Leseprobe Die Rebellion

Kapitel Eins

Ich stieg mit beschissener Laune aus dem Shuttle. Drei Tage am Stück auf einem überfüllten Schiff, zwei Sprünge und der fehlende Schnaps richteten sowas an. Es kommt nie etwas Gutes dabei heraus, wenn man mitten in der Nacht an den Kommunikator geht. Aber wenn dich ein Freund anruft, nimmst du ab. Wenn der Freund zufälligerweise der zweitmächtigste Mann beim Militär ist … nun, er hätte so oder so einen Weg gefunden, mich zu erreichen.

Die geschäftige Menge rauschte in alle Richtungen an mir vorüber, jeder Zehnte in irgendeiner Militäruniform. Jede glatte Oberfläche war mit Werbung der Rüstungs- und Verteidigungsunternehmen gepflastert, alles in grellen Farben und voller Lichter. Ich ignorierte ihre Botschaften und erspähte ein Schild für Bodentransport. Ich hängte mir meine Tasche über die Schulter und watete in den Strom von Menschen.

„Colonel Butler?“ Ein Lieutenant in gebügelter Uniform und mit einem runden Space-Command-Aufnäher auf dem Ärmel stand in respektvollem Abstand da. Hauptquartier-Kerl.

Ich blickte auf mein Namensschild hinunter. „Ja.“

„Sir, Lieutenant Hardy–“

„General Seratas Stabsmitarbeiter?“, fragte ich.

„Ja, Sir.“ Seine Augen weiteten sich in seinem dunklen Gesicht, seine Haltung ließ für eine Sekunde nach. Stabsmitarbeiter sahen für gewöhnlich alle gleich aus. Steif und offiziell. Jung. Hardy war da nicht anders. „Wie war Ihr Flug.“

„Scheiße.“ Ferra 3 nach Gamma 6 war einer der kürzesten interplanetarischen Flüge, aber das half auch nicht sonderlich. „Wie haben Sie mich gefunden?“

„Der General sagte mir, ich solle nach dem Colonel Ausschau halten, der den Student-Command-Aufnäher trägt, Sir. Der sticht hervor.“ Er zeigte auf den dreieckigen, grüngelben Aufnäher auf meiner Schulter, der nicht ganz so liebevoll als „Pyramide des Todes“ bekannt war.
„Das hat er Ihnen gesagt?“

Hardy wandte eine Sekunde lang den Blick ab. „Nicht direkt, Sir.“

Ich lachte. „Was hat er gesagt?“

„Er sagte, suchen Sie nach dem wütenden, glatzköpfigen Colonel mit dem STUCOM-Aufnäher, Sir.“

Ich lachte wieder. Typisch Serata. „Als ob es das einfacher machen würde, mich zu finden. Jeder Zweite von uns hat eine Glatze und wir sind alle wütend.“

Hardy sah mich an, ohne zu reagieren. „Unser Auto wartet nur ein paar hundert Meter entfernt. Darf ich Ihre Tasche nehmen, Sir?“

„Nein, ich komme klar.“

Er hielt inne und legte die Stirn in Falten, unsicher, was er tun sollte, drehte sich aber schließlich um und ging voran.

 

Der Fahrer des Hover-Cars setzte uns bei SPACECOM ab, im reservierten Bereich. Promi-Behandlung. Serata hatte es entweder sehr eilig, mit mir zu sprechen, oder wollte mir Honig ums Maul schmieren.

Vermutlich beides.

Das Gebäude ragte vor uns auf, riesig, aus imposantem Stahl und Panzerglas, das das Rotorange der Morgensonne reflektierte. „Verdammt“, sagte ich.

„Sie waren noch nie hier, Sir?“

„Ich habe immer versucht, es zu vermeiden.“ Vor meiner jüngsten Aufgabe bei Student Command war ich siebenunddreißig Jahre bei SPACECOM gewesen, vierundzwanzig davon ohne Kälteschlaf. Irgendwie hatte ich es geschafft, stets in Einsatzteams zu bleiben. Das Hauptquartier war nicht mein Stil.

„Sie haben schon mal mit dem General gedient, nicht wahr, Sir?“

Ich lächelte. „Das stimmt.“ Zweifelsohne hatte Hardy meine Akte gelesen und wusste über jeden Einsatz Bescheid, wollte aber Konversation machen. Ich nahm es ihm nicht übel. Serata und ich hatten drei Mal zusammen gedient, und über mindestens zwei dieser Einsätze waren Bücher geschrieben worden. Hardy wollte, dass ich ihm eine Geschichte über seinen Boss erzählte. Aber das würde nicht passieren. Ich erzähle diese Geschichten nicht, wenn ich nüchtern bin. „Weshalb will der Boss mich sehen?“

„Ich bin mir nicht sicher, Sir. Er hat es mir nicht gesagt.“ Es spielte keine Rolle. Selbst wenn er es wusste, würde Hardy mir nichts sagen. So wie jeder von Seratas Leuten. Der Mann erweckte in den Menschen eine beinahe fanatische Loyalität. Ich musste es wissen. Wieso sollte ich sonst durch den Haupteingang von SPACECOM spazieren, drei Tage, nachdem ich seinen Anruf erhalten hatte?

Wir nahmen den Fahrstuhl für den Führungsstab und schlossen uns einem mageren Lieutenant Colonel an, der Infanterie-Abzeichen trug. Er nickte zum Gruß, warf einen Blick auf meinen STUCOM-Aufnäher und ignorierte mich dann. Ja. Du mich auch, Kumpel. Ich hatte den Mann nie zuvor gesehen, aber ich kannte ihn trotzdem. Ein aufgeblasener Stabs-Typ.

„Ich brauche fünf Minuten mit dem Boss“, sagte der Stabs-Typ zu Hardy. „Ich brauche seine Zustimmung hierfür.“ Er trug ein großes Tablet mit einem weißroten Level-4-Geheimhaltungs-Bildschirm unter dem Arm. Er hämmerte auf den Knopf fürs oberste Stockwerk.

„Ja, Sir“, sagte Hardy. „Jetzt hat er ein Meeting, aber ich schiebe Sie nach dem Mittagessen dazwischen.“

„Das wird nur eine Minute dauern.“ Der Stabs-Typ starrte mich an und forderte mich heraus, etwas zu sagen. Ich machte mir nicht die Mühe. Meine Schwanzvergleich-Tage waren seit ein paar Jahren gezählt.

Wir erreichten das oberste Stockwerk und der Stabs-Typ trat schnell hinaus, um sicherzustellen, dass er vor uns war. Er legte seine Hand auf den Scanner, die Tür zur Kommando-Suite piepte und öffnete sich dann zischend. Serata, ein großes Tier von einem Mann, wartete im Vorzimmer und sprach mit seiner Sekretärin.

„Sir, ich brauche Ihre Zustimmung–“

„Carl! Bruder!“ Serata unterbrach den Stabs-Typen und schob sich an ihm vorbei. Er umschlang meine Hand mit einer seiner gewaltigen Pranken, wir schüttelten uns die Hände und umarmten uns halb, auf die Art, wie es männliche Freunde tun.

„Sir, ich brauche nur–“

„Später, Canforra“, sagte Serata. „Kommen Sie schon, Carl.“

Ich blickte nicht zum Stabs-Typen zurück – Canforra. Ich musste es nicht. Ich wusste sofort, wie sein Gesicht aussah.

„Lassen Sie Ihre Tasche bei Hardy. Er wird Sie im QBB unterbringen“, sagte Serata. QBB – Quartier für bedeutende Besucher. Sie behandelten mich wirklich erstklassig. Ich blickte mich nach irgendwelchen Hinweisen dafür um, sah aber nichts. Serata führte mich in sein Büro, dann zog er die Tür zu. Eine echte Holztür. Wer hatte eine Holztür?

„Verdammt Sir, hübsch haben Sie es hier.“ Große, raumhohe Fenster dominierten das Zimmer auf zwei Seiten; ein riesiger Holzschreibtisch, der aussah, als hätten wenigstens ein Dutzend Leute zum Dinner daran Platz, stand mindestens zehn Meter von mir entfernt. Erinnerungsstücke aus alten Einsätzen dekorierten die anderen beiden Wände und ein gerahmtes Foto von vor zehn Jahren zog meinen Blick auf sich. Serata stand in der Mitte, zu beiden Seiten drei von uns, auf einem verschneiten Hügel. Nur vier von uns hatten nach dem Foto länger als ein Jahr überlebt.

„Ja, man behandelt mich hier ziemlich gut.“ Er setzte sich hinter den Schreibtisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Finger hinter dem Kopf. Er hatte kurzgeschnittenes, silbernes Haar, ärgerlich dicht für einen Kerl, der etliche Jahre älter war als ich. „Es ist schön, Sie zu sehen, Carl.“

„Ebenso, Sir.“

„Was macht STUCOM?“

Ich schnaubte. „Ich gebe ein paar Kurse, eskortiere gelegentlich VIPs. Ziemlich anstrengendes Zeug. Ich bin mir sicher, dass sie gar nicht bemerken, dass ich weg bin. Aber guter einheimischer Schnaps.“

„Ferra 3 hatte immer guten Whisky.“

„Ich habe eine Flasche mitgebracht.“ Ich sah mich um. „Mist. Hardy hat meine Tasche mitgenommen.“

Serata winkte ab. „Wir holen sie später. Wie geht’s Sharon? Gefällt es ihr dort?“

„Sie hasst es. Zu kalt.“ Meine Frau Sharon liebte warmes Wetter.

„Ja. Lizzie hat es dort auch immer gehasst.“ Er hielt inne, der Smalltalk war vorüber und das Schweigen wurde unbehaglich.

„Dieser Canforra, der ist ein ziemlicher Arsch“, sagte ich.

Serata lachte. „Nee, der ist gut. Er denkt lediglich, dass alles ein Notfall ist. Die Galaxie wird nicht implodieren, wenn ich den Einsatzbefehl erst in einer Stunde unterschreibe.“

„Schicken Sie weitere Truppen?“ Bei STUCOM zu leben bedeutete, nichts mitzubekommen. Ich hätte auf dem Laufenden bleiben können, wenn ich mich angestrengt hätte.

Ich tat es nicht.

„Nur ein Korps“, sagte er. „Das wird uns etwas mehr Kampfkraft verschaffen, bis wir sie zurückbeordern. Einen kleinen Vorstoß auf Cappa 3 machen.“

„Dafür brauchen Sie mich nicht, oder, Sir?“ Es schien unwahrscheinlich. Er hatte bessere Leute dafür. Eine Kampfbrigade zu befehligen entsprach nicht meinen Fähigkeiten.

„Nein, darum würde ich Sie nie bitten.“ Sein Tonfall machte deutlich, dass er mich um etwas anderes bitten würde. Er könnte mir einen Befehl geben, aber das würde er nicht tun. Ich war mir nicht sicher, woher ich das wusste. Die gemeinsame Vergangenheit, vielleicht. Instinkt.

„Wollen Sie mir jetzt den Todesstoß versetzen, Sir?“ Man ruft nicht jemanden an, der halb im Ruhestand ist, und setzt ihn in einen interplanetaren Flug, um ihm gute Neuigkeiten mitzuteilen.

Serata legte die Füße auf den Schreibtisch, fast zu lässig. „Aufklärung. Wir haben einen vermissten Lieutenant.“

Ich starrte ihn einen Moment lang an. Er konnte mich unmöglich für etwas so Einfaches brauchen. Dann kam der nächste Hammer.

„Der Name des Lieutenants lautet Mallot. So wie in High Councilor Mallot“, verdeutlichte er. „Ich weiß, Sie schenken den Nachrichten dieser Tage nicht viel Aufmerksamkeit, aber wenn Sie es täten, hätten Sie es gesehen.“

„Oh. Shit.“

„Ja. Der Bursche ist MIA, auf Cappa Base“, sagte er.

„An der Front. Was macht der Sohn eines Councilors da draußen? Ich meine, es ist momentan ziemlich ruhig, aber dennoch.“

„Familientradition. Seit vierhundert Jahren hat jeder Sohn gedient. Auch viele der Töchter. Haben Sie je von Emily Eckstedt gehört?“

„Der Engel des Todes? Ja, Sir, jeder hat von ihr gehört.“

„Sie war die Schwester der Urgroßmutter des Burschen.“

„Wow. Sind wir sicher, dass das kein Fall eines Jungen ist, der nicht Schlange stehen will, um zu Hause anzurufen? Passiert andauernd.“ Eine dumme Frage, aber ich brauchte Zeit, um die Dinge zu verarbeiten. Verfickte Cappa Base.

„Kommen Sie, Carl. Sie wissen doch, dass wir alles getan haben, was wir können. Und Sie wissen auch, dass ich Sie nicht fragen würde, wenn es nicht wichtig wäre. Nicht nach Cappa. Nicht nach–“

„Das war vor langer Zeit, Sir. Ich bin drüber weg“, log ich. „Sie wollen, dass ich nach Cappa gehe. Wie lange wird der Trip dauern? Neun oder zehn Monate Kälteschlaf pro Strecke? Ich soll in einem Jahr in Ruhestand gehen. Deswegen hat man mich zu STUCOM versetzt.“ Ich wollte es nicht tun, aber es wäre nicht einfach, Serata einen Korb zu geben. Nicht nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten.

„Ich weiß das.“ Serata schwang die Füße vom Tisch und ging zum Fenster. Etliche flache, kastenförmige Gebäude reihten sich jenseits eines großen, offenen Platzes aneinander. „Sie können Nein sagen, wenn Sie wollen. Sie haben so viel Kälteschlafzeit wie jeder andere Colonel bei der Truppe. Genau so viel Gefechtszeit. Sie haben Ihren Teil geleistet.“

Ich seufzte. Mir zu sagen, dass ich Nein sagen könnte, machte es nur schwerer. Scheiße. „Sharon wird ausrasten. Ich bin bereits dreizehn Jahre jünger als sie, wegen all der Zeit im Kälteschlaf.“

„Also fünfzehn Monate Kälteschlafbezahlung, plus einen Bonus für Ihren Ruhestand. Kaufen Sie ihr eine Behandlung. Die können zehn Jahre entfernen.“ Serata lächelte.

„Fünfzehn Monate? Die Reise dauert länger“, sagte ich.

„Ich habe Sie für den Hinweg auf einem XT-57 untergebracht. Weniger als fünf Monate.“

„Verdammt.“ Ich setzte mich auf. Der Executive Transport 57 war der schnellste Transporter des Militärs. Es gab etwa fünfzehn oder zwanzig davon im Bestand, und sie wurden nicht benutzt, um beliebige Colonels zu transportieren. „Das ist wirklich wichtig.“

„Ja. Wir brauchen Sie schnell vor Ort, ehe alle vergessen, was passiert ist“, sagte er.

„Ergibt Sinn. Wie lange war seine Einheit dort?“ Wieder stellte ich Fragen, während meine Gedanken rasten. Er könnte jemand anderen holen. Eine einfache Mission. Eine Menge Kerle könnten das erledigen …

„Etwas weniger als fünf Monate.“ Serata hielt inne. „Ich habe auch etwas für Sharon. Vielleicht ist sie dann nicht so sauer auf mich. Damit es funktioniert, werden wir Sie zu SPACECOM versetzen müssen. Wir werden Sie 5th Space zuteilen.“

Mir stockte der Atem. „Sir …“

„Ja.“ Er wandte sich zu mir um. „Es ist wichtig. Aber es ist auch ein guter Deal.“

5th Base, auf Elenia 4. Mein erster Posten. Sharons Heimatplanet.

Selbst wenn ich bisher nicht vorgehabt hätte, es zu tun, konnte ich dieses Angebot nicht mehr ausschlagen. Meine Frau würde mich umbringen. „5th Space hat eine freie Stelle?“

Er verzog die Lippen zu einem Strich und nickte. „Jetzt ja.“

Ich schluckte, dann nickte ich. „Was soll ich tun, Sir?“

„Gehen Sie einfach da raus, stochern Sie herum und erstatten Sie Bericht. Es gibt eine Menge Special Ops dort, außerdem eine Linienbrigade. Ich brauche jemanden, der ihre Sprache spricht, aber auch die Wichtigkeit dessen versteht, was ich hier tue. Das ist eine ziemlich kleine Teilmenge.“

„Ja, Sir.“ Die meisten Kerle an der Front würden keinen halben Gedanken an einen High Councilor der Föderation verschwenden. „Was soll im Bericht stehen?“

Serata lachte. „Ich wusste, ich habe den richtigen Mann.“ Ich würde keinen Bericht fälschen. Das wusste er. Aber man konnte in jeder Situation ein Dutzend Wahrheiten finden. Ich hatte kein Problem damit, die zu erzählen, die dem Team half.

„Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, was ich will.“ Er saß auf der Kante seines riesigen Schreibtischs.

Ich hielt inne, um darüber nachzudenken, fand aber keine Antwort. „Ich verstehe es nicht, Sir. Wieso dann ich?“

„Weil ich keine Ahnung habe, was Sie finden werden. Es könnte sauber sein, es könnte schmutzig sein. Und ich brauche jemanden, der weiß, was es ist, wenn er es sieht.“ Er hielt inne. „Also, es sieht so aus: Es muss sauber sein. Es ist mir egal, was Sie tun müssen, es ist mir egal, was Sie in Brand stecken müssen. High Councilor Mallot hat so viel Einfluss, dass ihm praktisch gesehen unser Budget gehört, und ich hab ihn am Arsch. Finden Sie diesen Burschen oder finden Sie heraus, was ihm zugestoßen ist. Diese Sache muss schnell erledigt werden und wasserdicht sein. So dicht wie eine verfickte Luftschleuse.“

Ich saß einen Moment schweigend da. Serata tat so, als würde er aus dem Fenster schauen, und ließ mir Zeit, um ohne Druck nachzudenken. „Scheiße, Sir. Ich hoffe, dieser Bursche weiß, wie viel Ärger er macht.“

„Er weiß es vermutlich nicht …“ Er verstummte, so als hätte er vielleicht noch etwas anderes zu sagen, entschied sich aber dagegen. Seltsam. Serata tat nie etwas aus Versehen.

„Ich tue es.“

„Großartig. Wichtige Leute werden die Sache im Auge behalten.“

Ich stand auf. „Ist gut, Sir. Sie kennen mich.“

Serata kicherte. „Ja, tue ich. Deswegen habe ich es erwähnt.“

Ich legte mir in einer gespielt verletzten Geste eine Hand aufs Herz. „Verstanden, Sir.“

„Danke, Carl.“

„Ja, Sir. Sharon wird begeistert sein. Elenia 4, außerdem ist sie mich ein Jahr lang los.“

Serata lächelte. „Wollen Sie sie anrufen?“

„Zur Hölle, nein, Sir. Das spare ich mir für meine Heimkehr auf.“

Kapitel Zwei

Zwanzig Tage nachdem ich Seratas Büro verlassen hatte, betrat ich den Hangar im Orbit über Elenia 4 und dem Hauptquartier der 5th Space Command. Es gibt Leute, die sagen, man könne sein gesamtes Leben nicht innerhalb von zwei Wochen von einem Planeten auf einen anderen verlegen. Diese Leute haben einfach nicht genug Übung.

Ich brachte Sharon in einem Mietshaus unter, weit entfernt von jeder Militärbasis, aber in der Nähe ihrer Schwester und ihrer älter werdenden Eltern. Mit unterbringen meine ich, dass ich sie mit ein paar hundert Containern voller Zeug allein ließ, die sie auspacken musste, aber sie hatte es noch nie gemocht, wenn ich ihr beim Dekorieren in die Quere kam.

Zumindest sagte ich mir das.

Sie kam nicht, um mich zu verabschieden. In dieser Phase unseres Lebens waren wir darüber hinaus. Wir hatten das schon mehr als einmal hinter uns, diese tränenreichen Abschiede, daher hatten wir nicht das Bedürfnis einer Wiederholung. Es war leichter, sich zu Hause zu verabschieden, unter vier Augen. Das ist immer besser, wenn Sie mich fragen, weil manche es missbilligten, wenn man sich im Hangar nackt auszog.

Stattdessen traf ich mich mit Hardy, den ich als Ersatz etwas mangelhaft fand. Ich hatte ihn auf diesem Trip nicht dabeihaben wollen, aber Serata hatte darauf bestanden. Ich bin ein Colonel. Colonels haben keine Stabsmitarbeiter und ich brauchte keinen, aber der Boss glaubte, der Junge hätte Potenzial und wollte ihm die Chance geben, an die Front zu gehen. Serata mochte den Knaben. Das bedeutete etwas. Für den Anfang bedeutete es vermutlich, dass Serata ihn damit beauftragt hatte, über mich Bericht zu erstatten.

„Haben Sie die Nachrichten gesehen, Sir? Es gibt eine Menge Gerede über unsere Mission.“ Hardy trug immer noch seinen gebügelten Kampfanzug, was angesichts unseres Ziels lächerlich war.

„Ich versuche, es zu vermeiden.“

„Ich verstehe nicht, Sir. Müssen Sie nicht wissen, was vor sich geht?“ Er ging mein Gepäck holen. Zwei Taschen und eine Kiste.

„Ich kenne die Mission, Hardy. Alles andere vernebelt die Sicht.“

Hardy hielt inne und sah mich an. Als ich es nicht erklärte, packte er die Kiste, die bei jeder Bewegung klirrte.

„Sir … was–“

„Es ist Whisky, Hardy. Sehr guter Ferra-3-Whisky.“

„Sir, es ist uns nicht erlaubt, Alkohol auf einem SPACECOM-Schiff zu transportieren.“

Ich starrte ihn an. „Was sollen sie tun? Mich in den Ruhestand schicken? Moment, vielleicht schicken sie mich zur Strafe an die Front.“

Hardy sah mich mit dem Ausdruck im Gesicht an, den Leute kriegen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob ich es ernst meine. „Sir, die Piloten werden Ihnen nicht erlauben, ihn an Bord zu nehmen.“

„Deswegen ist die erste Flasche für sie“, sagte ich.

„Sir–“

„Schauen Sie, Hardy, Sie werden sich an etwas gewöhnen müssen. Ich bin nicht General Serata. Ich mache Dinge … anders. Ich komme damit davon – hauptsächlich, weil ich kein General bin. Ich habe nicht die Disposition dafür. Oder die Haare.“ Ich hielt inne. „Wo war ich?“

„Der Schnaps, Sir.“

„Richtig. Hardy, wenn wir wegen des Schnapses in Schwierigkeiten geraten, werde ich schwören, dass ich Ihnen gegen Ihren Willen befohlen habe, ihn mit an Bord zu nehmen. Dass Sie vehement protestiert haben, ohne Erfolg. Können wir jetzt weitergehen?“

„Ja, Sir.“ Er lächelte beinahe. Er schaffte es vielleicht. Wenn ich einen Stabsmitarbeiter beschäftigen müsste, bräuchte er unbedingt Sinn für Humor.

Der XT-57 ruhte auf einer erhöhten Plattform, zu der eine Reihe von Treppen hinaufführten; ein Monstrum von einem Schiff. Niemand würde es schnittig oder sexy nennen. Eher stupsnasig und klotzig. Der äußere Anschein aber täuschte: Form spielt im All keine große Rolle, nur Schub und Masse. Und da trumpfte der XT auf. Er beförderte nur sechs Passagiere und drei Crewmitglieder, was die Masse niedrig hielt. Alles andere: Antrieb und Brennstoffzelle. Lächerlich ineffizient, es sei denn, man wollte einen Colonel eilig über eine lange Strecke transportieren.

Meine Stiefel schepperten auf der Eisentreppe und eine leichte Brise traf mich, als ich die Tür erreichte; der Überdruck wich aus dem Schiff. Als ich eintrat, sah das Innere zu klein aus, um zur gleichen Bestie zu gehören. Es strahlte, als hätte jemand die Innenausstattung kürzlich ausgetauscht, und es roch beinahe steril. Neun horizontale Kälteschlafkabinen dominierten in Dreierreihen das Passagierabteil. Selbstverständlich weiß ich nicht, wieso wir es Kälteschlaf nennen. Man benutzte schon seit mehreren hundert Jahren keine Kältetechnologie mehr für die Stasis. Tradition, vermute ich. Wie auch immer sie hießen, die Kabinen waren von sechs großen, schwarzen und gemütlichen Stühlen eingefasst, drei an jeder Wand. Ich gab der Pilotin, dem Co-Piloten und der Ärztin die Hand. Ich folgte der gleichen Routine, der ich immer folge, wenn ich etwas Fliegendes betrete. Nennen Sie es Aberglaube, wenn Sie wollen, aber ich lebe noch, also kümmert es mich nicht. Hauptsächlich flog der Computer das Schiff, aber diese Leute kümmerten sich um die Aufgaben beim Start und innerhalb des Sonnensystems, ehe sie ihre eigenen Kälteschlafkabinen bestiegen. Sie konnten nicht so gut fliegen wie ein Computer, aber ich denke, es gab den Passagieren ein besseres Gefühl, zu wissen, dass ein Mensch das Sagen hatte. Ich weiß, dass es mir so ging. Die Ärztin würde uns alle unter Narkose setzen, und sich dann selbst narkotisieren. Ich wollte nicht mal darüber nachdenken, wie man das anstellte.

„Sir, ich habe Ihren Körperpanzer, für den Fall, dass Sie ihn anprobieren wollen, ehe wir starten“, sagte Hardy.

„Ist er Größe L?“ Ich konnte mich in eine M quetschen, wenn ich musste, aber ich zog ein bisschen Bewegungsfreiheit vor, und die Schulterplatten einer Größe M stachen mir manchmal in die Schultern.

„Ja, Sir.“

„Dann wird er passen.“ Dann warf ich einen Blick darauf. „Heilige Mutter der Galaxie, Sie haben wohl nichts Glänzenderes finden können, was?“ Die Polymer-Brustplatte glühte förmlich.

„Er ist brandneu, Sir.“

„Das kann ich sehen, Hardy. Keine Sorge, das wird an der Front überhaupt nicht auffallen.“ Nachdem ich das gesagt hatte, fühlte ich mich schlecht. Hardy ähnelte einem Hund, der ein Häufchen gemacht hatte, wo er es nicht sollte. Der Junge meinte es gut. Ich zeigte zwei Spinde weiter auf eine getragene Garnitur, die hellbraune Oberfläche pockennarbig, mit einer Schramme auf der rechten Seite. „Sehen Sie, so sollte eine Panzerung aussehen.“

Ein Mann erhob sich von dem am weitesten entfernten Stuhl. „Das ist meine, Sir. Staff Sergeant McCann. Ihr PS.“ PS. Personenschutz. Ein weiterer Streit, den ich gegen Serata verloren hatte. Im Grunde genommen war er ein Bodyguard, den ich für diesen Trip nicht brauchte. Aber wenn ich unbedingt einen haben musste, passte McCann zur Rolle. Er war mindestens sechs oder sieben Zentimeter kleiner als ich, aber was ihm an Größe fehlte, machte er durch Breite wett. Er bestand nur aus Schultern und Muskeln, hatte vermutlich nicht ein Gramm Fett in seinem ganzen Körper.

„McCann. Kann ich Sie Mac nennen?“

„Ja, Sir. Ich wäre froh, wenn Sie das täten“, sagte er.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mac. Was in aller Welt trinken Sie da?“ Er hatte ein 1-Liter-Gefäß in der Hand, in dem sich etwas befand, das wie eine Kreuzung aus Avocado und Kotze aussah.

„Proteinshake, Sir. Wollen Sie einen?“

Ich zuckte angeekelt zusammen. „Ich passe, danke.“

„Man muss dafür sorgen, dass die Waffen geladen bleiben, Sir.“ Mac schlug sich auf einen Bizeps, der so groß war wie der Oberschenkel anderer Männer.

„Ich bevorzuge es, wenn meine Waffen eine höhere Reichweite haben.“ Ich zeigte auf die Biskoski 71, die er um die Brust geschlungen hatte. Liebevoll die Bitch genannt. „Sie tragen die Biskoski statt einer Pulswaffe?“

„Ja, Sir.“ Mac lächelte stolz. „Ich vertraue diesen Pulswaffen nicht. Wenn sie nass werden, sind sie im Arsch.“

„Wo wir hingehen, sollten wir nicht nass werden“, sagte ich.

„Man weiß nie, Sir. Ich habe diese Bitch mit jedem intelligenten Projektil im Bestand ausgerüstet. Explosiv, panzerbrechend, Lenkgeschosse …“

Mir gefiel der Kerl schon jetzt. Eine Pulswaffe war sexyer, leichter und stets der Favorit auf einer Basis, wo niemand erschossen wurde, aber echte Infanteristen wollten eine Bitch. „Man weiß nie. Sind Sie der Spion des Generals oder ist es Hardy?“ Ich sagte es halb im Scherz, warf es aber so unverblümt in die Unterhaltung, dass ich die Botschaft rüberbrachte.

Mac zuckte mit den Schultern. „Ich nicht, Sir. Ich habe den General nie getroffen, abgesehen davon, ihm im Flur ‚Guten Morgen‘ zu sagen.“

Ich nickte. „Also Hardy, wie oft sollen Sie Bericht erstatten?“

„Sir, ich … Sir …“ Hardys Gesicht bekam Falten, als könne er sich nicht entschieden, ob er etwas sagen sollte, und vergessen hätte, zu atmen.

Ich ließ betretenes Schweigen entstehen.

„Ich habe Ihre Faustfeuerwaffe hier, wenn Sie bereit sind, Sir“, sagte Mac nach einem Moment. Er hielt mir eine Mark-24-Pistole hin und ich nahm sie. Eher eine Dekoration als alles andere. Ich überprüfte den Lauf, um sicherzustellen, dass sie leer war. Gewohnheit. Ich warf sie mit meiner Tasche in meinen Spind. Ich würde sie holen, wenn wir aus dem Kälteschlaf aufwachten.

Mac nickte in Richtung meiner Schnaps-Kiste. „Ist der von Ferra 3, Sir?“

„Ist er. Fünfzehn Jahre alt.“

Mac stieß einen Pfiff aus. „Es wird mir Spaß machen, mit Ihnen zu dienen, Sir.“

„Das hoffe ich. Was haben Sie angestellt, um diesen Einsatz am Hals zu haben?“

„Ich habe mich freiwillig gemeldet, Sir.“

Ich schaute ihn genauer an. „Wirklich?“

„Ja, Sir. Sie haben im Hauptquartier nach jemandem mit Erfahrung gesucht, und ich habe die Chance ergriffen.“

„Was haben Sie im Hauptquartier gemacht?“, fragte ich.

„Verwaltungsangestellter, Sir.“

Ich starrte ihn eindringlicher an, unfähig zu sagen, ob er mich verarschte oder nicht. Alles an ihm schrie Infanterie. „Sie sehen nicht aus wie Verwaltung …“

„Ich war früher bei der Infanterie, Sir. Vor über drei Jahren gewechselt. Dachte, es würde mir mehr Zeit mit meiner Frau verschaffen.“

Ich ging aus dem Weg, sodass Hardy etwas Ausrüstung verstauen konnte. „Ergibt Sinn. Wie läuft es?“

„Wir haben uns letztes Jahr scheiden lassen“, sagte er.

Ich nickte ernst. „Tut mir leid, das zu hören.“
„Alles gut, Sir.“ Er lächelte mit dem halben Mund.

Unsere Pilotin steckte den Kopf aus dem vorderen Abteil, kurze schwarze Haare über einem goldenen Gesicht. Sie wartete darauf, dass ich Augenkontakt mit ihr aufnahm. „Sir, wir haben unsere Checks gemacht, ehe Sie an Bord kamen. Wann immer Sie bereit sind, machen wir uns auf den Weg.“

„Danke. Wie lange, bis der Kälteschlaf beginnt?“

„Etwa ein Tag, Sir. Wir können die Geschwindigkeit des XT erst nutzen, wenn wir den fünften Planeten hinter uns gelassen haben. Zu viel Verkehr.“

„Verständlich“, sagte ich. „Schnallen wir uns an, Team. Uns steht ein langer Trip bevor, es hat keinen Sinn, den Start auf die lange Bank zu schieben.“ Ich suchte mir einen der übergroßen Sitze und machte es mir gemütlich. Ich schlief ein, ehe wir die Station verließen.