1. Kapitel
Alicia, Countess of Selwood, zog ihre schwarzen Glacéhandschuhe an und drehte sich zu dem nackten Mann um, der hinter ihr im Bett lag.
Lord Byerly schlief tief und fest, die Bettlaken aus feinem irischen Leinen, die er so sehr schätzte, waren wie die bleichen Arme einer Geliebten um seinen schlanken Körper geschlungen.
Er war ein gut aussehender Mann, aber ihr nicht annähernd ebenbürtig, wenn es um die Vergnügungen im Bett ging.
Er hatte begonnen, sie zu langweilen.
Seit gerade einmal etwas mehr als zwei Monaten waren sie inzwischen liiert, und schon jetzt nahm er ihr die Luft zum Atmen, hing an ihr wie eine Klette und neigte dazu, sie in aller Öffentlichkeit als zu ihm gehörig zu präsentieren.
Sie nahm ihre Handtasche an sich, öffnete die Tür und zog sie beim Hinausgehen leise hinter sich zu.
Glücklicherweise hatte Byerly das Haus seiner Familie in London behalten, obwohl er Junggeselle war. Alicia hätte sich auch gar nicht erst auf diese Liaison eingelassen, wenn sie sich mit ihm in irgendwelchen schäbigen Absteigen hätte treffen müssen.
Aber auch wenn er in diesem Herrenhaus geblieben war, besaß er nicht genug Geld, um das eigentlich erforderliche Personal einzustellen. Ihr konnte das nur recht sein, bedeutete es doch, dass sie sich nicht vor allzu neugierigen Dienern in Acht nehmen musste.
Der einzige Diener, der sich im Foyer aufhielt, als sie nach unten kam, war ihr eigener Angestellter.
Jocelyn Gormley sah von irgendetwas auf, das er in der Hand hielt – wahrscheinlich ein Buch, da er nie ohne eines anzutreffen war –, schloss es aber sofort und schob es in die Tasche seines Wintermantels. Er stand auf, noch bevor sie die unterste Stufe erreicht hatte, und verließ das Haus, um eine Droschke heranzuwinken, ohne dass sie ihn erst dazu auffordern musste.
Alicia ging zum Spiegel, der über einem verstaubten Konsolentisch hing, und betrachtete ihr Abbild.
Ihr bleiches, aschblondes Haar trug sie nach hinten zu einem eleganten Knoten zusammengebunden, was sie den verspielten Frisuren vorzog, die bei jüngeren Frauen beliebt waren. Ihre Haut war fast durchscheinend und frei von Falten – zumindest im schwachen Licht des Foyers. Ihr silbriges Seidenkleid sah noch so tadellos aus wie vor vier Stunden, als sie ihr Haus verlassen hatte.
Sie sah ganz so aus wie die Eisige Countess, wie man sie hinter ihrem Rücken nannte. Sie fand den Spitznamen amüsant.
Gormley kam zu ihr zurück. Mit seiner Größe und seinen breiten Schultern füllte er sogar den ungewöhnlich großen Rahmen der Eingangstür von Byerly House aus.
„Die Droschke ist da, Mylady.“ Seine Stimme klang so tief und rau, wie man es von einem Mann erwartete, der nur selten etwas sagte.
Alicia ging wortlos an ihm vorbei und stieg in die wartende Kutsche ein, die alt, aber gepflegt war. Sie neigte sich auf ihren abgenutzten Federn bedenklich zur Seite, als Gormley Alicia folgte.
Er war ein Riese von einem Mann und ein Preisboxer mit langer Vorgeschichte, was einer der Gründe für sie gewesen war, ihn einzustellen. Auch war er wortkarg und verschlossen – was zwei weitere Gründe für sie gewesen waren, ihn als den Diener einzustellen, der sie bei ihren privaten Erledigungen begleitete.
Alicia hatte kaum mehr als ein Dutzend Worte zu dem Mann gesagt, seit sie ihn vor etwas mehr als zwei Monaten in ihre Dienste genommen hatte, also unmittelbar bevor sie ihre Affäre mit Sir Henry beendet hatte – ihrem allerersten Liebhaber, der auch nur Mittelmaß gewesen war.
Gormley war für ihre Bedürfnisse wie geschaffen. Nicht nur, dass er sich um alle Nachrichten kümmerte, die zwischen ihr und ihrem Liebhaber hin und her gingen. Er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen und er war höflich, und für einen Mann aus seiner Schicht war er außergewöhnlich wortgewandt. Zudem schien er nicht die geringste Neugier zu verspüren, was sie und ihre Aktivitäten bei ihren spätabendlichen Ausflügen betraf.
Und laut Alicias Dienstmädchen Maude war Gormley nicht nur in ihrer Gegenwart so verschlossen, sondern ein rundum diskreter Mann.
Maude, die für Alicia die Dienerschaft im Auge behielt, hatte ihr versichert, dass sie den hünenhaften Mann kaum einmal zwei Worte mit irgendwem hatte wechseln sehen. Außerdem redete er nie über seine Dienstherrin.
„Ich kann nicht sagen, ob er einfach nur dumm oder extrem scharfsinnig ist“, musste Maude zugeben. Sie selbst zählte zur letztgenannten Kategorie.
Alicia hatte ihrem Dienstmädchen nichts davon gesagt, dass er seine Wartezeit mit dem Lesen von Büchern zu verbringen schien – was darauf hingedeutet hätte, dass er eindeutig nicht dumm war.
Natürlich war es nicht so, dass alle klugen Leute zwangsläufig Bücher lasen. Alicia selbst hielt sich für ziemlich intelligent und trotzdem vermied sie es, zu lesen, wo sie nur konnte.
Sie wandte den Blick von ihrem schweigsamen Diener ab und sah aus dem Fenster, an dem die Straße vorbeizog. Die war bevölkert von Männern, die nach einer Nacht der Ausschweifungen auf dem Heimweg waren – oder aber eine solche Nacht gerade noch vor sich hatten. Junge Kerle, die auf der Suche nach sinnlichem Vergnügen waren – ganz so wie Alicia.
Sie dachte an ihren Abend mit Byerly zurück und schnaubte verächtlich. Vergnügen? Rein theoretisch ja.
Der Viscount – der gut zehn Jahre jünger als sie mit ihren neununddreißig Jahren war – verhielt sich im Bett egoistisch und schwunglos. Anstatt ihre schändlichen Bedürfnisse zu befriedigen – zu denen sie sich, zugegeben, allerdings weder Byerly noch irgendeinem anderen menschlichen Wesen gegenüber bekannt hatte –, war sie nach jedem Treffen mit ihm nur noch unzufriedener als nach dem vorangegangenen.
Wie hatte sie nur je glauben können, dass sich das, was sie brauchte, auch finden lassen würde? Vor allem dann, wenn das, was sie brauchte, von Gott und den Menschen als sündige Perversion angesehen wurde?
Sie zog die Nähte an ihren ohnehin richtig sitzenden Handschuhen noch etwas gerader und wünschte sich dabei, sie könnte die Dinge in ihrem Leben genauso mühelos zurechtrücken.
Edward war vor dreizehn Monaten gestorben und dennoch gab sie sich immer noch mit Leuten ab, von denen sie eigentlich verachtet wurde. Jedoch konnten die sie nicht völlig aus ihrem Leben ausschließen, weil sie dafür zu wohlhabend war. Allie Benton – oder das, was noch von ihr übrig war – lachte leise in einem der düsteren Winkel von Alicias Verstand. Wenn diese arroganten Aristokraten nur geahnt hätten, wer sie in Wahrheit war.
Auch in New York City war sie von der feinen Gesellschaft kein bisschen warmherziger aufgenommen worden – tatsächlich traf sogar das Gegenteil zu –, doch wenigstens war sie sich dort nicht fehl am Platz vorgekommen.
Es gab Tage … oder besser gesagt Nächte, in denen sie das Land vermisste, in dem sie geboren war. Aber dann wiederum genoss sie es auch, hier nur eine Besucherin zu sein, die sich nicht einfügen und die sich nicht mit den Sitten und Gebräuchen vertraut machen musste, weil sie eines Tages weiterziehen würde.
Aber noch konnte sie nicht von hier weggehen. Das war erst möglich, wenn sie Elizabeth mitnehmen konnte, doch bis dahin würde es noch vier Jahre dauern. Alicia seufzte. Sie steckte in einem wahren Teufelskreis: Ohne Lizzy konnte sie nicht nach New York zurückkehren, aber David würde nicht zulassen, dass ihre Tochter Großbritannien verließ.
Sie zog die Unterlippe nach innen und kaute darauf herum, während sie sich etwas erlaubte, wozu sie nur selten bereit war: einen Augenblick der Verzweiflung.
Aber dann fiel ihr ein, dass sie nicht allein war.
Sie drehte sich um und sah ihren Diener an. Gormley schien zu schlafen oder sich zumindest auszuruhen. Auf jeden Fall nahm er keine Notiz von ihr, doch das hielt sie nicht davon ab, das Gefühl der Hoffnungslosigkeit schnell wieder zu verbannen, das sich immer dann zu regen drohte, wenn sie nicht wachsam genug war.
Außerdem machte sie sich doch nur etwas vor, wenn sie sich nach New York sehnte. Dort gab es nichts für sie, abgesehen von einer Vergangenheit, vor der sie nicht schnell genug die Flucht hatte ergreifen können, als Horace gestorben war.
Etwas in ihr verkrampfte sich, als sie an ihren ersten Ehemann dachte.
Vierzig Jahre älter als sie war der Eisenmagnat gewesen, als er sie mit gut Mitte sechzig geheiratet hatte. Sein Körper war bereits runzlig und schlaff gewesen, zudem von so vielen grauen Haaren übersät, dass sie fast eine Art Pelz bildeten. Doch das hatte nicht etwa bedeutet, dass Alicia die Berührungen durch seine Hände auf ihrer Haut nicht willkommen geheißen hätte. Vielmehr hatte sie hart gearbeitet und geplant, um den Tag Wirklichkeit werden zu lassen, an dem er sie zu sich in sein Bett holen würde.
Heute wusste Alicia, welch glückliche Hand sie bei der Auswahl ihres Zukünftigen bewiesen hatte. Horace war einer der reichsten Männer in ganz New York gewesen, und er hätte mit der siebzehn Jahre alten Nichte seiner Wäscherin anstellen können, was er wollte, ohne dass es jemanden gekümmert hätte.
Doch anstatt sie zu benutzen und sich ihrer zu entledigen, was viele Männer einfach getan hätten, war er auf das Unvorstellbare verfallen und hatte sie stattdessen geheiratet.
Sie musste lächeln. Das hatte genügend Leute aufhorchen lassen.
Horace war gut zu ihr gewesen und im Gegenzug hatte sie ihm alles gegeben, was sie geben konnte.
Aber wie viel war ihr Körper letztlich wert? Immerhin gab sie sich jetzt einem überheblichen Aristokraten hin, der ihr im Gegenzug fast gar nichts bot.
Alicia löste sich von ihren düsteren Gedanken und betrachtete das Profil des schweigsamen Mannes. Nicht zum ersten Mal ging ihr die Frage durch den Kopf, wie er wohl über ihre Aktivitäten dachte. Sie war nicht so weltfremd zu glauben, dass Diener keine Augen im Kopf und nichts im Hirn hatten und dass Neugier für sie ein Fremdwort war.
Von allen Bewerbern auf ihre ziemlich seltsame Anzeige hatte Alicia diesen riesigen, brutal aussehenden und doch so wortgewandten Mann am besten leiden können.
Bevor Alicia ihn eingestellt hatte, war er fast sechs Jahre lang als Pferdepfleger bei Viscount Easton beschäftigt gewesen, einem anspruchsvollen Mann, der Gormley ein begeistertes Empfehlungsschreiben übergeben hatte.
Natürlich hatte sich Alicia nicht allein auf dieses Schreiben verlassen, sondern jemanden engagiert, der den neuen Diener ausgeforscht hatte: Nathaniel Shelly, den sie schon früher ein paar Mal bei heiklen Angelegenheiten angeheuert hatte.
Mr Shelly hatte Gormley zwei Wochen lang beschattet, ehe sich Alicia für ihn entschieden hatte.
Man hätte so viel Vorsicht für übertrieben halten können, doch das war nicht der Fall. Sollte David irgendetwas über ihr Privatleben herausfinden, würde er sie dafür teuer bezahlen lassen. Das bedeutete, der Mann, den sie einstellte, musste vor allem diskret und vertrauenswürdig sein.
Shellys Bericht war sehr kurz ausgefallen: „Jocelyn Gormley, achtundzwanzig, wuchs in London auf. Seinem ältlichen Vater gehört eine florierende Metzgerei. Er hat zwei Brüder, beide verheiratet, beide haben Kinder. Der älteste Sohn leitet jetzt die Metzgerei, der andere arbeitet als Angestellter in einem Kontor. Eine jüngere Schwester kümmert sich um den Haushalt des Vaters. Gormley besucht sie an jedem halben freien Tag.“
„Und seine Mutter?“
„Sie starb, als Gormley fünfzehn war. Anscheinend war sie die Tochter eines Gentlemans, die es im Leben nicht leicht hatte. Sie arbeitete als Gouvernante, bevor sie Gormleys Vater heiratete. Die Nachbarn haben sie als eine ‚Lady‘ in Erinnerung, die nicht nur den eigenen Kindern Lesen und Schreiben beibrachte, sondern auch etlichen Kindern in der Nachbarschaft. Offenbar sind alle vier Gormley-Kinder außergewöhnlich wortgewandt.“
Schon bei dem kurzen Vorstellungsgespräch hatte Alicia den Eindruck gehabt, dass er ein gewisses Maß an Schulbildung besitzen musste. Er war kein gesprächiger Mann, doch was er sagte, das kam nicht mit dem Akzent der Straße über seine Lippen. Vielmehr klang er nach dieser zusammengewürfelten Gruppe von Briten, die sich alle Mühe gaben, die Aristokratie nachzuahmen, denen es aber nie so ganz gelang, deren glasklaren, knappen Akzent zu treffen.
„Wo hat Gormley gearbeitet, bevor er für den Viscount tätig geworden war?“, hatte sie wissen wollen.
„Nun, er hat eine recht interessante Reise hinter sich. Nach dem Tod der Mutter endete der Unterricht und er begann für seinen Vater zu arbeiten. Als der krank wurde, übernahm der älteste Bruder die Metzgerei und Gormley ging von zu Hause weg.“
„Zu Easton?“
„Nein. Nach allem, was ich herausfinden konnte, verdingte er sich von achtzehn bis zweiundzwanzig für vier Jahre als Preisboxer. Danach verschaffte ihm sein Onkel väterlicherseits eine Anstellung als Stallhelfer beim Viscount.“ Shelly räusperte sich. „Allem Anschein nach ist er ziemlich scharfsinnig, was man nicht glauben würde, wenn man nur nach dem Äußeren geht.“
Alicia hatte bei diesen Worten lachend erwidert: „Er sieht aus wie ein Preisboxer.“
„In den ersten Jahren, als er für den Viscount gearbeitet hat, ist er auch immer noch als Boxer aktiv gewesen. Es scheint so, als würde Lord Easton gern auf einen vielversprechenden Kampf setzen, und er hat Gormley ungewöhnlich viele Freiheiten gewährt, um sich seinem Hobby widmen zu können.“
„Und warum will er Lord Easton dann verlassen?“
„Ich habe mit ein paar Stallburschen gesprochen, die mir übereinstimmend erzählt haben, dass Lord Eastons fünfzehnjährige Tochter seit einer Weile sehr viel Zeit in Gormleys Nähe verbracht hat, und … ähm …“
Alicia hatte Mitleid mit dem errötenden Mann. „Ich verstehe. Sie hat Gefallen an unserem Mr Gormley gefunden.“
„Aye, Mylady. Er könnte es unmöglich seiner Lordschaft sagen, deshalb hat er sich auf diese Stelle beworben.“
Sein Verhalten deutete auf Klugheit, Moral oder Angst oder auf alle drei zusammen hin.
„Hat unser Ausbund an Tugend eine Freundin?“
„Nicht, dass ich davon etwas gesehen hätte, Mylady. Viscount Easton gab Gormley jeden Abend frei, aber der Mann boxt nicht mehr, und in den zwei Wochen, in denen ich ihn beschattet hatte, hat er nur an zwei Abenden sein Quartier verlassen.“ Shelly hatte dabei das Gesicht verzogen und völlig unerwartet seine Aufgeregtheit zur Schau gestellt, dann aber hinzugefügt: „Sein Ziel war in beiden Fällen ein sehr exklusives und recht ungewöhnliches … ähm … Bordell.“
Alicias Puls hatte sich bei dieser Neuigkeit beschleunigt. „Tatsächlich?“
„Es ist ein so exklusives Haus, dass es nicht einmal mir möglich war, mir durch Bestechung Zugang zu verschaffen. Es war auch niemand bereit, mir gegen einen entsprechenden Betrag etwas darüber zu verraten, womit oder mit wem Gormley die Zeit verbringt, bis er in den frühen Morgenstunden das Haus wieder verlässt.“
Alicias Interesse war erwacht, als er ein solches lustvolles Tabuthema zur Sprache gebracht hatte. „Und weiter?“
„Das Bordell wird von einer gewissen Mrs Melissa Griffin betrieben, einer Frau, die außergewöhnlich wählerisch ist, wenn es um ihre Liebhaber geht. Gerüchte besagen, sie habe sogar dem großen Wellington eine Abfuhr erteilt. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Gormley sich den Aufenthalt in einem solchen Etablissement leisten kann, daher vermute ich, dass er wohl jemanden besucht hat, der dort arbeitet. Vielleicht ein Dienstmädchen. Oder jemanden vom Küchenpersonal.“
„Sie sagten, dieses Bordell sei ungewöhnlich. Inwiefern?“
Der arme Mann schaute so drein, als wollte er vor Scham am liebsten im Erdboden versinken. „Ähm … es ist spezialisiert auf … ähm … also …“ Er kratzte sich am Kopf, sein Gesicht glühte. „Nun, es ist spezialisiert auf Züchtigung und Ähnliches.“
Alicias Herzschlag war zuvor schon schneller geworden, doch in diesem Moment hatte ihr Herz zu rasen begonnen. Sie hatte darauf gebrannt, weitere Fragen zu stellen, dann aber davon abgesehen, da sie einem Mann gegenüber, der mehr oder weniger ihr Angestellter war, nicht ihre lüsterne Faszination zu erkennen geben wollte.
Seitdem hatte sich Alicia mehr als einmal die Frage gestellt, was Mr Gormley in diesem exklusiven Bordell zu suchen hatte.
Wie würde sich wohl eine sexuelle Begegnung mit einem so mürrisch dreinblickenden Riesen von einem Mann gestalten?
Er war weit davon entfernt, als attraktiv zu gelten. Seine Gesichtszüge waren grobschlächtig, die Nase war krumm, obwohl man sie zweifellos ein halbes Dutzend Mal gerichtet hatte. Seine schweren Lider verdeckten zum Teil das unscheinbare Grün-Braun seiner Augen. Sein Mund war wie ein regloser Schmiss mit schmalen Lippen, die niemals lächelten.
Doch sein Körper …
Alicia gestattete sich einen flüchtigen Blick auf diesen gut gekleideten Körper, der einem der größten Männer gehörte, dem sie je begegnet war. Nicht einmal in Amerika, wo die Menschen dazu neigten, größer zu sein, war ihr ein Mann von solchen Ausmaßen begegnet. In dem teuren, maßgeschneiderten Anzug, den sie für ihn hatte anfertigen lassen, hätte er so lächerlich aussehen müssen wie ein Gorilla in einem Frack. Doch in Wahrheit strahlte er Kraft und etwas Bedrohliches aus.
Sie erinnerte sich daran, wie er erst vor Kurzem sein Buch zugeschlagen und in seine Tasche gesteckt hatte. Er war ein Metzgersohn, Boxer und Pferdepfleger, der gern Bücher las. Dieser Mann war wahrhaftig ein Kuriosum.
***
Von den schweren, hängenden Lidern vor Entdeckung geschützt, musterte Joss seine Herrin. Ihr schönes Gesicht trug von einen sonderbaren Ausdruck. Diese Miene hatte er bei ihr schon mehr als einmal beobachten können – üblicherweise dann, wenn sie von einem dieser Schäferstündchen zurückkam.
Er spürte, wie sich seine Lippen zu einem flüchtigen spöttischen Lächeln verzogen, das ihm selbst galt. Schäferstündchen. Das musste man sich mal vorstellen, dass er so ein feines Wort benutzte, das nichts weiter bedeutete als Vögeln oder Ficken.
Er hatte schon seit Jahren mit feinen Pinkeln aller Art zu tun, mal auf die eine, mal auf die andere Weise – aber noch nie mit einer Amerikanerin.
Seit er in ihrem Haus zu arbeiten begonnen hatte, waren ihm über sie alle möglichen Gerüchte zu Ohren gekommen – und das waren nicht zu wenige. Joss war sich nur nicht sicher, welche davon er glauben sollte. Doch letztlich war es ganz egal, was er glaubte, denn diese Frau war für ihn genauso unerreichbar wie diese exotischen, tropischen Inseln in der Karibik, über die er schon gelesen hatte. Aber das bedeutete natürlich auch nicht, dass er keinen Gedanken an sie verschwenden durfte. Mit dem Gehalt, das sie ihm zahlte, erkaufte sie sich vielleicht die Zeit, die er für sie bereitstehen musste. Doch seine Gedanken waren nach wie vor seine eigenen.
Okay, das war jetzt eine verdammte Lüge.
Tatsache war, dass Joss’ Gedanken schon seit dem Moment um die Countess kreisten, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Dieser Augenblick erinnerte ihn an den Vorfall, als sein Bruder Gordon ihm unabsichtlich eine ganze Schweinehälfte gegen den Kopf geschleudert hatte. Aber im Arbeitszimmer der Countess of Selwood hatte es keinen Gordon gegeben, der dem mit aufgerissenem Mund dastehenden Joss eine hätte runterhauen können, damit der aus seiner Trance erwachte. Also hatte er einfach nur wie ein Tölpel dagestanden und sie angestarrt.
Joss wusste, er war nicht der Einzige, der beim ersten Anblick dieser Frau so reagierte. Aber dass es ihm auch nach Monaten so erging und dass – wenn er ehrlich zu sich war – er von ihr besessen war? Nein, da schienen die anderen Diener vernünftiger zu sein als er.
Nur ein romantischer Narr wie Joss war dumm genug, um sich auf einen solchen Pfad zu wagen. Ja, romantische Dummheit – noch ein Verbrechen, das er seiner Mutter zum Vorwurf machen konnte.
Aber er wollte jetzt nicht an seine Mutter denken, sondern er nutzte die Gelegenheit, sich am Anblick der Countess zu erfreuen. Noch nie war er einer Frau mit einem so perfekten Körper begegnet, was etwas heißen wollte, kannte er doch schöne Frauen zu Hauf.
Sie war groß genug, um ihm bis zu den Schultern zu reichen, und ihre Taille ließ es jedem Mann in den Fingern kribbeln, um sie umfassen zu können. Zusammen mit ihren Hüften und den Brüsten konnte ihre Taille jede Sanduhr vor Neid erblassen lassen. Die Haut war so fahl wie Sahne, während die vollen Lippen so rot waren, dass sie düstere, sündige Freuden versprachen. Ihre Haare waren von einem Blond, das bleicher nicht hätte sein können, und sie wirkten so zart wie der Seidenstoff mancher Kleider, die sie trug – Kleidungsstücke, die einem den Reichtum und den Status förmlich entgegenschrien und die diese Frau gänzlich unerreichbar machten.
Doch es waren vor allem ihre Augen, eingerahmt von dunklen statt von blonden Wimpern, die ihm den Atem raubten. Sie waren von einem blassen Saphirblau, das sich von allem unterschied, was er je gesehen hatte: klar wie Kristall, absolut vollkommen und so sehr ihrer Umgebung entrückt, als sei sie auf dem Mond.
Es war nicht so, als hätte Joss ihr oft in die Augen sehen können. Es geziemte sich nicht für den vormaligen Pferdepfleger und jetzigen Diener und künftigen Was-auch-immer, seiner Herrin in die Augen zu schauen.
Aber in seinen Träumen und Fantasien hatten diese Augen ihn unzählige Male angesehen, wenn er in sie eindrang. Sie waren halb geschlossen, wenn er sie von hinten nahm und sie ihn spöttisch über die Schulter ansah. Und wenn sie rittlings auf ihm saß, dann schaute sie mit majestätischem Hochmut auf ihn herab und ritt ihn wie eines ihrer edlen Pferde.
Oh ja, in seiner Fantasie hatte er mit ihr Dinge angestellt, für die er im Gefängnis landen oder am Galgen enden oder verbannt werden würde, wäre jemand in der Lage gewesen, in seinen Kopf zu schauen.
Kein Mann konnte eine Frau wie sie ansehen, ohne dabei lüsterne Gedanken zu bekommen. Und das galt sogar für einen Mann wie Joss, einen einfachen Diener, von dem erwartet wurde, dass er seinen Blick nicht schweifen ließ – und dass er nicht mal daran dachte, so etwas zu tun.
Allein schon einen Blick auf sie zu erhaschen, wenn sie vom Haus zu ihrer Kutsche ging, war wie ein Vorgeschmack auf etwas Teures und Flüchtiges – ein kurzer Urlaub von der tristen Realität des Lebens. Der währte aber nie länger als nur ein paar Minuten. Gleich darauf folgte die niederschmetternde Erkenntnis, dass ein Mann wie er sie niemals würde besitzen können. Außer natürlich in seinen Träumen.
Jeder einzelne Mann in ihrem Londoner Haushalt träumte so wie er von ihrer großartigen Arbeitgeberin, wenngleich wohl nicht jeder genau das Gleiche träumte. Schließlich herrschte innerhalb der männlichen Dienerschaft Einigkeit darüber, dass Lady Selwood so kalt, so unnahbar und so frostig war wie der Spitzname, den die feinen Pinkel ihr gegeben hatten: Die Eisige Countess.
Doch Joss wusste es besser.
Von all ihren Dienern wusste einzig Joss, was sie tatsächlich unternahm, wenn sie angeblich Feste oder Bälle oder andere Veranstaltungen besuchte, mit denen sich die Reichen die Zeit vertrieben.
Es ließ sich nicht abstreiten, dass sie äußerlich kühl und abweisend wirkte, aber hinter dieser Fassade verbarg sich etwas ganz anderes. Und Joss’ Körper reagierte instinktiv auf das, was unter all dem Eis begraben lag.
Ohne dass sie es ihm sagen musste, wusste er, wonach sie sich verzehrte. Und er wusste, er konnte ihr genau das geben, was sie brauchte.
War das eine arrogante Annahme von ihm? Vermutlich ja, und doch traf sie zu. Und Joss hatte sich verdammt noch mal das Recht verdient, eine solche Behauptung aufzustellen. Aber auch wenn die Reaktion seines Körpers auf die Countess schon eine üble Sache war, trieb sein Verstand es noch auf die Spitze, indem er sich noch gefährlicheren Impulsen hingab und damit begonnen hatte, unentwegt darüber nachzudenken, welche Wahrheiten hinter ihrem schönen Gesicht lauerten.
Warum nur sollte es ihn kümmern, was für ein Mensch sie war?
Weil er ein Idiot war.
Er würde nie mehr über sie wissen als das, was er sehen konnte, wenn er sie anschaute.
In den Monaten, die er inzwischen für sie arbeitete, hatte er sie mit zwei verschiedenen Männern zusammen gesehen. Nein, tatsächlich mit ihnen gesehen hatte er sie nicht. Aber er hatte auf sie gewartet, während sie ihr Verlangen stillte und diese Dandys mit ihren lilienweißen Händen ihren Körper zu deren eigener Befriedigung benutzten.
Es ärgerte ihn zu wissen, dass sie ihre Abende mit Männern verbrachte, die so aussahen, als könnten sie eine Frau genauso wenig befriedigen, wie sie in der Lage zu sein schienen, einen Graben auszuheben oder ein Schwein zu schlachten. Was ihn aber noch mehr ärgerte, war das Wissen, dass er nicht das Geringste unternehmen konnte, um sie davon abzuhalten.
Joss wusste, er war nicht der Klügste, doch selbst ein Narr musste erkennen, dass er durch seine Tätigkeit für Melissa auf Gedanken und Ideen gekommen war, die für einen Mann seines Standes vermessen waren.
Es war wohl nur eine natürliche Entwicklung, dass man anfing, Aristokraten als Menschen zusehen – zumindest die Frauen –, wenn man sie nackt gesehen und mit ihnen geschlafen hatte und dadurch wusste, dass sie so wie jeder andere mit Bedürfnissen und Begierden zu kämpfen hatten.
Er wusste auch, dass man mit Geld kein Glück kaufen konnte, wohl aber Lust und Vergnügen. Er selbst war dafür der lebende Beweis, hatte er doch genau das in der Vergangenheit oft genug gemacht.
Er verdrängte diesen deprimierenden Gedanken. So wie üblich, wenn er sich in ihrer Nähe befand, hatte er sich in seine Erregung gesteigert. Sein Schwanz war so hart wie Gusseisen, und sein Magen verkrampfte sich, weil er wie immer gezwungen gewesen war, seine Begierde runterzuschlucken, während er gewartet hatte und seine Fantasie mit ihm durchgegangen war. Das beharrliche Verlangen und der Neid zermürbten ihn zusehends.
Er würde froh sein, wenn er heute Abend seinen Dienst beenden konnte, auch wenn er wusste, dass er sich dann rastlos und recht verzweifelt fühlen würde. Heute würde er sich in sein gemütliches Zimmer über den Stallungen zurückziehen und auf seinen Sandsack einprügeln, bis seine Knöchel bluteten und er so kraftlos war, dass er nur noch ins Bett fallen konnte. Manchmal verschaffte ihm das eine gewisse … Erleichterung.
„Was haben Sie vorhin gelesen, Gormley?“
Joss zuckte zusammen. In all den Monaten hatte sie ihn nur selten direkt angesprochen und es war nie etwas Persönliches gewesen. Jetzt aber hatte sie ihre aufwühlenden silberblauen Augen auf ihn gerichtet und erwartete von ihm eine Antwort.
„Was ist das für ein Buch in Ihrer Jackentasche?“, hakte sie nach.
Joss zog das Buch aus der Tasche und reichte es ihr, dann beobachtete er ihr Gesicht, während sie es aufschlug und schließlich so lange auf den Text starrte, dass er schon glaubte, sie könnte eingeschlafen sein.
„Sie lesen Shakespeare?“ Sie fragte in einem so erstaunten Tonfall, als hätte sie soeben herausgefunden, dass eines ihrer Kutschpferde lesen konnte. Als sie ihn ansah, waren ihre Augenbrauen hochgezogen.
Ihr Erstaunen war wie Salz in eine blutende Wunde. Joss bemerkte, dass er den Mund zu einem ganz und gar humorlosen Lächeln verzog. „Ich sehe mir gern die Bilder an, Mylady.“
Sie betrachtete wieder das Buch und blätterte es einmal rasch durch, natürlich ohne irgendwelche Bilder zu finden.
Sogar in dem schwachen Licht, das in der Droschke herrschte, konnte Joss sehen, dass ihre wundervollen Wangen leicht erröteten. Leise seufzte er, da er wusste, dass sie jetzt das tun würde, womit er seit seinem ersten Arbeitstag gerechnet hatte, seit ihm bewusst geworden war, dass er sie begehrte und dass dieses unbändige Verlangen nach ihr ihn nur noch griesgrämiger machte: Sie würde ihn jetzt rausschmeißen.
Doch dann kam etwas Überraschendes. „Das sollte nicht so klingen, als würde ich an Ihrer Befähigung zweifeln, Shakespeare lesen zu können.“ Sie klappte das Buch zu und gab es ihm zurück. „Ich selbst habe nie Shakespeare gelesen. Ist Antonius und Kleopatra Ihr Lieblingsbuch?“
„Es ist eines meiner Lieblingsbücher.“
„Warum gefällt es Ihnen so gut?“
Glücklicherweise hielt in diesem Moment die Kutsche an und es blieb Joss erspart, ihr eine Antwort zu geben.
Er machte die Tür auf, klappte die Stufen nach unten und stieg aus. Dann folgte sie ihm, nachdem sie ihm ihre Hand hingehalten hatte. Sie trug immer Handschuhe so wie er auch, sodass sich stets zwei Barrieren zwischen ihrer Haut und seiner befanden. Er ließ sie sofort wieder los, kaum dass sie auf dem Gehweg stand. Dann ging er vor ihr her die acht Stufen zur Haustür hinauf und schloss mit dem Schlüssel auf, den sie ihm gegeben hatte.
Keiner der Diener hatte auf ihre Rückkehr gewartet.
„Gute Nacht, Gormley.“ Sie sprach diese Worte, ohne stehen zu bleiben oder ihn anzusehen. Stattdessen griff sie nach der Kerze, die auf dem Konsolentisch für sie bereitstand, und ging zur Marmortreppe, die hinauf zu ihrem Schlafzimmer führte.
„Gute Nacht, Mylady“, murmelte er so leise, dass seine Worte vom Klacken ihrer Absätze auf den Steinstufen übertönt wurden. Erst als er sie nicht mehr sehen konnte, schloss er die Haustür ab. Dann folgte er dem schmalen Gang hin zu den Stallungen für diesen Häuserblock.
Die Bedienstetenquartiere über Lady Selwoods Kutschhaus waren abgeschiedener als die im Hauptgebäude. Joss hatte eine ganz ähnliche Unterkunft im Haus von Viscount Easton bewohnt, weshalb er in seinem neuen Arbeitsvertrag Wert darauf gelegt hatte, dass ihm auch hier ein Schlafzimmer mit einem angrenzenden kleinen Zimmer für seine persönlichen Zwecke zur Verfügung stand.
Joss nahm zwei Stufen auf einmal und blieb oben angekommen abrupt stehen, als er sah, dass die Tür zu seinem Quartier ein Stück weit offen stand. Als er sie aufdrückte, entdeckte er auf seinem Doppelbett eine nackte Frau.
2. Kapitel
Joss’ Doppelbett war sein teuerster Besitz – und zugleich das einzige Möbelstück in diesem kleinen Quartier, das ihm gehörte.
Ein Mann von seiner Größe konnte in einem normalen Bett nicht liegen – jedenfalls mit Blick auf die Betten, die in den Unterkünften für das Dienstpersonal zu finden waren.
Mitten im Zimmer blieb er stehen, nahm den Hut ab und warf ihn auf den Tisch, auf dem er mit einem dumpfen Geräusch landete.
Die Frau im Bett schreckte hoch, sodass er ihr Gesicht sehen konnte. Wer sie war, hatte er aber längst gewusst.
„Ich dachte, du kommst gar nicht mehr zurück. Ich war schon drauf und dran, wieder zu gehen.“ Annie Philips war eines der Hausmädchen und sah wirklich gut aus. Sie kam vom Land, daher war sie nicht blass und dürr wie viele der Frauen, die in London aufgewachsen waren. Vielmehr war sie das, was sein Vater als ein strammes Bauernmädchen bezeichnet hätte.
Joss ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, während er seinen teuren Mantel aufknöpfte, den Lady Selwood ihm zur Verfügung gestellt hatte. Allein der Schnitt unterschied ihn von ihren anderen Bediensteten.
Die Countess sah Joss lieber in der Kleidung eines Gentlemans, anstatt ihn die Dinge tragen zu lassen, die jeden Mann sofort als Diener brandmarkten – Samthosen und schrill verzierte Mäntel. Tatsächlich unterschied sich Joss’ Mantel in keiner Weise von dem eines beliebigen feinen Pinkels, war er doch ebenfalls aus guter schwarzer Wolle und ganz ohne Ziererei.
Sein Schwanz, der gerade wieder zu erschlaffen begonnen hatte, da der Abstand zu seiner Herrin inzwischen groß genug war, erwachte zu neuem Leben. Wie sollte es auch anders sein, wenn sich ihm eine Frau auf eine solche Weise präsentierte?
Annie hatte lockiges braunes Haar, lange, sehr lange Beine, dazu Brüste, die je zwei Handvoll ergaben – und das bei Joss’ extrem großen Händen.
Sie hatte sich bis auf ihre Strümpfe ausgezogen, bei denen es sich um ihr bestes Paar handeln musst. Die Strümpfe waren mit Blumenmustern bestickt, sodass es so wirkte, als wäre ihr dunkelbrauner Busch von einem Garten umgeben.
Joss hängte seinen Mantel auf, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Dann entledigte er sich seines Halstuchs und der Weste und ließ sich im einzigen Sessel im Zimmer nieder. Er saß breitbeinig da, um seinem eingezwängten Schwanz ein wenig Erleichterung zu verschaffen.
„Wie bist du hier reingekommen?“
Sie musste sich hinsetzen, wenn sie ihn vom Bett aus in seinem Sessel sitzend sehen wollte. Dabei zog sie die Beine an, um ihre Brüste vor seinen Blicken zu verdecken, ohne zu bemerken, dass sie dadurch die Aussicht auf einen viel privateren Bereich ihres Körpers freigab. Joss konnte nicht anders als das rosige Fleckchen zu betrachten, das von einem Durcheinander aus braunen Locken umrahmt war. Es kostete ihn verdammt viel Mühe, ihr stattdessen wieder ins Gesicht zu sehen.
Sie biss sich mit ihren ebenmäßigen, weißen Zähnen auf die Unterlippe und senkte ihre Lider, sodass die vollen dunklen Wimpern gut zu sehen waren. Ihr koketter Anblick ließ ihn darüber spekulieren, wie viel an ihrer Pose tatsächlich unbeabsichtigt war.
„Ich habe mir Mr Feehans Schlüssel geliehen. Aber ich habe ihn gleich wieder zurückgehängt“, fügte sie hastig an.
Joss war beeindruckt. Welchem Mann würde es nicht gefallen, so begehrt zu sein, dass ein schönes Mädchen vorübergehend zur Diebin wurde und damit ihre Entlassung riskierte, nur um mit dem Mann zusammen sein zu können, der ihr gefiel?
„Hilf mir mit den Stiefeln“, sagte er und machte sich gar nicht erst die Mühe, es als höfliche Bitte zu formulieren. Wenn sie ihn wirklich wollte, dann war es besser, wenn sie von Anfang an wusste, was sie erwartete.
Wenn es ums Vögeln ging, war es ihm lieb, wenn es nach seinen Vorstellungen ablief – jedenfalls dann, wenn er nicht dafür bezahlt wurde.
Wenn ihr das nicht gefiel, dann war es besser, wenn sie das jetzt schon herausfand, ehe sie einen nächsten Schritt in Angriff nahmen.
Ohne zu zögern kletterte sie aus dem Bett und er hob das Bein. Amüsiert und erregt sah er mit an, wie sie ihm ihren üppigen Po zuwandte, sich über sein Bein stellte und ihm den Stiefel auszog.
Als sie mit dem zweiten Stiefel fertig war, hatte der Anblick ihn so sehr erregt, dass seine Erektion jetzt noch schlimmer schmerzte als zuvor. Mit dem Kinn deutete er auf den Schrank in der Ecke des Zimmers. „Stell sie da rein und komm zu mir zurück.“
Joss überlegte, wie er vorgehen sollte, während sie seine Anweisung ausführte. Ihre Bereitschaft, ihm zu Diensten zu sein, erregte ihn weitaus mehr, als es üblich und für ihn gesund sein konnte. Allerdings hatte er schon vor langer Zeit aufgehört sich zu fragen, warum ihm unterwürfige Geliebte so sehr behagten.
Er wusste, es war nicht klug, da zu vögeln, wo man auch aß, doch er hatte schon seit Monaten einen Bogen um Annies Interesse an ihm gemacht.
Es war lange her, dass er das letzte Mal eine Frau gehabt hatte. Für Lady Selwood zu arbeiten und zu wissen, was sie in den Häusern machte, zu denen er sie nachts begleitete, hatte sein Verlangen geweckt. Er hatte sich wie ein Mönch verhalten, so als würde er sich aufsparen – etwa für Lady Selwood?
Joss schnaubte missmutig, als ihm dieser dumme Gedanke kam.
Und Annie? Nun, er war es leid, immer wieder das zurückzuweisen, was diese junge Frau ihm unermüdlich Tag für Tag anbot: Lust und Befriedigung ganz ohne Hintergedanken.
Sie stellte sich vor ihn und er gab ihr eine weitere Chance, von hier zu verschwinden, bevor es für sie zu spät war.
„Hast du dir überlegt, was du da machst, Annie?“
Sie hob trotzig das Kinn. „Ich bin keine Jungfrau mehr.“
Das sollte wohl ihre Art von Antwort auf seine Bemerkung sein.
„Und ich bin nicht auf der Suche nach einer Ehefrau.“
Sie zuckte leicht zusammen, ihre Wangen erröteten leicht. Joss rechnete damit, dass sie einfach wegging.
„Und ich suche nicht nach einem Ehemann, Mr Hochwohlgeboren. Nur weil sie dich wie einen Dandy anzieht und du deine Nase immer in ein Buch steckst, bist du nicht besser als wir alle. Und nur weil du dich für einen so guten Fang hältst, heißt das nicht, dass wir auch alle so denken.“
Joss amüsierte sich über das Feuer in ihrem Wesen. Aber nur weil sie den Mut gefunden hatte, den Mund aufzumachen und ihm ihre Meinung zu sagen, machte das ihre Worte nicht überzeugender. Aber er hatte seit Wochen gegen sie und ihre Avancen angekämpft – wie lange sollte das noch so weitergehen?
Er spreizte seine Beine, sie musste schlucken. Im schwachen Licht der Talgkerze war es faszinierend mitanzusehen, wie sich ihre Halsmuskulatur bewegte.
Ihr Körper war nicht von der Art, wie er ihn für gewöhnlich nackt zu sehen bekam. Normalerweise waren es Frauen mittleren Alters mit weichen Körpern, während Annie nicht nur jung, sondern auch rank und schlank war, was sie der harten körperlichen Arbeit zu verdanken hatte.
„Hinknien“, sagte er und zeigte auf die Stelle direkt vor seinem Sessel.
Nacken und Brust erröteten leicht, ihre Muskeln spannten sich an, während sie langsam vor ihm auf die Knie sank.
Wie nicht anders zu erwarten, versteifte sich sein Schwanz weiter, da sie so umgehend ihren Gehorsam unter Beweis stellte. „Zieh mich aus.“
Ihre Hände zitterten, als sie nach dem Verschluss seiner Hose griff.
Joss’ Mäntel, Jacken, Hosen und Hemden war speziell für ihn angefertigt worden, sie waren die einzigen Kleidungsstücke, die jemals sein Eigentum gewesen waren. Warum er sie trug, wusste er nur zu gut: Lady Selwood hatte es ihm so aufgetragen.
„Ihre Position in meinem Haushalt ist einzigartig. Man wird Sie zusammen mit mir bei den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gelegenheiten sehen, also werden Sie sich auch entsprechend kleiden. Ich werde Sie zwar nicht immer benötigen, aber wenn es der Fall ist, dann werden Sie wie ein Gentleman gekleidet sein. Wenn ich keinen Bedarf habe, können Sie sich bei meinem Stallmeister Mr Carling melden. Er ist über Ihre Fertigkeiten in Kenntnis gesetzt worden. Er weiß aber auch, dass er sich nach Ihrer Sonderstellung hier im Haus zu richten hat. Mit anderen Worten: Meine Bedürfnisse haben Vorrang vor seinen.“
Carling, ein großer stämmiger und freundlicher Kerl, hatte spöttisch gegrinst, als Joss sich das erste Mal bei ihm zum Dienst im Stall gemeldet hatte.
„Aye, ich weiß, wer Sie sind: Lady Selwoods persönlicher Pferdepfleger, Sekretär und Wasauchimmer.“ Aber er war lachend fortgefahren: „Lady Selwood ist Amerikanerin und die machen da drüben alles ein bisschen anders.“
Die übrigen Bediensteten waren nicht annähernd so freundlich zu ihm gewesen, aber mit der Zeit hatten sie sich daran gewöhnt, Joss als Gentleman gekleidet zu sehen. Besser leiden konnten sie ihn deswegen allerdings nicht.
Annie war am letzten Knopf angekommen und er drückte sich im Sessel hoch, damit sie die Hose von seinen Beinen ziehen konnte. Sie behandelte das Stück voller Ehrfurcht und legte es ohne vorherige Aufforderung erst ordentlich zusammen, bevor sie sie weglegte. Danach wandte sie sich ihm wieder zu.
Seine weiße Leinenunterhose wies eine gewaltige Beule auf, eine kleine feuchte Stelle machte den dünnen Stoff dort sogar so gut wie durchsichtig.
„Das ist für dich“, sagte er, was aber nur zum Teil der Wahrheit entsprach.
Zwar hatte er seit Stunden immer wieder mit dieser Erektion zu kämpfen gehabt, weil er sich unentwegt ausgemalt hatte, was seine Herrin mit diesem verweichlichten Aristokraten getrieben haben mochte. Auf die Frau, die jetzt vor ihm kniete, hatte sein Schwanz aber in dem Moment reagiert, als sie nackt in seinem Bett gelegen hatte.
Schließlich war er auch nur ein Mann.
Sie zog an der Schnur und befreite ihn vom nächsten Kleidungsstück.
Joss ächzte leise und gab sich ihr hin. Er ließ den Kopf nach hinten sinken und schloss die Augen. Ihre Finger waren von der harten Arbeit schwielig, doch die Reibung war nicht unangenehm. Die Art, wie sie mit seinem Schwanz umging, verriet Joss, dass sie so etwas schon deutlich häufiger als nur ein paar Mal gemacht hatte.
Das war gut, denn an Jungfrauen hatte er kein Interesse.
Sie beugte sich vor, nahm ihn in den Mund und ließ die Zunge um die Eichel kreisen, während sie so hart saugte, dass es zwar schmerzhaft, aber von der guten Art war.
Bilder entstanden vor seinem geistigen Auge, Bilder, die eine andere Frau vor ihm kniend zeigten. Eine andere Frau, die ihn mit ihrem Mund verwöhnte. Eine andere Frau, die bereit war, ihn in sich zu spüren.
Joss sehnte sich danach, im Mund dieser Fantasiefrau zu kommen. Als er die Hand ausstreckte, um in ihre glänzenden, weichen Haare zu greifen, musste er feststellen, dass seine Finger sich in einen dunklen Lockenkopf gekrallt hatten.
Enttäuschung und Lust vermischten sich in ihm, als das sorgfältig geschaffene Bild dieser anderen Frau undeutlich wurde und sich aufzulösen begann. Nein, noch nicht! Geh jetzt noch nicht!
Doch es war zu spät. Sein Verstand entschied sich für die Wirklichkeit und gegen den Wunschtraum: Es war das Mädchen, das vor ihm kniete, nicht die Frau.
Er machte die Augen auf und ließ ihre Haare los, doch sie zog sich nicht zurück. Vielmehr nahm sie ihn noch tiefer in sich auf, ohne dass er mit den Händen oder den Hüften nachhelfen musste.
Ihre Bereitschaft, ihm Lust zu bereiten, ließ Joss’ schlechtes Gewissen erwachen, womit sich dann auch noch die letzten Überbleibsel seiner Traumgeliebten in Rauch auflösten. Der braune Lockenkopf dieser jungen Frau, der sich so emsig auf und ab bewegte, war zwar nicht der, an den er jede Nacht und oft genug auch am Tag dachte, aber diese Frau war jetzt, sie war real, und sie wollte ihn.
Joss entspannte sich und genoss ihre eifrigen, wenn auch etwas ungeschickten Bemühungen noch eine Weile. Dann schob er die Finger unter ihr Kinn und hob es an, damit sie ihr Tun unterbrach. Als sie den Blick auf ihn richtete, wiesen ihre Augen einen leicht glasigen, verständnislosen Ausdruck auf.
„H-hat es dir nicht gefallen?“
Sein Daumen wanderte aus eigenem Antrieb zu ihren feuchten, geschwollenen Lippen. Sie machte erwartungsvoll den Mund auf, doch er strich nur über ihre zarte Haut. „Es hat mir gefallen.“
Sie begann zu lächeln, ihre Wangen nahmen eine leichte rosige Färbung an, obwohl sein Lob alles andere als überschwänglich gewesen war. Er stand auf und half ihr hoch, dann zog er sein Hemd aus und warf es in den Sessel.
„Aufs Bett mit dir.“
Sie kam seiner Aufforderung nach. Er zog die Schublade des einzigen Nachttischs auf. Darin lag eine kleine lederne Hülle, aus der er ein zusammengelegtes, nicht ganz durchscheinendes Rechteck holte und in die Waschschüssel legte. Er goss Wasser darüber, um das Material geschmeidig zu machen. Als er sich umdrehte, sah Annie ihn mit riesigen Augen an.
Joss hielt den Schutz hoch. „Hast du so was noch nie gesehen?“
Sie schüttelte den Kopf.
Joss legte den eingeweichten Schlauch an die pralle Eichel und zuckte unwillkürlich zusammen, als der kalte, nasse Schafsdarm seine heiße Haut berührte. Dann begann er den Schutz über seinen Schaft zu ziehen.
„Das schützt uns beide – vor Krankheiten und vor Schwangerschaft.“
Ihr Kopf lief tiefrot an. „Ich habe keine Krankheiten.“
„Ich auch nicht.“
„Warum …“
Joss schnürte den Schutz fest zu. „Ich will nicht, dass du von mir schwanger wirst.“
Annies Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an und er überlegte, ob das wohl die Miene einer Frau war, deren Pläne soeben durchkreuzt worden waren. Doch dann lächelte sie auf einmal und ihr Blick war ganz auf seine Erektion konzentriert, nach der sie jetzt fasste.
Er schob jedoch ihre Hände beiseite, fasste sie an den Hüften und zog sie bis an die Bettkante, wo er mit seinen Knien ihre Oberschenkel auseinanderdrückte.
„Leg dich hin“, wies er sie an. Er ging in die Hocke, teilte mit den Daumen ihre Schamlippen und begann an ihrer Knospe zu saugen. Sie schmeckte heiß und süß und sie reagierte so extrem schnell, dass sie nach nur wenigen Augenblicken zum Höhepunkt kam. Sie kam hart und schnell, sie wand sich unter ihm und rieb sich an seinem Mund, um ihn zu benutzen, damit sie gleich darauf ein zweites Mal kam.
Er wartete ab, bis sie zur Ruhe gekommen war, dann ging er an ihrem Eingang in Position und drang in einem einzigen Zug ganz in sie ein.
Sie schrie auf und bäumte sich unter ihm auf, aber Joss machte weiter. Er hob ihre Hüften noch, legte die Hände um ihre schlanken Oberschenkel und ging in die Knie, um das Gleichgewicht zu wahren, während er sich weiter vor und zurück bewegte.
Sie lag wie ein Festmahl vor ihm ausgebreitet auf dem Bett, er betrachtete ihren jungen, kurvigen Körper. Sein Blick blieb an ihren vollen, festen Brüsten hängen, die bei jedem Stoß verlockend wippten. Er bedauerte es, sie so sträflich vernachlässigen zu müssen, doch er konnte seine Hoden nicht länger warten lassen.
Er legte eine Hand auf ihren Hügel und widmete sich mit dem Daumen ihrer Knospe, während er den Anblick ihrer gedehnten Schamlippen genoss, die eng um seinen Schwanz lagen. Er ließ Annie schnell kommen, was er gleich darauf wiederholte.
Als die lustvollen Zuckungen nachließen, schüttelte sie beharrlich den Kopf. „Bitte nicht, Joss“, flehte sie ihn an, als sein Daumen sie erneut zu verwöhnen begann. „Ich … kann … nicht … nicht noch einmal.“
Er lächelte, weil sie lächelte und weil er ihre Zuckungen spürte, die ihn an den Rand seiner Selbstbeherrschung brachten. Schließlich kümmerten ihn nur noch seine eigene Lust und das Vergessen, das sie mit sich bringen würde.
Joss hielt ihre Beine so hart umfasst, dass ihm seine Finger wehtaten. Dabei fickte er sie mit brutalen Stößen, bis sich sein Körper versteifte und er tief in ihrer zuckenden Hitze verweilte.
Er kam so heftig, dass es schmerzte. Er kam, bis nichts mehr in ihm war, abgesehen von Sinnlosigkeit und Frustration. Und von dem Wissen, wer er war und wieso er nie in seinem Leben das bekommen würde, was er haben wollte.