Leseprobe Entdeckung der Lust

1 Schock

Lara

Ich bin die Ausnahme. Das hoffte ich nicht nur mein ganzes Leben, sondern ich war davon überzeugt. Mir würde das nicht passieren. Meine Überzeugung hielt, bis ich am Abend eines arbeitsreichen Tages früher als angekündigt nach Hause kam.

Mein Höschen unter dem kurzen Rock fühlte sich ungewohnt auf der Haut an, weil ich mir auf Jonas’ Wunsch zum ersten Mal die Intimzone in einem asiatischen Enthaarungsstudio hatte waxen lassen. Ich war dort unten komplett haarlos – bis auf ein dunkles Herzchen, dessen Spitze auf meine Spalte zeigte. Der Reiz der Seide auf meiner Haut und das Wissen, Jonas zu überraschen, ließen mich auf der Heimfahrt aus der City nervös werden. Ich würde mit einer ganz neuen Empfindlichkeit auf seine Berührungen reagieren!

Als ich meinen Smart neben dem Haus am Stadtrand von München parkte und zur Tür ging, beglückwünschte ich mich dazu, heute Morgen den schwarzen Spitzen-BH und die zugehörigen French Knickers gewählt zu haben. Zwischen meinen Beinen stieg die Hitze. In Gedanken verneigte ich mich dankbar vor der kleinen Asiatin, die mich behandelt hatte, denn die Sensibilität meiner Schamlippen war ins Unendliche gesteigert. Im Flur eilte ich die Treppe zu meiner Wohnung hinauf und gab, bevor ich die Tür aufschloss, dem Impuls nach, das Höschen einfach auszuziehen. Ich ließ es in der Handtasche verschwinden und bedauerte kurz, dass ich keine halterlosen Strümpfe trug, aber nun  meine Beine waren ja genauso seidig glatt wie der gesamte Rest meines Körpers.

Erwartungsvoll stieß ich die Tür auf und erstarrte.

Das Erste, worauf mein Blick fiel, waren die Beine einer Frau und der Kopf eines Kerls dazwischen. Das erkannte ich im riesigen Garderobenspiegel. Darin spiegelte sich mein Bett, weil die Schlafzimmertür offenstand. Noch bevor ich ganz begriff, was meine Augen erblickten, verriet mir meine Nase, was vor sich ging. Ein schwerer, süßer Duft hing in der Wohnung. Ein Duft, wie er sich nur bildet, wenn … Meine Gedanken hängten sich an dieser Stelle auf, doch was meine Augen sahen, vervollständigte das Bild.

Alles Blut in meinem Körper sackte in die Füße, sodass meine Knie zitterten und ich unter dem Gefühl schwankte, der Untergrund werde mir weggerissen. Was sich im Flurspiegel abspielte, belehrte mich auf schmerzliche Weise, wie sehr ich mich geirrt hatte, und das gleich dreifach.

Erstens: Jonas sah mit einer anderen genauso umwerfend sexy aus wie mit mir. Er kniete auf dem Bett neben dieser Frau, die ihre Beine gespreizt hatte, und bewegte seinen Kopf langsam in ihrem Schoß, während ihre Hand zwischen seinen Schenkeln verschwand.

Zweitens: Seine Ex war keineswegs die langweilige graue Maus, als die ich sie mir immer vorgestellt hatte. Dass es seine Ex war, erkannte ich an dem Namen, den er gerade in höchster Ekstase stöhnte. Er nuschelte zwar ein bisschen, aber ich verstand den Namen trotzdem, der zwischen ihren Beinen hervor erklang. „Kim!“

Drittens: Der Idiot hatte nicht nur mich dazu gebracht, das weibliche Epizentrum der Lust mit einem Herzchen zu krönen. Das konnte ich sehen, als er – ich muss wohl einen Laut des Erschreckens ausgestoßen haben, der sogar sein brunftiges Grunzen übertönte – den Kopf hob. Von ihr konnte ich außer ihrer erröteten pochenden Spalte zwischen den wohlgeformten Schenkeln und einem pechschwarzen Herzchen darüber in diesem Moment nichts erkennen. Aber das sah nicht nach grauer Maus aus!

„Es ist nicht, was du denkst“, stammelte Jonas kurz darauf. Ich starrte ihn an. Das war gelebte Satire!

Kim war sofort aufgesprungen, nachdem sie mein Eindringen in ihr Liebesspiel bemerkt hatte. Sie setzte ein angemessen bestürztes Gesicht auf, während sie mit der Hand das verräterische Herz verdeckte. Ihre wie Rabenfedern glänzenden, kinnlangen Haare hatten dieselbe Farbe. Jonas kniete noch immer auf dem Bett, sein bestes Stück hing zwischen seinen Oberschenkeln herab – wenigstens ein kleiner Triumph –, als Kim schon wieder in ihre zweckdienliche, dabei ansprechend geschnittene Unterwäsche schlüpfte. Es tröstete mich kaum, dass sie, im Gegensatz zu mir, offensichtlich auf Feinripp in klassischem Weiß setzte. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, dem diese schlichte Unterwäsche besser gestanden hätte. Ein Körper, an dem jeder Muskel definiert und doch weiblich erschien, dazu nahtlos bronzefarbene Haut. Am Rippenbogen trug sie ein kleines Tattoo, dessen Form ich jedoch nicht erkennen konnte. Dass sie ansonsten auf jeglichen Zierrat verzichtete – von aufreizender Wäsche bis hin zum Make-up – und dabei trotzdem so unwiderstehlich aussah, konnte in mir nichts als widerwillige Bewunderung hervorrufen. Bis sie fertig angezogen war, hatte ich längst erkannt, dass sie sich aufrichtig schämte, was mir die Entdeckung dieses Schäferstündchens kein bisschen erträglicher machte.

Das Wissen, dass sie diejenige Frau war, mit der Jonas vor mir über zehn Jahre zusammengelebt hatte, setzte mir unerwartet heftig zu, denn das Spiel, dem die beiden sich gerade vor meinen Augen hingegeben hatten, hätte eher auf eine ganz frische Liebe schließen lassen. Mein Inneres war durcheinandergewirbelt.

Jonas wirkte alles andere als glücklich, und so gesehen konnte ich ihm seine klischeehafte Äußerung dann doch verzeihen, im Nachhinein. Ich denke, es gibt Momente im Leben eines jeden Menschen, in denen er einfach nicht zu mehr in der Lage ist. Dann kommen diese Worte aus unseren Mündern, ob wir es wollen oder nicht. Entweder die – oder wir schweigen, weil alles aus unseren Köpfen gelöscht ist.

Kim schlich sich an mir vorbei zur Tür hinaus, die sie leise hinter sich ins Schloss zog. „Sorry“, meinte ich ihre dunkle Stimme zu hören. Ich fragte mich mittlerweile, wie oft sie wohl schon mit Jonas in meiner Wohnung gewesen war. Warum zum Geier hatte er sie nicht in seiner eigenen Wohnung beglückt? Ich öffnete den Mund, um ihn mit dieser Frage zu konfrontieren.

„Wie konntest du mich ein Herzchen machen lassen, wenn sie auch eines hat?“, hörte ich mich stattdessen sagen.

Die Erwähnung der Intimherzchen wiederum hatte auf ihn eine unglaubliche Wirkung. Er räusperte sich und zog einen Zipfel der zerwühlten Bettdecke vor seinen Unterleib.

„Wie lange geht das schon so hinter meinem Rücken?“, wollte ich wissen und ignorierte dabei die Tatsache, dass auch dieser Satz aus nichts als Versatzstücken bestand.

Jonas, der sonst vor Esprit sprühte und mir nie eine Antwort schuldig blieb, schien das allerdings nicht zu bemerken. „Darf ich mich zuerst anziehen?“

Etwas stach in mein Herz, als er seinen knackigen Po vom Bett erhob und ich einen Blick auf seinen immer noch erregten Penis erhaschte. Beides spürte ich so gern in meinen Händen, an meiner Haut und meinen Lippen. Sollte es damit nun vorbei sein? Jonas zog seine Boxershorts hoch. Obwohl wir seit mehr als einem Jahr dieses Traumpaar waren … gewesen waren …, mochte ich es immer noch, seine muskulösen Beine zu betrachten. Und den glatten Bauch über dem Hosenbund, die breite Brust – um die Brustwarzen herum rasierte er sich immer für mich. Er sah mir prüfend in die Augen, dann griff er nach meiner Hand und wollte mich zum Bett ziehen. Doch ich schüttelte den Kopf und zeigte in den Flur.

„Lass uns ins Wohnzimmer gehen, um zu reden. Das Bett beziehst du gleich frisch!“

Er nickte zu meinen Worten.

Als ich mich neben ihm auf den Zweisitzer fallen ließ, berührten meine Beine seine, und beide zogen wir sie wie ertappt zurück. Mein Rock rutschte hoch, ich schob ihn mit beiden Händen ein Stück nach unten und hielt ihn auf den Schenkeln fest. Wie unglaublich beschämend! Ich saß ohne Höschen neben dem Mann, auf den ich mich noch vor fünf Minuten gefreut hatte wie lange nicht mehr, und nun das!

Was für eine dumme Gans ich doch war. Hatte ich wirklich geglaubt, mein Leben sei genial? Es musste doch einen Haken daran geben! Wer konnte von sich behaupten, dass er einen Traumberuf hatte, in einer Traumwohnung lebte, mit einem Traumpartner zusammen war und einfach den traumhaftesten Sex hatte, den man sich vorstellen konnte? Niemand, und genau das hätte mir klar sein müssen.

Ich schluchzte immer lauter, bis Jonas mich unbeholfen in die Arme zog. Überdeutlich nahm ich seinen Geruch wahr. Sein Aftershave, die Tagescreme und dazwischen …

„Lass mich los, du hast noch ihren Saft an deinen Lippen“, zischte ich und ruckte von ihm weg. Bei der Bewegung rutschte mein Rock nach oben. Ich hatte durch die Aufregung zu schwitzen begonnen, was meinen Körpergeruch intensivierte. Jonas hatte eine außergewöhnlich gute Nase. Wenn er im Kino in mein Ohr flüsterte: „Du bist aufgewühlt, ich kann es riechen! Ich will Sex, sofort“, wirkte das wie ein Trigger auf mich. Er hatte mich damit jedes Mal herumgekriegt.

„Du trägst keinen Slip“, sagte er jetzt unverhofft, und seine Stimme wurde sofort dunkel.

„Oh nein!“, schleuderte ich ihm entgegen und sprang auf. „Denk nicht mal daran! Das ist vorbei! Leck dir doch mal über die Lippen. Wen schmeckst du da?“ Ich brach bei meinen Worten erneut in Tränen aus, rannte ins Schlafzimmer und zerrte fast blind meine älteste Jogginghose aus dem Schrank, und aus dem Nachtkästchen eine der Unterhosen, die ich speziell für meine Tage aufbewahrt hatte. Kochfeste Baumwolle in allen Farben, geschnitten wie die von Kim. Rasch zog ich sie über. Welch eine Verschwendung – das Herzchen und die Stelle, die es zierte, blieben für alle Zeiten unerforscht. Jonas würde es nie wieder zu sehen bekommen. Dann zog ich die Jogginghose an, wechselte auch noch Bluse und BH gegen ein weites Wohlfühl-T-Shirt und lief wieder nach draußen.

„Du beziehst jetzt sofort dieses Bett frisch. Danach machst du den Abgang, damit das klar ist! Ich will kein Wort mehr hören! Geh mir aus den Augen, du verfluchter Arsch!“

War das noch ich, die so sprach?

Danach wahrte ich mein tiefgekühltes Schweigen Jonas gegenüber und drehte mich weg, sobald er versuchte, mich anzusprechen. Zu sehr hatte er mich verletzt.

Wie armselig ich später in meinem riesigen Bett lag, mich jedes Mal wie ertappt auf die andere Seite drehte, wenn ich im Wandspiegel die toughe Lara erblickte, die sich die Augen ausheulte. Wie untröstlich … und wie naiv, dass ich geglaubt hatte, ich wäre die Ausnahme!

Das war der schlimmste Tag meines Lebens, dachte ich, bevor ich endlich einschlief.

Jonas

Idiot!

Wie hatte er so bescheuert sein können, Kim in Laras Wohnung mitzunehmen? Es war doch klar, was passieren würde, wenn sie beide allein waren. Kim, mit der er nicht leben konnte – aber auch nicht ohne sie. Kim, das Mädchen seiner Kindheit, die Frau seiner Jugend. Vielleicht kannten sie sich einfach zu gut, um ein Leben als Paar führen zu können. Und doch hatte diese sexuelle Anziehungskraft nie nachgelassen.

„Jonas, kann ich dich sehen? Ich brauche einen Freund.“ Kims Stimme klang, als hätte sie mehrere Nächte durchgesoffen oder geheult, als sie am Mittag anrief. Lara wollte den ganzen Tag mit ihrer Mutter unterwegs sein und erst am Abend wiederkommen.

Jonas ging es gut. Sie beide hatten letzte Nacht Sex gehabt, und es war mit Lara jedes Mal großartig! Er liebte es, wie sie sich gehen ließ. Sie war die sinnlichste Frau, die er kannte. Außer Kim. Sofort tauchten ungebetene Gedanken in seinem Kopf auf. Ein Traum, den er schon seit Monaten hatte: Lara, Kim und er … Er riss sich zusammen. Kim ging es offenbar nicht gut, und er dachte an so was!

„Klar, ich kann gegen vier Uhr Schluss machen. Wo bist du?“

„Ich habe noch einen Termin mit meiner Agentin in der City …“

„Dann treffen wir uns am Stachus.“

So taten sie es. Kim erzählte von ihrer neuesten Eroberung – Freund wollte sie ihn nicht nennen, es war wohl nur eine Bettgeschichte –, dann kamen sie auf das Schreiben zu sprechen und auf ihren Kummer darüber, dass sie mit den Büchern, die ihr am wenigsten Herzblut abverlangten, das meiste Geld verdiente.

„Welche meinst du?“ Er lachte.

Sie strich sich die kinnlangen Haare hinter das linke Ohr und zog einen Schmollmund. „Das weißt du doch genau … die Schmachtfetzen natürlich.“

„Woran arbeitest du denn gerade?“

Sie errötete. Das war äußerst ungewöhnlich für sie. Kim war, was man sexuell aufgeschlossen nannte. „Ich muss eine Steigerung in meine Romane bringen, wenn du verstehst, was ich meine …“

Obwohl sie es so neutral ausdrückte, reagierten seine Hormone sofort, und sein Kopf spielte verrückt. Er sah Kim vor sich – liegend, nackt, mit gespreizten Beinen. Betont langsam atmete er aus.

Kim grinste und legte den Kopf schief. „Kopfkino?“

Er zog eine Braue hoch. „Nicht nur im Kopf, meine Schöne …“

„Du bist unmöglich, weißt du das?“ Sie leckte sich über die Lippen. Absichtlich? Sein Schwanz besaß wahrscheinlich ein eigenes Gedächtnis. Beim Anblick ihrer feuchten Lippen erinnerte er sich.

„Wir haben schon sehr schöne Dinge gemeinsam gemacht“, murmelte Jonas.

„Ich weiß.“ Sie sah ihm tief in die Augen. „Aber seit du mit Lara zusammen bist, bist du brav.“ Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme unter der Brust. Sie trug ein einfaches T-Shirt mit V-Ausschnitt zu einer eng geschnittenen Jeans. Keinen BH, sondern wohl nur eines ihrer weichen Bustiers. Ihre Nippel traten hervor. Vielleicht bildete er es sich auch nur ein. Sie hatte sich nicht wie eine Frau gekleidet, die einen Mann verführen will. Trotzdem hatte sie diese Wirkung auf ihn. Sein Kopf wollte sich nicht von den Bildern lösen, die aus der Vergangenheit heraufstiegen. Kim und er, ein Paar von Kindesbeinen an, hatten schon früh gemerkt, dass sie einander nicht genug waren. Sie hatten sich gegenseitig andere Partner zugestanden und problemlos eine offene Beziehung gelebt. Bis sie eines Tages dachten, dass es Zeit wäre, den Partner fürs Leben zu finden. Was ihnen jedoch nicht gelang.

Jonas war sich inzwischen ziemlich sicher, dass Lara die richtige Partnerin für ihn war. Sie war aber noch nicht bereit, mit ihm zusammenzuziehen. Und in den letzten paar Wochen hatte er wieder diese Unruhe gespürt. Der Sex mit Lara war geil, aber ihm fehlte etwas. Kims Worte machten ihm klar, was es war.

„Das stimmt. Aber ich …“ habe einen Ständer, wenn ich dich nur ansehe, dachte er, hielt aber die Klappe.

„Du bist steif“, flüsterte sie und beugte sich dabei nach vorn, sodass er ihr Parfum riechen konnte, und darunter sie. Kim mit dem Duft von Bitterorange. Ihr Blick sagte ihm, wie bereit sie selbst war. Ihre Lippen waren dunkelrot, die Augen hatten einen glasigen Schimmer. Seine Erektion wurde schmerzhaft. Er brauchte nichts mehr zu sagen, sie legte ihre Hand auf seine. „Ich komme mit dir.“

Sie bezahlten, verließen das Lokal und rannten beinahe zu seinem Wagen. Zu ihm nach Hause zu fahren, hätte zu lange gedauert, also steuerte er den Wagen in die andere Richtung, zu Laras Wohnung. Sein Hirn war nur noch Lust und Feuer, er war scharf auf Kim und verschwendete keinen Gedanken an Lara.

Kim öffnete seine Jeans, sobald sie die Wohnung betreten hatten. Er griff nach T-Shirt und Bustier und zog ihr beides über den Kopf, riss fast grob ihre Hose und den Slip herunter und stieß sie auf das Bett. Da lag sie. Sie schob die Schenkel langsam auseinander und beobachtete mit einem Lächeln, wie er die restliche Kleidung auszog. Mit einer Armbewegung forderte sie ihn auf, sich neben sie zu knien und seine Beine auseinanderzuschieben, damit sie mit der Hand nach ihm greifen konnte. Ohne Worte wussten beide genau, was sie wollten. Sie waren ein eingespieltes Team, und als er das pechschwarze Intimherzchen über ihrer glatt rasierten Muschi roch, wollte er nur noch mit der Zunge darunter eintauchen. Er öffnete sie mit den Fingern, küsste ihre Klitoris, zupfte mit den Lippen daran, bis Kim laut stöhnte. Erst dann schob er die Zunge vor und kostete sie ganz. Sie war feucht und geschwollen und so bereit für ihn! Kim wusste genau, wie sie ihn anpacken musste. Sie massierte ihn sanft, ihre Finger glitten weich am Schaft entlang, sie griff dabei mal fester, mal zarter zu. Gleichzeitig mit der Zunge ihre Höhle zu erkunden und am Schwanz auf diese Art stimuliert zu werden, riss ihn in einen Taumel hinein. Er musste wohl laut „Kim“ gestöhnt haben –, und dann spürte er, dass etwas nicht stimmte. Ein atemloses Schnauben, das nicht von Kim kam. Laras Stimme!

Shit! Seine Erektion verabschiedete sich, er setzte sich auf und sah Lara im Flur stehen. Seine süße, unwiderstehliche Lara. Ihre Wangen, gerade noch gerötet – aus Vorfreude? – verloren alle Farbe. Sie trug einen kurzen Rock, der ihre langen Beine betonte, und darüber eine leicht transparente Bluse, unter der man den schwarzen BH erahnen konnte.

Shit!

„Es ist nicht, was du denkst“, stammelte er und wusste, noch während er sich das sagen hörte, wie fatal seine Worte waren. Er sollte einfach die Fresse halten, bis der erste Schock vorbei war – und sich dann bei Lara und bei Kim auf Knien entschuldigen. Denn Kim war mindestens so schockiert wie Lara, das sah er ihrem Gesicht an. Sie mochte Lara von den Geschichten, die er ihr über sie erzählt hatte. Wie hatten sie beide sich dazu hinreißen lassen können, ausgerechnet hier zu vögeln? Wobei – so weit waren sie ja noch gar nicht gekommen. Jedenfalls bewies Kim deutlich mehr Weitsicht. Sie zog sich schnell an und verschwand, nicht ohne sowohl in seine als auch in Laras Richtung „Sorry“ zu murmeln.

Laras Schockstarre wandelte sich in Wut, was ihrem Geruch nach Karamell eine salzige Note verlieh. Er fand sie unwiderstehlich, obwohl er mit der Zunge gerade vorher erst in Kim vertieft gewesen war. Er konnte nicht anders, diese beiden Frauen lösten seinen Verstand auf.

Lara trug kein Höschen unter ihrem Rock! Auch das verriet ihm ihr Geruch, als er später neben ihr auf der Couch saß und alles irgendwie rückgängig machen wollte. Lara hatte ja recht damit, ihn wegzustoßen. Sein Kopf sah das ein. Sie war in einer klassischen Familie aufgewachsen, ihre Eltern lebten monogam. Zumindest behaupteten sie das. Er hatte es bisher nicht geschafft, Lara auch nur zu fragen, ob sie sich ein anderes Lebensmodell vorstellen könne. Ihm war völlig klar, dass sein Schwanz, der bei Laras Duftgemisch und ihren wutblitzenden Augen schon wieder steif wurde, in ihr nur noch mehr Abwehr hervorrufen würde. Sie stieß ihn weg.

Jetzt saß er in seiner eigenen Wohnung, genervt und sauer wegen seiner Hirnlosigkeit, und wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte sich Lara in ihrem Bett vorstellen – in den Knautschklamotten, die sie sich noch angezogen hatte, während er die Bettwäsche wechselte. Ob sie sich in den Schlaf heulte? Würde er Idiot irgendetwas wieder gutmachen können?

Dann fiel ihm Tanja ein, Laras beste Freundin. Ohne groß nachzudenken, wählte er ihre Nummer. Nach dem vierten Klingeln hob sie ab.

„Jonas, bist du das?“ Sie musste die Nummer auf dem Display erkannt haben.

„Ja. Ich …“ Was sollte er ihr sagen? Sie würde ihn köpfen wollen.

„Was ist passiert?“

„Ich habe Mist gebaut. Lara hat mich rausgeworfen.“

Tanja wollte alles genau wissen, und wie erwartet, machte sie ihm klar, was für ein hirnverbrannter Idiot er war.

Er gab ihr in allem recht. „Kannst du nach ihr sehen? Ich glaube, es hat keinen Zweck, wenn ich es jetzt versuche. Sie muss erst wieder zu sich kommen.“

„Okay. Ich melde mich gleich bei ihr. Aber zuerst muss ich Paul ins Bett schaffen, er will in letzter Zeit einfach nicht mehr schlafen.“ Jonas hörte ihren kleinen Sohn im Hintergrund weinen.

„Danke, Tanja, du hast was gut bei mir.“

Sie lachte abgehackt. „Wenn du nicht so ein Netter wärst, würde ich dir höchstpersönlich den Kopf abreißen. Oder, noch besser, was anderes. Damit du wieder weißt, wo das Denkzentrum steckt. Idiot!“ Dann legte sie auf.

Seine Sorge um Lara wurde ein bisschen geringer. Tanja tat ihr gut. Er stand auf und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank.

Dann wählte er Kims Nummer, doch sie ging nicht ran. Er schrieb eine WhatsApp-Nachricht:

 

Kim, es tut mir leid! Ich wollte nicht, dass das passiert.

 

Er tippte auf Senden.

 

Dass was passiert?

 

Sie war also doch erreichbar.

 

Dass wir beide so erwischt werden natürlich …

 

Argh, sofort hatte er Bilder im Kopf und bildete sich ein, Kims Geschmack auf seiner Zunge und ihre Finger zwischen seinen Beinen zu spüren.

 

Okay. Ich dachte schon, du bereust es, mit mir …

 

Sie wusste genau, was sie da tat.

Ihre nächste Nachricht erreichte ihn:

 

… oder vielmehr in mir …

 

Er schickte ihr einen Smiley.

 

Dir ist klar, was du gerade machst, oder?

 

Nein, wieso? *augenaufschlag*

 

Bevor er eine Antwort tippte, sah er, dass sie noch etwas schrieb, und wartete auf ihre nächste Nachricht.

 

Sie ist hungrig!

 

Hör auf, mich zu triggern, sonst …

 

… sonst?

 

Ich will dich!

 

Dann komm doch!

 

Er schluckte. Einerseits verabscheute er, was er da tat, andererseits … Sein Kopf hatte kapiert, was mit ihm los war, und das hatte wahrlich Monate gedauert. Sein Schwanz hatte es schon viel früher gewusst: Er liebte Kim, und er liebte Lara. Für Kim war es kein Problem, aber was war mit Lara?

Und was, wenn sie sich ebenfalls einen zweiten Partner nehmen würde? Was für ein Gedanke! Er würde so gern mal sehen, wie ein Fremder Lara verführte. Er wollte dabei zusehen, wie sie sich hingab und sich verlor, wollte in ihren Augen sehen, wie sie verstand, dass sie das nicht nur mit einem Mann haben konnte. Er wünschte, sie würde ihre anerzogene Verklemmtheit ablegen. Lag es wirklich in der Natur des Menschen, sich ein Leben lang auf einen Partner einzulassen? Für ihn war die Antwort klar.

Sein Smartphone vibrierte, er schreckte auf.

 

Wie ist es? Kommst du?

 

Er sah auf die Uhr, es war noch früh.

 

Ich komme!

 

Und wie er kam! Kim saß auf ihm, nackt, er sah das Tattoo am Rippenbogen unter ihrer linken Brust. Es war ein einzelner Ast mit drei Blüten von Bitterorangen. Genauso schnörkellos und doch weiblich wie Kim. Kein Motiv könnte besser zu ihr passen, zu ihrem kleinen Körper, der festen Brust, die er im Rhythmus wippen sah, in dem sie ihn ritt. Er hielt ihre Hüften und half ihr dabei, sich auf und ab zu bewegen. Aber sie liebte es noch mehr, ihr Becken auf ihm vor und zurück wippen zu lassen. Er wusste, dass sie den Orgasmus so am intensivsten spürte. Er schwelgte im Anblick dieser Urfrau, die den Kopf in den Nacken warf und sich mit den Händen jetzt auf seinen Oberschenkeln abstützte. Sie war kurz davor. Ihr fruchtiger Geruch wurde übertönt von dem, der aus ihrer Spalte hervordrang. Mit jeder Bewegung schwappte ihr Duft nach Frau zu ihm, vermischte sich mit seinem eigenen. Er hob den Kopf, um zu sehen, wie sein Phallus zwischen ihren geschwollenen, dunkelroten Lippen verschwand. Das Herzchen darüber war nass von ihrer Lust. Er wollte mit einer Hand nach ihrer Brust tasten, doch sie stieß ihn weg.

„Lenk nicht ab“, stöhnte sie und sah ihm kurz in die Augen – ein Blick, der bis in seine Seele reichte –, bevor sie sich mit einem urtümlichen Schnauben wieder nach hinten bog.

„Komm, Kim, tu es für mich“, lockte er sie und drängte ihr seine Erektion entgegen, um noch tiefer in sie einzudringen. Sie war so unglaublich nass, heiß und eng. Gleich war sie so weit. Er spürte, wie Kims Beine sich anspannten, wie ihre Pussy sich zusammenzog, ihre Bewegungen sich verlangsamten und die Kontraktionen um seine Erektion heftiger wurden. In ihm hatte sich längst alles aufgebaut, und jetzt schoss es aus ihm hinaus. Kims Lustschrei ließ ihn explodieren, er spie in Zuckungen alles aus, in ihre Höhle hinein. Er zerbarst vor Glück.

Die Franzosen hatten recht – der Orgasmus konnte wie ein kleiner Tod sein. Kim zitterte, als ihr Körper sämtliche Anspannung verlor und sie sich auf ihn sinken ließ, ohne von ihm abzusteigen. Sie genossen beide das Gefühl, noch ineinander zu stecken, und die Nässe, die langsam aus ihr heraus in sein Schamhaar sickerte. Diesen Geruch mochte er konservieren und jederzeit die Nase hineinstecken, wenn er Heimweh bekäme.

Kims Haare kitzelten ihn am Kinn, er drehte den Kopf zur Seite. Sie schaute auf, schenkte ihm dieses Katzenlächeln, das ihm zeigte, wie zufrieden sie war. „Ich hatte beinahe vergessen, wie gut wir beide ineinander passen …“

Er musste lachen und rutschte unwillkürlich aus ihr heraus. Sie ließ sich neben ihn gleiten und legte ein Bein über seine, barg den Kopf an seiner Schulter.

„Wie lange ist es her …?“, fragte er und bemerkte den ersten Anflug schlechten Gewissens, weil sich Laras Bild in seine Gedanken stahl.

Kim kannte ihn so gut wie einen Bruder, sie legte ihre Hand auf seine Brust. „Du weißt es selbst, oder? Über ein Jahr. Seit du mit Lara zusammen bist …“ Sie seufzte. „Ich verstehe dich ja. Und es klingt so, als würdet ihr gut zueinander passen …“

Er atmete tief ein und aus. „Kim, ich liebe sie.“

Sie zuckte. „Ja, ich weiß.“ Dann hob sie den Kopf. „Kein Wunder. Ich wünsche mir auch, mit einem Mann zusammen glücklich zu werden. Normal leben, wie alle anderen.“

Beim Blick in ihre dunkelbraunen Augen spürte er überdeutlich, wie sehr er auch diese Frau liebte. Kim war voller Widersprüche, die sich schon in ihrem Äußeren zeigten. Die drahtige Figur und der strenge lackschwarze Pagenschnitt standen im Gegensatz zu ihrem Audrey Hepburn-Gesicht. Die Rehaugen weckten in jedem Mann den Beschützerinstinkt, auch in ihm, nach all den Jahren noch. Und doch wusste er, wie stark sie war, nicht nur in körperlicher Hinsicht. Kim war eine Kämpferin –, und letztendlich passte ihre sexuelle Freizügigkeit dazu. Gleichzeitig hatte sie aber dieses Weiche, Weibliche in sich, dazu einen überstark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn – sie hatte fast permanent ein schlechtes Gewissen, wenn sie Kerle, die sich für überlegen hielten, in ihre Schranken wies. Kim litt daran, dass in der Gesellschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts die alten Rollenklischees noch immer derartig stark ausgeprägt waren. Sie wollte es jedem recht machen, everybody’s darling sein, und doch keinen Zentimeter des bereits erkämpften Bodens wieder aufgeben.

Jonas merkte, dass er sich in ihren dunklen Augen verlor, und hatte den Wunsch, sie an sich zu ziehen, in seinen Armen zu halten und ihr zu versichern, dass das Leben schön und die Welt gerecht sei.

Sie legte den Kopf auf seine Brust und spielte mit dem Zeigefinger in seinem Nabel. „Du, Jonas?“

„Ja?“

„Ich habe da so einen Traum, der kommt immer wieder.“

„Was für ein Traum ist das?“

„Denkst du, Lara könnte vielleicht auch …?“

„Was?“

„Hm, ob sie sich vielleicht auf ein Experiment einlassen würde?“

Er musste grinsen. Hatte Kim etwa die gleichen Träume wie er? Sie hatten früher das eine oder andere Mal freizügige Treffen mit mehreren Personen gehabt. Es waren aufregende Sexabenteuer gewesen, und er hielt es für möglich, dass Kim sie auch weiterhin pflegte. Aber Lara …

„Woran genau denkst du?“, fragte er nach.

„Ich möchte sie so gern mal nackt sehen. Oder in Reizwäsche. Erregt. Ich will ihre Brüste sehen und ihre Pussy.“

„Sie ist wunderschön“, sagte er. „Und ihre Pussy …“ Sein Schwanz zuckte.

Kim lachte leise. „Ich möchte euch beiden zusehen, wie ihr es macht. Und mitspielen.“

„Meine liebe Kim, du hast eine versaute Fantasie!“

Sie ließ die Hand langsam zu seinem kurz gehaltenen Schamhaar hinuntergleiten. Es war nach ihrem Akt verklebt, doch das hatte sie noch nie gestört. Ihre Finger waren klein, warm und kundig. Sie wusste, wie sie ihn wieder zum Leben erweckte.

Ihre Worte sorgten dafür, dass Lara dieses Mal mitmischte. „Mach die Augen zu“, flüsterte sie, als er über ihr war. „Stell dir vor, Lara ist hier, nackt, und sieht uns zu.“

2 Flucht

Lara

Jonas lag hinter mir und schmiegte seinen nackten Körper an mich. Sachte streichelte er meinen Hals und schob meine langen Haare zur Seite. Eine wohlige Gänsehaut überzog meinen Körper, als er mich unter dem Ohr küsste. Er hauchte eine Spur von Küsschen bis zu meiner Schulter. Meine Brustwarzen stellten sich bei seinen Berührungen auf. Er rückte mit dem Becken so nah an mich heran, dass ich ihn am Po fühlen konnte, heiß und fest. Seine Hand wanderte zu meiner Brust, mit den Fingern streichelte er sie, bis ihre Spitze noch fester wurde.

„That’s what friends are for“, sang er mir leise ins Ohr, und endlich begriff ich, dass da etwas nicht stimmte. Wieso lag Jonas bei mir? Wieso waren wir beide nackt und er dabei, mich zu verführen? Da war doch was … Ein dumpfer Ton begleitete den wiederkehrenden Refrain, den er noch immer leise sang.

„That’s what friends are for“ … summ … Etwas bewegte sich leicht auf dem Nachtschränkchen neben meinem Kopf. Mein Smartphone! Ich wachte endgültig auf, wusste wieder, wo ich war und was passiert war. Kein Jonas neben mir … und das war auch gut so! Der Klingelton verriet mir, dass meine beste Freundin Tanja mich anrief. Ich tastete nach dem Handy und nahm den Anruf an.

„Tanja?“ Schon wieder musste ich heulen.

„Lara! Schatz, wie geht es dir?“

Ich zog die Beine an den Körper. Bekam keine zusammenhängenden Wörter heraus und schluchzte ihr nur was vor.

„Jonas hat mir gesagt, dass ich dich anrufen soll, du bräuchtest mich jetzt.“

Moment mal … „Jonas hat dir das gesagt?“, fragte ich, nachdem ich mich aufgesetzt hatte und mit dem Rücken zum Kopfteil des Bettes gerutscht war. Ein Blick zum Radiowecker verriet mir die Uhrzeit: Mitternacht. „Aber wieso … um diese Zeit?“

„Er hat es mir schon vor Stunden gesagt, aber Paul wollte einfach nicht einschlafen. Ich musste neben seinem Bettchen sitzen. Glaub mir, ich hätte dich viel früher angerufen. Aber ich bin allein.“

Vor Rührung über meine liebe Freundin liefen mir sogleich wieder die Tränen. „Was hat Jonas dir gesagt?“

„Er hat mir alles erzählt.“

„Der Arsch hat mich …“, unterbrach ich sie und konnte es nicht aussprechen. „Also er ist …“

„Fremdgegangen!“

Ich nickte. „Ja“, schob ich hinterher, weil mir klar wurde, dass sie mich nicht sehen konnte.

„Willst du zu mir kommen? Ich kann leider nicht weg, weil Paul … du weißt schon.“

Zu Tanja fahren, ihr alles haarklein erzählen, mit ihr über Jonas herziehen? Gemeinsam feststellen, was für ein Schwein er war? (Ich fühlte mich großartig, als ich dieses unmögliche Wort dachte.) Ich käme hier raus. Müsste mir nicht immer wieder vorbeten, dass mein Bett nicht nach der anderen riechen konnte, weil es frisch bezogen war und nur nach meinem Waschmittel duftete. Nach sonst nichts.

„Schaffst du das? Du brauchst doch deinen Schlaf!“

Sie lachte müde. „Wie oft kommt es vor, dass du von einem Mann betrogen wirst? Wenn ich nicht heute für dich da bin, wann dann?“

„Du bist ein Schatz! Ich bin in zehn Minuten bei dir.“

 

Das kurze Stück zu Tanjas Wohnung ging ich zu Fuß. Sie hatte die Haustür für mich angelehnt. Ich huschte hinein, zog sie hinter mir leise ins Schloss und folgte dem Flur bis zum Lichtschein, der aus dem Wohnzimmer fiel. Leise Musik empfing mich. Es war Instrumentalmusik, wie sie heute Morgen im Kosmetikstudio gelaufen war, als ich mir die Intimzone hatte enthaaren lassen. Die Erinnerung war sofort wieder da, und das Bedauern darüber, dass diese Aktion umsonst war, ebenfalls. Ich ging zur gemütlichen Couch und ließ mich nieder, als Tanja mit zwei Gläsern und einer Flasche zu mir kam, die sie auf dem Tisch abstellte. Sie setzte sich neben mich, zog mich in die Arme und hielt mich eine ganze Weile fest.

„Nun erzähl mal.“

Ich schilderte, wie ich den Tag verbracht und mich auf den Abend mit Jonas gefreut hatte. Wie ich dann nach Hause gekommen war, von prickelnder Erwartung nervös wie ein Teenie, nur um Jonas beim Oralsex mit seiner Ex zu erwischen.

„Ausgerechnet Französisch! Und dann hat sie auch noch so ein Herzchen auf ihrer Mumu …“ Immer noch war ich schüchtern, wenn ich bestimmte Körperteile benennen sollte. Und jetzt waren auch die Tränen wieder zurück.

„So ein Arsch!“, fluchte Tanja mit Überzeugung. Schwungvoll schenkte sie uns beiden aus der Flasche eine bernsteinfarbene Flüssigkeit ein und reichte mir mein Glas. „Slàinthe!“

Ich nippte daran und fand Tanjas Whisky durchaus eine gute Wahl für sorgenvolle Stunden. Dann stimmte ich ihr zu: „Ein Arsch und ein Sackgesicht!“

„Er hat dich nicht verdient. Für so einen bist du zu schade, Lara! Und dabei habe ich ihn für einen netten Kerl gehalten.“ Sie schüttelte den Kopf und schenkte nach.

„Aber er hat einen Knackpo, das musst du zugeben …“ Ich hatte seit Mittag nichts mehr gegessen. Der Single Malt entwickelte schnell seine Wirkung.

„Pah, den haben andere Typen auch.“

„Ja, aber sein …“, ich trank noch einen Schluck von dem leckeren Zeug, „also mit seinem Dingdong hat er echt geniale Sachen gemacht.“

Ich musste an seinen Penis denken, ob ich wollte oder nicht, und damit an meine von Haaren befreite, übersensible Vulva. Dann kicherte ich haltlos. Ich fühlte mich nicht nur wie ein Teenie, sondern redete auch so. „Kannst du dir vorstellen, dass ich da unten ein Herzchen trage?“

Tanja lachte auf. „Tja. Irgendwie süß …“

„Willst du es sehen?“, fragte ich. Ich musste wirklich schon ziemlich besoffen sein.

„Ähm, nein, lass mal. Ich kann es mir lebhaft vorstellen.“

„Wie kriege ich das Scheißding jetzt da weg?“

„Rasieren?“, fragte sie arglos.

„Aber das wird doch nicht glatt genug!“

Tanja nickte nachdenklich, schenkte uns noch mal ein und schnappte sich ihr Notebook vom Couchtisch. Während sie es hochfuhr, murmelte sie vor sich hin. „Ich hatte letztens einen Übersetzungsauftrag von einem Kosmetikclub vor den Toren Münchens.“ Sie zwinkerte. „Spezialisiert unter anderem auf Körperenthaarung.“

Sie klickte sich durch ein paar Seiten und zeigte mir dann den Bildschirm. Ich sah die Aufnahme eines seidig schimmernden Frauenkörpers. Fragend blickte ich zu Tanja.

„Das ist ein echter Geheimtipp, aber nicht mehr lange. Wenn du willst, kannst du in dem Hotel, das dazugehört, ein paar Tage untertauchen und dich verwöhnen lassen.“

„Untertauchen  wozu?“

„Ganz klar. Du brauchst Abstand. Und du kannst dir dort das Herzchen wegwaxen lassen.“ Wir mussten beide über das Wort lachen.

„Na komm, das kann ich auch hier.“

„Klar kannst du das auch hier. Aber im Ernst, wie fühlst du dich gerade?“

Ich trank das Glas aus. „Wie von einer U-Bahn überrollt. So mies habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt.“

Tanja schenkte mir nach.

„Ich bin noch nie so betrogen worden!“

„Hör auf meinen Rat und verschwinde für ein paar Tage. Deine Werbetexte kannst du auch anderswo schreiben, dazu musst du nicht zu Hause bleiben. Du solltest einfach mal abhängen. Sauna, Pool, in der Natur wandern. Das Haus liegt außerhalb der Stadt, zwischen Gauting und Starnberg. Etwas versteckt, in ländlicher Gegend.“

Ich nickte zögernd. „Ich kenne die Ecke.“

Sie drehte sich zu mir um und strahlte mich an. „Ich buche dort ein Zimmer für dich. Soll ich?“

„Bist du verrückt? Das kostet bestimmt ein Vermögen.“

„Eben nicht. Ich habe einen Schnuppergutschein bekommen. Aber was soll ich dort, mit Paul hier …?“

„Meinst du wirklich?“ Mein Zögern nahm sie als Zustimmung und klackerdiklack, hatte sie eine Buchung abgeschickt.

„Das war’s! Morgen fährst du hin.“ Sie zog mich in die Arme. „Du wirst überrascht sein, wie zuverlässig du da Ablenkung findest, meine Süße.“

Ihre letzten Worte hörte ich nur noch so halb, weil ich ohne Übergang auf ihrer Couch einschlief. Whisky auf fast nüchternen Magen war nicht das Richtige für mich.

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Tanja am nächsten Morgen drückte Paul mir einen feuchten Kuss auf die Wange, bevor ich nach Hause ging. In solchen Momenten fragte ich mich, ob ich auch bald Kinder wollte. Aber dann sagte meine weise innere Stimme zu mir: „Du hast noch ewig Zeit.“ Und nur, weil ich es so sehr mochte, wenn Paulchen mir die kleinen Arme um den Hals legte, war das noch lange kein Grund, selbst Mama zu werden. Heute war ohnehin der denkbar schlechteste Tag, um über das Kinderkriegen nachzudenken. Wo ich gerade gestern erst Jonas vor die Tür gesetzt hatte.

Ich schob den Gedanken an ihn beiseite, konnte aber nicht verhindern, dass ich, als ich meine Wohnungstür aufschloss, halb damit rechnete, im Flurspiegel ihn und Kim zu sehen – nackt und ineinander verschlungen. Eigenartigerweise empfand ich einen Anflug von … Enttäuschung?, als mein Blick auf nichts weiter als die offene Schlafzimmertür und mein leeres Bett dahinter fiel. Beherzt ging ich zum Spiegel und hängte ihn ab. Zeit, mal wieder neu zu dekorieren. Der Spiegel würde einen Platz bekommen, an dem man ihn nicht sofort sah, wenn man zur Tür hereintrat. Ich würde ihn einfach gegen den Schuhschrank austauschen. Damit war die Gefahr gebannt, Dinge zu sehen, die ich nicht sehen wollte. Noch während ich den schweren Holzrahmen vorsichtig auf dem Dielenboden abstellte, beschäftigte mich die Frage, wieso ich enttäuscht war. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken an Jonas und Kim zu vertreiben. Ich war seiner Ex gestern zum ersten Mal begegnet. Natürlich kannte ich viele Geschichten von ihr. Mehrmals hatte ich mich gefragt, was bei einer Liebe, die von Kindesbeinen an bestand, derart schiefgelaufen war. Schließlich hatte ich mir Kim als unscheinbare und schüchterne Büchermaus ausgemalt, die sich an ihrem einsamen Schreibtisch einmummelte und dort ihre verträumten Liebesromane schrieb. Gelesen hatte ich noch nichts von ihr.

Der Anblick gestern, wie Kim vor Lust zerfließend Jona’ Verwöhnprogramm genoss und ihrerseits mit offensichtlich erfahrenen Händen an ihm herumspielte, hatte mich aus dieser Vorstellung herauskatapultiert. Kim war vielmehr der Typ Frau, der mich immer schon eingeschüchtert hatte. Kleiner als ich, sportlicher, um nicht zu sagen drahtig. Ihre sichtliche Körperspannung legte den Schluss nahe, es mit einer ausgeprägten, starken Persönlichkeit zu tun zu haben. Frauen wie sie ließen mich immer nervös den Rücken durchstrecken und weckten in mir die Lust, meine wallende Mähne schneiden zu lassen, um tougher zu wirken. Ich betrachtete mich im Spiegel, wobei ich ein bisschen in die Knie gehen musste, da er ja auf dem Boden stand. Es war an der Zeit, wieder mehr an mich selbst zu denken, entschied ich beim Anblick der zerzausten, als Knoten auf dem Oberkopf festgefriemelten Haare, der dunklen Ringe unter meinen Augen, die mir heute wie zwei der blauen Mathe-Plättchen aus der Grundschule vorkamen. Leer und nichtssagend. Mein Jogginganzug hatte definitiv schon bessere Tage gesehen, und mit der Feinrippunterwäsche auf meiner Haut fühlte ich mich alt. Womit der Gedanke, mich wie Kim zu stylen, auch gleich wieder vom Tisch war. Ich liebte nun mal Luxuswäsche. Warum auch nicht? Wenn es mir guttat …

Gut, ich war keine zierliche Elfe mit Sportmuskeln, sondern eher der kurvige Sechzigerjahre-Typ – mit Achtzigerjahre-Gesicht. Erst vor einer Woche hatte Jonas mir ein altes Foto von Cindy Crawford gezeigt und mich auf den verhassten Leberfleck geküsst, der mich an genau der gleichen Stelle wie bei dem berühmten Model zierte. Tatsächlich söhnte mich der Anblick aus. Ich zwinkerte der Frau im Spiegel zu und sagte mir, dass Tanja absolut recht gehabt hatte. Es war der richtige Moment, eine Auszeit zu nehmen.

Ich setzte mich an den Schreibtisch und verbrachte den Vormittag damit, nochmals sämtliche Dateien meines letzten Auftrags zu überprüfen. Dann schrieb ich eine Mail an den Kunden und schickte ihm alles. Er würde sich frühestens nächste Woche melden. Damit lag ein freies Wochenende vor mir. Ein arbeits- und Jonas-freies Wochenende. Ich beschloss, ihn zu vergessen, wenigstens für den Augenblick. Ich würde jetzt raus aus der Stadt zu diesem Wellnesshotel mit Kosmetikstudio fahren, mein Handy abschalten und mich verwöhnen lassen. Dieses verflixte Herzchen über meiner Muschi entfernen lassen – und damit eine Premiere erleben. Seit mir die ersten Schamhaare gewachsen waren, war ich dort unten nie wieder komplett haarlos gewesen. Einen Streifen hatte ich immer stehen lassen, nachdem ich – der Mode folgend – begonnen hatte, die Bikinizone zu rasieren. Nun, es würde eine weitere haptische Erfahrung werden. Und es spielte eh keine Rolle, weil an Sex vorerst nicht mehr zu denken war. Auf einmal fühlte ich mich frei. Ich würde es mir richtig gutgehen lassen!

Am frühen Nachmittag verließ ich frisch geduscht und mit noch feuchtem Haar das Haus und rief von unterwegs meine Mutter an, um ihr mitzuteilen, dass ich ein paar Tage weg sein würde. Kaum hatte ich den Stadtverkehr hinter mir gelassen, sah ich auch schon die Abfahrt Richtung Gauting, an dessen Rand dieses Hotel liegen sollte. Das ich jedoch nicht fand. Also schaltete ich das Navigationsgerät ein. Es leitete mich vom Ortskern weg in einen Wald. Ich wollte bereits umkehren, da sah ich eine Abzweigung. Das Navigationsgerät irrte sich bestimmt nicht. Also bog ich ein. „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, erklärte mir eine monotone Männerstimme.

Hinter den Bäumen lag ein eingezäuntes großes Grundstück mit gepflegtem Rasen. Das Haus am Ende der Kiesauffahrt war kein kleines Studio, Gasthaus oder Motel. Es schien vielmehr eine Art Villa zu sein. Aus hellem Sandstein mit großen Flügeltüren, Türmchen und Erkern. Die Autos konnten in einer Tiefgarage geparkt werden, wodurch das Bild nicht gestört wurde. Der Kasten erinnerte entfernt an eines dieser Renaissanceschlösser aus den Liebesromanen, die ich als Teenie meiner Mutter stibitzt und heimlich gelesen hatte. Komisch, ich hatte mir eine ganz andere Vorstellung von dem Kosmetiksalon gemacht, den Tanja mir gezeigt hatte. Dann fiel mir ein, dass auf der Internetseite nur Fotos von Frauenkörpern und von Innenräumen zu sehen gewesen waren. Eigenartige Werbestrategie!

Ich parkte in der Garage und fuhr mit dem Lift zum Erdgeschoss, wo die Rezeption sein sollte. Als ich den Fahrstuhl verließ, fühlte ich mich in eine andere Welt versetzt. Die Lounge war mit hellen Ledersesseln und niedrigen Couchtischen ausgestattet, an allen Wänden hingen Spiegel, die das Licht zu vervielfachen schienen und es schwer machten, die Abmessungen des Raumes einzuschätzen. Ich ging an den Sitzecken vorbei zum Tresen und fühlte mich beobachtet. Es herrschte eine eigenartige Stimmung – einerseits heimelig wegen des natürlichen Tageslichts und der zahlreichen Blumenarrangements, die überall verteilt waren und mir erst nach und nach auffielen. Andererseits wurde ich den Eindruck nicht los, als betrachteten mich heimlich Augenpaare aus verborgenen Ecken. Die wenigen Menschen, die sich in der Lobby aufhielten, wirkten elegant und reich. Ich bemerkte, dass zwei Männer in Anzügen mich mit ihren Blicken verfolgten. Die beiden Frauen, die mit ihnen an einem der Tische saßen, strahlten mit ihren übergeschlagenen Beinen und mörderisch hohen Pumps Lässigkeit aus. Irrte ich mich, oder trank man hier bereits um diese frühe Uhrzeit Cocktails? Auch die Blicke aus dicht bewimperten Frauenaugen schienen mich ungeniert zu taxieren. Wohinein war ich denn da geraten?

Beinahe folgte ich dem Impuls, sofort umzudrehen und den Lift wieder zu besteigen. Ich war sicherlich nicht die richtige Person, um in einem derart nobel wirkenden Tempel-Palast-was-auch-immer abzusteigen. Dann fiel mir Tanja ein. Sie würde mich niemals irgendwohin schicken, wo es mir schlecht ergehen würde. Wer weiß, was sie sich gedacht hatte, als sie mir ausgerechnet hier eine Übernachtung nebst Wohlfühlmassage und Intimenthaarung gebucht hatte. Jedenfalls regte sich meine Neugier. Innerlich zuckte ich die Achseln, atmete durch und trat zum Empfang.

Wenige Minuten später ging ich mit der Schlüsselkarte zurück zum Fahrstuhl. Die Leute in den Ledersesseln nickten mir grüßend zu. Es fühlte sich so an, als wäre ich in einen geheimen Zirkel aufgenommen worden, von dem ich allerdings keine Ahnung hatte.

Als der Lift anhielt, stieg ich ein. Ich war nicht allein. Der groß gewachsene dunkelhaarige Mann machte einen Schritt zur Seite und blieb stehen.

„Ähm, wollten Sie nicht aussteigen?“, fragte ich verunsichert, da keine Etage gewählt war. Erst jetzt sah ich ihn richtig an – und sofort wieder weg, weil sein Blick aus leuchtend grünen Augen mir die Hitze in die Wangen trieb. Außerdem sah dieser Mann so … eigenartig und vertraut aus, dass ich unwillkürlich in meiner Erinnerung suchte, ob ich ihn vom Film kannte. Solche Menschen gab es in echt doch gar nicht. Seine dunkelbraunen Haare wirkten strubbelig, als wäre er gerade aus dem Bett gekrochen. Das schlichte weiße Hemd und die zerrissene Jeans über edlen Lederschuhen rochen dagegen förmlich nach Understatement. Der Typ war noch größer als Jonas und strahlte irgendwas aus, womit er mich auf einer Ebene erreichte, die ich sonst gezielt ignorierte. Unerklärlicherweise fing mein Herz wild zu pochen an. An seiner umwerfenden Schönheit konnte es nicht liegen, denn er war nicht schön. Seine Nase war eine Spur zu massiv, die Wangen zu kantig, die Lippen kühn geschwungen, ohne eine Spur von Weichheit. Jetzt fiel mir ein, an wen er mich erinnerte, denn die leicht abstehenden Ohren vervollständigten das Bild: Daniel Craig, nur mit dunklem Haar und grünen Augen. Und größer. Er musste über einsneunzig sein.

Die Fahrstuhltüren schlossen sich mit einem „Wusch“, und ich stand immer noch unbeweglich da. Er zog einen Mundwinkel hoch und streckte die Hand aus. Ich wich zurück, weil ich dachte, er wolle mich berühren, doch dann zeigte er mit dem ausgetreckten Zeigefinger auf die Tasten neben den Etagennummern.

„Wohin möchten Sie?“ Seine Stimme passte zu seinem Aussehen. Sie war dunkel und ein bisschen kratzig. Unfassbar, aber sie stieß sehr tief in mir auf Resonanz.

„Ähm …“ Ich drehte die Schlüsselkarte um, weil ich die Zimmernummer vergessen hatte. Er beugte sich näher und warf einen Blick darauf. Als ich sein Aftershave roch, hielt ich unwillkürlich den Atem an. Er kam mir zu nahe, in meine Komfortzone. Mein Kopf war plötzlich leer, ich fühlte mich wie in einem dieser amerikanischen Liebesfilme, in denen Mann und Frau sich ohne Worte ansahen und jeder Zuschauer im Kino darauf wartete, dass sie sich küssten. Ich schloss die Augen und nahm seinen Geruch noch deutlicher wahr, seine Nähe, seine Wärme, seine intensive Präsenz in diesem kleinen Fahrstuhl neben mir. Etwas berührte meine Haare neben dem Ohr, ich spürte seinen Atem und riss die Augen auf. Sofort zog er den Kopf zurück – hatte er an mir geschnuppert? Was hatte er vorgehabt? Sein Gesicht wirkte weniger selbstbewusst als vorher, das schiefe Grinsen war weg. Er räusperte sich.

„Zimmer 302, das ist im dritten Stock.“ Damit drückte er auf die Taste neben der Drei.

„Danke sehr.“ Es kam als Flüstern heraus, lauter wiederholte ich: „Danke.“

Da war sein Lächeln wieder. Er war auf verwirrende Art unattraktiv, aber ich sprach körperlich auf ihn an wie lange auf niemanden mehr, wenn ich überhaupt je so stark auf jemanden reagiert hatte. Schon war der Fahrstuhl angekommen, und die Türen öffneten sich mit einem „Pling“.

„Bitte sehr.“ Er deutete mit dem Arm in den Flur. Ich griff nach meinem Trolley, ging nach draußen, suchte nach der Zimmernummer und lief zuerst in die falsche Richtung. Als ich meinen Fehler bemerkte und umkehrte, stand er noch immer im Fahrstuhl, die Hand nach vorne gestreckt, womit er verhinderte, dass die Türen sich schlossen.

Wer war dieser Typ?

Als ich auf Höhe des Fahrstuhls war, lächelte er. Seine Zähne waren nicht ganz ebenmäßig, der eine Eckzahn stand ein bisschen vor. Plötzlich hielt ich ihn doch für gut aussehend. Ich erwiderte sein Lächeln.

„Falsche Richtung“, sagte ich. Er machte einen Schritt in den Flur, womit er neben mir stand und mich dazu brachte, langsamer zu gehen. Wieder konnte ich ihn riechen. Er benutzte ein angenehm männliches, unaufdringliches Aftershave. Darunter konnte ich seinen Körpergeruch erahnen, dem ich aber lieber nicht nachgehen wollte. Ich konnte mir die Nervosität nicht erklären, die mich ergriffen hatte.

Erst in dieser Sekunde kam ich auf den Gedanken, dass er der Liftboy sein könnte. Weshalb sonst sollte er noch immer warten? Beinahe musste ich kichern – er war alles andere als ein „Boy“. Trotzdem öffnete ich meine Geldbörse, die ich noch vom Einchecken in der Hand hielt, und reichte ihm einen Fünfeuroschein. Er starrte die Banknote einen Moment an, dann nahm er sie. Seine Fingerspitzen berührten meine Haut. Sie fühlten sich warm an, er ließ sie länger als nötig an meinen Fingern ruhen, bevor er den Geldschein lässig in die Tasche seiner Jeans steckte.

„Danke sehr.“ Er schien sich ein Lachen zu verbeißen. Wahrscheinlich war es heutzutage nicht mehr üblich, dem Hotelpersonal Trinkgeld in die Hand zu drücken. Wieder überzog Hitze mein Gesicht bis hinunter zum Hals. Er ließ seinen Blick über meine Wangen, die Haare und meinen Hals wandern, heftete ihn dann einen Moment auf das Muttermal neben meinem Mundwinkel, bevor er endlich zurück in den Fahrstuhl trat. Ich glaubte, ihn lachen zu hören, nachdem der Lift sich in Bewegung gesetzt hatte.

Langsam atmete ich aus. Warum, wusste ich nicht, aber ich fühlte mich leicht und beschwingt. Diese Begegnung war fast wie aus einem Film gewesen.

Ich ließ die Atmosphäre des Hotelflurs auf mich einwirken. Normalerweise waren solche Flure lang und nichtssagend. Dieser hier war anders. Der weinrote Teppich zeigte ein eigenartig verschlungenes Muster, das ich am ehesten mit keltischen Symbolen in Verbindung brachte. Die Wände waren ebenfalls in einem dunklen Rotton gehalten, der mit dem des Bodens harmonierte. Im Vergleich zur lichtdurchfluteten Lobby wirkte der Flur schummrig. Zwischen den Türen, die zu beiden Seiten abgingen, hingen holzgerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien. Die Motive waren ausschließlich menschliche, unbekleidete Torsi in ästhetischen Posen. Die Wirkung dieser Kombination überraschte mich. Nichts war hier vordergründig auf sexuelle Reize ausgerichtet, seltsamerweise reagierte ich umso stärker auf die unterschwelligen Impulse. Die Farben, die Motive der Bilder, vielleicht auch ein Raumgeruch, den ich allerdings nicht identifizieren konnte, das alles erregte mich auf subtile Art. Erstaunlich. Plötzlich hatte ich das Gefühl, an diesem Wochenende mehr als nur Entspannung erleben zu können.

Unfug, sagte ich mir, als ich endlich die Tür zu Zimmer 302 öffnete und hineinging. Um überrascht stehen zu bleiben. Wo war ich hier gelandet? Ein normales, gutbürgerliches Hotel war das jedenfalls nicht. Wenn die Fotos im Flur noch als Aktfotos durchgingen, war das, was hier an der Wand hing, pure Erotik. Ein nackter Adonis und eine nackte Aphrodite standen sich gegenüber, versunken in den Anblick des jeweils anderen. Ihre Arme hingen seitlich herunter, aber es war nicht zu übersehen, was sie als Nächstes tun würden. Die runden Brüste der Frau berührten mit den vorstehenden Nippeln die muskulöse Brust des Mannes. Die Spitze seines erigierten Penis lag an ihrer Vulva. Obwohl es quasi ein eingefrorener Moment war, reagierte ich heftig auf die Schönheit des Bildes, auf das Ursprüngliche und Einfache, was es vermittelte. Ich hatte bisher nie Fotos gesehen, auf denen der Penis des Mannes in erregtem Zustand unverhüllt war. Außer vielleicht in pornografischen Darstellungen, und für die hatte ich nichts übrig.

Errötend wurde mir bewusst, dass ich genau dieses eine Detail des Bildes schon eine Weile betrachtete. Der Phallus war lang, gerade und kräftig, einige Adern waren darauf zu erkennen. Die Vorhaut war zurückgerutscht, die Eichel glänzte samten. Sie war groß und oval. Ich schluckte trocken. Das Lichtspiel auf dem Schwarz-Weiß-Foto ließ ihn fast wie eine Skulptur aussehen. Dieser Aphrodite standen ein paar wunderbare Momente bevor. Ich kicherte, löste mich endlich von dem Anblick und machte ein paar Schritte auf das Bett zu. Nur um festzustellen, dass daneben ein Schrank stand, dessen Front komplett verspiegelt war, genauso wie die Wand hinter dem Kopfende. Die übrigen Wände waren in einem warmen Brombeerton gestrichen, die kleine Sitzecke mit zwei Sesseln passend dazu in hellen Pudertönen gehalten. Ein Flachbildschirm hing dem Bett gegenüber an der Wand, die Fernbedienung lag auf dem Nachtkästchen. Als ich mich setzte, fiel mir auf, dass das Bett einen Rahmen aus Metall hatte, mit senkrechten Streben. Es war breit für ein Einzelzimmer, darauf lagen zwei Kopfkissen und eine sehr breite Decke, beides in dunklem Violett bezogen. Nachdenklich ließ ich mich nach hinten sinken … und sah mich an der Decke gespiegelt!

Das war doch nicht normal. Alles in diesem Haus schien auf Erotik ausgerichtet zu sein! In welches Abenteuer hatte Tanja mich da geschickt? Ich musste an die Männer und Frauen denken, die ich unten in der Lobby gesehen hatte – und an den Fremden im Lift. Sie waren allesamt ungewöhnliche, auffallende Menschen. Ob der Mann im Fahrstuhl wirklich ein Angestellter des Hotels gewesen war? Oh Gott, hatte ich womöglich einem Gast ein Trinkgeld aufgenötigt? Aber er hatte sich doch ganz so benommen. Hatte im Aufzug gewartet und dann das Stockwerk für mich gewählt. Dann fiel mir ein, dass die Frau am Empfangstresen ein Namensschild an ihrem Kostüm getragen hatte, der Fremde im Lift aber nicht. Und überhaupt hatte seine Kleidung gar nicht gepasst. Hotelangestellte liefen doch nicht in zerrissenen Jeans herum. Hinzu kam … als ich den Lift von der Tiefgarage aus genommen hatte, war er leer gewesen. Meine Güte, hatte ich mich zum Affen gemacht! Ich lachte die Frau im Spiegel aus.

„Tja, wo bist du da wohl hineingeraten, Lara Storm?“ Ich zeigte mir selbst das Daumen-Hoch-Zeichen und prustete. Es ging nichts über einen guten Start. Im Spiegel sah ich meine Sommerbluse und die schlichte Jeans und beschloss, dass ich auspacken und mich umziehen wollte. Gleich erwarteten mich eine Wohlfühlmassage und das Wegwaxen meines Herzchens. Die Empfangsdame hatte mir empfohlen, einfach in den Bademantel zu schlüpfen, der im Badezimmer bereitlag. Ich sollte mich wie in einer Oase fühlen, niemand würde sich wundern, wenn ich so durch den Flur ginge und den Aufzug benutzen würde. Ich warf einen Blick auf meine Uhr – in zehn Minuten war mein Termin – und beeilte mich.

Und dann war es so weit. Ein großer gut aussehender Mann, etwa in meinem Alter, erwartete mich bereits und führte mich in den Behandlungsraum, in dem es nach Vanille und Zitronengras duftete. Er stellte sich als John vor und bat mich, den Bademantel auszuziehen und mich auf den Bauch zu legen. Er drehte sich dabei zur Seite, sodass ich meine Scheu überwand und mich wie geheißen nackt auf die Liege legte. Dankenswerterweise deckte er meinen Po mit einem Handtuch ab. Er erklärte mir, dass er seine Massage mit ein paar flachen, runden Steinen unterstützen werde, die die Wärme besonders gut speicherten.

Mit duftendem Massageöl rieb er mir den Rücken ein, im Hintergrund lief leise Bluesmusik. Eine ungewöhnliche Wahl, aber es passte zu ihm und zu dem, was er tat. Ich blendete aus, dass ein attraktiver Mann mit mir im selben Raum war. Stattdessen stellte ich mir vor, es wäre ein gesichts- und geschlechtsloses Wesen, das mich verwöhnte. So konnte ich mich entspannen und schlummerte fast schon weg, als er auch meine Beine komplett mit Öl einrieb, während mich die Klavier- und Saxofonklänge im Hintergrund immer mehr einlullten. Schlagartig wach wurde ich erst, als seine Hände mich plötzlich an der Innenseite meiner Oberschenkel sehr weit oben streiften. Er würde doch nicht? Seine Fingerspitzen berührten meine enthaarte Haut. Meine Beine bewegten sich wie unter Zwang ein bisschen auseinander, ich schloss die Augen und musste an seine dunkle Hautfarbe und die hellen Fingernägel denken. Er hatte schöne, langfingrige Hände. Die gerade meine Schamlippen berührten, oder doch nicht? Verwirrt fragte ich mich, was das für eigenartige Empfindungen waren, die mich bestürmten. Musste ich nicht empört sein?

Ich war es nicht.

Ein Räuspern. „Bitte entschuldigen Sie, das war keine Absicht …“ Ein Blick in sein verlegenes Gesicht zeigte mir, dass er wohl die Wahrheit sprach. Anscheinend machte er diesen Job noch nicht sehr lange. Sonst würde ihm doch nicht so ein Fauxpas unterlaufen? Für eine Sekunde hatte ich den Eindruck, er wolle noch etwas hinzufügen, doch dann deutete er ein Kopfschütteln an. Ich legte den Kopf wieder auf das weiche Handtuch, kniff die Beine zusammen und musste mir eingestehen, dass seine Berührung eine anregende Wirkung auf mich gehabt hatte. Hoffentlich roch er nichts, so wie Jonas …

Womit ich gedanklich in eine gefährliche Zone abdriftete, denn der Zorn kam zurück, gepaart mit dem Gefühl der Erniedrigung. Nein, ich wollte vergessen, was Jonas mir angetan hatte. Ich bemühte mich, meinen Kopf gezielt von Gedanken zu leeren, die Empfindungen meines Körpers auf nicht erogene Zonen einzugrenzen, und begrüßte es, dass John andere Musik anstellte und dann die heißen Steine benutzte, um meinen gesamten Rücken zu massieren. Welche Wohltat! Wieder glitt ich langsam in eine tiefe Entspannung hinein. Ich merkte kaum noch, dass er mir die flachen Steine auf dem Rücken auflegte und dann mit frischen heißen Steinen an der Außenseite meiner Beine entlang nach unten strich. Kurz darauf spürte ich kühlere, ebenso zarte Berührungen an den Innenseiten. Von den Fesseln glitten sie meine Waden und Oberschenkel entlang nach oben. Dann spürte ich die glatte Kühle an meinen erhitzten Schamlippen, wo sie einen Moment verweilte, während mein Herzschlag sich beschleunigte und Hitze in meinen Unterleib strahlte. Ich kam nicht richtig zu mir, sondern ließ die Empfindungen zu und atmete langsam aus. Wohlige Gänsehaut überzog meinen Rücken. Beinahe bedauerte ich es, als die kühlen, glatten Steine behutsam weggenommen wurden. Das Handtuch war nach oben gerutscht, ich spürte, dass der untere Teil meines Pos unbedeckt war. Aber es störte mich nicht. Johns Anwesenheit hatte ich immer noch ausgeblendet, obwohl es seine Stimme war, die mich in etwas rauerem Tonfall aufforderte, mich langsam umzudrehen. Wann hatte er die Steine von meinem Rücken genommen? Ich tat wie geheißen und zog das Handtuch ein Stück nach unten.

„Ich bedecke Ihre Brust mit einem Tuch.“ Schlagartig war mir wieder klar, dass ich nicht allein war, und ich öffnete die Augen. John hatte einen eigenartigen Gesichtsausdruck. Zufrieden, sinnlich, aber nicht so, als wolle er sich über mich hermachen. Er lächelte mich an.

„Es gehört zu meinem Job, die Kunden mit neutralen Augen anzusehen. Sie brauchen keine Angst zu haben.“

„Habe ich nicht …“ Und das stimmte. Johns Blick war bewundernd, aber ungefährlich. So etwas erlebte man selten.

„Ihre Haut ist besonders weich.“

„Danke!“ Ich musste kichern. John legte umsichtig ein quer gefaltetes Handtuch über meine Brüste, und aufgrund seiner beruhigenden Worte war es mir nicht peinlich, dass meine Nippel steil nach oben standen. Ich schloss die Augen und genoss die vorsichtigen Bewegungen, mit denen er meinen Bauchnabel umkreiste. Ob es wirklich zur Massage gehörte, auch meine Schultern und meinen Hals mit hauchzarten Berührungen zu liebkosen, weiß ich nicht genau. Aber ich mochte es, an diesen Stellen gestreichelt zu werden, und Johns Berührungen waren so … uneigennützig. Ich seufzte ein paarmal. Spürte, wie mein Gesicht sich völlig entspannte. Ich war ganz in mir drin, als ich zum Schluss die massierenden Bewegungen nicht mehr orten konnte. Lagen warme Steine auf meinem Bauch, hatte das Handtuch sich nun ebenfalls erwärmt? Eine weiche, warme Berührung wanderte von meinem Bauchnabel hinunter zu meinem Venushügel und umschloss ihn. Die Feuchtigkeit zwischen meinen Schamlippen intensivierte sich. Ich fühlte mich wie in Trance und ließ einfach zu, was mit meinem Körper geschah. Finger streichelten meine Vulva. Sacht glitten sie die äußeren Schamlippen entlang bis weit hinunter. Dann wanderten sie zurück und spreizten die Lippen vorsichtig. Mein ganzes Bewusstsein zog sich dort unten zusammen. Meine inneren Lippen öffneten sich, und ich wurde immer feuchter. Mit leichtem Druck wurden sie von unten nach oben massiert. Mein Nektar verteilte sich, und dann spürte ich, wie meine Perle hart wurde. Umkreisende, schnelle Bewegungen verwöhnten sie und brachten mich dazu, den Rücken durchzudrücken, nach meinen Brüsten zu greifen und sie zu reiben. Ich genoss es, wie ihre Spitzen sich unter meinen Fingern aufrichteten.

Mein Unterleib zog sich zusammen, der exotische Duft des hervorsickernden Saftes vervollständigte die Mischung aus Vanille und Zitrone, die im Raum hing. Ich warf den Kopf zur Seite und stöhnte laut auf, als Jonas’ Finger in mich eindrangen.

„Lara …“, hauchte er. Ich liebte seine Stimme … In mir zuckte es, ich keuchte.

„Lara … Frau Storm …“

Schlagartig wurde ich nüchtern, lag wieder flach auf der Liege, die Hände neben meinem Körper.

„Sie sind eingeschlafen.“

Jonas’ Stimme? Nein, John war es, der zu mir sprach. Mein Kopf wurde heiß, ich riss die Augen auf und tastete nach unten. Lag das Handtuch noch auf mir? Ja, da war es. Aber zwischen meinen Beinen war es feucht. So feucht, wie sonst nur nach gutem Sex. Von mir allein? Der Geruch im Raum war verräterisch. Ja, von mir allein.

Mit heißen Wangen suchte ich Johns Blick. Was war passiert?

Er beugte sich leicht über mich. „Geht es Ihnen gut? Sie haben sich entspannt.“ Er grinste. Trotzdem wirkte es nicht anzüglich.

Ich nickte perplex.

„Sie haben geträumt.“ Anscheinend hatte John den Eindruck, er müsse mich beruhigen. Tatsächlich gelang ihm das auch mit seinen Worten. Mir war es trotzdem ein bisschen peinlich. Nein. Sehr peinlich.

Zu steigern war die Peinlichkeit nur noch durch das anschließende Waxing. Das sollte nämlich ebenfalls John durchführen.

„Jetzt noch die komplette Enthaarung der Intimzone.“ Er zog eine Braue hoch. Seine Gesichtsfarbe änderte sich ein bisschen. Ich hatte vorher nie einen Farbigen erröten sehen. Also war er doch nicht so abgeklärt, wie er tat.

Ich verzog den Mund. „Lassen wir es einfach sein?“

„Wie Sie wünschen. Das Herzchen ist durchaus … originell.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich will es weg haben. Ich habe es für meinen Freund machen lassen.“ Da war die Erinnerung wieder. Was hatte ich mir vorgenommen? Mir etwas Gutes zu tun. Wenn das Herz erst mal weg war, würde ich Jonas hoffentlich vergessen können. Die leise Stimme in meinem Innern, die mir zuflüsterte, dass es da noch eine Aussprache geben müsse, versuchte ich zu ignorieren.

„John, Sie haben jetzt eh schon so viel von mir gesehen wie sonst nur meine Ärztin oder mein Freund. Und Sie machen das doch beruflich, nicht?“

„Ja.“

„Und Sie sind gut darin? Sie machen es schnell?“ Die Erinnerung an die Schmerzen, die mir gestern die kleine Asiatin zugefügt hatte, war zurück.

„Ich bin sogar sehr gut darin. Sie werden nur einen kurzen Schmerz fühlen. Das verspreche ich Ihnen.“

„Dann ran ans Werk.“

Wie die Kosmetikerin gestern – es schien schon so weit weg zu sein! – hieß er mich, mich zurückzulegen und die Beine auseinanderfallen zu lassen. Ich betete mir wie ein Mantra vor, dass dieser gut aussehende Mann nichts weiter tat als seinen Job. Wie ein Arzt. Er betrachtete mich nicht mit den Augen eines Mannes … Ganz schien das allerdings nicht zu stimmen. Ich erkannte sehr wohl die Anstrengung, die es ihn kostete, eine neutrale Miene aufzusetzen, als ich mit gespreizten Beinen vor ihm lag. Er schien es sich mehrmals zu verkneifen, etwas zu sagen. Seine Berührungen, als er mir einen Wachsstreifen anmaß und ihn dann, nachdem er ihn heiß gemacht hatte, auflegte, waren schnell. Trotzdem musste ich den Blick von seinen dunklen Händen auf meiner hellen Haut abwenden, weil mich der Anblick irritierte.

Mit einem einzigen Riss hatte er kurz darauf das Herz weggezaubert. Wo es gewesen war, leuchtete meine Haut jetzt rosarot. John strich einmal mit der flachen Hand darüber – ich zuckte zusammen, allerdings nicht vor Schmerz.

Er sah mir in die Augen. Seine Iris waren von den Pupillen nicht zu unterscheiden, ich konnte nicht darin lesen.

„Ich gebe Ihnen die Creme, Sie reiben sich am besten selbst ein …“

Unsicher griff ich nach der kleinen Tube, die er mir hinhielt, und nickte.

„Ich … Lara, ich möchte Ihnen sagen, dass ich hoffe, der Nächste, der dies alles zu sehen bekommt, ist es wert.“

„Ähm, danke“, stammelte ich.

„Nehmen Sie das als Kompliment.“ Damit verließ er den Raum.

Ich tupfte vorsichtig die kühlende Creme auf meine Haut, zog mir den Bademantel wieder an und ging.