Leseprobe Ein viel zu charmanter Schurke

1. Kapitel

Littleton House, Mayfair, London, 1818

Frederick, Lord Littleton – für seine Mutter und Großmutter Frits – zupfte seine Krawatte zurecht und ließ sich dann von seinem Kammerdiener seine Taschenuhr und sein Lorgnon reichen.

„Lord Turley isst heute mit mir zu Abend.“

„Ich werde der Köchin Bescheid sagen, Mylord.“

„Sagen Sie es am besten auch meiner Mutter.“ Frits nahm seinen Hut und seine Handschuhe. „Sie müsste jeden Augenblick kommen.“

„Ja, Mylord.“ Ayles öffnete die Tür zum Zimmer und verbeugte sich. „Wir freuen uns alle auf die Lady.“

Frits verkniff sich eine Antwort. Nach dem Schlamassel, den er in der letzten Saison angerichtet hatte, waren nicht nur seine Dienstboten froh, dass Mama in der Stadt war. Er wäre der begehrteste Junggeselle in London gewesen, wenn er nicht einen „Fehler“ gemacht hätte, wie sie es milde ausdrückte.

Sein Butler öffnete ihm die Tür. Es war Zeit, sich den oberen Zehntausend zu stellen, und zwar in aller Öffentlichkeit. Der große Auftritt. Er nickte seinem Pferdeburschen zu, nahm die Zügel und trieb seinen Friesen Apollo an. Frits war noch nie so unsicher wie heute gewesen, wie die High Society ihn empfangen würde.

Glücklicherweise würde er nicht lange allein bleiben. Sein Freund Gavin, Viscount Turley, hatte versprochen, im Park auf ihn zu warten.

Frits wurden die Hände in den Handschuhen feucht. Seit seinem ersten Tag in Eton war er nicht mehr nervös gewesen. Aber er war selbst schuld. Hoffentlich würde sich keiner daran erinnern, wie schlecht er sich letztes Jahr benommen hatte. Und wenn doch, musste er einfach beweisen, dass er seine Lektion gelernt hatte.

Als er durch das Grosvenor Gate in den Park ritt, wäre er am liebsten umgekehrt. Doch wenn er jetzt die Nerven verlor, würde hinterher alles noch schlimmer werden. Vielleicht hatte er Glück und die Mütter, die ihre Töchter verkuppeln wollten, würden über sein früheres Verhalten hinwegsehen und das Augenmerk auf seine guten Seiten richten, vor allem seine Abstammung, seinen Reichtum und seinen Titel. Und dieses Jahr wurde eine ganze Schar neuer junger Damen, die verheiratet werden mussten, in die Gesellschaft eingeführt. Er würde seine Hoffnung, in dieser Saison eine Frau zu finden, nicht herausposaunen. Das wäre Wahnsinn. Zum Teufel mit allem. Warum hatte er überhaupt beschlossen, sich eine Frau zu suchen? Er hätte es einfach so machen sollen, wie es sein Vater und alle anderen Littletons seit Jahrhunderten machten – warten, bis er heiraten musste.

Er nahm sich zusammen und schlug den Kutschenweg ein. Schon nach ein paar Sekunden wurde er von vier älteren Damen in einem Landauer freundlich begrüßt.

Die Anspannung fiel von ihm ab. Vielleicht würde es doch nicht so schlimm werden, wie er befürchtet hatte.

„Lord Littleton“, Lady Wall winkte ihm zu, „ich freue mich, Sie in der Stadt anzutreffen.“

Die Dame neben ihr schaute ihn mit ihren blauen Augen interessiert an, warf ihm einen Blick zu, der sagte „Komm her“ und bemerkte: „Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt.“

„Oh, Himmel“, rief Lady Wall. „Ich habe gar nicht daran, dass Sie Seine Lordschaft noch nicht kennen. Darf ich Ihnen Lord Littleton vorstellen? Mylord, das ist Lady Holloway.“

„Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mylord.“ Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

Früher hätte er ihren Blick sofort in gleicher Weise erwidert und sich mit ihr an einem abgelegeneren Ort verabredet. Doch sein Jagdinstinkt war nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Vielleicht war das der Grund, warum er beschlossen hatte, zu heiraten. Er verbeugte sich.

„Ganz meinerseits.“ Lady Wall wies auf die beiden anderen älteren Damen in der Kutsche. „Ich nehme an, Sie erinnern sich an Lady Jersey und Lady Sefton?“

„Natürlich.“ Frits verbeugte sich erneut, und sie begrüßten einander. „Meine Damen, ich hoffe, Sie sind bei guter Gesundheit.“

„Sie hoffentlich ebenfalls, Mylord.“ Lady Sefton neigte den Kopf.

Der Landauer fuhr weiter und Frits schaute sich um. Er sah die einzige Dame, die er nicht sehen wollte, Lady Dorie Calthorp – die Tochter des Marquis von Huntingdon und sein „Fehler“. Sie war mit vier anderen Damen zu Fuß unterwegs. Er hatte sich ihr gegenüber in der letzten Saison schlecht benommen. Wenn auch nicht mit Absicht. Er hatte zu lange geglaubt, sie würden gut zusammenpassen. Aber je besser er sie, ihre Stärken und Wünsche für das Leben kennenlernte, desto überzeugter war er, dass es ein schrecklicher Fehler wäre, sie zu heiraten. Doch anstatt einen Weg zu finden, es ihr zu erklären, war er aus London geflohen und auf sein Hauptanwesen Littlewood zurückgekehrt. Und jetzt war es zu spät, zu erklären, warum er kalte Füße bekommen hatte. Wenn er überhaupt Worte dafür gefunden hätte.

Er atmete tief durch. Er konnte es genauso gut hinter sich bringen. Frits hoffte nur, dass sie ihm nicht direkt die Kehle durchschneiden würde. Er ritt zu der Gruppe hinüber und schenkte ihr ein freundliches Lächeln.

„Lady Dorie, herzlich willkommen.“ Sie erwiderte das Lächeln, doch es wirkte gezwungen, und ihre Augen blickten hart. „Lord Littleton, ich wusste nicht, dass Sie in der Stadt sind.“

„Ich bin gestern angekommen.“ Wenn Blicke töten könnten, würde er jetzt blutend am Boden liegen.

„Sind Sie schon lange in der Stadt?“

„Lange genug.“

Ihre Worte klangen abgehackt. Sie wandte sich an die anderen Damen und machte eine graziöse Geste in seine Richtung. „Da wir gerade über Herren sprechen, die wie gute Heiratskandidaten wirken, es jedoch nicht sind – darf ich euch Lord Littleton vorstellen?“

Verflixt und zugenäht. Er rang um Fassung. Sie wollte offenbar alles tun, um es ihm schwer zu machen, eine Frau zu finden.

„Mylord, Lady Adeline Wivenly, Lady Augusta Vivers, Miss Featherton und Miss Stern.“

Er zwang sich zu einem Lächeln und machte eine, wie er wusste, elegante Verbeugung.

„Meine Damen, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt in der Metropole.“

Miss Stern warf ihm einen finsteren Blick zu. Hatte Lady Dorie ihn schon bei ihr angeschwärzt? Lady Augusta war höflich, aber ungerührt, als wäre es ihr egal, ob sie ihn traf oder nicht.

Miss Featherton hatte die Augen zusammengekniffen, als würde sie ihn als Menschen taxieren. Das war beunruhigend, aber es lag bei ihr in der Familie. Er kannte ihren älteren Bruder und ihre ältere Schwester.

Und dann war da noch Lady Adeline. Sie starrte ihn einfach nur bedächtig mit ihren sanften grauen Augen an, die wie Silber glänzten. Schimmernde honigblonde Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie war einfach bezaubernd.

Sofort wollte er wissen, was sie dachte. Als ob sie merkte, dass sie ihn nicht weiter ansehen sollte, schlug sie die Augen nieder. Dichte, braune Wimpern senkten sich auf ihre Wangen und lenkten seine Aufmerksamkeit auf ihre gerade, kleine Nase und die feinen Sommersprossen. Hätte er sie doch nur in anderer Gesellschaft kennengelernt. Natürlich konnte er nicht umhin, ihre tiefrosa Lippen zu bemerken und die Tatsache, dass ihre Unterlippe ein wenig voller war als die Oberlippe.

Sein Blick wanderte weiter nach unten und er atmete tief durch. Unter ihrem sittsamen Spencer verbarg sich eine wahre Augenweide. Er leckte sich die Lippen, als er sich vorstellte, wie sie in einem Abendkleid aussehen würde. Das war eine Dame, die das Kennenlernen wert war. Frits richtete den Blick wieder auf Lady Dorie, doch angesichts ihres Unmuts verging ihm das Lächeln. Aber das war auch egal. Er hatte herausgefunden, was er wissen musste. Sie würde ihn nicht schneiden. Obwohl sie ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde, wenn sie könnte. So ungern er Lady Adeline auch verlassen wollte, es war Zeit zu gehen. „Ich hoffe, Sie ebenfalls zu sehen, Mylady.“ Er warf einen kurzen Blick auf Lady Adelines Freundinnen, doch auf ihr ließ er ihn länger ruhen. „Ich freue mich darauf, Sie alle wiederzusehen.“

„Das lässt sich wohl nicht vermeiden.“ Lady Dorie machte die Andeutung eines Knickses, der gerade noch tief genug war, um nicht beleidigend zu sein. Ihre Manieren waren von jeher tadellos. „Guten Tag, Mylord.“

Er berührte mit den Fingern seinen Hut und machte sich so schnell wie möglich aus dem Staub, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er umrundete den Kutschpfad und wurde von anderen Damen und Herren herzlich begrüßt. Offenbar trug ihm nur Lady Dorie sein Verhalten nach. Andererseits hatte es sie auch am schlimmsten getroffen. Hoffentlich würde sie einen anderen Herrn finden und ihn wenigstens vergessen, wenn sie ihm auch nicht verzeihen konnte.

Er war schon halb im Park, als Turley eintraf. „Littleton, wie ist es dir ergangen?“

„Ganz gut.“

Gemeinsam kehrten sie um und setzten ihren Weg auf einem Pfad fort.

„Wie geht es deiner Schwester?“

Die frühere Elizabeth Turley, jetzt die Countess of Harrington, war mit ihrem Mann in Paris. Frits hatte sich schon vor ihrer Heirat zu ihr hingezogen gefühlt. Nicht dass er jemals eine Chance gehabt hätte, ihre Zuneigung zu gewinnen. Sie liebte ihren Mann über alles. An ihr hatte ihn besonders gereizt, dass sie keinerlei Interesse an ihm gezeigt hatte. Sie hatte sich nur mit ihm abgegeben, um Harrington dazu zu bringen, dass er um sie anhielt. Es war eine neue Erfahrung für Frits gewesen, dass eine Frau nicht auf ihn reagierte.

„Blendend.“

Turley grinste. „Sie und Harrington haben jetzt ein kleines Mädchen. Wenn die Saison zu Ende ist, fahre ich nach Frankreich. Du solltest mich begleiten.“

„Das will ich auch, aber wenn ich erst einmal zu Hause bin, kann ich nicht mehr weg.“ Tatsächlich zog Frits Littlewood fast jedem anderen Ort vor, abgesehen von ein paar seiner anderen Ländereien. Was ein kleines Problem darstellte, wenn es um die Ehe ging. Die meisten Damen wollten mehr Gesellschaft, als ihm lieb war. Die endlosen Hauspartys, die Besuche in Brighton und sogar die Ausflüge nach London im Herbst hatten ihm nie gefallen, obwohl er sich dabei in Damengesellschaft sonnen konnte. Eine der wichtigsten Lehren seines Vaters war, sich nie mit Frauen einzulassen, die auf einem seiner Landsitze oder in der Nähe lebten. Die gelangweilten Matronen und Witwen der oberen Zehntausend kannten die Regeln, andere Frauen vielleicht nicht.

Sein Freund gluckste. „Ich bin überzeugt, dass du ohne die gelegentliche Abstimmung im House of Lords gar nicht in die Stadt kommen würdest.“

Er musste es zugeben. „Wahrscheinlich nicht. Aber es wird Zeit, dass ich mich häuslich niederlasse, und dies ist der beste Ort dafür. Ich war auf allen gesellschaftlichen Anlässen und habe keine Frau gefunden, der ich für den Rest meines Lebens am Frühstückstisch gegenübersitzen könnte.“

Turleys Lächeln erlosch. „Hast du Lady Dorie gesehen?“

„Ja.“ Frits blickte seinen Freund an. „Sie hat mich gegrüßt und mir vier andere junge Damen vorgestellt.“ Er verzog das Gesicht. „Sie hat mich als Herrn bezeichnet, der wie ein guter Heiratskandidat wirkt, es jedoch nicht ist.“

Frits wünschte fast, er hätte nicht das Haus vermietet, das er für seine Vergnügungen nutzte. Doch wenn es ihm ernst damit war, eine Frau zu finden – und das war es –, konnte er nicht so weitermachen wie bisher. Das würde jede Dame abschrecken, der er den Hof machte.

„Autsch.“ Turley schnitt eine Grimasse. „Das wird dir nicht helfen.“

Frits dachte gründlich nach. „Ich denke, es hätte schlimmer kommen können.“

Turley stieg von seinem Wallach ab und führte ihn, Frits tat dasselbe.

„Die gute Nachricht ist, dass ich seit einer Woche hier bin und noch kein einziges Wort über dich und Lady Dorie gehört habe. Ich glaube, der größte Teil der guten Gesellschaft hat es vergessen, wenn es sie überhaupt interessiert hat. Du warst sehr diskret.“

Er war froh über diese Neuigkeit. Dennoch hatte er sein Verhalten nicht als umsichtig empfunden. Und seine Mutter auch nicht. „Meine Mutter kommt heute an. Ich werde diese Saison von einer Anstandsdame begleitet.“

Turley schüttelte den Kopf und fing an zu lachen. „Es wird Zeit, dass sie dich an die Hand nimmt. Du machst Frauen Hoffnungen, ohne es darauf anzulegen.“

Frits rollte die Augen gen Himmel. Aber er konnte nicht bestreiten, dass sein Freund recht hatte. Er hatte immer Schwierigkeiten mit Damen, die glaubten, er würde sich ernsthaft für sie interessieren.

Das war einer der Gründe, warum er nur selten auf Veranstaltungen ging, bei denen er jungen Damen vorgestellt werden konnte. In der letzten Saison hatte er es zum ersten Mal seit Jahren wieder getan, und siehe da, es war passiert. Wenn er nur den Mut gehabt hätte, Lady Dorie zu sagen, was er beschlossen hatte. Er hoffte wirklich, dass sie bald einen Mann finden würde, der sie glücklich machen konnte. Sie war eine gute Frau, auch wenn sie nicht für ihn bestimmt war. Er musste diese Schuldgefühle überwinden. Vielleicht sollte er versuchen, ihr zu helfen. Doch das war wahrscheinlich keine gute Idee.

„Lord Turley und Lord Littleton“, rief Lady Bellamny ihnen zu, und Frits unterdrückte ein Schaudern. Die Dame war eine Furie. Und sie war in Begleitung von Mrs. Drummond-Burrell, einem weiteren Drachen. „Ich werde Ihnen Einladungskarten für meinen Ball schicken.“ Sie hob ihre Lorgnette an ihre Augen. „Und erwarte, dass Sie kommen.“

„Ja, Mylady.“

„Ja, Mylady.“ Sie antworteten wie aus einem Mund und klangen dabei wie Schuljungen. Lady Bellamny gab ihrem Kutscher ein Zeichen weiterzufahren, bevor sie die andere Frau überhaupt zur Kenntnis nehmen konnten.

„Ein Teufelsweib“, sagte Turley bewundernd. „Sie erschreckt mich zu Tode.“

„Ich glaube, sie erschreckt alle unverheirateten Herren im heiratsfähigen Alter zu Tode.“

Sie war immer gern bereit, zu helfen, einem Mann eine Falle zu stellen.

Am Tor zur Park Lane sagte Turley: „Jetzt ist mir nach einem kräftigen Schluck. Ich gehe zu Brooks. Willst du mit?“

„Ich denke ja.“ Frits hatte sich den Damen tapfer gestellt. Jetzt musste er herausfinden, ob die Herren ihn ebenso akzeptieren würden wie ihre Frauen.

Als sie aus dem Park ritten, kam ihnen ein vertrauter, leuchtend grüner Landauer entgegen. Frits ließ sein Pferd auf den Wagen zutraben und begrüßte die Insassin. „Mama, wann bist du angekommen?“

„Frits, du siehst aus, als hättest du deinen ersten Ausflug in die feine Gesellschaft überlebt.“ Seine Mutter lächelte. „Kurz nachdem du gegangen bist. Ich wollte mich ein wenig umsehen, während mein Dienstmädchen auspackt. Es gibt keine bessere Zeit als jetzt, um zu sehen und zu hören, was hier vor sich geht.“ Sie nickte Turley zu. „Schön, dich zu sehen, Gavin. Ich erwarte, heute Abend beim Essen alles über deine Schwester zu erfahren.“ Sie winkte ihnen zu. „Wir sehen uns dann später.“

„Sie ist viel zu guter Laune“, sagte Frits, mehr zu sich selbst als zu seinem Freund. Sie hatte ihm erzählt, dass sie die Saison mit ihm in der Stadt verbringen würde. Doch als er gefragt hatte, was sie genau vorhatte, wollte sie nicht mit der Sprache herausrücken.

„Nun, wenigstens wird sie dich davon abhalten, an die falsche Frau zu geraten.“ Turley gluckste. „Du musst daran denken, dass eine Ehe ein Leben lang dauert, nicht nur für ein oder zwei Nächte.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Ich habe nicht vor, mich in Schwierigkeiten zu bringen.“ Frits starrte seinen Freund finster an. Es war so viel einfacher, wenn sein einziges Interesse an einer Frau darin bestand, seine und ihre Lust zu stillen.

„Ich brauche etwa eine halbe Stunde, um mich umzuziehen“, sagte Turley. „Wir sehen uns in einer knappen Stunde bei Brooks.“

Frits verabschiedete sich von seinem Freund und ritt in Richtung Grosvenor Square. Vielleicht fuhr er am besten einfach wieder nach Hause aufs Land. Dann sah er plötzlich zwei intelligente, silbergraue Augen vor sich. Vielleicht sollte er doch bleiben und abwarten, was passierte. Lady Adeline hatte einfach etwas an sich – abgesehen von ihren Lippen und Brüsten –, das ihn dazu brachte, sie besser kennenlernen zu wollen. Das einzige Problem bestand darin, dass sie eine Freundin von Lady Dorie war, und das würde ihm nicht helfen.

2. Kapitel

Adeline schnappte nach Luft, als sie Dories Meinung über Lord Littleton hörte. Eine schlimmere Beleidigung wäre es nur gewesen, wenn sie ihn offen geschnitten hätte. Er musste ihr etwas Schreckliches angetan haben. Doch trotz der offensichtlichen Abneigung ihrer Freundin gegen den Mann konnte Adeline nicht umhin, Lord Littleton zu bemerken, als er davonritt. Er saß auf seinem Pferd wie der geborene Reiter. Und dann dieses Pferd. Sie hatte zwar schon Bilder von Friesen gesehen, aber noch nie ein echtes Exemplar. Zu gern hätte sie das prächtige Tier wenigstens gestreichelt. Ohne das Pferd wären ihr Lord Littletons breite Schultern unter der maßgeschneiderten Jacke nicht aufgefallen, und seine muskulösen Beine in den engen Hosen waren Kunstwerke.

Als er sie ansah, war eine Strähne seines lockigen schwarzen Haares nach vorne gefallen, und sie hätte sie am liebsten berührt. Und als sich ihre Blicke trafen, hatten seine smaragdgrünen Augen geleuchtet, als sähe er niemanden außer ihr. Dann erschien ein Grübchen auf seiner linken Wange. Es war ein Jammer, dass er kein geeigneter Heiratskandidat war; denn er war wirklich der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.

„Warum ist er kein geeigneter Heiratskandidat?“, fragte Georgie so unverblümt, wie Adeline es nie getan hätte.

Adeline schaute Dorie an und wartete auf eine Antwort.

„Er will nicht heiraten.“ Ihr Ton war scharf und bitter. „Aber er kann einer Dame einreden, sie sei für ihn Sonne, Mond und Sterne.“

Mit anderen Worten, ein Casanova. Adeline biss sich auf die Lippe. Dorie war wahrscheinlich nicht die einzige Frau, die er verführt hatte. Adeline wusste alles über Frauenhelden: Männer, die nur mit dem Herzen einer Dame spielten und sich nicht darum kümmerten, wie sehr sie sie verletzten. Ihr Bruder William war so einer gewesen und er hatte viele Herzen gebrochen. Zumindest hatte sie das aus den Gesprächen ihrer Eltern herausgehört. Er war sogar bereit gewesen, den Ruf einer Dame zu ruinieren und sie nicht zu heiraten. Adeline hatte den Eindruck, dass solche Herren keine guten Ehemänner abgaben.

Nicht, dass ihr Bruder fremdgehen würde. Er war seiner Frau treu ergeben, aber ein einfacher Mann war er gewiss nicht. Es lag sicher daran, dass es zu lange nach seinem Kopf gegangen war.

Adeline war sich nicht ganz sicher, was sie wollte, aber sie wusste, dass sie nicht so leben wollte wie ihre Mutter. Auf ihrer „Kommt nicht infrage“-Liste standen Frauenhelden ganz oben, gefolgt von Trinkern, Spielern, Bordellbesuchern, Klubmitgliedern und Politikern. Sie wünschte sich einen Mann, auf den sie nicht ständig ein wachsames Auge haben musste, einen, mit dem sie ruhige Abende genießen und die meiste Zeit des Jahres auf dem Land verbringen konnte.

Im Gegensatz zu ihrer Mutter würde sie Zeit mit ihren Kindern verbringen. Und sie würde einen Hund haben – im Haus. Etwas, das sie nie hatte haben dürfen. Dass Lord Littleton ein Frauenheld sein sollte, war mehr als nur ein bisschen enttäuschend. Er sah sehr gut aus.

Adeline strich ihn in Gedanken von ihrer anderen Liste – der mit Kandidaten. Es war wohl sowieso zu viel verlangt, dass sie ihre große Liebe bei ihrer ersten Runde durch den Park treffen würde. Nun gut, sie seufzte vor sich hin. Andere Mütter hatten auch noch schöne Söhne.

Ein weiterer Gentleman ritt heran und wurde als Lord Turley vorgestellt. Auch er sah gut aus, wenngleich er mit seinem blonden Haar nicht annähernd so einnehmend war wie Lord Littleton mit dem schwarzen Haar und den smaragdgrünen Augen. Aber die meisten Frauenhelden waren gut aussehend und interessant. Nur so kamen sie damit durch, Herzen zu brechen.

Lord Turley war viel ungefährlicher, aber Georgie schien sich für ihn zu interessieren, und Adeline wollte ihrer neuen Freundin nicht ins Gehege kommen.

Es war ein Glück, dass sie in so kurzer Zeit vier Damen gefunden hatte, mit denen sie sich gut verstand. Sie stieß einen leisen Seufzer aus. Wenigstens wusste sie, welchen Herrn sie meiden würde.

Das Gespräch drehte sich um Almackʼs und Bälle, vor allem um Augustas Debüt, das zuerst stattfinden würde. Adelines Ball war erst ein paar Wochen später. Sie besprachen auch, wie sie sich gegenseitig vor unerwünschten Blicken der Herren schützen könnten. Offenbar war Lord Littleton nicht der einzige Wüstling in der Stadt.

„Wir könnten uns sogar ein paar Szenarien ausdenken, um uns gegenseitig zu helfen“, schlug sie vor.

„Augusta, kannst du es einrichten, dass wir nach Rothwell House kommen, damit wir erfahren, wo alles ist?“

„Natürlich“, stimmte Augusta zu, wirkte jedoch verwirrt. „Aber wie soll uns das helfen, wenn wir die anderen Häuser nicht kennen?“

„Wir werden üben, uns wegzuschleichen, um gefunden zu werden.“

Doch Adeline glaubte nicht, dass sie sich Sorgen machen musste. Sie war einigermaßen hübsch, aber nicht so schön wie ihre Freundinnen.

„Wie in dem Spiel Sardinen“, sagte Augusta.

Adeline hatte noch nie von diesem Spiel gehört. Zum Glück sah ihre Freundin ihren verwirrten Blick und erklärte: „Bei Sardinen versteckt sich eine Person und die anderen finden sie. Es wird in Spanien gespielt.“

„Sardinen also.“ Henrietta lachte. Das klang wirklich amüsant.

Adeline freute sich darauf, zu erfahren, wie sie ihren Freundinnen dabei helfen konnte, nicht an Taugenichtse zu geraten.

„Gehst du diese Woche zu Almackʼs?“ Augusta runzelte die Stirn. Sie freute sich wirklich nicht darauf, dorthin zu gehen.

„Ich gehe mit Dotty und Merton hin.“ Henrietta schlug einen beruhigenden Ton an. „Es wird interessant. Betrachte es als ein Experiment.“

„Das kann ich wohl.“ Augusta klang nicht überzeugt.

„Interessant? So kann man es nennen“, murmelte Georgie. „Wie ich höre, lassen die Erfrischungen sehr zu wünschen übrig. Meine Mutter, mein Bruder und meine Schwester werden mich begleiten.“

„Caro und Huntley nehmen mich mit.“ Dorie rümpfte die Nase. „Das Abendessen besteht aus trockenem Brot mit Butter, dünnem Tee und Sirup.“

Anscheinend wurden sie alle von ihren Geschwistern begleitet. Adeline hatte gehofft, dass ihre Mutter zum ersten Mal mitkommen würde, doch Mama musste bei der Organisation einer politischen Versammlung helfen. Wenn Adeline noch ein Wort über Politik hörte, würde sie – würde sie – nun, an etwas anderes denken müssen, das nicht zu schmerzhaft war, denn das Thema würde sich nicht vermeiden lassen.

„Ich gehe mit meinem Bruder und meiner Schwägerin hin. Wivenly hatte eigentlich keine Lust, aber Eugénie sagte, er könne ruhig zu Hause bleiben, und dann würde sie tanzen, mit wem sie wolle.“ Adeline musste kichern, als sie sich an seine empörte Miene erinnerte. „Sie hört sich an, als sei es ihr egal, aber mein Bruder hasst es, wenn sie mit anderen Männern tanzt. Also kommt er mit.“

Aber er würde ihr auch nicht bei der Entscheidung helfen können, wer ein geeigneter Heiratskandidat war und wer nicht. Woher sollte sie wissen, wen sie ermutigen und wen sie nicht entmutigen sollte? Nun, dafür waren Freundinnen da. Vor allem Dorie. Es war ihre zweite Saison, und das gab ihr einen großen Vorsprung vor Adeline und den anderen. Sie gingen weiter und Adeline fand sich neben Georgie wieder.

„Du siehst niedergeschlagen aus“, sagte Georgie. „Wolltest du nicht in die Stadt?“

Adeline wurde bewusst, dass niemand wirklich gefragt hatte, ob sie dieses Jahr ihr Debüt haben wollte. Sie war im letzten Herbst achtzehn geworden, und keiner der Herren in der Grafschaft, in der sie zu Hause war, hatte sich für sie interessiert. Also musste ihr Debüt irgendwann stattfinden, und diese Saison war so gut wie jede andere.

„Es gefällt mir in der Stadt, London scheint interessant zu sein. Das Problem ist nur, dass ich keine Ahnung habe, wie ich mir einen Ehemann angeln soll.“

Ihre Freundin lachte leise. „Ich glaube, das hat keine von uns. Soweit ich weiß, weiß es nicht einmal Dorie. Meine Schwester Meg hat über drei Jahre gebraucht, um sich für einen Mann zu entscheiden. Sie hat ein paar schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn man zu lange darüber nachdenkt, kann man sich die ganze Sache abschminken.“

Das beruhigte Adeline etwas. Sie wünschte sich nicht, dass andere Damen es schwer hatten, doch wenigstens war sie nicht als einzige ratlos.

„Wir lernen alles Mögliche: Manieren, Tanzen, Musizieren, Sprachen und vieles mehr. Dann kommen wir hierher und bekommen zu hören, dass Herren intelligente Damen nicht mögen. Aber mein älterer Bruder und mein Vater haben vernünftige Frauen geheiratet. Es ist sehr verwirrend.“

Georgies Brauen zogen sich zusammen. „Hat deine Familie dir das gesagt? Mir wurde immer eingeschärft, dass ein Mann, der keine intelligente Frau will, sich eine andere suchen soll.“

Adeline musste darüber nachdenken. „Nein. Nicht meine Familie, sondern andere Damen, mit denen ich gesprochen habe. Meine Mutter ist so sehr mit ihrer Politik beschäftigt, dass sie meinem Debüt überhaupt keine Beachtung geschenkt hat.“

„Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist“, sinnierte Georgie. „Manchmal wäre es mir lieber, wenn meine Angehörigen sich weniger Gedanken über mich machen würden.“ Sie grinste. „Zum Glück habe ich nur meine Mutter und meine Großmutter. Meine ältere Schwester ist damit beschäftigt, die Familie ihres Mannes zur Räson zu bringen.“

Adeline fragte sich, was das zu bedeuten hatte, dachte jedoch, dass sie es irgendwann herausfinden würde.

„Meine Schwägerin hat Hilfe zugesagt, aber sie ist in Dänisch-Westindien aufgewachsen und hat nicht viel Zeit in der Stadt verbracht.“

„Das war sicher interessant. Mach dir keine Sorgen. Es wird schon schiefgehen.“

Georgie hakte sich bei Adeline ein. „Jetzt haben wir alle einander. Das wird eine Hilfe sein.“

„Ja. Du hast recht. Ich sollte mir nicht so viele Sorgen machen.“ Stattdessen genoss Adeline die Gesellschaft ihrer neuen Freundinnen und ließ die Schönheit des Parks auf sich wirken. An den Bäumen spross das Laub, Krokusse schossen aus dem Boden und zeichneten helle Muster auf das Grün des Grases. Sie freute sich darauf, dass auch die anderen Frühlingsblumen zu sehen waren. „Ich werde einfach meine Zeit hier genießen. Und wenn ich nach dieser Saison nicht verheiratet bin, gibt es immer noch die nächste.“

„Genau so ist es, und so sollte es auch sein. Ich habe großes Mitleid mit den Damen, die unter Druck gesetzt werden, in ihrer ersten Saison zu heiraten.“ Georgie blieb stehen und schaute auf den Weg für die Kutschen. „Wer ist das?“

Ein Herr mit goldblonden Locken, der auf einem braunen Wallach saß, sprach mit einer Dame in einem Phaeton. Auch er sah sehr gut aus. Kamen alle gut aussehenden Männer Englands für die Saison in die Stadt?

„Ich habe keine Ahnung.“

Aber Adeline wollte ihm vorgestellt werden.

„Vielleicht kennt Dorie ihn.“

„Dorie?“ Georgie hob die Stimme, sodass ihre Freundin, die vor ihnen her ging, sie hören konnte, und machte eine Kopfbewegung in Richtung des Neuankömmlings. „Kennst du diesen Herrn?“

„Nein.“ Dorie schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn noch nie gesehen. Er muss neu in der Stadt sein. Er spricht gerade mit Lady Riverton. Sie ist die Witwe des verstorbenen Bruders meiner Schwägerin. Vielleicht ist er erst kürzlich von seiner Grand Tour zurückgekehrt. Sie war bis vor Kurzem in Paris, und er scheint höchstens Mitte zwanzig zu sein.“

„Das sehe ich auch so“, bemerkte Henrietta. „Allerhöchstens sechsundzwanzig, würde ich sagen. Nun, wir können nur hoffen, dass wir ihn auf einem Ball sehen.“

„Falls er eine Frau sucht.“ Georgie klang skeptisch.

Adeline blickte den Mann an. Er beugte sich über die Hand der Lady, aber das war wirklich nicht der Rede wert.

„Wenn nicht, dann möchte ich ihn nicht kennenlernen.“ Zwischen Dories Brauen bildete sich eine Falte. Wahrscheinlich dachte sie an Lord Littleton. Und es hatte wirklich keinen Sinn, Männer zu treffen, die nicht an einer Heirat interessiert waren.

Adeline sah den blonden Herrn immer noch an, als er seinen Blick hob und sie direkt anstarrte. Sie wandte den Kopf ab, aber erst, als sie sah, wie sich seine Lippen leicht schürzten. War es möglich, dass sie sein Interesse geweckt hatte? Das wären dann zwei Herren an einem Tag, die sich für sie interessierten – obwohl sie den ersten nicht mitzählen konnte. Himmel, vielleicht war die Saison doch nicht so schlecht, wie sie dachte. Natürlich musste sie noch mehr Herren kennenlernen, die infrage kamen.

Sie warf einen Blick auf den blonden Mann neben Lady Riverton. So sehr Adeline auch heiraten und eine eigene Familie gründen wollte, sie musste sicher sein, dass ihr Auserwählter alle ihre Voraussetzungen erfüllte – und dass es eine Liebesheirat war.

***

Crispin, Earl of Anglesey, ältester Sohn des Marquis of Normanby, schaute in die hellgrauen Augen einer jungen Dame, die mit ihren Freundinnen vorbeischlenderte. Er fragte sich, wie lange sie ihn ansehen würde, doch die Dame neben ihr erregte ihre Aufmerksamkeit, sodass sich die Dame mit den grauen Augen ab wandte.

„Wie ich sehe, ziehst du schon die Blicke junger Mädchen auf dich, die gerade die Schulzeit hinter sich haben.“ Sarah, die verwitwete Countess of Riverton, klang ärgerlich, und ihm war nicht nach Streit. Doch vorläufig brauchte er sie noch.

„Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst.“ Er sah sie an. „Du willst mich nicht heiraten, und mein Vater hat verlangt, dass ich diese Saison heirate, sonst verliere ich meine Apanage.“

„Du weißt genau, dass ich nicht wieder heiraten werde.“ Sie schauderte dramatisch. „Einmal war mehr als genug. Ich habe meine Pflicht getan, und dank meines großzügigen Ehevertrags kann ich meinen Neigungen nachgehen.“ Doch im Moment dachte sie nicht an diese Neigungen. Er war eine davon.

Crispin beschloss, das Thema zu wechseln. Er merkte es immer, wenn Sarah zu viel an ihre Söhne dachte. Dann wurde sie rührselig. Sie durfte sie so oft sehen, wie sie wollte, aber sie lebten bei ihren Großeltern, dem Marquis und der Marchioness of Broadhurst, und wurden nie in die Stadt gebracht. Also musste Sarah aufs Land fahren, um ihre Kinder zu besuchen. Crispin machte ihrem Mann keinen Vorwurf, weil er die Vormundschaft seinen Eltern übertragen hatte. Das war das einzig Richtige. Es machte sie nur manchmal nicht gerade umgänglich. Er wusste, wie er sie und sich aufheitern konnte. „Möchtest du, dass ich heute Abend vorbeikomme?“

„Wenn du willst.“ Sie zuckte gleichgültig die Achseln. „Aber du kannst nicht über Nacht bleiben. Ich muss hier vorsichtiger sein als in Paris.“

„Natürlich.“ Nicht nur sie musste sich in Acht nehmen; es galt auch für ihn. Es gab genug Leute, die seinem Vater berichten konnten, was er trieb. Er nahm ihre Hand und küsste die Luft über dem feinen Lederhandschuh, doch dabei strich er ihr sanft übers Handgelenk und sie warf ihm einen verführerischen Blick zu.

„Essen und dann Nachtisch?“

„Nachtisch auf jeden Fall.“ Er sah sie schon nackt im Bett vor sich.

Sie lächelte. „Wir sehen uns um acht.“

„Bis dann.“

Crispin ging weiter, bis Mrs. Drummond-Burrell seine Aufmerksamkeit weckte. Sie war eine eher unscheinbare Frau mit langem Gesicht und fuhr in einem Landauer mit einer anderen Dame, die er nicht kannte. Mrs. Drummond-Burrell kannte seine Mutter, aber noch wichtiger war, dass sie ihm Zugang zum Almackʼs verschaffen würde – und somit Zugang zu allen geeigneten Heiratskandidatinnen.

Und die Herkunft war für seine Eltern und damit auch für ihn ein wesentliches Kriterium für eine Ehefrau. Die Blutlinie seiner Frau musste makellos sein.

„Ma’am, es ist mir eine Freude, Sie wiederzusehen.“

„Anglesey, ich bin froh, Sie wieder zu Hause anzutreffen.“ Sie reichte ihm die Hand und er verbeugte sich. „Ihre Mutter hat mir geschrieben, dass Sie hier sein würden.“

„Paris ist schön, aber nichts kann sich mit England messen“, log er.

Er wäre immer noch dort, wenn seine Mutter nicht seine Rückkehr verlangt hätte. „Lady Bellamny“, Mrs. Drummond-Burrell warf einen Blick auf die andere Dame, „darf ich Ihnen Lord Anglesey vorstellen?“

Die ältere Frau neigte majestätisch den Kopf. „Guten Tag, Mylord. Ich habe Ihre Mutter besucht, bevor ich in die Stadt kam.“

Er hatte sich überlegt, wie er seine Suche nach einer Frau zur Sprache bringen sollte. Da beide Damen offensichtlich wussten, dass er auf Freiersfüßen unterwegs war, war dies seine Gelegenheit. „Hat sie Ihnen auch gesagt, dass ich mich erst wieder sehen lassen soll, wenn ich verlobt bin?“

Die Frau kicherte. „Ich glaube, sie hat etwas in dieser Richtung erwähnt. Clementina, Sie müssen Anglesey ein Empfehlungsschreiben für Almack’s schicken.“

Sie zog eine ihrer dichten Augenbrauen hoch. „Das werde ich. Wohnen Sie im Normanby House?“

„Ja.“ Zusammen mit den Dienern, denen seine Mutter vertraute und die ein wachsames Auge auf ihn hatten.

„Wir sehen uns dann am Mittwoch.“ Sie gab dem Kutscher ein Zeichen, weiterzufahren.

„Es ist mir eine Ehre.“ Er wandte sich zum Gehen.

Alles in allem hatte sich dieser Ausflug gelohnt. Er würde bei Almack's aufgenommen werden, er hatte eine Dame gesehen, die ihn interessierte, und er hatte eine Bettgenossin für heute Abend.

Auf dem Weg aus dem Park lächelte Crispin, nickte, grüßte Leute, die er auf dem Kontinent kennengelernt hatte, und wurde anderen Mitgliedern der oberen Zehntausend vorgestellt. Einige davon waren Frauen, die schon zu verstehen gegeben hatten, dass sie zur Verfügung standen.

Er hatte sich vorgenommen, sich von seiner besten Seite zu zeigen – die meiste Zeit über. Seine Eltern durften nicht erfahren, dass er sich in der Stadt herumtrieb. Das bedeutete auch, dass er sich keine Geliebte zulegen konnte. Selbst sein Vater – der weniger kompliziert war als seine Mutter – hatte bestimmte Vorstellungen davon, wie man sich zu verhalten hatte, wenn man einer jungen Dame den Hof machte. Im Moment hatte er die reizende Sarah, die all diese Bedürfnisse befriedigen konnte, aber er konnte anderen Damen, die seine Gesellschaft wünschten, doch nicht um ihr Vergnügen bringen. Schließlich konnte man von einem Mann nicht erwarten, dass er seine Begierden ignorierte. Er musste einfach ein paar Zimmer oder ein kleines Haus finden, in dem er sich mit seinen Geliebten treffen konnte. Irgendwo, wo ihn die Dienerschaft seiner Mutter nicht ausspionieren konnte.