1. Kapitel
SAMIRA
Amirs Appartement, Jakarta-City
Der Regen prasselt gegen das Fenster wie tausend kleine Trommeln, die im Takt eines düsteren Liedes meine Gedanken begleiten. Meine Finger streichen über die kühle Glasoberfläche und spüren die Kondensstreifen der Regentropfen, die langsam hinabgleiten. Jakarta – ein Häusermeer, das in bunten Lichtern erstrahlt, doch in seiner Lautstärke und Unruhe so anders ist als das ruhige Portland, das mein Zuhause war. Ich vermisse meine Heimat und dennoch habe ich meinen Aufenthalt hier für mich angenommen, da ich Jades Tod nicht akzeptieren kann. Nicht, so lange ich ihren Leichnam nicht mit eigenen Augen gesehen habe. Eine innere Stimme sagt mir, dass ich es spüren würde, wenn sie tot wäre. Schließlich sind wir beste Freundinnen.
Das Licht der Stadt dringt in das Appartement ein, taucht das Wohnzimmer in ein diffuses Glühen, das den Blick nach draußen fast verschwimmen lässt.
Ich lehne mich leicht gegen das Fenster und beobachte das hektische Treiben der Stadt. Menschen, die wie Ameisen in alle Richtungen eilen, ihre Schatten im Regen verlierend. Für einen Moment fühle ich mich verloren in dieser anonymen Masse.
Der Abend ist längst hereingebrochen und die Dunkelheit über der Stadt verschluckt die Umrisse der Gebäude. Ein Blitz erhellt den Himmel, gefolgt von einem donnernden Grollen, das die Gläser zum Vibrieren bringt. Ein Sturm zieht auf, wild und unberechenbar wie die letzten Wochen, die mein Leben auf den Kopf gestellt haben.
Amir ist noch auf einem dieser unendlich langen Geschäftstermine gefangen. Jedoch lässt er mich kaum noch aus den Augen, seit wir die Insel verlassen und Jakarta erreicht haben. Amir hat sich verändert. Vielleicht hat Limanossa ihn verändert. Trotzdem bleibe ich vorsichtig. Er ahnt bestimmt nicht, dass ich sein wahres Ich gesehen habe. Dass ich erfahren habe, wie grausam er sein kann. Doch seit wir hier sind, ist er stets um mein Wohlbefinden besorgt, verbringt Zeit mit mir, als würde er versuchen, mein Vertrauen zurückzugewinnen. Dabei kann er nicht wissen, ob er es je verloren hat. Als wir uns kennenlernten, habe ich ihm vertraut, doch dieses Vertrauen hat er nun verspielt. Amir ist der typische Wolf im Schafspelz, mein seelischer Endgegner. Ich hätte wissen müssen, dass ich mit meinen inneren Dämonen kämpfen werde, seit ich ihm das erste Mal in die kakaobraunen Augen gesehen und mich darin verloren habe. Kopf und Herz sind nicht mehr im Einklang, seit ich bei ihm bin. Mir bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis ich weiß, was für ein Mensch er wirklich ist. Ist er der Böse oder der Gute? Ist er der Wolf oder der Prinz in meiner abgefuckten Geschichte?
Hier in Jakarta bin ich ohne ihn restlos verloren. Doch die Veränderung in ihm ist deutlich spürbar. Jedes Mal, wenn ich seine körperliche Nähe suche, weicht er mir aus. Ich wüsste nur zu gern, warum, denn ich fühle mich nicht mehr wie die begehrte Frau, die ich noch vor wenigen Wochen für ihn war. Aber er ist für mich da.
Die Uhr tickt unaufhörlich, und die Einsamkeit in dieser fremden Stadt umhüllt mich wie ein kalter Schleier.
Seit Jade nicht mehr da ist, bin ich nur noch ein halber Mensch.
Mit ihr ist auch ein Teil von mir gestorben, obwohl ich immer noch die leise Hoffnung hege, dass sie lebt. Wahrscheinlich, weil ich mich einfach nicht damit abfinden will, dass sie tot ist. Du lebst, Jade. Das kann einfach nicht sein.
Die Erinnerungen an die vergangenen Wochen fluten meinen Geist wie ein reißender Fluss. Ein Wirbelwind aus Emotionen – die Aufregung, als wir Portland verließen, die Nervosität, als wir uns in das Abenteuer Infinite Horizon wagten, und die unzähligen Herausforderungen, die Jade und mir auf unserem Weg begegneten. Bis zu dem Tag, an dem sie mich verlassen hat. Ich war so froh, als ich sie Wochen später am Wasserfall wiederfand. Doch ich hatte nicht die Möglichkeit, sie zu fragen, warum sie vom Schiff gegangen war. Ich konnte sie nicht einmal mehr vor dem Mann warnen, mit dem ich mein Bett teile. Das, was er ihr hatte antun wollen, war das Grausamste, das meine Ohren je gehört haben. Wie kann ein Mensch nur so sein? Hat er das wirklich ernst gemeint? Eine Stimme in mir flüstert ganz leise, dass er das vielleicht nur behauptet hat, weil er sein wahres Ich schützen muss.
Mitternacht rückt näher, und der Sturm draußen erreicht seinen Höhepunkt. Die Fenster erzittern unter der Gewalt des Windes, doch ich stehe unbewegt da, gebannt von der ungestümen Naturgewalt vor meinem Fenster. Ein Teil von mir hofft, dass Amir bald zurückkehrt, während ein anderer Teil sich fragt, warum ich es nicht einfach wage und weglaufe. Allerdings würde Chalid, der vor der Tür Posten bezogen hat, verhindern, dass ich auch nur einen Meter ohne ihn gehe.
Ein weiterer Blitz zuckt über den Himmel und erhellt für einen Moment die Stadt. Die Regentropfen trommeln unaufhörlich, der Sturm heult wie ein einsamer Kojote. Und ich stehe hier, am Fenster im 26. Stockwerk, an der Schwelle zwischen der Erinnerung an mein altes Leben und der Ungewissheit über das Neue.
Ich blicke zum Telefon, bin in Versuchung, meine Mom anzurufen. Ihre Stimme zu hören, würde mir so guttun. Leider weiß ich, dass Amir die Telefonanlage penibel überwachen lässt. Ich darf keinen Kontakt aufnehmen. Zu niemandem. Wie er sagt, zu meiner eigenen Sicherheit. Doch ist das wirklich der Grund – oder will er mich isolieren?
Die Zeit vergeht langsam, jede Sekunde fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Irgendwo zwischen den Schatten der Stadt und den wilden Geräuschen des Sturms bleibt eine Hoffnung, ein Funken, dass diese Dunkelheit bald einem neuen Morgen weichen wird.
Übelkeit überfällt mich. Schon wieder. Der Stress der letzten Wochen lässt mich nicht los. Meine verzweifelten Versuche, dagegen anzukämpfen, enden zehn Minuten später quälend über der Toilette. Ich werde Amir bitten, einen Termin bei einem Arzt für mich zu machen, der mir etwas verschreibt.
Mein Magen krampft noch, als ich die Spülung betätige, mir die Zähne putze und mir das Gesicht wasche. Durch das Glas des Spiegels vor mir sehe ich in die traurigen Augen einer Frau, die mir fremd geworden ist. Die in einen brombeerfarbenen Satinmantel gekleidet ist, ein Septum durch die Nase trägt und die Haare jeden Tag frisiert bekommt. Und vor allem eine Frau, die ihre eigene Kunst auf der Haut trägt. Sola Cristellima. Ich weiß bis heute nicht, was es genau darstellen soll, aber es verfolgt mich seit Jahren in meinen Träumen.
„Das wird wieder“, rede ich mir über den Spiegel zu und lächele tapfer. So ist es schon besser.
Mir steht ein Schrank mit sündhaft teuren Kleidern, Schuhen und Handtaschen zur Verfügung. Vom kostbaren Schmuck will ich gar nicht erst anfangen. Amir hat sich nicht lumpen lassen. Von Chanel bis Gucci ist alles dabei. Jade wäre geplatzt vor Freude.
Inmitten des Sturms und der Einsamkeit halte ich an diesem Gedanken fest und gehe ins Wohnzimmer zurück. Vor dem Fenster bleibe ich stehen. Und während ich auf die Stadt hinabblicke, beginnt ein zarter Glaube in mir zu keimen – die Gewissheit, dass Jade und ich, egal wie wild der Sturm auch sein mag, uns irgendwann wiedersehen werden – im Himmel oder hier unten auf der Erde.
Erschöpfung und Müdigkeit zwingen mich, ins Schlafzimmer zu gehen, aus meinen Pantoffeln zu schlüpfen und in das große Himmelbett mit den schwarzen Laken zu steigen. Der weiche Satin der Bettbezüge schmiegt sich an meinen Körper und der seichte Vanilleduft, der von meinem Nachttisch aufsteigt, lullt mich angenehm ein.
Kann nicht noch einmal der Tag sein, an dem wir auf unseren Abschluss angestoßen haben? Vielleicht würde ich dann eine andere Bar vorschlagen und vielleicht würde ich dann nicht hier stehen. Allerdings hätte ich dann auch nie die tollen Seiten an Amir kennengelernt, die mein Herz haben höherschlagen lassen.
Ich wische schnell die kleine Träne der Wehmut weg, die sich aus meinem Auge gestohlen hat. Die Übelkeit klingt langsam ab und ich warte darauf, dass der Schlaf mich in seine Arme nimmt.
2. Kapitel
AMIR
Black Dragon Club, Jakarta
Die dumpfen Bässe der Musik hämmern gegen meine Schläfen, als ich in Mounirs Club Black Dragon in Jakarta sitze. Die Luft ist von schwerem Parfüm und dem Rauch teurer Zigarren erfüllt. Ich sehe auf die Uhr und hoffe, dass der Termin sich nicht allzu lange hinzieht. Samira fühlt sich schon den ganzen Tag nicht gut, weshalb ich sie nicht länger als nötig allein lassen möchte. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben, während halbnackte Frauen sich mit hypnotischen Bewegungen um die Pole-Tanzstangen schlingen und den Partygästen einheizen.
Mounir thront mir gegenüber, eingehüllt in seinen prunkvollen Pelzmantel. Seine Augen glitzern vor Selbstgefälligkeit, als er sich in seiner vermeintlichen Macht sonnt. Doch ich kann den Kerl mit seinem aufgesetzten Lächeln und seiner unnatürlichen Art, sich zu inszenieren nicht ausstehen. Allerdings ist er unverzichtbar für unsere Geschäfte. Er ist einer der größten Abnehmer von LX144, der beliebtesten Designer-Droge aus unseren Laboren. Er selbst ist wahrscheinlich sein größter Kunde, denn seine Schwäche für LX144 – dem feinsten Schnee unter der Sonne – ist kein Geheimnis.
„Ein weiterer Drink, Amir?“, raunt er mit einem falschen Unterton von Freundlichkeit. Ich nicke knapp und zwinge mich, höflich zu bleiben. Zu viel steht auf dem Spiel, als dass ich jetzt einen Konflikt riskieren könnte.
„Danke, ja.“
Mounir zieht ein Goldsäckchen aus der Innentasche seines Pelzmantels und verteilt das weiße Pulver darin auf dem Tisch. „Ich wünsche ab kommendem Monat die doppelte Menge der bisherigen Marge. Ist das machbar?“
„Die doppelte Menge?“, hake ich nach und hebe die Mundwinkel. Das wird Zarnu gefallen.
„Du hast richtig verstanden.“ Er legt sich eine Line und beugt sich über den Tisch.
Ich zupfe den Ärmel meines Jacketts zurecht, während er sie wegzieht, obwohl das Hemd darunter nicht verrutscht war. Meine innere Unruhe im Hinblick auf Samira steigt.
„In Ordnung. Für unsere besten Kunden stellt das kein Problem dar. Wir brauchen einen Produktionsvorlauf von zwei Wochen.“
„Das klingt gut.“ Mein Geschäftspartner nickt wohlwollend und hebt die Mundwinkel. Zufriedene Kunden sind mir die Liebsten.
„Die neuen Bedingungen hat Zarnu dir zukommen lassen?“
„Ja, hat er mir per Mail geschickt. Verschlüsselt. Aber für meine ITler natürlich kein Problem.“ Mounir reibt sich die Nase und blickt zu mir herüber. „Allerdings bin ich nicht mit allem davon einverstanden. Lass uns das noch mal durchgehen.“
„Von mir aus.“
Die Minuten schleichen dahin, begleitet von den sinnlosen Gesprächen über Geschäftsangelegenheiten, die er längst kennen sollte – schließlich ist er seit Jahren Kunde. Ich spiele das Spiel höflich mit, während die Unruhe in mir wächst. Es ist schwer, eine gelassene Haltung zu wahren, denn ich kann diesen begriffsstutzigen Blender einfach nicht ausstehen.
Doch dann, mitten in diesem düsteren Ambiente, fängt mein Blick einen kurzen Moment des Mitgefühls von einer Tänzerin auf, die Samira ein wenig ähnelt.
Ihre Augen erzählen Geschichten von Leid und Verlust, versteckt hinter einem Schleier aus Make-up, falschen Wimpern und viel zu viel Lippenstift. Ich erinnere mich daran, wie zerbrechlich Samira ist und wie stark sie einmal war. Mir liegt nichts ferner, als ihr Leid in die Länge zu ziehen. Vielleicht sollte ich sie doch in unser Geheimnis einweihen.
Der Moment verfliegt, als Mounir sich abrupt erhebt und meine Aufmerksamkeit zurückfordert.
Mit einem letzten Blick zu der Tänzerin vergrabe ich meine Empfindungen tief in mir. Ob im Black Dragon oder hinter den Toren des Darmawan-Syndikats – in diesen Welten aus Lügen und Manipulationen ist für Zuneigung und Verbindung kein Platz. Aber dieses kurze Aufblitzen von Menschlichkeit wird in meinen Gedanken bleiben, als stille Erinnerung an das, was verloren gegangen ist. Ich werde es wieder ausgraben, wenn ich zu Hause bin. Der einzige Ort, an dem Emotionen eine Daseinsberechtigung haben.
„Die Kleine gefällt dir, was?“
Ruckartig drehe ich den Kopf in Mouniers Richtung, der mich belustigt ansieht, als habe er mich kalt erwischt. Hat er auch. Nur auf eine andere Art und Weise.
„Ich schenke sie dir. Für eine Stunde. Was hältst du davon?“, schlägt er gönnerhaft vor und winkt die Tänzerin von der Stange zu uns. „Tob dich aus. Bau deinen Stress ab. Du weißt schon.“ Mounir zwinkert mir vielsagend zu, doch ich quittiere dies nur mit einem abschätzigen Seufzen.
Natürlich halte ich nichts davon, doch als plötzlich zwei grazile Hände von meinen Schultern hinab bis zu meiner Brust gleiten und mich massieren, zuckt mein Schwanz merklich. Für meine Verhältnisse habe ich schon viel zu lange keinen Druck mehr abgelassen. Und es hat sich einiges angestaut.
Die pulsierenden Beats der Musik versuchen, meinen Herzschlag zu übernehmen, als die Tänzerin mich weiter massiert. Ihr Duft nach Jasminblüte und Zigarettenrauch umschmeichelt meine Sinne, als ihre geschmeidigen Hände sanft meine Schultern bearbeiten. „Entspann dich, Süßer“, flüstert sie mit einer rauchigen Stimme, die eine Mischung aus Versuchung und Trost birgt.
Ich lehne mich gegen ihre Berührung, obwohl ein Schuldgefühl in mir aufsteigt. Samira wartet zu Hause auf mich. Doch in diesem Moment, umgeben von der düsteren Atmosphäre des Clubs und dem belustigten Blick Mounirs, fühle ich mich gefangen zwischen der Sehnsucht nach Nähe, der Aufrechterhaltung meiner harten Fassade und der moralischen Verpflichtung, treu zu bleiben.
„Mach weiter“, raune ich der Tänzerin zu, meine Worte von einem Hauch Reue durchdrungen. Die Berührung ihrer Finger löst Verspannungen in mir, die ich kaum bemerkt habe.
Mounir beobachtet das Geschehen mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. „Genieße die kleinen Freuden des Lebens, Amir“, neckt er, als wäre er ein Beobachter in einem bizarren Theaterstück.
Die Tänzerin flüstert mir etwas zu, das im Lärm des Clubs verloren geht. Ihre Augen jedoch spiegeln ein unausgesprochenes Verlangen wider.
Das Schuldgefühl verstärkt sich, als ich die Wärme ihrer Hände genieße, und gleichzeitig verstummen die Zweifel in meinem Kopf für einen flüchtigen Augenblick. Aber die Realität setzt sich durch, und ich löse mich von ihrer Berührung, dankbar und zugleich erfüllt von Befangenheit.
„Danke. Das genügt“, flüstere ich beinahe tonlos, bevor ich mich abwende, auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser emotionalen Falle. Der Blick Mounirs folgt mir voller Belustigung und einem Hauch von Verachtung für meine Schwäche. Doch der Gedanke an Samira zu Hause lässt mich mit einem geteilten Herzen zurück, zwischen der dunklen Versuchung und dem Versprechen an sie, nicht die ganze Nacht wegzubleiben.
„Heute nicht in Stimmung, Amir?“
„Danke für dein großzügiges Angebot, Mounir. Aber ich habe noch einen Termin und den würde ich gern nicht verschwitzt wahrnehmen“, entgegne ich und greife nach dem Glas auf dem Tisch, um den letzten Schluck Cognac zu trinken.
„Soso. Na, braucht dir nicht unangenehm sein. Mein kleiner Freund tanzt auch nicht nach meiner Pfeife.“ Mounir lacht kehlig auf und zieht sich eine weitere Line. „Liegt wahrscheinlich daran, dass ich zu viel Zeit im Schnee verbringe.“
Die Worte Mounirs treffen wie Pfeile ins Mark, als er auf meine Ablehnung mit einem anzüglichen Grinsen reagiert. „Oder hast du Angst, Amir? Deine Freundin hält dich wohl zu sehr auf Trab, dass du hier keinen Spaß haben kannst.“ Seine Worte sind wie ein brennendes Feuer in meinem Inneren, und ich fühle, wie der Zorn in mir hochkocht.
„Rede keinen Unsinn, mein Freund.“ Der Impuls, ihm meine Meinung zu geigen, ist überwältigend. Ich spüre den Drang, ihm zu zeigen, dass ich nicht sein Hampelmann bin. Doch dann erinnere ich mich an die Geschäftsrealität, an die Bedeutung, die Mounir für unsere Firma hat. Eine Auseinandersetzung mit ihm könnte alles, wofür wir so hart gearbeitet haben, zunichtemachen.
„Es gibt wirklich tolle Medikamente gegen Potenzstörungen. Stellt ihr so etwas nicht auch her?“
„Mounir“, knurre ich zähneknirschend. Die Wut ballt meine Fäuste, aber ich zwinge mich, sie zu lockern. Eine Mischung aus Unterdrückung und Frustration brennt in meiner Brust. Ich atme tief durch und unterdrücke das Verlangen, die Kontrolle zu verlieren.
„Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Das bleibt selbstverständlich unter uns“, verspricht er mir großmütig.
Mit einem gequälten Lächeln entgegne ich: „Mounir, mein nächster Termin wartet. Tut mir leid, aber ich muss jetzt los.“ Ich weiche seinem Blick aus. Ich fühle mich wie ein Gefangener in meinem eigenen Schweigen, unfähig, die Worte auszusprechen, die meine Wut entfesseln könnten. „Bleib sitzen, ich finde allein raus.“
Die Enttäuschung in Mounirs Augen ist greifbar, als er seine Gedanken hinter einem Schleier von Überlegenheit verbirgt. „Nun gut. Auf Wiedersehen, Amir.“
Ich verschwinde in der tanzenden Menge, meine Emotionen erstickt, während der Geschmack der unterdrückten Rebellion gallig auf meiner Zunge bleibt. Es ist ein bitterer Sieg, aber ich weiß, dass ich keine andere Wahl hatte.