Kapitel 1
Benjamin hob die Hand und streckte zwei Finger hoch, um zwei weitere Drinks zu bestellen. Er lächelte. »Es freut mich, dass du geblieben bist. Warum wollte deine Freundin so plötzlich nach Hause?«
Mia zuckte mit den Schultern. »Charlotte braucht ihren Schönheitsschlaf. Wir haben morgen einen arbeitsreichen Tag vor uns.«
»Oh, ihr seid Kolleginnen. Ich dachte …«
»Wir sind Freundinnen, darüber hinaus Kolleginnen.«
»Aber im Gegensatz zu ihr benötigst du weniger Schlaf und genießt lieber das Nachtleben. Oder hast du einen anderen Grund gefunden, für den es sich lohnt, wach zu bleiben?«
Langsam wurde Mia ungeduldig. Benjamin gefiel ihr ausnehmend gut. Er war ihr sofort aufgefallen, als Charlotte und sie die Bar betreten hatten. Mit seiner Größe von sicherlich einen Meter neunzig und der muskulösen Figur, die sich unter dem Anzug erahnen ließ, wirkte er überaus stattlich. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig und die vollen Lippen konnte sie sich wunderbar auf ihrem Mund vorstellen. Bestimmt küsste er auf diese fordernd sinnliche Weise, die sie so liebte.
Naturgemäß hatte sie nicht lang gebraucht, um mit ihm in Kontakt zu treten, und eigentlich war der Verlauf des Abends für sie damit vorgegeben gewesen: ein wenig Small Talk, die Annäherungsphase und zu guter Letzt das Finale, sprich heißer, unkomplizierter Sex.
Nun saßen sie jedoch bereits seit drei Stunden an der Bar, die noch dazu nicht zu ihren bevorzugten Lokalen zählte, sprachen über Nichtigkeiten und nippten an ihren Drinks. Nun hatte Benjamin sogar für Nachschub gesorgt.
Musste sie deutlicher werden?
»Ich denke, ich habe einen sehr guten Grund gefunden. Willst du wissen, wann er beginnt?« Ob er wohl das kleine Spiel versteht, überlegte Mia.
»Unbedingt.«
Mia schenkte ihm einen bedeutsamen Blick. »Sobald wir beide gemeinsam die Bar verlassen haben.«
Benjamin strahlte sie an. Er beugte sich vor und berührte ihre Wange. Seine Finger glitten tiefer zu ihrem Hals, weiter zum Nacken und verfingen sich in ihrem Haar. Schließlich zog er sie zu sich und hauchte einen Kuss auf ihren Mund.
Automatisch schloss Mia die Augen und öffnete leicht die Lippen, bereit, seine Zunge einzulassen. Offensichtlich hatte er begriffen, worauf sie hinauswollte, und ihre Fantasie galoppierte augenblicklich davon.
Sie sah sich mit ihm die Bar verlassen, wobei er sie, voll und ganz seinem bisherigen galanten Verhalten entsprechend, vom Eingang weg erst in eine dunkle Gasse hineinführte, dann stehenblieb, sie sanft küsste und endlich sein wahres Gesicht zeigte.
Ungestüm würde er sie in die Nische eines Hauseingangs zerren und ohne zu fragen ihren Rock hochschieben. Bereits spürte sie seine Hand zwischen ihren Schenkeln und wie er ihren Spitzenstring mit einem Ruck zur Seite schob. In der Bar hatte er sich Zeit gelassen, nun wollte er keine mehr vergeuden. Sofort bahnten sich zwei seiner Finger den Weg in sie hinein, ein dritter glitt nach hinten, und auf der Stelle begann er fest zuzustoßen.
Ohne die rhythmische Bewegung zu unterbrechen, könnte er sich vor sie hinknien und seine Lippen auf ihren Kitzler pressen. Förmlich fühlte Mia seine Zunge, die sich auf ihr bewegte, und schob ihm ihr Becken entgegen. Seine freie Hand glitt unter ihre Bluse und zog fest an ihrer Brustwarze.
Abrupt ließ Benjamin sie los und richtete sich auf.
Mia blinzelte. Sie brauchte eine Weile lang, bis sie in die Realität zurückfand. Was war plötzlich geschehen? Irritiert sah sie, wie er aus der Brusttasche seines Sakkos eine Visitenkarte hervorzog und sie ihr reichte.
Er lächelte. »Es gibt keine Zufälle, Mia. Schon als ich heute Morgen aus dem Haus gegangen bin, hatte ich das Gefühl, etwas Besonderes würde geschehen. Und jetzt sitzt du vor mir. Darf ich dich am Wochenende zum Abendessen einladen? Ich möchte dich besser kennenlernen.«
Konnte es sein, dass er ihr Ansinnen doch nicht verstanden hatte? Obwohl sie keine Hemmungen hatte, einem Mann ihr Interesse zu bekunden, überließ sie den letzten Schritt gern ihm. Sie genoss diesen Teil, wenn er den weiteren Verlauf übernahm und sie verführte. »Ich dachte, du würdest den Abend vielleicht gemeinsam ausklingen lassen wollen?« Einen letzten Versuch war es wert.
Benjamin lachte sichtlich verlegen auf. »Aber nein! Du bist doch keine Frau für eine Nacht. Am liebsten würde ich bis zum Morgengrauen hier bleiben und mehr über dich erfahren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so gut unterhalten habe.«
Das war es wohl gewesen mit ihrem Vorhaben. Dabei hatte alles so gut begonnen. Mia deutete unter vorgehaltener Hand ein Gähnen an. »Das wäre sehr schön, allerdings bin ich mittlerweile auch müde, so leid es mir tut.«
»Soll ich dich nach Hause fahren?«
»Nein, danke. Mein Wagen steht vor der Tür.« Mia zog ihre Handtasche von dem kleinen Haken, der unter dem Tresen angebracht war, und holte ihre Geldbörse hervor.
»Und wirst du mich anrufen?«
Als Antwort hielt sie seine Visitenkarte hoch und steckte sie in das Seitenfach ihrer Tasche. Die Geldbörse behielt sie in der Hand.
Er ließ nicht locker. »Ich würde dich wirklich gern zum Essen einladen.«
»Charlotte und ich fliegen morgen zu einem Geschäftstermin nach Minnesota. Wir werden einige Tage dortbleiben.«
»Danach?« Benjamin wartete keine Entgegnung ab. Er zeigte auf die beiden vollen Gläser, die der Barkeeper inzwischen gebracht hatte. »Und dein Drink?«
Mia zwinkerte ihm zu. »Du hast mich nicht gefragt, ob ich noch einen will.« Sie bemerkte seine enttäuschte Miene und fügte hinzu: »Okay, diesen trinken wir, aber dann werde ich bezahlen.«
»Selbstverständlich übernehme ich die Rechnung.«
»Danke.« Mia streckte die Wirbelsäule durch und setzte eine verbindliche Miene auf. »Du bist also Architekt. Erzähl mir mehr von diesem neuen Projekt, das du zuerst erwähnt hast.« Am besten überbrückte sie die Zeit bis zum Gehen mit Small Talk. Jeder Mann redete gern über seine Erfolge.
Den Ausklang des Abends hatte sie sich wahrhaft anders vorgestellt.