Leseprobe Die Trauzeugin

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Für Hannah, die richtige Freundin zur richtigen Zeit


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SAXBY HOUSE, DORSET, HEUTE

Die brütende Hitze ist ungewöhnlich für den britischen Sommer, vor allem an der Südwestküste, wo man eigentlich eine kühle Meeresbrise aus Dorset erwarten würde. Seit ihrer Kindheit hat sie die drückende Hitze eines langen, heißen Sommers nicht mehr erlebt. Während sie in der riesigen, stickigen Suite liegt, spürt sie, wie die Hitze tagsüber in den Raum eindringt und sie nachts wie eine dicke Decke umhüllt, die sie zwar schlafen lässt, ihr aber auch Träume von psychedelischen Farben, rätselhaften Bildern und Stimmen aus der Vergangenheit beschert. Sie stellt fest, dass sie oft mitten am Tag abdriftet und versucht, aus der aus der Kakophonie der Schreie und Rufe, die sie durch das riesige Erkerfenster hört, das sie bei Tag und Nacht weit geöffnet hält, zu entziffern, wer wer ist. Die Kinder entwickeln sich offenbar prächtig, rennen barfuß über die heißen, rissigen und staubigen Pfade zum Haus, schwingen an den federnden Ästen des Mammutbaums oder erkunden die Wildblumenwiese, streng beaufsichtigt von Renata, ihrem Au-pair, damit sie die Schmetterlinge nicht stören. Oft hört sie, wie Renata, selbst so in das Spiel vertieft, auch wieder zum Kind wird, grunzt und schreit und die Kleinen zu einem solchen Tohuwabohu animiert, dass sie nie sicher war, wer gerade den größten Spaß daran hatte. Doch egal, wie weit sie das große Fenster auch öffnet, die Luft wird nicht besser – sie bleibt stickig und schwer.

Heute war ein besonders schlechter Tag für sie, also kommt sie nicht umher, ihrer Gewohnheit schmerzhafte Erinnerungen heraufzubeschwören treu zu bleiben, während sie den Brief an ihre Brust drückt.

Sie sitzt aufrecht im Bett, das dünne Baumwolllaken zu ihren Füßen schlangenförmig zusammengerollt, die Kissen, prall und dick, hinter Rücken und Nacken, als das vertraute leise Klopfen ertönt. Hastig schiebt sie den Brief unter ihr Kopfkissen. „Komm herein, Liebling.“ Ihre Stimme ist heiserer und hohl.

Die Tür öffnet sich einen Spalt und eine kleine Stupsnase erscheint. Sie streicht über die Laken neben sich, die siebenjährige Lauren kommt vorsichtig näher und klettert auf das Bett. Sie nimmt Laurens kleine Hand in ihre und betrachtet den Schmutz zwischen den Falten der Handfläche und unter den Fingernägeln. „Vergiss nicht, sie vor dem Mittagessen gut zu schrubben.“ Lauren nickt. Sie hält die Hand des kleinen Mädchens fest und lässt ihren Kopf wieder auf das Kissen sinken, die langen grauen Locken fallen ihr über Schultern und Brust, sie fühlt sich zu schwach, um sie hochzustecken. Sie hat ihr Haar immer sehr kurz getragen, ohne einen Hauch von Grau. „Und lass dir von Renata helfen, wenn es dir zu schwer fällt.“ Sie schließt die Augen, kann das folgende Nicken aber spüren, dann ein festes Drücken ihrer Hand, das sie zwingt, die Augen zu öffnen. Lauren lächelt sie an, als sie den Blick senkt, und sie nimmt sich einen Moment Zeit, das kleine Mädchen zu betrachten: ihr sonniges, strohblondes Haar, zerzaust vom Spielen am Morgen, ein paar neue dazugekommene Sommersprossen auf dem Nasenrücken, von den letzten Tagen, die sie draußen verbracht hat. Sie erlaubt sich oft in Gedanken „Was wäre, wenn“ zu spielen. Ein qualvolles Spiel, dem sie sich nur hingibt, wenn sie sich sehr einsam fühlt oder sich selbst bemitleidet. Und so ging es ihr den ganzen Morgen. Irgendwie muss sie einen Weg finden, all das zu verdrängen. Sie sollte mehr Dankbarkeit für ihre Situation aufbringen, das weiß sie, denn aus der Außenperspektive erscheint das natürlich alles wie ein perfekter Traum. Die idyllische Lage des großen Landsitzes, das Au-pair der Kinder und Ameel, der Koch, unten, mit einem so treffenden Namen, dass er die Kinder jedes Mal zum Lachen bringt, wenn sie ihn sehen. Wie viel Platz es auch gibt, wie viele seltene und schöne Pflanzen es zu entdecken und zu bewundern gibt und so viele Süßigkeiten und Leckereien es auch gibt, um die Kinder abzulenken, nichts kann die Panik vertreiben, die Tag und Nacht in ihrer Brust brodelt. Denn manche Dinge, egal, wie weit sie in der Vergangenheit liegen, sind noch immer nicht abgeschlossen. Sie weiß, was sie zu tun hat, sie muss nur die Kraft dafür aufbringen, es zu tun. Lauren beugt sich zu ihr herüber, unterbricht ihre Erinnerungen und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Als sie sie den Raum verlassen sieht, kann sie ein kühles Prickeln auf ihrer Haut spüren, an der Stelle, die Laurens Lippen gerade berührt hat. Sie lässt einige Augenblicke verstreichen. Als sie sicher ist, dass sie nicht noch einmal gestört wird, holt sie den Brief unter ihrem Kopfkissen hervor. Die Ränder sind vergilbt, das dünne Papier fast durchsichtig. Aber sie muss ihn nicht noch einmal lesen, um zu wissen, welche Wörter darinstehen. Sie kennt sie auswendig, sie verfolgen sie seit über einem Jahrzehnt. Sie weiß, dass es Zeit ist.

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SAXBY HOUSE, DORSET, AUGUST 1990

Mit hämmerndem Herzen kam ich zum Cottage zurück. Den braunen Schuhkarton fest an die Brust gepresst, blickte ich in den wolkenlosen, tiefschwarzen Himmel, in dem unendlich viele Sterne funkelten. Hinter mir schrie eine Eule. Obwohl ich mich an die Geräusche der Natur gewöhnt hatte, machte ich jetzt einen Satz wie ein kleines Mädchen und fühlte mich nicht mehr wie der eigensinnige Teenager, der ich eigentlich war.

Bald würde man mich vermissen, meine Eltern suchten bestimmt nach mir. Aus dem Haupthaus drangen bereits undeutliche Stimmen herüber: Das waren sie. Ich musste hinein, bevor meine Eltern mich bemerkten. Ich fragte mich, wie ich wohl aussah, als ich mein Haar berührte – es war verfilzt und nass. Meine Kleider waren voller Blätter und Schmutz. In der Dunkelheit war es schwer zu erkennen, aber ich wischte mich schnell mit der freien Hand ab. Es war sinnlos, denn ich musste meine Kleider ohnehin in die Waschmaschine schmuggeln.

Plötzlich spürte ich das Gewicht des Kartons in meiner Hand. Ich drückte ihn fester an meine Brust. Es war zu spät, die Stimmen wurden immer lauter. Wenn ich mich weiter in den Schatten stellte, würden sie mich vielleicht nicht sehen, aber das Knirschen meiner Gummistiefel auf dem Kies verriet mich.

Meine Mutter rief. Hinter ihr konnte ich gerade so das Gesicht einer anderen Person erkennen, die so finster dreinblickte, als ob sie bereits wüsste, was ich getan hatte.

Ich murmelte eine Entschuldigung und rannte los. Im Haus stürzte ich in mein Zimmer im obersten Stock und schloss die Tür. Ich hatte nur noch ein paar Minuten. Ich nahm den alten Koffer vom Schrank, der halb voll mit alten Jackie-Magazinen war. Dann stopfte ich die Schachtel darunter, schloss den Koffer und stellte ihn vorsichtig zurück auf den Schrank. Ich zitterte, etwas in meiner Gesäßtasche bohrte sich in meinen Körper. Ich zog es heraus und hielt es in der Hand. Dass er da war, hatte ich schon vergessen. Ein Schlüssel an einem Totenkopfanhänger aus Elfenbein. Mir lief ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, dass er hier in meinem Zimmer war, aber es war zu spät, ihn jetzt zurückzugeben. Ich stopfte ihn unten in meine alte Verkleidungskiste, die seit über einem Jahr nicht mehr benutzt worden war.

Ich setzte mich auf mein Bett.

Vier Worte schossen mir durch den Kopf.

Was hatte ich getan?

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TSILIVI, GRIECHENLAND, MAI 2009

Vier Monate bis zur Hochzeit

Das warme Wasser umspielt meine Knöchel, während meine Füße im Sand versinken. Ich blicke zum Horizont, an dem sich der Himmel golden und feuerrot färbt, während die Sonne langsam untergeht. Eine angenehme Gänsehaut kitzelt meine Arme, und ich ziehe den leichten Schal enger um meine Schultern. Der sinnliche Beat des DJs wird lauter und fordert mich auf, zur Party zurückzukehren und mich meinen Freunden anzuschließen. Ich drehe mich um und gehe ein paar Meter am Ufer entlang, sammle meine Sandalen aus dem Sand, der Saum meines Baumwollrockes klebt an meiner feuchten, salzigen Haut. Von der Terrasse ertönt lautes Gelächter, und ich schaue zur Strandbar hinauf und beobachte meine beste Freundin aus der Ferne, von der Seitenlinie aus, von dort, wo ich gefühlt schon immer stand: als Zuschauerin in ihrem Leben, nie ganz integriert.

Heute Abend ist sie der Mittelpunkt und die Seele der Party, das ist nicht ungewöhnlich für Caitlin Anderton. Sie strahlt ein Selbstbewusstsein aus, das ich seit Jahrzehnten auch für mich entwickeln möchte. Caitlin ist die Art Mensch, um den sich Männer und Frauen scharen. Heute Abend sieht sie besonders umwerfend aus in ihrem langen weißen Trägerkleid, das ihren wohlgeformten, gebräunten Körper umspielt. Ihr Haar, das sie jetzt kupferrot und kurz trägt, ist aus dem Gesicht gekämmt und mit irgendeinem Mittel fixiert. Auf der Nasenwurzel und auf den Wangen sind Sommersprossen aufgetaucht; ich weiß, dass sie es hasst, aber sie machen sie für mich einzigartig. Eine kleine Gruppe hat sich um sie geschart. Einige sind die Handvoll Mädchen, die mit uns gekommen sind, andere haben wir heute Abend kennengelernt.

Es ist der letzte Abend unserer Reise nach Tsilivi in Griechenland. Der Junggesellinnenabschied. Der Junggesellinnenabschied, der keiner ist. Kaum hatte sie sich im April mit Chuck verlobt, hatte Caitlin auf Urlaub bestanden. Doch obwohl es um die Einstimmung auf die Hochzeit ging, wurde den wenigen Mädchen, die Caitlin begleiten durften, unmissverständlich gesagt, dass es kein Junggesellinnenabschied sei. Caitlin hält nicht viel von Traditionen und sorgte schon im Vorfeld dafür, dass es bei der Hochzeit nichts geben würde, was auch nur im Entferntesten an Klischees erinnerte. Ich wurde zur Trauzeugin ernannt, die durfte es immerhin geben, aber nur, weil ich einen Titel für all die Mühen brauchte, die ich auf mich genommen hatte, um Caitlins Hochzeit perfekt zu machen. Aber ich nahm die Rolle an. Ich fühlte, dass ich es ihr schuldig war. Mehr als je zuvor. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass Caitlin das Gleiche für mich tun würde: sich um die Organisation kümmern, ihre ganze Freizeit opfern, um Flüge zu buchen, Locations zu organisieren, Blumen zu besorgen und all die anderen endlosen kleinen Aufgaben, die für eine reibungslose und unvergessliche Hochzeit erledigt werden müssen. Aber das ist nur einer der vielen und großen Unterschiede zwischen uns. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, wie wir als Freundinnen so lange durchhalten konnten.

Aber ich kann mir eine Welt ohne Caitlin nicht vorstellen. Wir sind schon so lange befreundet, und als Kinder waren wir immer Sasha und Caitlin, Caitlin und Sasha, glichen einander wie ein Ei dem anderen. Ich habe oft versucht, mir vorzustellen, wie meine Welt ohne Caitlin sein wird, aber der Gedanke ist mir noch nicht ganz geheuer.

Heute war der heißeste Tag bisher, und wir haben den ganzen Tag am Strand verbracht. Jetzt sitzen wir in der Strandbar um die Ecke, während die Hitze, die vorhin noch auf meiner Haut gebrannt hat, weiterhin in der Luft liegt und meine Arme und Beine kitzelt. Das perfekte Ende eines perfekten Tages. Und ich bin dabei, das alles zu zerstören.

Immer wieder ging ich das Szenario durch: Wann wäre der beste Zeitpunkt, es Caitlin zu sagen? Wie werde ich es ihr sagen? Aber es hat keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken; ich weiß, dass ich es tun muss, und ich weiß, dass es jetzt an der Zeit dafür ist.

Meine Jugendfreundin, die ich seit meinem zwölften Lebensjahr kenne, steht nur wenige Meter von mir entfernt, sieht aus wie das bekannteste It-Girl. Bin ich bereit es zu tun? Ich weiß nicht, warum ich beschlossen habe, dass gerade heute der Tag dafür ist, genau wenn Caitlin so selbstbewusst und glücklich wirkt. Vielleicht, weil ich dachte, dass diese Besonderheiten sie beschützen würden. Wie auch immer, ich bin bereit, die Geheimnisse zu verleugnen, so wie Caitlin mich sicher verleugnen wird, wenn ich es ihr erzähle. Genau so, wie ich seit dem Tag, an dem ich sie kennengelernt habe, erwartete dass sie mich zurückweisen würde.

Wir hatten es irgendwie geschafft, uns durch zwei Jahrzehnte Freundschaft zu navigieren, obwohl die Ungleichheit gegen uns standen.

Aber hier sind wir nun, zwei alte Freundinnen, die Vergangenheit zwischen uns, die Wahrheit kurz vor der Enthüllung.

Das Geheimnis, das ich vor Caitlin ferngehalten habe, ist im Begriff, ans Licht zu kommen. Ich stelle mir vor, wie es aus mir herausbricht und dann zwischen uns steht, wir beide dann das Entsetzliche anstarren, keine von uns mutig genug, um es zu berühren.

Ich schaffe es zur Bar, als Caitlin endlich der Traube um sie herum entkommt. Ich hüpfe auf einen Barhocker und sehe, wie sie auf mich zukommt, in der Hand ein Glas mit etwas Großem, Sprudelndem. Verzweifelt versuche ich mich zu beruhigen. Hier ist es wärmer als unten am Strand, in der Hitze von den vielen Körpern und den Barlichtern. Ich bestelle ein Glas Wasser beim Barkeeper und stürze es in drei Schlücken hinunter. Die Sonne war gerade dabei, nahtlos am Horizont zu verschwinden, der feurige Himmel verwandelt sich in ein Dunkelblau.

Caitlin wurde wieder für irgendwas in die Menge gezogen. Meine Nerven liegen blank. Ich schaue mich ängstlich um, als könnte jemand herauskommen und mich retten, die Worte für mich aussprechend. Vielleicht könnte diese Person Caitlin sagen, dass nichts davon meine Schuld ist. Ich starre auf den letzten Sonnenstreifen, der sich über dem Wasser ausbreitet, eine dünne Linie, die mir entgegen blinzelt und mein Zögern höhnisch nachahmt.

Ich denke an die Luxuswohnungen, in denen wir ein paar Kilometer entfernt wohnen, und wünsche mir plötzlich, dort zu sein. Caitlin war entschlossen, dass wir eine Unterkunft an der Meeresküste haben würden, als sie zum ersten Mal von einem Urlaub im Ausland sprach. Aber so kurzfristig konnte ich uns nur einen Meerblick verschaffen. Caitlin versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen, aber wenn man den Gesichtsausdruck eines Menschen über zwei Jahrzehnte hinweg beobachtet hatte, sind die die Emotionen, die zu überspielen versucht werden, niemals wirklich verbergen.

Caitlin ist wieder unterwegs. Mir läuft die prickelnde Hitze den Rücken hinunter. Ich stelle mir vor, wie ihr Gesicht aussehen wird, wenn ich es ihr sage, und wie ich mich an sie als Kind erinnern werde. Ich bin mir sicher, dass sie diesen Ausdruck in den Augen haben wird, der darauf hinweist, dass Tränen fließen werden, aber das tun sie nie. Ihre Gefühle wurden stets von den Jahren in einem strengen Internat und einer Mutter geprägt, die beim kleinsten Anflug von Traurigkeit zu zittern schien. Sie würde sich um ihrer Würde willen zusammenreißen.

Ich schaue Caitlin an, wie sie auf mich zukommt, ihr Kleid wippt mit jedem Schritt. Es ist definitiv zurückhaltender als die meisten Outfits, in denen ich sie gesehen habe. Caitlins verrückter Kleidungsstil war einer der Aspekte, den ich an ihr am attraktivsten fand, sie hatte sich früher so gerne schick gemacht und war bei Anlässen immer overdressed. Das hatte sie bis in ihre Zwanziger beibehalten, und mein Ärger darüber war kein Geheimnis, warum konnte sie zu einem Kinobesuch nicht einfach in Sweatshirts oder Jeans erscheinen, anstatt in purpurroter Bluse, smaragdgrünen Schlaghosen und lilafarbenen Stöckelschuhen. Aber in letzter Zeit schien sie nur noch Weiß und Schwarz zu tragen, und ich habe mir diese plötzliche Änderung ihres Kleidungsstils mit dem Tod ihrer Großmutter Josephine erklärt. Es ist, als wäre auch ein Teil von Caitlin gestorben.

Man sagt, Gegensätze ziehen sich an, und Caitlin war in vielerlei Hinsicht immer mein Gegenteil gewesen. Als wir älter wurden, merkte ich, dass unsere Freundschaft nicht so sehr auf gemeinsamen Vorlieben oder dem Bedürfnis beruhte, einander Ängste und Sorgen anzuvertrauen. Vielmehr wurde sie für mich zu einer Bestätigung unserer Bemühungen um eine Freundschaft, die es nie gegeben hätte, wenn ich nicht von Hackney nach Dorset gezogen wäre.

Im Laufe der Jahre hatte ich immer mehr das Gefühl, dass ich wegen unserer Verbindung zum alten Saxby House mit ihr befreundet bleiben musste. Es war unser geheimer Ort abseits der Gesellschaft; die Jahre der Jugend und Unschuld, die wir miteinander verbracht hatten, waren etwas, das niemand sonst verstehen würde, und daran wollte ich festhalten.

Ich spüre schon einen Kater, und es ist noch nicht einmal neun Uhr. Ich habe heute einfach entschieden zu viel getrunken, jedenfalls zu viel für meine Verhältnisse. Ich war noch nie eine geübte Trinkerin.

Caitlin wird auf dem Weg zu mir wieder aufgehalten, dieses Mal von einem Mann, und sie lacht ausgelassen über etwas, das er gesagt hat. Ich stelle mir vor, wie Endorphine durch ihren Körper strömen, die sie dann beschützen werden, wenn ich die Neuigkeiten verkünde.

Caitlin kommt weiter durch die Menge. Sie erreicht die Bar, streckt dem Barmann die Hand entgegen und trinkt den letzten Rest ihres zischenden, pinkfarbenen Drinks.

Ich will etwas sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken, der jetzt trocken und kratzig ist, obwohl ich gerade ein Glas Wasser getrunken habe. Im Stillen verfluche ich denjenigen, der es für eine gute Idee hielt, den Tag mit Pina Coladas zu beginnen.

Ich schlucke und räuspere mich.

„Caitlin.“

Sie wirft mir einen Blick zu, während ich versuche, einen Tonfall zu finden, der liebevolle Aufrichtigkeit ausdrückt.

„Ich muss …“ Ich halte inne und hole tief Luft. „Ich muss dir etwas sagen.“

„O Mann! Das klingt aber ernst“, sagt sie. Dann sieht sie den Barkeeper an. „Zwei Slippery Nipples.“

Der Barkeeper nickt und stellt die Rechnung aus. Sie hält ihre Bankkarte hin und drückt sie auf das Gerät, das der Barkeeper in der Hand hält. Sie dreht sich wieder zu mir um. „Kann das warten, bis das Glas leer ist? Der Typ da drüben hat mir diese Shots empfohlen. Ich meine, ich habe davon gehört, aber ich habe noch nie einen getrunken, wenn du verstehst, was ich meine!“ Sie lacht den Barkeeper an, der zurücklächelt.

Caitlin lehnt sich an die Bar und beginnt darüber zu reden, dass wir morgen nach Hause fahren und wie wunderbar die Auszeit war. „Genau das Richtige“, sagt sie. „Gut, dass du diesen Ort so kurzfristig gefunden hast.“ Sie hält inne, bevor sie weiterredet. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde, Sasha.“ Den letzten Teil spricht sie irgendwie undeutlich.

Meine Umgebung verschwimmt, als ihre Worte von der Meeresbrise erfasst werden. Was würde sie ohne mich tun? Ich war für sie da, seit sie ein Kind ist. Ich war immer für sie da, wenn ihre Eltern nicht die Eltern waren oder die sein konnten, die sie brauchte. War es mir das wert, so viel Verbindung wegzuwerfen? Hier? Heute Abend?

Der Barkeeper holt zwei Schnapsgläser hervor: dunkelrot am Boden, klare Flüssigkeit in der Mitte und oben eine braune, cremige Spirituose.

„Oh mein Gott, schau dir das an“, ruft Caitlin. „Ex und hopp!“ Sie kippt sich einen hinter die Binde, ohne mit der Wimper zu zucken. „Den anderen nehme ich mit zu dem Typen da drüben, Daz oder Gaz … oh, ich hätte dir auch einen bestellen sollen, meine Trauzeugin.“ Caitlin schleicht sich an mich heran und streicht mit ihren Lippen über meine Wange. „Aber du trinkst doch nicht so viel, oder? Ich hole dir später noch einen.“

Sie geht zurück zu ihrer wartenden Gruppe. Dann bleibt sie stehen, dreht sich um und ruft über die Musik hinweg.

„Entschuldige, was wolltest du sagen?“

Es ist, als wären alle Worte, die ich mir zurechtgelegt habe, verflogen.

Ich schüttle den Kopf. „Ich wollte nur sagen, was für eine tolle Zeit ich hatte. Wir alle.“ Ich erzwinge ein Lächeln, aber es fühlt sich schwach an. Vielleicht ist Caitlin zu betrunken, um das zu bemerken. Sie dreht sich wieder um und geht in die Richtung, in die sie gekommen ist, aber ich höre, wie sie mir zuruft:

„Du bist manchmal so ein komischer Kauz.“

Ihre Worte, so vertraut, verspotten mich.

Es war eine dumme Idee, heute Abend mit Caitlin zu reden – sie ist zu vereinnahmt. Aber das ist sie aktuell immer. Ich werde einen anderen Weg finden, zu einem anderen Zeitpunkt. Aber es muss bald sein. Ich muss ihr erzählen, was ich über jenen Sommer in Saxby weiß. Über alles, was passiert ist.

Was als wunderbares Abenteuer begann, eine Freundschaft beginnen ließ und festigte, brachte bald tief vergrabene Geheimnisse ans Licht.

4

SAXBY HOUSE, DORSET, JULI 1988

Ich roch den süßlichen Duft meines eigenen Schweißes, der von einem Tag auf dem Schulhof herrührte, an dem ich Sport getrieben und Gänseblümchen gepflückt hatte. Ich saß auf dem Beifahrersitz von Dads Volvo-Kombi, meine Beine klebten am warmen Leder. Aus meinem Sony-Walkman dröhnte das Album von Tracy Chapman. Seit es im Frühjahr herauskam, war ich davon besessen und spürte ein aufregendes Kribbeln am Anfang jedes Liedes. Ich hörte es so oft, dass ich fast verstehen konnte, was sie sich beim Schreiben der Lieder gedacht hatte. Mum sagte, ich sei verrückt, während Dad nur lächelte und meinte: „Gut für dich, Mädel.“ Er liebte seine Musik. Tagsüber schnitt er Blumen und Hecken, aber nachts sang er in einer Rockband. Zumindest tat er das, bevor wir vor zwei Monaten hierhergezogen waren.

Das Auto rumpelte die Auffahrt des fünfzig Morgen großen Anwesens Saxby hinunter, wo Dad als Chefgärtner arbeitete und Mum als Köchin auch den Haushalt führte. Für ihre Arbeit bekamen sie ein ansehnliches Gehalt und ein hübsches Cottage mit drei Schlafzimmern direkt neben dem Haupthaus, mit eigenem Garten. Aber der eigentliche Garten war das Gutsgelände. Manchmal begleitete ich meinen Dad bei der Arbeit, manchmal verschwand ich einfach und erkundete die Umgebung. Dad sagte mir, ich solle vorsichtig sein und schnell nach Hause kommen, wenn ich Mrs Clemonte, die Dame des Hauses und Dads Chefin, sehen würde. „Denk dran, ich bin hier um zu arbeiten, Sasha – wir dürfen sie nicht stören.“ Das hörte ich immer wieder, aber die Worte hatten nie wirklich eine Wirkung. Das Leben in Saxby war in vielerlei Hinsicht aufregend, und ich fühlte mich vom Haus und der Familie Clemonte angezogen. Egal, was meine Eltern sagten, Josephine Clemonte war immer nett und redete manchmal ewig mit mir. Aber das habe ich meinen Eltern nicht erzählt.

Ich wusste, dass ihnen diese Arbeit so viel bedeutete, dass sie jetzt hier glücklich waren. Mein Bruder Hunter auch. Aber ich war traurig, als wir zum ersten Mal und meilenweit von London und all unseren Freunden und Verwandten wegziehen mussten. Aber Mum sagte, sie hätte genug von der Stadt und wolle uns nicht dort aufwachsen sehen. Sie sagte, wir würden neue Freunde finden und das tat ich in der Schule. Und ja, in Saxby zu leben war viel schöner als in der spröden Siedlung, in der wir in Hackney gewohnt hatten, aber ich vermisste meine alten Freunde, das Herumhängen im Hof und auf dem Parkplatz vor den Häusern. Ich vermisste die Jungs auf ihren BMX-Rädern, die Wheelies und Stunts auf weggeworfenen Holzstücken machten. Ich vermisste es, auf dem Rasen vor den Häusern zu sitzen, im Jackie-Magazin zu blättern und mit unserem Kaugummi rosa Blasen zu machen und zu denken, dass wir die Größten waren, weil wir gerade das Geheimnis der Jungs durch ein paar unbedeutende Zettel aufgedeckt hatten.

Saxby kam in Sicht, als wir um die Ecke bogen, wo der Holunderbaum stand. Seine Zweige, die normalerweise eine Fülle von Blüten trugen, waren verdorrt und bräunlich. Die verbliebenen Blüten würden sich nun in Beeren verwandeln. In der kurzen Zeit seit unserer Ankunft hatte ich so viel über Pflanzen und Blumen gelernt. Meine Mutter hatte die meisten Blüten gepflückt und so viel süßen Holunderblütensirup gekocht, den ich, wie sich herausstellte, sehr mochte. Sie hatte ihn im obersten Regal versteckt, holte nur einmal am Tag eine Flasche herunter und reichte mir ein Glas, als wäre es Medizin.

Ich war immer noch sehr beeindruckt, als wir in die Einfahrt bogen und das kunstvolle Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert uns begrüßte. Selbst mit seinen verblassten roten Ziegeln stand es stolz da, mit seinen drei Stockwerken und sechs Kaminen. Die großen, hohen schmiedeeisernen Tore standen immer offen, und es gab eine breite Auffahrt, die auf beiden Seiten von Wildblumen gesäumt war. Am oberen Ende der Auffahrt bildete die schwere hölzerne Eingangstür ein majestätisches Entree für die vielen Gäste, die Saxby besuchten. Dad sagte, das ganze Haus müsse renoviert werden, aber von außen war davon nichts zu sehen. Es war das schönste Gebäude, das ich je gesehen hatte. Mit seinen hohen Bogenfenstern, die von schweren Vorhängen eingerahmt waren und die in perfekten Kurven herabhingen. Ich war glücklich in unserem Häuschen, aber wenn ich aus dem Wohnzimmerfenster oder aus dem Schlafzimmerfenster meiner Mutter schaute, war da Saxby House, das wie ein älterer, weiserer Verwandter auf uns hinunter blickte.

„Heute ist jemand Neues im Haupthaus – sie freut sich darauf, dich kennenzulernen“, sagte Dad, als er vor dem Cottage anhielt. Er stellte den Motor ab, ich schnallte mich ab, aber wir blieben beide sitzen. Durch die offenen Fenster spürte ich die stille Wärme der Luft.

Hunter, mein achtjähriger Bruder, sprang aus dem Auto und rannte ins Haus, bereit für seinen Snack, einen Saft und eine Pause, bevor er wieder bereit war, herumzutoben.

„Das ist Caitlin, erinnerst du dich daran, dass wir sie erwähnt haben? Sie ist Mrs Clemontes Enkelin.“ Er hatte das Gefühl, er müsse ein gewisses Maß an Professionalität an den Tag legen, wenn er über die Dame des Hauses sprach, aber Mrs Clemonte hatte mir an dem Tag, an dem ich sie kennenlernte, leise gesagt, ich solle sie Josephine nennen. Ich erinnerte mich, dass Dad einmal Caitlin erwähnt hatte, und Josephine hatte sie ein paar Mal erwähnt, aber ich war noch nie in einem der offiziellen Salons in Saxby gewesen, also hatte ich auch keine Fotos von ihr gesehen.

„Sie ist genau so alt wie du.“ Dad drehte sich in seinem Sitz zu mir um. „Sie ist die Tochter von Ava und Maxwell. Die haben auch Zwillingssöhne. Ich weiß ihre Namen nicht mehr, aber ich habe Caitlin heute kennengelernt.“ Dad schaute aus dem Fenster, immer darauf bedacht, dass ihn niemand beobachtete oder belauschte, bevor er murmelte: „Neugieriges kleines Ding. Sie hat mir viele Fragen zur Gartenarbeit gestellt.“ Er sah mich wieder an. „Ich glaube, sie bleiben alle für ein paar Wochen im Sommer, und jetzt, wo Caitlin etwas älter ist, bleibt sie manchmal über die ganzen Schulferien. Sie scheint eine Leidenschaft für botanisches Zeichnen zu haben.“ Den letzten Teil des Satzes sagte Dad mit einer übertrieben distinguierten Stimme, die in krassem Gegensatz zu seinem üblichen Londoner Akzent stand.

„Oh, botanisches Zeichnen“, sagte ich und ahmte ihn nach.

Wir mussten beide kichern. Dad streckte seine Hand aus, die Handfläche nach oben, und ich legte meine Hand darauf. Dann drückte er sie. Das war unsere kleine Geste, Dads Art, mir zu sagen, dass ich stark oder mutig sein sollte oder, dass alles in Ordnung war. „Schau, mein Kind, ich weiß, dass die Dinge anders sind, dass diese Menschen nicht ganz so sind wie wir, dass manche ihrer Verhaltensweisen und Meinungen sich von unseren unterscheiden.“

Sofort musste ich an das Gespräch über die Fuchsjagd denken, das ich im Hof mitgehört hatte, und daran, dass sie hier eine „absolute Notwendigkeit“ sei. Aber ich hatte in den Nachrichten gesehen, dass es Leute gab, die die Fuchsjagd verbieten wollten. Für mich schien das nicht notwendig zu sein. Es erschien mir grausam und herzlos. Und als ich später in der Woche am anderen Ende des Feldes, in der Nähe der Einfahrt, zwei Junge aus dem Gebüsch krabbeln sah, behielt ich es für mich. Ich tat mein Bestes, um sie vor der Clemonte-Familie zu beschützen.

„Ich weiß, dass es schwer war, all deine Freunde am Ende deines ersten Sekundär-Schuljahres zurückzulassen, aber Caitlin scheint nett zu sein. Vielleicht wäre es gut, wenn du gelegentlich jemanden zum Spielen hättest? Du hast dich wirklich gut an dein neues Leben gewöhnt. Aber dieses Mädchen, diese Caitlin, sie scheint, ich weiß nicht, anders zu sein als die anderen. Ich glaube, du wirst sie mögen.“

„Ist sie jetzt hier?“, fragte ich und schaute durch das heruntergelassene Fenster auf das edle, weitläufige Haus, das auf mich herabblickte.

„Ja, sie ist im Haus. Die Clemontes sagten, du solltest rüber kommen, sobald du dich nach der Schule frisch gemacht hast.“

„Für diese Treffen muss man vorzeigbar aussehen“, sagte ich wieder spöttisch.

„Muss man. Und jetzt geh rein. Ich hole dich in einer halben Stunde ab und bringe dich hin.“

Ich warf meine Schultasche in den Flur und konnte schon Mums Anklage hören, wie sie später nach Hause käme und sicher darüber stolpern würde, so wie sie es jeden Abend tat.

Ich ging durch den Flur mit dem Holzboden und den Holzbalken, die durch den Putz der Wände schauten. Meine Mutter hatte bei der Besichtigung des Hauses nur gestaunt und davon geschwärmt, wie sehr ihr der Charakter des Hauses gefiel und wie sehr sie es genießen würde, alle Ecken mit ihren Lieblingsgegenständen und Büchern zu füllen. Ich ging am Wohnzimmer zu meiner Rechten vorbei, wo Hunter gerade eine Tüte Chips und einen Beano-Comic verschlang.

Die Küche lag am Ende des Flurs: ein langer Raum mit einem großen Fenster, das auf den Garten hinausging – ein rundes Stück Rasen, mit einem Apfelbaum in der Mitte und einem kleinen Gemüsebeet am Ende. Nichts im Vergleich zur Größe und Pracht des Gartens der Clemontes, aber es war gemütlich und heimelig.

Ich goss mir ein Glas Orangensaft ein und nahm einen Apfel aus dem Kühlschrank, bevor ich die Küche verließ und die Treppe zu meinem Zimmer hinaufging, von dem aus man ebenfalls den Garten sehen konnte. Dabei fiel mir der Schatten des Haupthauses von Saxby auf. Es war so riesig und unser Häuschen so klein, dass ich seine Präsenz spürte, egal wo ich mich auf dem Grundstück befand.

Ich zog meine Schuluniform aus und streifte mir ein Paar hellblaue, ausgefranste Jeansshorts über und zog ein weißes Trägerhemd über meinem BH. Mein Körper begann sich zu entwickeln, und meine Mutter sagte immer wieder, dass es bald Zeit für das „große Gespräch“ sei. Aber bis jetzt hatte dieses Gespräch noch nicht stattgefunden. Gott sei Dank.

Ich betrachtete mich in dem neuen ovalen Spiegel, den meine Mutter auf meinen Schminktisch gestellt hatte. Er war nicht ganz gerade, also schob ich ihn ein wenig nach rechts. Dabei rutschte er zur Seite. Ich streckte die Hand aus, um ihn zu packen, aber bevor ich ihn zu fassen bekam, knallte er auf den Schminktisch und zerbrach in winzige Stücke, hunderte Glassplitter verteilten sich auf dem Tisch und auf dem Teppich zu meinen Füßen.

Ich betrachtete das Chaos. Ich machte mir keine Sorgen über Mums Reaktion darauf; ich wusste, sie würde wütend sein und versuchen, es auf meine Ungeschicklichkeit zu schieben, aber sie würde darüber nachdenken und einsehen, dass es klüger gewesen wäre, Dad zu bitten, ihn an die Wand zu nageln.

Alles, woran ich denken konnte, als ich aus dem Zimmer trat und die Scherben auf dem Boden betrachtete, war, dass ich nun mit sieben Jahren Unglück verflucht war.

Dad und ich gingen über den Hof zum Saxby House, und er führte mich die Treppe hinauf. Pippy und Purdy, Josephines Border Collies, sprangen uns entgegen, um uns zu begrüßen. Ich streichelte beide, und sie folgten uns durch die Hintertür in die große Küche, in der meine Mutter arbeitete. Ich stand neben dem Aga, der das ganze Jahr über für Wärme sorgte, und sofort lief mir der Schweiß über den Rücken. Mum beschwerte sich regelmäßig über die Hitze in Josephines Küche und sagte, dass diese Leute mehr Geld als Verstand hätten, und da saß sie nun und wischte schwitzend das Besteck am Küchentisch ab. Dad drückte Mum einen kurzen Kuss auf die Wange, sie zuckte zusammen und schob ihn spielerisch weg. „Oh, zu stachelig, das ist wie ein Igelkuss.“

Dad rieb sich die Stoppeln. „Ich mag das irgendwie – so fühle ich mich kräftiger.“

„Weißt du, du solltest ein bisschen mehr auf dein Äußeres achten, Phil. Vor allem, wenn du hierherkommst“, zischte Mum.

„Ich bin der Gärtner, nicht der verdammte Butler“, erwiderte Dad.

Ich lauschte dem Gespräch meiner Eltern und sah mich in der Küche um, während sich in meiner Magengrube ein Nervenflattern zusammenbraute. Ich wusste, dass ich Mum von dem zerbrochenen Spiegel im Cottage erzählen musste, denn seit wir aus Hackney weggezogen waren, legte sie plötzlich so viel Wert auf die schönen Dinge, die sie gekauft hatte. Aber ich war nervös, Caitlin zu treffen. Es war dumm, ich traf nur Josephines Enkelin, aber irgendetwas daran war ungeheuerlich imposant. Bis jetzt war meine Zeit in Saxby ziemlich ruhig gewesen. Ich war bereit für ein Abenteuer. Zu wissen, dass ich Caitlin treffen würde, war etwas Besonderes.

Dad sagte, dass er sich mit Mum zum Tee treffen würde, zwinkerte mir kurz zu und sagte: „Viel Glück“, was meine Nerven nur noch mehr zum Flattern brachte.

Ich schlich mich an den Tisch, an dem meine Mutter eifrig einen silbernen Kerzenständer für eine Dinnerparty am Wochenende polierte.

Ich trat näher. Vielleicht wäre ich besser auf das Treffen mit Caitlin vorbereitet, wenn ich das Geständnis über den zerbrochenen Spiegel loswerden könnte. Ich beugte mich vor und sprach leise. „Mum, ich, ähm, ich …“

„Was ist denn, Schatz? Sprich lauter, du weißt, ich mag es nicht, wenn du nuschelst.“ Mum rieb mit viel Druck an einer hartnäckigen Stelle des Kerzenständers, ihr Gesicht in höchster Konzentration verzerrt.

„Ich, ähm …“

Bevor ich mein Geständnis machen konnte, gab es einen Tumult direkt vor der Küchentür und ein junges Mädchen mit langen, dunklen, dicken, gewellten Haaren drängte sich in die Türöffnung.

Das muss sie sein, das muss Caitlin sein, dachte ich. Sie hatte rosige Wangen in einem Porzellangesicht und Sommersprossen, die auf jeder Wange begannen und sich an der Nasenwurzel trafen. Mir fiel das Blau ihrer Augen auf, fast türkis. Sie trug ein lila-oranges Kittelkleid und darunter rosa Leggings. Ich musste mich beherrschen, um nicht über ihr gewagtes Outfit zu kichern. An der Tür wurde sie von einer großen, rosigen Brünetten überholt, die jünger aussah als meine Mutter. Direkt hinter ihr standen zwei kleine Jungs, die etwa vier Jahre alt zu sein schienen, und ich vermutete, dass es sich um Caitlins Zwillingsbrüder handelte.

Hallo, ich bin Natalie, Caitlins Kindermädchen“, sagte die Frau, „und diese beiden Störenfriede sind Troy und Abel.“ Natalie versuchte, sie zum Winken zu bewegen, aber beide versteckten sich hinter ihren Beinen.

Dann fühlte ich mich wie in einem Disneyfilm, in dem eine böse Figur auf der Leinwand erscheint, als hinter Natalie jemand in der Tür auftauchte. Sie war ein perfektes Ebenbild von Caitlin, nur älter, mit dichtem, gewelltem, dunklem Haar, kurz geschnitten wie bei Prinzessin Diana. Sie trug ein schlichtes weißes Baumwollkleid, das ihre sonnengebräunten, durchtrainierten Arme betonte. Um ihren Hals hing eine kleine grau-schwarze, rechteckige Kamera.

Das, dachte ich, muss Caitlins Mutter sein. Sie hatte nicht den gleichen lächelnden Gesichtsausdruck wie Natalie.

Mum blickte auf und sagte fröhlich: „Hallo, schön, euch kennenzulernen, Natalie, Caitlin. Hallo, Ava. Ich habe gerade Wasser aufgesetzt, möchten Sie einen Tee?“

Ich sah meiner Mutter an, die mit ihrem nach hinten gekämmtem, unordentlichem Pferdeschwanz und dem Schweißfilm auf der Stirn im Vergleich zu Ava plötzlich ungeordnet aussah.

Caitlin starrte mich unverwandt an.

Ava ging in die Küche. „Caitlin, komm rein“, sagte sie. Aber Caitlin stand nur da und starrte mich an. „Tee wäre toll, Darcy, an einem Tag wie heute ist er absolut notwendig. Ich trinke gerne Tee, wenn es draußen warm ist, Sie nicht auch?“

Während Mum und Ava über ihre Getränkewünsche sprachen, nahm ich mir einen Moment Zeit, um Caitlin anzusehen. Sie starrte mich immer noch direkt an, aber sie hatte begonnen, an der Haut um ihre Fingernägel zu knabbern, und rümpfte ein wenig die Nase. Ich nahm mir einen Moment Zeit, um ihre seltsame, übergroße Kleidung und ihre lässige Haltung zu betrachten. Ich hatte erwartet, dass sie ordentlicher gekleidet sein würde.

„Ich setze das Wasser auf, Darcy, Sie haben alle Hände voll zu tun.“ Ava ging zum Herd und warf ihrer Tochter einen Blick zu. Caitlin!“, zischte sie.

Caitlin warf Ava einen stählernen Blick zu, bevor sie näherkam. „Hallo, ich bin Caitlin.“ Sie streckte mir die Hand entgegen.

Ich blickte zu meiner Mutter, die mit weit aufgerissenen Augen nickte.

Ich nahm Caitlins Hand in meine. Sie war warm, aber nicht verschwitzt, wenn man die Hitze des Nachmittags bedachte.

„Ich bin Sasha“, sagte ich und schürzte die Lippen, verlegen über unsere Begegnung. Ich ließ Caitlins Hand los.

„Warum geht ihr Mädchen nicht raus und spielt?“, sagte meine Mutter und konzentrierte sich wieder auf das Silber, das sie so fest rieb, dass das Fleisch an ihren Armen zitterte.

„Mama, du hast gesagt, dass wir heute meine Rückhand üben, bevor Tennis losgeht“, sagte Caitlin hinter dem Rücken ihrer Mutter.

Natalie machte sich auf den Weg aus der Küche. Ich bringe diese kleinen Racker nach draußen. Verabschiedet euch von Mummy‘, sagte Natalie und zog die Zwillinge zur Tür hinaus.

„War wunderbar, euch zu sehen“, rief Mum mit ihrer besten Singstimme.

Die Zwillinge verabschiedeten sich nicht von ihrer Mutter, und Ava drehte sich nicht um, um sich zu verabschieden.

„Ja, nun, Caitlin, ich muss noch ein paar Dinge erledigen, also kann ich jetzt nicht. Aber du hast ja jetzt Sasha, die du in Beschlag nehmen kannst“, antwortete Ava und beschäftigte sich mit der Zubereitung des Tees.

„Aber Mama, du hast es versprochen, als ich dich gestern Abend gefragt habe, ob du …“

„Caitlin!“, sagte Ava mit einem verlegenen Lachen als sie sich herumdrehte. Ihre Tochter verstummte und sah auf ihre Füße.

„Es ist schön, dass Caitlin endlich jemanden in ihrem eigenen Alter zum Spielen hat“, sagte Ava und fuhr sich mit der Hand durch ihr dunkles Haar. „Und jetzt, wo du eine wunderbare neue Freundin hast, gibt es noch mehr Gründe für dich, den Sommer hier verbringen zu wollen.“ Avas Stimme klang laut und schrill, als sie sich wieder dem Aga zuwandte und mit der Tee-Zubereitung fortfuhr. In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Sarkasmus mit, und ich sah meine Mutter fragend an. Sie konzentrierte sich noch mehr darauf, ihr Silberbesteck zu polieren, aber ihre Lippen waren zusammengekniffen und ihre Augenbrauen hochgezogen, was darauf hindeutete, dass sie Avas Tonfall ebenfalls gehört hatte und er nicht danach klang, wie eine Mutter mit ihrer Tochter sprechen sollte.

Als sie zu Caitlin zurückblickte, hatte sich ihr Gesicht in eine entschlossene Miene verwandelt. Sie starrte ihre Mutter an, ihr Gesicht verhärtet und gerötet. Sie kam auf mich zu, packte mich am Arm und zog mich praktisch aus der Küche. Auf dem Weg nach draußen nahm sie einen offenen Picknickkorb von der Veranda mit. Er war mit rotem kariertem Stoff ausgekleidet, und ich konnte eine Flasche Limonade und ein paar Brötchen herausschauen sehen.

Sobald wir außer Hörweite der Erwachsenen waren, sagte sie mit dem gleichen überzeugten Gesichtsausdruck: „Komm mit, ich weiß, wo wir hingehen können, das ist echt cool.“

Wir gingen durch das schmiedeeiserne Tor, bogen links ab und zum ersten Mal seit unserer Ankunft sah ich unser Häuschen mit den Augen eines Fremden. Mir wurde bewusst, wie klein unser Haus war, im Vergleich, zu dem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Herrenhaus der Clemontes mit seinen zwölf Schlafzimmern. Ich warf einen Blick auf Caitlins weites Sommerkleid, das, obwohl ich es nie selbst ausgesucht hätte, neu und schick aussah, und verglich es dann mit meinen ausgefransten Shorts, die ich für ziemlich trendy gehalten hatte, jetzt aber abgetragen und etwas altmodisch wirkten.

Wir gingen weiter am Haus vorbei und über die Wildblumenwiese, die in voller Blüte stand und vor bunter Blumen überquoll; Bienen und Schmetterlinge flogen um uns herum. Plötzlich spürte ich das ungewohnte Gefühl einer Hand in meiner und drehte mich nach links, um Caitlin zu sehen, die mich anlächelte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, seit Martha Braithwaite in der dritten Klasse mit einem meiner Freunde Händchen gehalten zu haben, aber irgendetwas in diesem Moment, mit Caitlins Hand in meiner, fühlte sich richtig an. Es war seltsam befreiend, nur wir beide, umgeben von einem Hektar Land; dieser Moment gehörte allein Caitlin und mir. Ich machte mir keine Sorgen, dass uns jemand sehen und für kindisch halten könnte, ich dachte nur daran, wie sehr ich dieses Gefühl genoss. Mit Caitlins Hand in meiner fühlte ich mich nicht nur mit ihr verbunden, sondern auch mit Saxby und allem, was es zu bieten hatte.

Sie begann zu traben und ich begann zu rennen, unsere Beine fielen aus dem Takt und der Picknickkorb, den sie trug, schaukelte in ihrer Hand hin und her. Während wir rannten, kitzelten mich die Stängel und Blätter der Wildblumen an Armen und Beinen. Plötzlich blieb Caitlin stehen, hielt meine Hand aber noch einige Sekunden fest, bevor sie sie losließ. Sie lief schneller, sodass sie vor mir war, und begann, die Blüten von den Blumen zu zupfen. Ich wollte ihr sagen, dass sie das nicht tun sollte, entschied mich jedoch anders. Das war mehr ihr Zuhause als meins.

Als ihre Hand die Stängel berührte, hörte ich Caitlin etwas sagen, aber ihre Stimme wurde von der leichten Brise davongetragen und war für mich nicht zu hören. Da ich mich noch nie so weit allein hinausgewagt hatte, fragte ich mich, ob sie mir sagen wollte, wohin wir als Nächstes gingen, und da ich nicht verpassen wollte, wann wir abbiegen sollten, rief ich ihr nach. „Was hast du gesagt?“

Sie blieb stehen, drehte sich um und sah mich an, und plötzlich wurde alles intensiver, als Caitlin mich mit intensiver Neugier musterte. Ich hörte die Vögel zwitschern und die Grillen im Gras, als würden sie zu uns sprechen. Die leichte Brise, die gerade noch geherrscht hatte, war verschwunden und die Hitze spürbar. Ich hörte das Dröhnen eines Flugzeugs über mir. Ich wartete, bis Caitlin sich wieder dem Wald zuwandte, in dessen Richtung wir uns zu bewegen schienen, und blickte dann in den Himmel. Ich fragte mich, ob jemand, der dort oben aus dem Fenster schaute, mich hier unten mitten auf dem Feld sehen konnte. Ich drehte mich wieder zu Caitlin um, aber sie war schon losgegangen und befand sich nun einige Meter vor mir. Ein komisches Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, denn sie hatte meine Frage nicht beantwortet, und es war, als hätte ich endlich das Selbstvertrauen gefunden, mich in der Klasse zu melden, aber mein Lehrer hörte mich nicht. Ich versuchte, es zu verdrängen, aber als wir im Gänsemarsch weitergingen, hörte ich Caitlin wieder sprechen. Dieses Mal klang es noch leiser. Ich machte ein paar Schritte, sodass ich direkt hinter ihr war. Caitlin murmelte vor sich hin, und dann war ich mir sicher, dass sie lachte. Die Blumenwiese endete auf natürliche Weise, und wir bogen nach links auf einen schmalen Pfad ab, der zu beiden Seiten von Büschen gesäumt war.

„Aua.“ Ich bückte mich und rieb mir die rechte Seite meiner Wade, wo ein stechender Schmerz meine Haut durchbohrte.

„Was ist los?“ Caitlin hielt inne und drehte sich um. Sie stellte den Picknickkorb ab und beugte sich über mein Bein. Ihr Gesicht war beunruhigend nah an meinem, und ich konnte die Sommersprossen an ihrer Nasenwurzel sehen, einen winzigen roten Fleck, vielleicht Marmelade, neben der Vertiefung ihrer Oberlippe. „Sieht aus wie ein Brennnesselstich. Schnell, wir holen ein Blatt Sauerampfer.“

„Funktioniert das wirklich?“, fragte ich, stand auf und beobachtete, wie Caitlin die Gegend absuchte. „Ich dachte, das wäre nur ein Ammenmärchen.“

„Was? Nein. Meine Güte, du bist ein richtiger Stadtmensch, oder?“ Ihre Stimme klang angespannt, als sie sich bückte und zwischen den Brennnesselbüschen nach etwas suchte. „Die Natur hat eine erstaunliche Art, uns zu heilen – wo eine Krankheit ist, ist sicher auch ein Heilmittel in der Nähe.“

Es klang wie etwas, das nur Erwachsene sagen, und ich fühlte mich minderwertig; wahrscheinlich gab es viele Dinge, die Caitlin wusste und ich nicht.

Sie trat in das Brombeergestrüpp. „Ah, schau, hier ist es.“ Sie pflückte ein langes grünes Blatt, drückte es gegen mein Bein und rieb es ein paar Mal auf und ab.

Dann stand sie auf und warf das zerfallene Blatt in den Busch.

„Wie ist das?“

„Ähm, besser.“ Ich kratzte mich im Nacken und staunte, wie sie mich scheinbar auf magische Weise geheilt hatte.

„Jetzt ist es kein Ammenmärchen mehr, oder?“ Sie neigte den Kopf zur Seite, als wolle sie ihren Standpunkt untermauern, dann nahm sie den Picknickkorb und machte sich auf den Weg über die Lichtung, zu einem riesigen Waldgebiet.

Ich beschleunigte meine Schritte, um direkt hinter ihr zu bleiben, damit nicht wieder etwas ins Bein stach und ich nichts von dem verpasste, was sie gerade außerhalb meiner Hörweite sagte.

Wir waren fast am Anfang des Waldes, als ich rechts von mir ein Rascheln im Gebüsch hörte. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich den Mann ansah, der vor mir stand. Sein Gesicht war von grauen Stoppeln und roten Wangen gezeichnet, er sah älter aus wie mein Vater, aber nicht so alt wie mein Großvater. Seine Haut war an einigen Stellen leicht rissig. Er trug ein blaues T-Shirt, weite Jeans und braune Stiefel. Es waren dieselben, die Dad in den letzten Tagen getragen hatte, und er schwor, dass es die beste Investition war, die er je gemacht hatte. Plötzlich sehnte ich mich mehr denn je nach meinem Vater. Der Mann atmete schwer, und plötzlich hämmerte mein Herz in meiner Brust. Ich war es gewohnt, mich in Hackney von zwielichtigen Gestalten fernzuhalten – das war mir in Fleisch und Blut übergegangen –, aber ich verstand nicht, warum meine Beine sich nicht bewegen wollten. Ich blickte zum Haupthaus zurück. Ich wollte rennen, aber meine Beine fühlten sich an wie schwere Gewichte.

Der Mann machte einen Schritt zur Seite, sodass er jetzt weiter weg vom Busch, aber näher bei mir war.

Ein gedämpfter Laut drang aus meiner Kehle, der laut genug gewesen sein musste, um Caitlins Aufmerksamkeit zu erregen, denn sie blieb stehen, drehte sich um und ging ein paar Schritte zurück, sodass sie neben mir stand und nun auch den Mann ansah. Ich schaute sie an, um ihre Reaktion abzuschätzen. War dieser Mann harmlos oder gefährlich?

„Oh, Hackett. Da bist du ja wieder. Ich hoffe, du hast dich genug ausgeruht?“ Caitlins Stimme war ruhig, und ich spürte sofort eine Welle der Erleichterung. Sie kannte diesen Mann. Ich gewöhnte mich immer noch an Saxbys Größe und entdeckte ständig neue Orte. Sogar jetzt war ich noch beunruhigt, wenn ich jemanden plötzlich auftauchen sah. Früher, als ich noch in Hackney wohnte, kannte ich jede Ecke und wusste genau, wen ich wo und wann sehen würde.

Caitlin pflückte eine Blüte von einem Hortensienstrauch, die zu den Lieblingspflanzen meines Dads gehörte, und hielt sie an ihre Nase. Über die violette Blüte hinwegschaute sie Hackett an. Es erinnerte mich an etwas, das ich in einem Film gesehen hatte, eine romantische Geste. Hackett stand Caitlin regungslos gegenüber, sein Gesichtsausdruck war unverändert. Ich wartete darauf, dass er sprach, dass er Hallo sagte, irgendetwas, aber sein Mund blieb fest verschlossen. Dann sah ich, wie Hacketts Augen sich leicht verengten und seine Lippen zitterten, als versuchte er Worte zu formen, die nicht kommen wollten, oder vielleicht versuchte er zu lächeln. Caitlin und Hackett sahen sich weiter an. Caitlin hielt die Blume immer noch vor sich, und ich spürte jetzt eine seltsame Energie, die nicht von der Hitze des Nachmittags kam.

Als sie die Blume aus dem Gesicht nahm, sah ich sie zu Boden fallen. Hacketts Augen folgten der fallenden Blume.

Caitlin nahm meine Hand und zog mich an Hackett vorbei. Dabei berührte mein Arm seinen. Ich schaute zurück und bemerkte, dass er mich immer noch direkt ansah.

Sie hielt meinen Arm fest, ihre Hand immer noch in meiner, woran ich mich schnell gewöhnt hatte, während sie uns in Richtung Wald führte. Ich sah eine Lichtung vor uns und hoffte, dass wir dort anhalten würden. Sicher waren wir weit genug vom Haupthaus entfernt? Ich war noch nie so weit weg von unserem Cottage gewesen.

Als Caitlin am Rand der Lichtung anhielt und meine Hand und den Picknickkorb fallen ließ, durchströmte mich eine Erleichterung. Ich blickte zurück. Ich konnte gerade noch die Kante des Hauses sehen, und das gab mir ein wenig Sicherheit. Am Waldrand roch ich die kühle Luft, die von drinnen kam: eine Mischung aus Erde und Kiefer. Rechts von mir kletterte ein Eichhörnchen auf einen hohen Baum, und ich zuckte bei dem Geräusch zusammen. Caitlin sah mich an und lachte.

„Komm, es ist kühl hier. Ich kenne ein schönes Plätzchen, wo wir picknicken können.“

„Okay“, sagte ich und blickte noch einmal zu der Stelle zurück, von der wir gekommen waren. Ich wusste, dass ich jederzeit zurückgehen konnte; ich fragte nicht, wie weit wir noch gehen würden. Caitlin sollte nicht denken, dass ich mich wie ein Baby benahm.

Ich atmete tief durch und folgte Caitlin.

„Deine Mutter hat nichts dagegen. Das ist alles noch Gutsgelände von Saxy – wir sind hier vollkommen sicher.“ Caitlin drehte sich zu mir um und sah mich an, dann wandte sie sich wieder ab. „Du siehst aus wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht! Weißt du, dass wir hier über fünfzig Hektar Land haben, mit all den Wäldern? Das ist eine Menge Land. Ich bin froh, dass du hier bist. Letztes Jahr, als Mama mich auf Erkundungstour geschickt hat, war es total langweilig, so ganz allein. Aber jetzt, wo du da bist, werden wir bestimmt die wunderbarste Zeit haben.“ Caitlin sprach so schnell, als hätte sie sich die Worte eigens für jemanden wie mich aufgespart. Ihre Worte klangen fremd, aber angenehm für mich. Ich dachte an all meine Freunde in Hackney, die wahrscheinlich über Caitlins Art zu reden lachen würden, aber ich wollte nicht lachen. Ich wollte zuhören und vielleicht würde ich eines Tages auch so klingen.

Mir war klar, dass ich einen leichten Cockney-Einschlag hatte, aber Caitlin kam aus einem anderen Teil Londons und ihre Sprache war ganz anders. Sie sprach jeden Buchstaben in jedem Wort aus und zog die Mittelteile nicht in die Länge.

Ich musste lächeln, weil ich eigentlich froh war, endlich jemanden zu haben, mit der ich gemeinsame Zeit verbringen konnte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich die Art von Freundin war, die Caitlin suchte. Ich musste mir nur ansehen, was wir hatten und was sie besaß. Wir hatten nicht einmal ein eigenes Haus. Das Cottage wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt, weil meine Eltern auf dem Gut angestellt waren. Ich fühlte mich unwohl dabei, dass meine Familie für sie arbeitete und ich in gewisser Weise unter ihrer Würde war. Ich hatte das Gefühl, dass ich es sagen wollte, aber ich musste es auf eine bestimmte Art und Weise tun, damit es normal klang, und ich wusste nicht, wie. So vergingen die Worte auf meiner Zunge, bis ich sie hinunterschluckte. Den Rest des Nachmittags lagen sie mir schwer in meinem Magen.

Der Vorfall mit dem Mann am Waldrand und wie Caitlin ihn angesehen hatte, ließen in mir ein unangenehmes Gefühl aufkommen. Ich wollte es Caitlin sagen, aber sie war beschäftigt und schob alte Blätter und Farne beiseite, um mehr Platz zu schaffen, bevor sie sich hinsetzte. Es sah so aus, als hätte es hier schon andere Aktivitäten gegeben – Zelten, Höhlen bauen, Feuer machen – denn es lagen viele Baumstämme und Äste herum, die nicht so aussahen, als wären sie zufällig umgefallen oder hergetragen worden. Es war ziemlich wild, aber ich stellte mir schon vor, dass dies der Ort sein könnte, an dem Caitlin und ich uns zurückziehen würden und an dem wir ein richtiges Lager aufschlagen könnten.

Ich setzte mich ihr gegenüber, der Boden kratzte an meinen Beinen, ein Bein juckte noch etwas von dem Brennnesselstich.

Nach unserem Sprint durch die Felder in der Sommerhitze verspürte ich plötzlich großen Durst und dachte an die Limonade, die ich im Picknickkorb gesehen hatte. Caitlin holte die Flasche heraus, und plötzlich schoss eine Welle der Freude von meinem Bauch in meine Brust. Es war, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Sie zog den Korken heraus, trank einen großen Schluck und reichte mir die Flasche. Ich war es gewohnt, eine Flasche herumzureichen, aber ich erwartete nicht, dass Caitlin Keime mit mir teilen wollte. Sie schien nicht der Typ zu sein, der direkt aus der Flasche trinkt, aber sie überraschte mich.

Ich nahm einen großen Schluck von der Limonade, die eine intensive Kombination aus süß und bitter war; sie schmeckte wie selbst gemacht, wie der Holunderblütensirup, den meine Mutter gekocht hatte.

„Also, wer war der Mann vorhin? Kennst du ihn?“, fragte ich schließlich.

„Hackett? Er arbeitet hier. Er ist ein Angestellter, wie dein Papa.“

Ihre Worte trafen mich; wir saßen hier und tranken aus derselben Flasche Limonade wie zwei Gleichberechtigte, aber dass Caitlin meinen Dad plötzlich als „Angestellten“ bezeichnete, fühlte sich so kalt und hart an wie der Waldboden. Ich spülte meine Enttäuschung mit einem weiteren Schluck Limonade hinunter und gab sie Caitlin zurück.

„Warum war er nicht schon früher hier? Hackett.“ Der ungewohnte Name legte sich auf meine Lippen.

„Was meinst du damit?“

„Na ja, ich bin vor ein paar Wochen eingezogen, und mein Vater ist der leitende Gärtner, aber er hat ihn nie erwähnt.“ Ich betonte das Wort leitender Gärtner besonders, aber Caitlin schien das nicht zu stören.

„Er macht von Zeit zu Zeit längere Pausen. Das hat er mit Granny ausgemacht.“

Caitlin stellte die Limonade ab, stand auf und setzte sich neben mich. Mein Körper versteifte sich, unsicher, wie ich auf die plötzliche Intimität reagieren sollte.

„Alles klar, wenn wir Freundinnen sein wollen, musst du mir alles über dich erzählen. Ich muss deine tiefsten, dunkelsten Geheimnisse kennen.“ Caitlin zog die Augenbrauen hoch und wackelte damit auf und ab.

Mir schoss die Röte in die Wangen, und ich war mir nicht sicher, warum mir so heiß war.

„Oh, mach dir keine Sorgen. Du kannst mir vertrauen, deine Geheimnisse sind bei mir sicher. Freunde für immer?“ Caitlin streckte mir ihre Hand entgegen, ein kleines, verschmitztes Lächeln spielte um ihre Lippen. Einen Moment hielt ich ihrem Blick stand, die Augen weit aufgerissen, blickte auf ihre Hand hinunter, dann nahm ich sie in meine, und in diesem Moment kribbelte es in meinem Bauch. Es fühlte sich an wie die Aufregung am Abend vor einem Schulausflug. Es hatte etwas Unheimliches, als würde mein Körper mir sagen, dass alles Mögliche passieren könnte. Ich lebte schon seit Monaten in Saxby, und noch nie hatte ich etwas so Interessantes erlebt wie Caitlin. Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie, denn was hatte ich schon zu verlieren?

„Freunde für immer“, sagte ich.

5

LONDON, JUNI 2009

Drei Monate bis zur Hochzeit

Um kurz vor sieben Uhr am Abend bin ich zurück in Fulham, in einem leeren Haus. Es ist schon etwas komisch, dass ich dort wohne, wo mein Dad aufgewachsen ist. Ich finde, die Gegend passt zu mir, und ich glaube, dass ich eines Tages eines dieser schönen historischen Häuser besitzen werde. Im Moment müssen wir uns mit unserem winzigen Reihenhaus mit drei Schlafzimmern begnügen. Oft müssen wir in der nächsten Straße parken, sodass ich nie weiß, ob Oscar zu Hause ist. Ich rufe den Namen meines Freundes, während ich von einem Zimmer zum anderen gehe, aber es ist offensichtlich, dass er nicht da ist. Ich lasse mich auf das graue Plüschsofa fallen und ziehe meine schwarzen Pumps aus. Ich denke an die Flasche Gin, die mir ein Kunde geschenkt hat und die ich hinten im Auto verstaut habe, aber ich kann mich weiterhin nicht mit dem Gedanken anfreunden, nach der Arbeit oder vor dem Abendessen etwas zu trinken, wie die meisten Leute, die ich kenne. Ich habe einfach nicht das Bedürfnis danach. Stattdessen habe ich große Lust auf eine Tasse Tee, also gehe ich in die Küche, die gerade groß genug für einen kleinen Esstisch an der Wand ist, und fülle den Wasserkocher.

Obwohl ich mit der Arbeit fertig bin, schwirrt mir der Kopf. Ich habe eine neue Idee für die Gastgeschenke und möchte sie mit Caitlin besprechen. Um sie mit ihr auf dem Sofa zu klären, bin ich nach Hause geeilt, aber seit Griechenland ist Caitlin fast immer unerreichbar. Das sieht ihr ähnlich, also mache ich mir keine Sorgen. Manchmal reden wir wochenlang nicht miteinander, aber in dieser Phase, so kurz vor der Hochzeit, ist das einfach nervig. Ich lasse mich trotzdem nicht abschrecken, denn Organisieren ist meine Stärke. In dieser Hinsicht komme ich wohl nach meiner Mutter. Organisation ist mein Ding, und als Caitlin mich nach Chucks Heiratsantrag fragte, ob ich ihre Trauzeugin werden möchte, war ich sofort in meinem Element. Trotz all der Dinge, die ich weiß und an denen ich jetzt unwillkürlich festhalte, habe ich es immer als meine Pflicht empfunden, Caitlin zu beschützen. Ich weiß, dass ich ihr den bestmöglichen Hochzeitstag bereiten muss.

Ich weiß nicht, was mich in Griechenland geritten hat, ausgerechnet am letzten Abend das Geheimnis lüften zu wollen. Im Nachhinein frage ich mich, ob Caitlin ahnte, dass ich eine Bombe platzen lassen würde. Ich hatte einen Kater, weil ich den ganzen Tag so viel getrunken hatte, und meine Wahrnehmung etwas getrübt war. Später merkte ich, dass Caitlin mich hingehalten hatte, als ich sagte, ich müsste ihr etwas erzählen. Ich hatte das schon als Kind bei ihr beobachtet: Wenn sie etwas nicht tun wollte, lenkte sie den Gesprächspartner geschickt vom Thema ab, meist, ohne dass er es merkte. Und so blieben all die Worte, die ich Caitlin sagen wollte, in mir stecken. Seit dieser Nacht glaube ich, dass ich für immer damit verflucht sein würde, weil die Person, der ich es sagen muss, es nicht hören will. Sie ist eine so hartgesottene Frau, die im letzten Jahr, seit Josephine gestorben ist, noch verschlossener geworden ist.

Es ist nur noch ein paar Monate hin, bis Chuck und Caitlin heiraten. Jahrelang war Chuck immer wieder in Caitlins Leben aufgetaucht und wieder verschwunden. Als sie sich schließlich entschlossen haben, den Bund der Ehe einzugehen, war ich etwas überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass Caitlin es wirklich durchziehen würde, denn Caitlin hatte nie wirklich über ihre Gefühle für Chuck gesprochen. Ich hatte sie oft danach gefragt, sogar als wir noch jung waren, und ihre Antwort war immer die gleiche. Sie und Chuck waren gute Freunde. Enge Freunde mit gewissen Vorzügen, soweit ich das beurteilen konnte. Aber reichte das aus, um eine Ehe darauf aufzubauen?

Als Caitlin und ich zwölf oder dreizehn waren, sprachen wir über mögliche Freunde und schwärmten von den gutaussehenden Männern in meinen Zeitschriften. Caitlin durfte das Jackie-Magazin nie lesen, also riss sie mir mein Exemplar aus der Hand, sobald sie mich damit sah. Ich achtete darauf, dass ich es von vorn bis hinten gelesen hatte, bevor sie dazu kam. Das war eines der wenigen Male, wo ich das Gefühl hatte, ihr in etwas überlegen zu sein. Und das fühlte sich gut an.

In gewisser Weise hatten wir uns seit unserer Kindheit mental auf Caitlins Hochzeit vorbereitet und diesen Teil unseres Lebens so oft besprochen und geprobt, dass es nicht verwunderlich war, dass der Plan sich manifestiert hatte. Ich war schon als Kind ihre Trauzeugin gewesen. Auch wenn Caitlin es nicht zugeben würde, gehörte es von Anfang an zu ihrem Plan, dass sie heiraten und ich ihre Trauzeugin sein würde. Damals war mir das nicht immer bewusst, aber es war nur ein weiterer subtiler Schachzug, der Caitlin gelungen war.

Familien wie die von Caitlin bewegten sich in relativ kleinen Kreisen. Jeder schien jeden zu kennen, und so war es unvermeidlich, dass sie jemanden heiratete, der als enger Freund der Familie galt. Ich habe diese langen Saxby-Sommer oft in Gedanken Revue passieren lassen. Woran erinnere ich mich in diesen Tagen? An den süßen Duft von Chucks Shampoo, an die weiche Haut seiner Hand in meiner, aber nie, wenn Caitlin in der Nähe war und es sehen konnte. Ich war ein junges Mädchen, zwei Jahre jünger als er, und noch nie war ich einem Jungen, der älter war als ich, so nahe gewesen. Die älteren Jungs an meiner Schule hielten sich von uns jüngeren Mädchen fern, aber Chuck war anders. Er war so aufgeschlossen. Er wollte Zeit mit uns verbringen. Mit mir. Und ich erinnere mich, wie besonders ich mich fühlte, wenn Chuck mir seine ganze Aufmerksamkeit schenkte.

Ich erinnere mich an diese Gefühle, und sie bleiben bei mir, denn das waren die längsten Tage meines Lebens. Die Tage, an denen Caitlin an meiner Seite war, an denen wir endlose Stunden hatten, um uns auszutoben und die Gegend zu erkunden. Wir verbrachten Frühling, Sommer und Weihnachten in Saxby. Aber als all diese Unschuld vorbei war, als die Tage des Versteckens im Wald vorbei waren, wurden die Dinge, von denen ich wusste, offensichtlicher. Im Sommer 1990 veränderte sich etwas für mich. Die Familie Clemonte strahlte nicht mehr in dem gleichen Glanz, der mich bei meinem Einzug so in ihren Bann gezogen hatte.

Und bis heute halte ich an dem fest, was ich entdeckt habe. Um meine Freundin zu schützen, glaube ich. Es ging immer um Caitlin. Ich hätte meine Feigheit auf die Hitze des Tages in Griechenland und die Pina Coladas vor zehn Uhr morgens schieben können, aber tief in mir wusste ich, dass ich endlich den Mund aufmachen musste. Die Spirale der Lügen, die mittlerweile so fest wie ein nagelneues Wollknäuel ineinander verschlungen waren, begann sich in meinem Kopf zu lösen. Wo sie einst weggeschlossen wurden, konnten sie jetzt frei auf Wanderschaft gehen. Ihre Fortbewegung hatte andere Erinnerungen geweckt, und ich wachte oft auf, wenn Versprechen, die ich anderen gegeben hatte, mit Versprechen, die ich mir selbst gegeben hatte, kollidierten.

Aber ich war immer für Caitlin da, auch wenn sie mir oft das Gefühl gab und gibt, weniger als der Durchschnitt zu sein. Aber als Caitlin ihre Verlobung mit Chuck bekannt gab und ich anfing, die Hochzeit zu planen, war es, als hätte ich keine Kontrolle mehr. Vielleicht habe ich es vermieden, es ihr auf dem Junggesellinnenabschied zu sagen, aber ich wusste, dass ich es ihr sagen musste, bevor die Hochzeit über die Bühne ging. Für Caitlin würde ein neues Kapitel beginnen, warum sollte es dann nicht auch für mich ein Neuanfang sein?

Seufzend setze ich mich an meinen Computer im Wohnzimmer. Meine Firma, Space Consultancy, läuft gut. Ich schreibe drei bis vier Blogs pro Woche für Unternehmen, rezensiere Produkte und betreue mehrere Social-Media-Accounts. Allerdings bekomme ich etwa drei Anrufe oder E-Mails pro Woche von Leuten, die glauben, ich würde sie über Asteroiden und Zwergplaneten beraten. Ansonsten geht es aber stetig bergauf, sodass ich ein paar Quadratmeter im Erdgeschoss eines Gebäudes neben anderen kleinen Firmen gemietet habe. Aber ich brauche dennoch einen Platz für meine Post und meinen Laptop zu Hause, also hat Oscar seine Tischlerkünste eingesetzt und mir einen kleinen Wandschreibtisch gebaut. Er ist zwar minimalistisch, aber ich habe ihn mit einer trendigen türkisfarbenen Lampe und ein paar hübschen Schreibwarenbehältern aufgepeppt.

Zurzeit erhalte ich unzählige E-Mails, Nachrichten und Anfragen, sodass die Arbeit nicht aufhört, sobald ich das Büro verlasse. Wenn ich will, dass dieses Unternehmen ein Erfolg wird, und ich weiß, dass das so ist, dann muss ich jede Gelegenheit nutzen, um zu arbeiten. Es liegt noch ein langer Weg vor mir, bis ich mich so erfolgreich fühlen kann, wie ich es von Caitlin erwartet habe, seit sie an die Universität ging, um Jura zu studieren, und dann mit Mabel, ihrer alten Schulfreundin, ihre eigene Kanzlei gründete und leitete. Miller and Anderton. Als ob sie durch die Verwendung ihrer Nachnamen irgendwie das Recht hätten, ernster genommen zu werden. Egal, wie hart ich arbeite, ich werde nie mit Caitlin mithalten können. Als ihr Geschäft wuchs, verbrachte sie immer mehr Zeit im Büro, und es zeigte sich, dass von unserer Freundschaft nicht mehr viel übrig war.

An meinem Schreibtisch fange ich an, all die E-Mails zu lesen, die ich verpasst habe, seit ich das Büro verlassen habe, und überlege, wie ich Caitlin meine Gedanken zu den Partygeschenken mitteilen kann. Es ist solch eine gute Idee. Löwenzahnsamen in winzigen Glasfläschchen mit Korkdeckel und kleinen Etiketten, auf denen steht: Caitlin und Chuck haben ihre Träume wahr gemacht, jetzt bist du dran. Befreie die Samen und lasse auch deinen Wunsch frei. Vielleicht weckt das auch Caitlins Interesse und lenkt ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich und die tolle Arbeit, die ich für die Organisation ihrer Hochzeit leiste.

Da die Hochzeit nur noch drei Monate entfernt ist, bin ich mir sicher, dass Caitlin sich dafür entscheiden wird und nicht für die eigentlich angedachten Kerzen, die ich damals für eine tolle, aber im Nachhinein doch etwas klischeehafte Idee hielt.

Ich beschließe, zuerst einen kurzen Blick auf die Nachrichten in meinem Posteingang zu werfen.

Unter all den Anfragen fällt mir ein Name auf, den ich kenne. Ein Name, der allein schon eine Gänsehaut verursacht.

Ich öffne die E-Mail und höre sofort den Klang ihrer geschriebenen Worte, als wäre sie in einem Raum mit mir.

Liebe Sasha,

ich hoffe, es geht dir gut und dein Geschäft baut sich aus.

Ich nehme an, dass du verwirrt sein könntest, nach all der Zeit von mir zu hören. Caitlins kurze Verlobung mit Chuck war eine plötzliche, aber angenehme Überraschung für uns, und wir freuen uns darauf, unsere Tochter mit einem alten Freund der Familie vor den Altar treten zu sehen.

Ich muss zugeben, dass ihr eine Freundschaft entwickelt habt, die unsere Erwartungen angesichts der Umstände und der unterschiedlichen Herkunft weit übertroffen hat. Aber Caitlin war dir immer sehr zugetan, und ich habe ihren Wunsch verstanden, mit dir befreundet zu bleiben. Ihr beide seid euch in dieser Hinsicht sehr treu gewesen, und ich hoffe, dass sich diese Treue auch auf unsere Vereinbarung erstreckt und unsere Vereinbarung so bleibt, wie sie all die Jahre war. Es wäre für mich unerträglich, wenn diese Last die nächste Phase von Caitlins Leben mit Chuck erschweren würde. Bitte nimm Kontakt zu mir auf und vielleicht können wir uns zum Mittagessen treffen, um uns auf den aktuellen Stand zu bringen und abzustimmen.

Dir einen schönen Tag, Sasha.

Ava Anderton

Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und stöhne genervt auf. Ich führe die Hände zum Gesicht und beginne, meine müden Augen sanft mit dem weichen Teil meiner Handflächen zu reiben. Ich habe mit den Geistern dieser Saxby-Tage gelebt, aber nach all den Jahren von Caitlins Mutter, der schrecklichen Ava, zu hören, macht mich krank. Wie konnte sie glauben, dass ich mit ihr essen gehen will? Ich hatte von der Seitenlinie aus beobachtet, wie die junge Caitlin immer wieder von ihren Eltern zurückgewiesen wurde, wenn sie ihre Zuneigung und Bestätigung gesucht hat. Obwohl ich das alles über Caitlin weiß, ist es auch nicht einfacher, mit ihr befreundet zu sein. Und so bin ich wie immer hin- und hergerissen zwischen dem, was ich weiß, und dem, was ich tun sollte.

Ich höre, wie sich die Haustür öffnet, und schaue von meinem Schreibtisch in der Ecke auf, um den Mann zu sehen, mit dem ich seit vier Jahren mein Leben teile. Oscars starke, muskulöse Arme sind mit Tüten, einem Teddybären, einer geköpften Barbiepuppe und einer zerknüllten McDonald’s-Papiertüte beladen. Oscar schaut mich an, die Haare noch feucht vom Schwimmen, die Wangen rot vom Tag an der frischen Luft. Er lächelt mich an, strahlend und frech wie immer. Er weiß schon, was ich denke: Was für eine ungesunde Wahl für das Abendessen seiner sechsjährigen Tochter Immy.

Ich verziehe angewidert das Gesicht, Oscar lacht nur leise und schüttelt den Kopf.

Ich verwandle mein Stirnrunzeln in ein Lächeln, als Immy hinter Oscar durch die Tür stürmt und direkt auf mich zukommt, wo ich auf meinem Schreibtischstuhl sitze. Schnell drehe ich mich um und klappe den Laptop zu; meine Vergangenheit steckt zwischen den Worten in Avas E-Mail und ich bin nicht bereit, Fragen dazu zu beantworten. Dann drehe ich mich wieder um und begrüße den kleinen Körper, der in meine Arme krabbelt. Immy riecht nach Chlor und Pommes. Sie windet sich auf meinem Schoß, obwohl sie dafür viel zu groß ist. Ich benutze nur meine Augen, um Oscar meinen Standpunkt noch einmal zu verdeutlichen, während er mit den Schultern zuckt.

„Das ist nur eine Belohnung, Sash.“ Er lässt Immys Utensilien neben dem Sofa auf den Boden fallen, und ich unterdrücke eine Zurechtweisung, während ich Immys feuchtes Haar streichle und sie sich an meine Brust schmiegt. Ich schnuppere an ihrem Nacken und ziehe sie dann auf meinen Schoß, wo sie sich hinsetzt. „Wie geht’s dir, meine Kleine? Bereit für ein cooles Übernachtungswochenende mit Daddy und Sasha?“

„Ich bin so was von bereit.“ Immy springt von meinem Schoß, krabbelt aufs Sofa und schnappt sich die Fernbedienung. Seit sie sechs ist, hat sie ein extremes Nachahmungssyndrom und einen ausgeprägten Sinn für Sarkasmus entwickelt. Im Grunde ist sie eine kleine Erwachsene. Sie hat alles von ihrer Mutter gelernt, erzählt mir Oscar, und obwohl ich „die Ex“ eigentlich nicht mögen und über ihre fragwürdigen Erziehungsentscheidungen schimpfen sollte, habe ich festgestellt, dass ich an dieser Frau nichts auszusetzen habe. Kelly ist immer freundlich zu mir und liebt offensichtlich ihre Tochter. Wäre da nicht die kleine Tatsache, dass ich seit vier Jahren mit ihrem Ex-Mann zusammen bin, wären wir wahrscheinlich befreundet.

Oscar lässt sich auf dem Sofa neben Immy nieder und zieht ihre Beine auf seinen Schoß. Sofort steckt sie sich den Daumen in den Mund – das Einzige, was ich Kelly sagen möchte, aber ich beschließe, es zu lassen. Ich akzeptiere, dass dies eine Phase ist, aus der sie eines Tages herauswachsen wird. Aber im Moment ist es ein sicheres Zeichen dafür, dass sie müde ist und längst im Bett liegen sollte.

„Ich lasse das Badewasser ein“, sage ich, stehe auf und gehe in unser einziges kleines Badezimmer. Oscar will unbedingt anbauen, und jetzt, wo Space in Schwung kommt und sich gut entwickelt, könnten wir das wahrscheinlich auch. Aber als ordentlicher Mensch habe ich das Gefühl, dass mehr Platz auch mehr Unordnung bedeutet. Ich habe dieses Haus bis auf den letzten Zentimeter durchorganisiert. Ich weiß, warum Oscar anbauen will, aber er spricht es selten aus. Er deutet es nur an. Ich höre den Tonfall in seiner Stimme, wenn wir Zeit mit Freunden verbringen, die kleine Kinder und Babys haben. „Freya ist ein hübsches kleines Mädchen“ oder „Wenn ich einen Jungen wie Braden hätte.“

Er weiß, dass meine mütterlichen Alarmglocken nicht gerade laut schrillen. Inzwischen weiß ich, dass die Fortpflanzungsorgane von Frauen mit dreiunddreißig anfangen, langsamer zu arbeiten. Oscar ist zwei Jahre älter und will bald wieder mit einem Kleinkind herumtollen. Aber nur einmal, als er sehr betrunken war, murmelte er kurz vor dem Einschlafen: „Ich will, dass wir ein Baby haben, Sash.“ Ich habe es am nächsten Tag nicht erwähnt, und er hätte sich ganz sicher nicht daran erinnert.

Manchmal spüre ich den Druck, die Fortpflanzung anzugehen, aber dann erinnere ich mich daran, dass zuerst alles perfekt sein muss. Ich muss erfolgreich sein, ich muss das Gefühl haben, einen Punkt erreicht zu haben, an dem ich wirklich stolz auf mich sein kann und nicht mit Bedauern zurückblicke. Ohne all das kann ich meinen Kindern keine gute Mutter sein. Caitlin hat sich ihren Erfolg nicht erarbeitet, sie hat ihn geerbt. Die Dinge, die ich anstrebe, zu fühlen, zu erreichen, sind nicht so einfach.

Aber ich habe mich zu Immy hingezogen gefühlt, und ich war überrascht, wie natürlich das war. Es muss daran gelegen haben, dass sie einfach in mein Leben trat und ich keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, was „sie“ für mich sein könnte. Als ich Oscar vor vier Jahren kennenlernte, erzählte er mir ohne Umschweife, dass er eine zweijährige Tochter habe und jemanden suche, der sie wie sein eigenes Kind aufzieht. Eine mutige Aussage für ein erstes Date, aber ich musste sie nur einmal treffen, um zu wissen, dass sie ein ganz besonderes kleines Mädchen war, und ich musste nicht darüber nachdenken, wie ich sie lieben lernen würde. Das tat ich bereits.

Ich überlasse es Oscar, Immy zu baden, sie ins Bett zu bringen, ihr aus dem Stockmann vorzulesen und am Ende mit ihr zu kuscheln, was normalerweise dazu führt, dass er bei ihr bleibt, bis beide einschlafen.

Aber heute Abend ist er innerhalb von zehn Minuten wieder an meiner Seite in der Küche, während ich Mozzarellasalat und Knoblauchbrot für unser Abendessen vorbereite. Zur Teezeit mit Immy hat er einen Cheeseburger verschlungen, aber ich habe gemerkt, dass man ihm, egal, was er tagsüber gegessen hat, zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas vorsetzen kann, egal was, er wird es wie seine letzte Mahlzeit auf Erden genießen.

„Ich habe heute versucht, dich im Büro anzurufen.“ Oscar nimmt ein Stück Tomate und schiebt es sich in den Mund. Ich blicke ihn von der Seite an. Er setzt seinen besten verwirrten Gesichtsausdruck auf, den er immer hat, wenn er versucht, die Kosten für eine Hausrenovierung zu berechnen. Er trägt noch immer seine Armeehosen und ein zerknittertes weißes T-Shirt. Auch seine Arbeitsstiefel hat er noch nicht ausgezogen.

„Ha, das ist zwar kein Büro, aber danke, dass ich mich wie eine gestandene Erwachsene fühle.“ Ich zeige mit dem Messer auf seine Stiefel, und er bückt sich automatisch, um sie auszuziehen.

Ich denke an die Ecke im Erdgeschoss, die ich gemietet habe und die nur aus einem Schreibtisch mit einer Trennwand besteht. Aber ich habe den besten Blick auf den Park.

„Warum hast du mich im Büro angerufen?“ Ich höre auf, die Tomaten zu schneiden, und sehe ihn an.

„Weil dein Handy aus war. Und dein Handy ist nie aus.“

Ich schüttle leicht den Kopf und schneide methodisch weiter. „Handys gehen manchmal nicht, der Akku ist leer oder es gibt einfach keine Verbindung.“

„Oh, okay. Ich fand es nur seltsam.“

Ich lege mein Messer auf die Arbeitsfläche. „Seltsam? Inwiefern?“

„Weil ich dich letzte Woche genau um diese Zeit angerufen habe und dein Handy auch ausgeschaltet war. Also habe ich heute beschlossen, deine Durchwahl im Büro anzurufen, und du bist nicht rangegangen. Genau zur gleichen Zeit. Letzte Woche.“ Mir wird ganz flau im Magen, aber ich reiße mich schnell zusammen.

Ich wende mich Oscar zu. Ich betrachte seine zerzauste braune Mähne, seinen gebräunten Bizeps und sein Gesicht, das von der Zeit im Freien gezeichnet ist. Er trägt den ernsten Gesichtsausdruck, wie fast jeden Tag, bis ich ihn in die Arme schließe und er mit all seinen Problemen dahinschmilzt.

„Ich habe gearbeitet“, sage ich und füge schnell hinzu: „Mit einem Kunden.“

„Mit welchem Kunden?“, fragt Oscar, nimmt ein weiteres Stück Tomate in die Hand und versucht, unbekümmert zu klingen.

Ich überlege schnell. „Bree.“

„Die Irin?“

„Ja.“

„Immer noch? Ich dachte, das wäre erledigt.“

Ich ziehe den Mund kraus und schüttle den Kopf. „Nein. Ich habe noch einen Monat mit ihr zu tun. Dann wird sie mich vielleicht in Vollzeit einstellen, wenn sie ihre Zahlen gesehen hat.“ Es stimmt, ich bin immer noch dabei, diesen speziellen Vertrag abzuschließen.

Oscar nickt. Ich warte ab, ob wir fertig sind oder ob er noch mehr Informationen braucht.

„Ich habe heute Ronnie gesehen“, sagt er, lässt sich auf das Sofa gleiten und nimmt die Fernbedienung in die Hand.

Schon bei der Erwähnung von Ronnie, einem Freund von Oscar, der inzwischen auch zu meinen Freunden gehört, wird mir warm ums Herz. „Hast du ihn von mir gegrüßt?“

„Immer.“ Oscars Augen sind auf das Snookerspiel im Fernsehen gerichtet. Vor weiteren Fragen bin ich gerettet. Außer …

„Als Kelly mich betrogen hat …“ Oscars Stimme schwebt zurück in die Küche. Ja, deshalb sollte ich Kelly hassen, weil sie fremdgegangen ist. Ich weiß, Oscar will unbedingt, dass ich seine Ex-Frau verachte, aber ich glaube, er ist auch sehr dankbar, dass ich meine Gefühle nicht mit seiner Vergangenheit verstricke. Ich glaube, es macht mir deshalb nicht so viel aus, weil ich weiß, dass Kelly Oscar nie wirklich geliebt hat, nicht so wie ich. Ich habe die Geschichte eine Million Mal gehört und ich weiß, dass Oscar verletzt war, aber er ist seit vier Jahren mein Partner. Das ist eine lange Zeit, um mit jemandem zusammen zu sein und ihn gut zu kennen. Ich habe ihm nie einen Grund gegeben, an mir zu zweifeln. Aber ich scheine offensichtlich doch einen Fehler gemacht zu haben.

Ich muss einfach noch ein bisschen länger vorsichtig sein.

„Lass mich dich hier unterbrechen, Oscar. Ich weiß, dass Kelly dich betrogen hat, aber das heißt nicht, dass es wieder passieren wird. Ich habe mein Handy ausgeschaltet, weil ich bei einer Kundin war und ihr meine volle Aufmerksamkeit schenken möchte. Schon das Vibrieren oder Leuchten meines Handys lenkt mich ab. Ich dachte, du wüsstest das über mich und meine Arbeit?“

Oscar lässt den Kopf hängen, atmet tief aus und schaltet den Fernseher aus. „Das weiß ich, Sasha. Es ist nur diese blöde Sache. Nach Kelly habe ich in allem nach Zeichen und Hinweisen gesucht. Erst später, als ich von den Betrügereien erfuhr, sah ich mir die Beweise an und erkannte, was ich hätte bemerken sollen, als sie nicht dort war, wo sie hätte sein sollen – und das blieb irgendwie bei mir hängen. Vielleicht brauche ich eine Therapie, weil ich dir diesen ganzen Mist nicht antun will. Kelly war schlau, und ich war so mit meiner Arbeit beschäftigt, dass ich es erst gemerkt habe, als es zu spät war.“

Ich lege das Messer weg und gehe zum Sofa. Ich lasse mich neben Oscar fallen, und er legt seinen Arm über mich, damit ich an diesem besonderen Platz direkt über seiner Brust liegen kann, der, das schwöre ich, nur für mich gemacht ist. Oscar. Ich atme ihn ein, seine sonnengeküsste Haut vermischt sich mit dem Geruch von Bauarbeiten, einer lebhaften Mischung aus chemischen Dichtmitteln, Lack und frischem Holz.

Für einen Mann, der für seinen Lebensunterhalt schuftet, mindestens einmal in der Woche mit den Jungs einen trinken geht und Fußball liebt, ist er unglaublich sensibel und hält selten mit seiner Meinung hinter dem Berg. Es ist neu, aber es wird immer anstrengender.

Manchmal ist es, als würde ich mit einer Freundin zusammen sein.

Ich hebe meinen Kopf und er tut es auch, bis sich unsere Lippen berühren.

„Oscar, alles ist gut. Ich verspreche es.“ Ich spüre, wie er ins Sofa sinkt, und als ich aufblicke, sind seine Augen geschlossen.

An der Wand ist mein Schreibtisch. Mein Handy blinkt. Ich hatte es vor über einer Stunde auf lautlos gestellt, bevor ich nach Hause gekommen bin. Aber jetzt, wo Oscar in der Nähe ist, kann ich nicht rangehen. Es wird eine Nachricht sein, eine Stimme voller Dringlichkeit. Aber sie wird warten müssen.

Ich bin mir der Macht bewusst, die ich habe, der Macht, die eine Lüge haben kann. Aber nicht nur eine Lüge, die Lügen einer ganzen Familie, in die ich seit Jahren verstrickt bin. Und es ist nicht einmal meine Familie. Aber vor allem denke ich an die Macht, die ich über die Menschen habe, die ich liebe. Ich liebe Oscar von ganzem Herzen, und es gibt Dinge, die ich ihm vorenthalte.

Wenn ich auf mein blinkendes Handy schaue und weiß, wer am anderen Ende ist, denke ich an Avas Nachricht und daran, wie alles so untrennbar miteinander verbunden ist. Was vor all den Jahren in Saxby passiert ist, steht immer noch zwischen uns und kämpft wie ein ungebetener Gast um seinen Platz in meiner Gegenwart.