiden Frauen immer mehr aufplusterten wie streitlustige Kampfhähne. „Und ich muss sagen, dass ich Penelopes Freundschaft und ihre Unterstützung für die Mitglieder unserer Gemeinde sehr zu schätzen weiß.“
Penelope starrte Lucy entgeistert an, als hätte sie nur unzusammenhängende Worte ausgesprochen, aber immerhin war so eine ausufernde Auseinandersetzung mit Henrietta abgewendet. Roberts Cousine war wirklich eine unausstehliche Person.
„Vielen Dank, Lucy.“ Penelope neigte den Kopf mit der Gefasstheit einer echten Königin. „Da ich Robert mit dem Auflösen unserer Verlobung so enttäuscht habe, fühle ich mich dazu verpflichtet, dich darin zu unterstützen, meinen hohen Grad an Kompetenz zu erlangen. Ich bin froh, dass du meine Mühen anerkennst und zu schätzen weißt.“
Lucy versuchte, ihren Tee nicht herauszuprusten, während Penelope selbstgefällig lächelte. Vielleicht sollte sie doch aufhören, ihre Freundin zu verteidigen, und ihr Henrietta allein überlassen. Die beiden Frauen verdienten einander offenbar.
Sie warf einen Blick hinüber zu ihrer Tante, die ausgesprochen müde aussah. Unter dem Vorwand, die Teetasse zurück auf das Tablett stellen zu wollen, ging Lucy zu ihr hinüber und sprach sie darauf an. „Möchtest du dich zurückziehen, Tante? Du hast eine sehr lange Reise hinter dir.“
„Das habe ich in der Tat“, stimmte Tante Jane ihr zu. „Möchtest du mir vielleicht nach oben folgen?“
„Natürlich.“ Lucy wandte sich an ihre Freundin Sophia, die offensichtlich das Spektakel genoss, während Henrietta und Penelope versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. „Ich bin gleich zurück, Sophia. Meine Tante möchte sich gern für die Nacht zurückziehen.“
Sophia schenkte der Countess ein charmantes Lächeln. „Gute Nacht, Mylady.“
Tante Jane blieb noch kurz stehen, um mit Penelope zu sprechen, und schaffte es dabei, Henrietta komplett zu ignorieren. Eine beneidenswerte Fähigkeit. Sophia lehnte sich näher zu Lucy und flüsterte ihr ins Ohr: „Keine Sorge. Ich werde dafür sorgen, dass die beiden keinen ernsthaften Streit lostreten.“
„Danke“, sagte Lucy aufrichtig. Sie begleitete ihre Tante in den breiten Flur, der zum mittelalterlichen Teil des Anwesens gehörte. Eine kurze Eichentreppe führte hinauf zum besten Gästezimmer, von dem aus man die Rückseite des Hauses und den Park dahinter sehen konnte.
Ihre Tante suchte sich sofort eine Sitzgelegenheit und sah nachdenklich aus dem Rautenfenster.
„Möchtest du eine Tasse warme Milch oder Kamillentee?“, fragte Lucy, während sie das Zimmer noch einmal inspizierte, um sicherzugehen, dass sich alles in bester Ordnung befand. Die Zofe ihrer Tante hatte bereits die Scheite ordentlich im Kamin aufgeschichtet, das Feuer entfacht und das Nachthemd der Countess zum Aufwärmen über die Lehne des Sessels gelegt.
Tante Jane rieb sich die Schläfen. „Einen Tee würde ich sehr zu schätzen wissen.“
Lucy nickte und hielt dann noch einmal inne. „Ist alles in Ordnung, Tante?“
„Abgesehen davon, dass Julia ihre Verlobung aufgelöst hat und Max ständig bis zum Hals in Schulden steckt?“ Tante Jane seufzte. „Man hofft immer, dass die eigenen Kinder ihrer Familie Ehre machen, aber ich kann nicht behaupten, dass man das von meinen im Moment sagen kann.“
„Ich bin mir sicher, dass alles besser wird“, sagte Lucy vorsichtig. Es sah ihrer Tante nicht ähnlich, sich Lucy anzuvertrauen, und sie hatte Sorge, diesen intimen Moment zu verderben. „Max wird sein Pulver irgendwann verschossen haben, wie die meisten Männer, und Julia wird einen Mann finden, der ihrer würdig ist.“
„Julia wird …“ Tante Jane unterbrach sich abrupt. „Julia wird für ein paar Monate mit meiner Cousine Eliza ins Ausland reisen. Ihre Laune ist nicht gerade blendend. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine vollständige Auszeit von der Gesellschaft und ein neues Abenteuer ihr dabei helfen könnten, sich in Ruhe zu erholen.“
Lucy setzte sich auf den Sessel gegenüber ihrer Tante. „Es wird sicherlich insofern helfen, als dass sie keine böswilligen oder auf Missverständnissen beruhenden Gerüchte über ihre Entscheidung hören muss. Bis zu ihrer Rückkehr wird sich die Gesellschaft schon mit dem nächsten Skandal befassen und sie kann unter den neuen Männern wählen.“
„In der Tat.“ Tante Jane antwortete mit einem wenig überzeugten Lächeln. „Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben.“
„War es Julias Entscheidung, die Verlobung aufzulösen?“, wagte Lucy zu fragen.
„Es geschah im gegenseitigen Einvernehmen.“ Tante Jane hob den Blick. „Also gut, ich habe schon genug von deiner Zeit in Anspruch genommen. Vielleicht solltest du zu deinen anderen Gästen zurückkehren. Bitte richte deinem Onkel aus, dass ich zu Bett gegangen bin.“
Lucy sprang eilig auf. „Das werde ich. Und ich werde deine Zofe darum bitten, dir den Tee hochzubringen.“
Sie ging zur Tür im Wissen, dass sie möglicherweise eine Grenze übertreten hatte. Sie hatte keinerlei Bedürfnis, in der Sache tiefer nachzubohren. Alle Familien hatten Geheimnisse und die Harringtons waren da offensichtlich nicht anders.
„Lucy?“
Sie blickte über die Schulter zurück. „Ja?“
„Vielen Dank für die Einladung nach Kurland Hall und für die Gelegenheit, Elizabeths Patin zu werden.“
„Ich könnte mir niemand Besseren als Vorbild vorstellen als dich“, sagte Lucy.
„Das ist … sehr freundlich von dir.“
„Gute Nacht, Tante.“
Lucy schloss die Tür und hielt am Treppenabsatz inne, um durch das Fenster die Mondsichel am klaren Himmel zu bewundern. Julia war schon immer ein sensibles Mädchen gewesen, daher konnte Lucy sich gut vorstellen, wie sie sich nach dem sehr öffentlichen Ende ihrer Verlobung fühlen musste. Lucy hatte bei ihrem letzten Besuch in London Lord Penzey kennengelernt. Er hatte ihr gefallen und sie hielt ihn für einen guten Partner für ihre ruhige Cousine.
Aber wie sie aus eigener Erfahrung wusste, waren Beziehungen selten einfach und der äußere Schein verschleierte manchmal die dunkelsten Geheimisse. Sie ging die Treppe nach unten zurück zum Salon. Von Henrietta fehlte jede Spur, aber Penelope saß aufrecht und von der Aufregung des Sieges errötet auf dem Sofa.
Sophia bemerkte Lucy zuerst und zog die Augenbrauen hoch. „Henrietta ist recht dramatisch davongestürmt.“
„Nur, weil ich sie besiegt habe“, fügte Penelope an. „Sie liebt es, andere zu kritisieren, aber kann es nicht leiden, wenn sie mit ihrem eigenen Versagen konfrontiert wird.“
Lucy nahm wieder den Platz am Feuer ein. „Ich kann nicht behaupten, dass ich ihre Anwesenheit vermisse, daher sollte ich dir wohl dankbar sein, Penelope.“
„Wieso um alles in der Welt hast du sie eingeladen?“, fragte Sophia.
„Nachdem sie meine Einladung zur Taufe ignorierte, ist Henrietta bei ihrer Mutter aufgetaucht, um sie um etwas zu bitten – vermutlich um Geld – und war äußerst empört, weil Rose nicht dazu bereit war, ihre Verpflichtungen zu ignorieren und ihr nachzugeben.“ Lucy schenkte sich Tee ein und verzog beim Geschmack des lauwarmen Gebräus das Gesicht. Sie erhob sich und läutete die Glocke. „Unglücklicherweise weigern sich Northam und sie aufzubrechen, solange sie nicht mit Rose gesprochen haben, was bedeutet, dass sie bis auf Weiteres erst einmal hierbleiben werden.“
„Ich bin überrascht, dass du sie nicht darum gebeten hast, Patin zu werden, Lucy“, sagte Penelope scharfzüngig. „Deine Auswahl wirkt bisher recht zusammengewürfelt.“ Sie warf Sophia einen vielsagenden Blick zu, bevor sie sich erhob und die Röcke ausschüttelte. „Ich muss mich auf den Heimweg machen. Mein Sohn zieht es vor, wenn ich abends da bin, um ihm gute Nacht zu wünschen.“
„Wie schön“, sagte Sophia.
Penelope schnaubte. „Wir haben kein Geld für ein Kindermädchen in Vollzeit und da Dr. Fletcher zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Hausbesuchen gerufen wird, obliegt es mir, mich abends um meinen Sohn zu kümmern.“
„Wie Lady Harrington bereits bemerkt hat, bist du offensichtlich die perfekte Frau für einen Arzt“, merkte Sophia an, was Penelope zum ersten Mal an diesem Abend zum Lächeln brachte.
„Vielen Dank, Mrs Stanford, und gute Nacht, Lucy.“ Penelope ging zur Tür. „Bleib doch bitte sitzen. Ich werde Dr. Fletcher selbst holen.“
Sophia sah Penelope noch eine Weile hinterher, bevor sie sich Lucy zuwandte.
„Guter Gott, ist Penelope etwa so beleidigt, weil du sie nicht als Patin ausgewählt hat?“
„Ja“, antwortete Lucy knapp. „Und wie Penelope so ist, hat sie ihre Gefühle deswegen sehr deutlich gemacht.“ Sie seufzte. „Ich fühle mich fast verpflichtet, ein drittes Kind zu kriegen, nur damit sie zufrieden ist.“
Sophia kicherte, was genau das war, was Lucy gerade brauchte. Es bestätigte erneut ihre Entscheidung, ihre gute Freundin zu einem Teil des Lebens von Elizabeth zu machen.
„Ich besuche Kurland St. Mary nicht so oft, wie ich sollte, weil die beiden Jungs so viel meiner Aufmerksamkeit beanspruchen und Andrew häufig für die Arbeit weg ist“, sagte Sophia reumütig. „Aber ich vermisse euch alle sehr.“
„Bist du denn glücklich in London?“, fragte Lucy.
„Oh, ja.“ Sophia lächelte. „Ich habe das beste Leben, das ich mir je hätte vorstellen können.“ Sie streckte eine Hand nach Lucy aus. „Wir beide haben wirklich großes Glück, nicht wahr?“
„In der Tat“, stimmte Lucy ihr zu. Sie blickte auf, als die Männer in den Salon kamen. Ihr Blick blieb an Robert hängen und sie begrüßte ihn mit einem Lächeln. „Soll ich noch etwas Tee bestellen?“
„Das würden wir sehr zu schätzen wissen.“ Robert kam zu ihr herüber. Er trug seinen liebsten blauen Mantel und eine braune Weste. Seine beiden Hunde folgten ihm auf dem Fuße. „Wo ist Henrietta?“
„Ich wollte gerade dieselbe Frage stellen.“
Robert und Lucy fuhren beide herum und erblickten Basil Northam, der lässig gegen den Türrahmen lehnte. Sein Haar war feucht und er hatte mit seinen Stiefeln Matsch im gesamten Flur verteilt.
Robert und Lucy eilten auf ihn zu und schirmten seine Sicht auf den Rest des Zimmers und die anderen Anwesenden ab.
„Wo ist meine bezaubernde Frau?“ Northam lallte und sein Atem stank so stark nach Brandy, dass Lucy beinahe zurückzuckte.
„Ich glaube, sie hat sich ins Bett begeben, Sir.“
Northam starrte sie unbeirrt weiter an. „Wenn mir die Bemerkung erlaubt ist, lieber Cousin, ich fühle mich in deinem Haus nicht besonders willkommen.“
„Meine Frau ist Ihnen gegenüber die Höflichkeit in Person, wenn man bedenkt, dass Sie hier während einer Familienfeier hereingeplatzt sind“, sagte Robert mit ruhiger Stimme. „Vielleicht folgen Sie dem Beispiel Ihrer Frau und gehen früh zu Bett, damit Sie morgen früh abreisen können.“
„Das würde dir so gefallen, oder?“ Northam hielt ihm ungelenk einen Finger vor das Gesicht. „Dass ich die Mutter meiner Frau einfach so ihrem gierigen Ehemann überlasse, der nur darauf wartet, sie auszunehmen.“
„Mein Vater ist nicht auf das Geld von Rose angewiesen“, sagte Lucy.
„Bist du dir da sicher?“ Northam grinste sie an. „Da habe ich etwas anderes gehört. Wieso, glaubst du, sind wir hergereist? Bestimmt nicht, wegen der angenehmen Gesellschaft, das kann ich dir versichern.“
Robert trat vor und verdeckte damit Lucys Sicht auf ihren unausstehlichen Gast und schubste diesen unwirsch zurück auf den Flur.
„Sie sind betrunken. Und wenn Sie auch nur ein weiteres Wort über meine Frau oder meine Familie verlieren, werde ich Sie aus meinem Haus werfen lassen. Haben wir uns verstanden?“
Northam stolperte zurück und hob beide Hände. „Kein Grund beleidigt zu sein, Kurland. Es war nur ein kleiner Scherz auf meine Kosten. Gute Nacht, Mylady.“
Er wandte sich um, ging in Richtung der Treppe und stolperte über die erste Stufe. Lucy und Robert blickten ihm noch eine Weile hinterher, bis sie sicher waren, dass er nicht umkehrte.
Lucy blickte über die Schulter, um sich zu versichern, dass keiner ihrer übrigen Gäste den Zwischenfall bemerkt hatte, und erschauderte.
„Er ist so ein entsetzlicher Kerl. Ich weiß nicht, wie Henrietta es mit ihm aushält.“
„Vielleicht indem sie ganz genau so unangenehm ist?“, antwortete Robert, während sein wachsamer Blick noch immer die Gestalt im Auge behielt, die mühselig die Treppe erklomm. „Ich kann es kaum erwarten, die beiden los zu sein.“
„So geht es mir auch“, pflichtete Lucy ihm bei. „Aber ich habe den schrecklichen Verdacht, dass wir uns noch bis zur Taufe mit ihnen herumschlagen müssen.“
Tatsächlich kam es genauso, auch wenn die Northams wenigstens den Anstand besaßen, während der Zeremonie aus der Kirche fernzubleiben. Inzwischen schneite es stark und obwohl es nicht weit von Kurland Hall bis zur St. Mary’s Church war, hatte Robert beschlossen, seine Gäste in der Kutsche zu befördern, anstatt sie sich in ihren besten Sonntagsanzügen durch den Schnee kämpfen zu lassen.
Tante Rose hielt Ned gut im Zaum, dabei sah sie so gut aus wie seit Tagen nicht mehr. Dermot Fletcher half ihr dabei, ein Auge auf den Jungen zu haben. Er stammte aus einer zehnköpfigen Familie und war es daher gewohnt, herumtobende Kinder zu hüten. Der Earl of Harrington war wie üblich gesellig, aber sein Sohn Max unternahm keinen Versuch höflicher Konversation. Robert verspürte das Bedürfnis, zu ihm zu marschieren und ihm eine Standpauke zu halten, damit er Haltung annahm und sich ein wenig respektvoller verhielt. Allerdings stand Robert dies nicht zu, und so tröstete er sich mit dem Anblick seiner Frau in ihrem bronzefarbenen Seidenkleid und seiner Tochter, die im recht groß ausfallenden Taufgewand der Kurlands fast verschwand. Sein Freund Joshua sah prächtig aus in seiner Husarenuniform. Er trat an Roberts Seite und gemeinsam warteten sie auf das Eintreffen des Pfarrers, der sich offenbar verspätete.
„Ein schönes Publikum haben Sie hier versammelt, Kurland. Ich habe sogar ein paar Lords gesehen. Sie haben mit Lady Kurland wirklich oberhalb Ihrer Gewichtsklasse geheiratet, nicht wahr?“
Robert lächelte. „In der Tat. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind und einverstanden waren, Elizabeths Pate zu werden. Wie ich hörte, sind Sie gerade erst zurück auf Ihren Posten im Regiment berufen worden.“
„Ich glaube nicht, dass sie viel von meinem Schutz brauchen wird, schließlich ist ihre andere Patin eine Countess“, sagte Joshua. „Aber ich werde natürlich trotzdem mein Bestes geben.“ Er senkte die Stimme. „Mir war nicht klar, dass Sie Northam kennen.“
„Ich kann nicht behaupten, dass ich die Bekanntschaft je forciert hätte“, erwiderte Robert. „Unglücklicherweise ist er mit meiner Cousine verheiratet, dementsprechend ist meine Tante seine Schwiegermutter.“
„Ah, das ist natürlich eine vertrackte Lage.“ Joshua räusperte sich. „Familie kann man sich nicht aussuchen.“
„Er und Henrietta haben die Einladung zur Taufe nie angenommen, aber sie sind dennoch in Kurland St. Mary aufgekreuzt.“ Robert seufzte. „Ich hoffe, sie werden morgen aufbrechen.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass Northam sich noch ein wenig länger auf dem Land einquartieren möchte“, murmelte Joshua. „Wie ich höre, ist sein Schuldenberg kaum noch zu stemmen und er hat sich mit ein paar skrupellosen Geldverleihern eingelassen, die es nicht gerne sehen, wenn sie nicht bezahlt werden.“
„Und genau aus diesem Grund ist er hier, um meine Tante zu belästigen.“ Robert sprach nicht weiter, da die Tür zur Sakristei geöffnet wurde. Der Pfarrer trat ein. Er wirkte aufgrund seiner Verspätung noch ein wenig gehetzt, schien aber bereit, mit der Zeremonie zu beginnen.
Robert blickte auf und bemerkte seine Ehefrau, die ihn sehr eindringlich zu sich winkte. Er und Joshua näherten sich ihr und stellten sich an ihre Seite, während der Pfarrer zu sprechen begann.
„Liebe Gemeinde …”
Seine Tochter legte perfektes Benehmen an den Tag. Sie weinte nicht einmal, als ihr das eiskalte Wasser aus dem uralten Taufbecken auf die Stirn geträufelt und sie von ihrem Großvater Elizabeth Jane Sarah nach ihren verstorbenen Großmüttern und ihrer Großtante getauft wurde. Auch wenn es draußen sehr kalt war, schimmerte Sonnenlicht durch die Buntglasfenster und tauchte die Anwesenden in ein Meer kräftiger Farben.
Robert hatte so viel, für das er sich in den letzten Jahren zu bedanken hatte, dass kleine Ärgernisse wie die Northams es nicht wert waren, sich darüber Sorgen zu machen. Er hatte eine Frau, die er liebte, zwei Kinder und war Dank der stetigen Unterstützung seines Arztes bei besserer Gesundheit, als er es sich je erträumt hatte. Er war wahrlich gesegnet.
Nach der Zeremonie beschlossen einige enthusiastische Gäste, darunter auch Lucys jüngste Brüder Luke und Michael, den Weg zum Anwesen zu Fuß zurückzulegen und die Kutschen den Damen und Alten zu überlassen. Robert begleitete Lucy, sodass er sich um Ned kümmern konnte, der während der Zeremonie begonnen hatte, sich wie ein Wurm am Angelhaken zu winden.
Als sie Kurland Hall erreichten, wartete Mrs Bloomfield bereits zusammen mit James und den anderen Angestellten auf sie, um der frisch getauften Elizabeth gut zuzureden und die anderen Gäste willkommen zu heißen. Foley, der einstige Familienbutler, der sich in einem Cottage auf den Ländereien zur Ruhe gesetzt hatte, saß in einem bequemen Sessel in der Nähe des Feuers in der großen Halle. Robert blieb kurz stehen, um sich mit ihm zu unterhalten und Lucy setzte dem ehemaligen Butler Elizabeth auf den Schoß.
„Du kannst jetzt wieder hoch in die Kinderstube, Ned.“ Robert ließ den Kragen seines Sohnes los. „Dein Kindermädchen Agnes wird dich, sobald du gegessen hast, runterbringen, um die Gäste zu sehen.“
Ned deutete zum Kamin. „Was ist mit ihr?“
Robert runzelte die Stirn. „Meinst du deine Schwester?“
„Ja, warum darf sie bleiben?“
„Weil das ihre Taufe ist.“ Robert empfahl sich Foley, nahm seinen Sohn an der Hand und ging mit ihm zum unteren Treppenabsatz. „Und jetzt Abmarsch, bevor ich beschließe, mit dir hochzugehen und deinem Kindermädchen zu sagen, dass es heute keinen Pudding für dich gibt.“
Ned flitzte bei dieser Aussicht die Treppe hinauf, während Robert ein Lächeln unterdrückte. Sein Sohn hatte eine ähnlich direkte Art wie er. Es war manchmal schwer, sich nicht über die Miniaturversion seiner selbst zu amüsieren und Neds Grenzüberschreitungen so zu ahnden, wie Lucy es erwartete.
„Ist er hoch gegangen?“ Lucy trug Elizabeth wieder selbst auf dem Arm.
„Ja, nachdem ich ihm mit Streichung der Puddingprivilegien gedroht habe.“ Robert strich sanft mit der Fingerspitze über die Wange seiner schlafenden Tochter. „Willst du ihr nicht dieses riesige Taufkleid ausziehen?“
„Ja. Kommst du mit den Gästen zurecht, bis ich wieder unten bin?“
„Ich denke, dass sollte ich schaffen.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wenn allerdings die Northams hier aufkreuzen, habe ich doch sicher deine Erlaubnis, sie gewaltsam aus dem Haus entfernen zu lassen, falls sie die Feierlichkeiten stören.“
Lucy ließ einen Blick durch die schnell voller werdende Große Halle schweifen. „Ich habe sie heute noch nicht gesehen. Sind sie vielleicht schon aufgebrochen?“
Robert bezweifelte das, aber da er sich der Sorge seiner Frau bewusst war und sie an diesem besonderen Tag nicht beunruhigen wollte, bedeutete er ihr mit einem Winken zu gehen und murmelte ihr zu, dass sie bald zurückkommen solle.
Er musterte die eintreffenden Gäste und bemerkte dabei, dass sich Max und der Earl mit gesenkten Stimmen stritten, dass Joshua sich bei den anwesenden Gästen vorstellte und dass der Pfarrer und Tante Rose noch nicht eingetroffen waren. Er entdeckte Dermot Fletcher und winkte ihn zu sich.
„Irgendeine Spur von den Northams?“
„Soweit ich weiß, keine, Sir Robert“, erwiderte Dermot. „Sie liegen vermutlich noch im Bett.“
„Typisch“, schnaubte Robert verächtlich. „Ich werde sie morgen früh darum bitten, abzureisen, egal, was meine Tante Rose davon hält.“ Er nickte Dermot zu. „Halten Sie die Augen nach ihnen offen, in Ordnung? Ich möchte, dass nichts den besonderen Tag meiner Tochter stört.“
„Ja, Sir.“
Robert ging hinüber zu Dr. Fletcher und nahm auf dem Weg ein Glas warmen Punsch von einem der Diener an, um der Kälte, die mit dem beständigen Öffnen und Schließen der Vordertür hereinkam, entgegenzuwirken. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein Seidenkleid am oberen Treppenabsatz und erblickte Lucy, die mit Elizabeth in den Armen herunterkam.
Als sie schließlich an seiner Seite stand, räusperte er sich und hob die Stimme: „Bitte folgen Sie uns zum Buffet in den Speisesaal, um zusammen auf das künftige Glück unserer Tochter anzustoßen.“
Lucy und er gingen voran in den langen Saal für festliche Anlässe, wo die Angestellten ein beinahe königliches Festmahl angerichtet hatten. Nachdem er Lucy einen Platz an der Stirnseite der Tafel angeboten hatte, ging er noch einmal zurück zur Anrichte, um ihr einen Teller zu holen. Während sie aß, nahm er nur zu gerne die schlafende Elizabeth auf den Schoß. Die Northams würden morgen verschwunden sein, sein Leben würde normal weitergehen und bald würde seine Tante Rose erneut für Nachwuchs sorgen, womit Elizabeth einen Spielkameraden oder -kameradin erhalten würde.
Er ließ den Blick durch den Saal schweifen. Aber wo waren seine Tante und der Pfarrer überhaupt? Es sah ihnen nicht ähnlich, eine Familienfeier zu verpassen. Er hoffte, dass es Tante Rose gut ging. Nach einer kurzen Rede würde Robert Dermot darum bitten, eine Nachricht zum Pfarrhaus zu bringen.
„Mylady?“
Lucy wandte sich zu Betty um, die hinter ihrem Stuhl stand. Die ersten Taufgäste waren bereits aufgebrochen und nur diejenigen, die in Kurland Hall oder dem Pfarrhaus übernachten würden, waren noch geblieben.
„Was ist denn?“
„Lady Northam möchte mit Ihnen sprechen.“
Lucy runzelte die Stirn. „Jetzt?“
„Sie ist sehr … aufgebracht, Mylady. James und die Haushälterin waren nötig, um sie davon abzuhalten, hier hereinzuplatzen und eine Szene zu machen.“
„Dann komme ich sofort.“ Lucy warf Robert, der tief in einer Konversation mit ihrem Onkel steckte, einen kurzen Blick zu und beschloss, ihn nicht damit zu behelligen. Sie hatte Elizabeth schon vor einiger Zeit für ihr Nickerchen zurück in die Kinderstube gebracht. „Was um alles in der Welt hat Lady Northam denn jetzt schon wieder?“
Sie eilte hinter Betty die Treppe hinauf. Als sie sich dem Gästezimmer näherten, bemerkte sie, dass Henrietta hinter der von James bewachten Tür so laut schrie, dass es sogar auf dem Flur noch zu hören war.
„Wir haben sie eingeschlossen, Mylady.“ James hielt den Schlüssel hoch. „Wir dachten, das wäre das Beste, als sie anfing, Mrs Bloomfield anzuschreien.“
„Vielen Dank.“ Lucy nahm den Schlüssel und entriegelte die Tür. „Bitte warten Sie hier.“
Sie trat ein. Die Cousine ihres Ehemannes trug nur ihre Unterkleider und lief hektisch im Zimmer auf und ab. Ihr Haar war offen und sie hatte die Arme um die Taille geschlungen. Ihr Kleid und ihre Strümpfe waren achtlos über die Lehne des Stuhls in der Nähe des Feuers geworfen.
Henrietta fuhr herum, als Lucy sich näherte.
„Wo ist er?“
Lucy gab vor, sich im Zimmer umzusehen. „Meinen Sie Ihren Ehemann?“
„Ja!“, brüllte Henrietta. „Ich bin aufgewacht und er war fort! Was haben Sie mit ihm gemacht?“
„Ich habe nichts mit ihm gemacht“, erwiderte Lucy mit gelassener Stimme. „Vielleicht ist er ausgeritten, ohne es jemandem zu sagen. Oder er ist in einem der umliegenden Dörfer untergekommen, als der Schneesturm anfing.“
„Er würde mich nicht hier allein lassen, ohne mich sein Ziel wissen zu lassen“, erwiderte Henrietta beharrlich.
„Dann, so bin ich mir sicher, wird er jeden Augenblick zurück sein.“ Lucy wandte sich halb zum Gehen. „Ich werde in den Ställen nachsehen, ob ein Pferd fehlt.“
„Ich werde Sie begleiten.“
Lucy musterte die zerzaust aussehende Henrietta von Kopf bis Fuß. „Sie können mich gerne begleiten, aber vielleicht sollten Sie sich ein paar Gedanken über Ihr Erscheinungsbild machen, bevor Sie in der Öffentlichkeit erscheinen.“
Henrietta blickte an sich hinunter. „Dann läuten Sie die Glocke!“
„Das werde ich, wenn Sie mir versprechen, dass Sie keinen meiner Angestellten in irgendeiner Form belästigen.“ Lucy sah ihr eindringlich in die Augen. „Sie schulden Mrs Bloomfield eine Entschuldigung.“
„Man entschuldigt sich nicht bei Bediensteten“, spottete Henrietta. „Sie war impertinent.“ Sie sah sich um. „Wo ist mein Mantel? Und was ist mit meinem Stiefeln passiert?“
„Ich werde Mrs Bloomfield fragen.“ Lucy wandte sich erneut zum Gehen. „Bitte lassen Sie es James wissen, sobald Sie bereit sind aufzubrechen, dann wird er Sie nach unten begleiten.“
Lucy hatte beinahe den unteren Treppenabsatz erreicht, als die Vordertür geöffnet wurde und ihr Vater mit Rose an seiner Seite eintrat. Die beiden wirkten verstört. Robert kam gerade zusammen mit Dermot aus dem Salon und traf zeitgleich mit Lucy und den Eheleuten in der Eingangshalle ein. „Stimmt etwas nicht?“, fragte Lucy.
„Ja, es ist etwas Furchtbares geschehen.“ Tante Rose erschauderte. „Lord Northam …“ Sie rang nach Worten und Lucys leichenblasser Vater beendete den Satz für sie.
„Lord Northam ist tot. Wir fanden ihn in meinem Arbeitszimmer auf, als wir von der Kirche zurückkehrten.“