Leseprobe Im Spiegel der Wahrheit

1

Dr. Tobias Tarkan Süliman verkrallte sich in die Armlehnen, als erwartete er gleich einen gewaltigen Knall. Fassungslos starrte er auf die miserable Videoaufnahme, die ihnen Henry Brown, der Generaldirektor der Londoner Global-Search-Enquiry-Company, vorführte. Der Ton war viel zu laut eingestellt; offensichtlich nahm Brown an, dass die hier Anwesenden schwerhörig waren.

Die Frau auf der Mattscheibe, von der er geglaubt hatte, sie sei seine Freundin Beatrice, flanierte im dunkelroten Kleid und mit Glitzerstrass besetzten Slingpumps an der Reling einer Luxusjacht entlang. Tobias’ Nickelbrille rutschte ihm unaufhaltsam über die Nase und verwandelte Beatrice in einen langen Ketchupfleck. Sofort schob er die Brille zurück und Beatrice winkte ihm gestochen scharf zu, drehte sich kokett um die eigene Achse und räkelte sich in Fotopose. Der Seewind spielte mit ihren fantastischen, kastanienbraunen Haaren.

Henry Brown zog sein Sakko zurecht und räusperte sich. „Das, meine Herren, ist Maria-Stella Mondadori: die reizende Tochter der Herrschaften, die Sie suchen sollen“, übertönte seine Stimme den quäkenden Ton der Aufnahme.

Tobias hatte das Gefühl, einen kratzigen Schwamm unter der Zunge zu haben, und schloss für einen Moment die Augen. Was, bitte, hatte seine Freundin auf dieser Jacht verloren? Warum hieß sie plötzlich Maria-Stella?

Verwirrt beobachtete er weiter. Ein untersetzter Frosch mit gepflegter Halbglatze lief von links ins Bild und umarmte Beatrice. Der Wind fuhr dem Frosch durch die Ärmel seines weißen Hemdes und blähte ihn auf. Die Seidenkrawatte schlappte ihm immer wieder ins Gesicht, bis er sie gequält festhielt. Das war Signor Vittorio Mondadori, angeblich Beatrices Vater. Er zauberte hinter seinem Rücken einen Sonnenhut mit einer albernen breiten Krempe hervor und setzte ihn seiner Tochter auf.

Lachend zog Beatrice den Kopf ein und presste beide Hände auf den Hut, was den Wind nicht davon abhielt, ihr die Krempe auf ihren blutrot geschminkten Mund zu schlagen.

Die Kamera machte einen Schwenk zu Signora Marietta Mondadori, die auf einem Liegestuhl in einer Frauenzeitschrift blätterte und abwehrend ihre perfekt manikürte Hand vor die Kamera hielt. Genervt schüttelte sie den Kopf, ihre goldenen Ohrringe baumelten gegen ihre mageren Backen.

Ich habe einen Knick in der Optik, meine Sinne spielen mir einen Streich, fuhr es Tobias durch den Kopf.

Hilflos sah er zu, wie sich die Möwen auf den Hut stürzten, der auf Nimmerwiedersehen auf das Meer hinausgetrieben wurde.

Sascha Becker, der sich neben ihn in den Sessel gefläzt hatte, verfolgte mit schmalen Augen, wie Beatrice mit dem Strohhalm die Eiswürfel in ihrem Drink verrührte. Er zog seine schwarze Baumwollmütze ab und fuhr sich über sein kurz geschorenes, flachsblondes Haar.

Sascha war der Einzige im Team, der seine Freundin kennengelernt hatte. Während des Fluges nach London hatte er Tobias damit aufgezogen, dass seine neue Flamme – Oberstudienrätin Frau Dr. Beatrice Charlotte Holznagel – Kaugummis im Unterricht verbot. Das Knatschen störte sie gewaltig und der Gedanke, einer wiederkäuenden Kuhherde Integralrechnung beizubringen, gab ihr das Gefühl, ihren Beruf verfehlt zu haben.

„Heißer Arsch, was?“, ätzte Sascha.

Tobias warf ihm einen scharfen Blick zu. Sascha brauchte ihn nicht ausgerechnet vor Brown daran zu erinnern, dass es noch nie seine Stärke gewesen war, die richtige Frau zu finden. Bis vor Kurzem war Beatrice lediglich seine Wohnungsnachbarin gewesen, die in seiner Abwesenheit den Briefkasten für ihn geleert und ihm somit den Hausmeister vom Leib gehalten hatte. Irgendwann wurde ihm von ihren graugrünen Augen schwindlig und er fing an, Steine und Luft an seine eigene Adresse zu schicken – damit er einen Grund hatte, nach seiner Rückkehr bei ihr zu klingeln. 

„Kein Wunder, dass sie ständig über ihren Job jammert“, raunte ihm Sascha zu. „Von wegen kein Geld für ein neues Auto.“

„Halt die Klappe!“, zischte Tobias.

Sascha setzte sich wieder die Baumwollmütze auf. „Schon gut, Mann. Ich sag ja nichts. Ist dein Bier.“

Steven Gordon, der Chef des Teams, beobachtete mit unbewegter Miene die Gesellschaft, die sich zu einem Drink auf ihre Liegestühle zurückgezogen hatte. „Und wo, Mr Brown, soll das Team suchen? Neapel ist groß!“, brummte er. Gordon zog an seiner schmalen Pfeife, Rauch quoll ihm aus der Nase und schwängerte den Raum mit dem süßlichen Geruch nach Marihuana, das er in geringen Mengen, wie er nicht müde wurde zu betonen, hin und wieder in den Tabak mischte. Das war Brown ein Dorn im Auge, aber selbst die Drohung, ihn rauszuschmeißen, interessierte Gordon herzlich wenig. Normale Menschen machten diesen Job nicht; außer Brown war keiner hier normal, außer Brown roch niemand mehr, was Steven unter den Tabak mischte.

„Neapel sehen und sterben, oder wie war das, Tobias?“, fragte Jean Louis Baptiste de Boulogne, ein französischer Graf, der das Team als Expeditionsarzt begleitete. Über sein feingeschnittenes Gesicht huschte ein Lächeln.

Tobias rieb sich die Schläfen, als quälten ihn Kopfschmerzen.

Der Graf sah ihn überrascht an. „Ist Ihnen nicht gut?“ 

„Mir geht es bestens, Jean“, presste Tobias zwischen den Zähnen hervor.

Stirnrunzelnd nahm Gordon seine Pfeife aus dem Mund, griff nach dem Aschenbecher auf dem Tisch und klopfte sie aus. „Wir brauchen Informationen! Dunkelhaarige Frauen gibt es Tausende in Neapel. Wenn uns die Herrschaften Mondadori außer Wochenendvideos keine weiteren Anhaltspunkte geben können, werden wir den Auftrag nicht annehmen.“

Brown hob die Schultern. „Die Polizei kommt nicht weiter. Wie die Herren sich denken können, haben Recht und Ordnung in dem undurchdringlichen Sumpf aus Korruption keine Bedeutung. Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wer hinter dem Verschwinden Maria-Stellas steckt. Zu Ihrer Information: Signor Mondadori ist ein einflussreicher Richter. Wenn die Herren mich fragen, steckt Erpressung dahinter, aber Signor Mondadori hat sich nicht dazu geäußert.“

Gordon tippte sich mit dem Pfeifenkopf an die Stirn. „Wir sind nicht lebensmüde. Sollen wir die komplette Camorra aufscheuchen? Ich trage die Verantwortung für die Männer meines Teams!“

Brown straffte die Brust. „Mr Gordon, die GSE-Company arbeitet nicht mit der Polizei zusammen, ist unabhängig und, wie ich hoffe, immun gegen Bestechung. Ich nehme an, dass uns Signor Mondadori genau aus diesem Grund konsultiert hat. Hören Sie sich wenigstens an, was die Herrschaften Mondadori zu sagen haben, bevor Sie urteilen!“

„Und? Wo sind die Italiener?“, knurrte Gordon.

„Die Herren werden zu den Mondadoris nach Neapel fliegen, dort werden Sie mehr erfahren. Und wenn es den Herren nichts ausmacht, sitzen Sie in drei Stunden im Flugzeug. Ich bitte Sie darum!“

„Das geht nicht! Stornieren Sie die Flüge!“, rief Tobias. Er sprang auf, überraschte Gesichter starrten ihn an.

Gordons Gesicht wurde lang, als stünde plötzlich ein Irrer vor ihm.

Für langwierige Erklärungen würde Gordon Tobias keine Zeit lassen. Mit hochrotem Gesicht hastete Tobias auf Browns Schreibtisch zu und raffte die Fotos an sich, die der Generaldirektor den Männern vor der Filmvorführung gezeigt hatte.

„Geben Sie mir eine Stunde Zeit!“, flehte er und rannte aus Browns Büro.

„Was haben Sie vor?“, brüllte Gordon hinter ihm her.

Tobias beschleunigte seine Schritte. Nichts würde ihn aufhalten, selbst wenn sein Chef ihm hinterherjagte, ihn niederrang und ihn mit seinen Reißzähnen zerlegte.

2

Tobias riss die Bürotür von Browns Privatsekretärin auf.
Mrs Parker zuckte zusammen und Kaffee schwappte aus dem Pappbecher auf die Schreibtischunterlage. „Ist was passiert, junger Mann, oder weshalb klopfen Sie nicht an?“, schimpfte sie.

Tobias zerrte ein Papiertaschentuch aus seiner Jeans und tupfte die Sauerei hektisch auf. „Es ist etwas passiert, Mrs Parker, auch wenn es meine ganz private Katastrophe ist!“ Er zielte und warf das vollgesogene Taschentuch in den Mülleimer. „Verzeihen Sie mir. Bitte, scannen Sie mir diese Fotos ein und schicken Sie sie an folgende E-Mail-Adresse.“ Tobias schnappte sich einen Filzstift und schrieb Beatrices E-Mail-Adresse auf einen Notizzettel.

„Nichts werde ich tun, junger Mann. Ohne Mr Browns Anweisung darf ich das nicht!“

„Der Auftrag kann nicht angenommen werden, wenn bestimmte Dinge nicht geklärt werden! Und zwar sofort! In drei Stunden schicken die uns nach Neapel!“

Mrs Parker stemmte die Hände in die Hüften, das dringliche Zeichen für Tobias’ Geheimwaffe: Mit großen braunen Augen bettelte er sie an. Seine Mutter war Deutsche, was Mrs Parker noch nie interessiert hat. Aber von seinem türkischen Baba hatte er die interessante dunkle Haut, den aufregenden Namen, seine Intelligenz, seinen Charme … Komm schon, altes Mädchen!

Mrs Parker kämpfte. Doch in ihren Mundwinkeln begann es zu bröckeln und ein zartrosa Hauch legte sich auf ihre Wangen. „Mr Brown wird Ihnen verzeihen“, stieß er den Zauberspruch aus, er brachte kaum die Lippen auseinander.

Mrs Parkers Ärger löste sich wie durch ein Fingerschnipsen in Luft auf. „Mein Kaffee ist kalt geworden. Ekelhaftes Gesöff!“ Sie erhob sich und ging zur Tür. „Ich hole mir einen neuen. Wenn Sie während meiner Abwesenheit ungefragt hier eindringen und sich an meinem Computer zu schaffen machen, kann ich nichts dafür, meinen Sie nicht?“ Sie seufzte und schüttelte mit gespielter Empörung den Kopf.

Tobias warf ihr eine Kusshand zu. „Das vergesse ich Ihnen nie, junge Frau!“

„Meinen Sie nicht, dass Sie etwas übertreiben, Mr Süliman?“, entgegnete Mrs Parker trocken und verließ den Raum.

Tobias überhörte die Bemerkung geflissentlich; schon saß er am Computer und legte das erste Foto in den Scanner. Seine Hände zitterten.

Als er die Mail an Beatrice abgeschickt hatte, atmete er tief durch. Er knetete Nase und Mund, presste seine Hände fest aneinander, aber sie wollten einfach nicht aufhören zu zittern. Wem hatte er gerade gemailt? Beatrice? Einer Unbekannten? Etwa dieser Maria-Stella? Neben welcher Frau war er heute Morgen aufgewacht? Er spürte noch ihre warmen Lippen, die nach Kaffee schmeckten. Er hatte ihr versprochen, auf sich aufzupassen, als er sich von ihr verabschiedet hatte, um nach London zu fliegen. Sie hatte ihn ein letztes Mal umarmt, ganz ohne Tränen, ohne Theater. Dafür war er ihr dankbar. Sie hatte lediglich gemeint, dass sie seine Wohnung auf Vordermann bringe, damit sie an seinem Schreibtisch, der viel sonniger sei als ihrer, die Mathe-Klausuren ihrer Oberstufenschüler korrigieren könne.

Hatte die behütete Tochter des reichen Signor Mondadori Mathe und Chemie studiert, um sich als Lehrerin in Freiburg, einer schnuckeligen Stadt in Süddeutschland, mit bockigen Gymnasiasten rumzuplagen? Auf die reiche Maria-Stella wartete Mailand, Metropole der Mode, ein Shopping-Paradies für alle Maria-Stellas auf diesem Planeten.

Warum um alles in der Welt duftete Beatrice nach Deo-Roller und trug Kleider von der Stange, während Maria-Stella nur Markenklamotten an ihre Haut ließ? Waren die beiden ein und dieselbe Frau? Es würde ihn auf der Stelle zerreißen! Unvorstellbar! Es konnte nicht sein, dass Maria-Stella picklige Gymnasiasten anstatt reiche Verehrer mit fetten Kisten bevorzugte. Wieso sollte sich eine Maria-Stella für einen globetrotteligen Spinner wie ihn entscheiden, einen Halbtürken dazu, den Geld nicht interessierte und der sich selbst Steine schickte?

Er schüttelte den Kopf. Das ergab alles keinen Sinn. Beatrice konnte nicht Maria-Stella sein und dennoch lächelte ihn die Frau, die er liebte, als Fremde in einem Video an.

Er griff zum Hörer und wählte 0049 für Deutschland, dann 761 für Freiburg … und zögerte. Was würde passieren, wenn der Mann, der gestern noch mit ihr geschlafen hatte, ihr vorwarf, nicht die zu sein, die sie zu sein vorgab? Er drückte den Hörer so fest, bis das Weiße auf seinen Knöcheln hervortrat.

Dennoch wählte er die Nummer zu Ende, lehnte sich zurück und lauschte dem Tuten in der Leitung.

Nach dem fünften Tuten ergriff ihn Verzweiflung. Ihm fiel ein: Beatrice war noch in der Schule; meist hatte sie dort ihr Handy auf Flugmodus. Nach dem sechsten Tuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Er wollte schon frustriert auflegen, als sich die abgehetzte Stimme Beatrices meldete.

„Gott sei Dank!“, entfuhr es ihm.

„Du hast Glück gehabt. Im Treppenhaus habe ich das Klingeln gehört. Ich bin gerannt, weil ich so ein Gefühl hatte, du könntest es sein.“

Tobias antwortete nicht.

„Müsstest du nicht schon längst in London sein?“, fragte sie besorgt.

Tobias schien die Sorgenfalte auf ihrer Stirn förmlich zu sehen, es schmerzte ihn, nicht mit dem Finger darüberstreicheln zu können, so, wie er es immer tat, wenn Beatrice etwas quälte. „Ich bin schon längst angekommen, kein Problem“, sagte er matt. „Beatrice, hör mir gut zu, es bleibt wenig Zeit! Ich habe dir per Mail ein paar Fotos geschickt. Sieh sie dir bitte an und sag mir, was du davon hältst.“

Er hörte das Rascheln ihrer Kleidung, als sie zum Computer ging.

Tobias biss sich auf die Lippen. Er hätte ihr die Fotos persönlich geben sollen. Sie hätte wenigstens die Chance haben müssen, in sein Gesicht zu sehen. Aber Brown hatte ihm keine Zeit gelassen. Er lauschte dem Summen des hochfahrenden Computers und dem schnellen Klicken der Maus.

„Was ist an den Fotos so wichtig, dass du sie mir unbedingt jetzt zeigen musst?“, fragte sie.

Tobias schloss die Augen.

„Es ehrt mich wirklich, dass ich dir mit meiner besonderen Beobachtungsgabe weiterhelfen kann“, witzelte sie.

„Das hoffe ich!“

Eine ganze Weile hörte er nichts außer dem Rauschen in der Leitung. Er war kurz davor zu fragen, ob sie noch dran war, beherrschte sich aber. Was dachte Maria-Stella jetzt?

Sag mir, dass du meine Beatrice bist, schrie es in ihm. Versprich mir, keine Lüge zu sein!

Aber Gedanken konnte Beatrice (oder Maria-Stella) durch das Telefon nicht hören. Auf einmal packte ihn die Angst, Beatrice würde auflegen und wie eine geplatzte Seifenblase aus seinem Leben verschwinden. Er hielt sich verzweifelt den Mund zu, damit er sie nicht bedrängte. Sie sollte als Erste etwas sagen. Maria-Stella sollte reden.

Ihr Atem ging plötzlich stoßweise. Aha, Maria-Stella suchte fieberhaft nach einer Ausrede.

„Tobias“, drang es heiser an sein Ohr. „Hast du das fotografiert? Kannst du mir bitte verraten, wo wir da zusammen waren?“ Sie lachte verlegen. „Es ist mir wirklich peinlich, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals mit dir auf einer Jacht gewesen zu sein.“

„Vielleicht nicht mit mir, aber mit jemand anderem?“, entgegnete Tobias sarkastisch.

„Du meinst doch nicht etwa diesen Fettsack, der den Arm um mich gelegt hat? Du meine Güte!“

„Der Fettsack ist Signor Vittorio Mondadori, ein einflussreicher Richter.“

„Das interessiert mich nicht, Tobias! Ich kenne diesen Mann nicht!“

„Dann bist du also nicht die Person auf dem Foto?“, fragte Tobias scharf.

Aus der Leitung drang ein Schnauben. „So leid es mir tut, Tobias, ich wüsste nicht, wer sonst außer mir mit meinem Gesicht herumliefe. Trotzdem kenne ich diesen Mann nicht. Ich war noch nie im Leben auf so einer Jacht. Auch kann ich mich nicht daran erinnern, jemals so einen peinlichen Sonnenhut getragen zu haben. Und soweit ich weiß, leide ich nicht unter Gedächtnisschwund.“

„Und wie erklärst du dir das alles?“

„Frag diesen Juristen und nicht mich, der wird dir sicher gerne behilflich sein“, erwiderte sie gereizt.

„Signor Mondadori behauptet, die junge Frau auf dem Foto sei seine verschollene Tochter. Die GSE-Company hat den Auftrag, sie zu suchen.“

Beatrice brach in ein schrilles Lachen aus, das schlagartig erstarb. „Das ist eine Fotomontage, Tobias!“, keuchte sie.

„Ich glaube nicht, Beatrice.“

„Aber … Tobias! Ich schwöre dir: Ich kenne diesen Menschen nicht. Ich bin nicht seine Tochter. Das ist doch nicht dein Ernst?“

Es tat ihm leid, Beatrice so vor den Kopf gestoßen zu haben. Das Entsetzen in ihrer Stimme jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Konnte er ihr glauben? Spielte sie mit ihm?

„Hör zu, Beatrice! Diese üble Geschichte ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich bin ziemlich durcheinander. Sag mir, was würdest du an meiner Stelle denken? Würdest du mir bedingungslos glauben?“ Er wusste, sie hatte den Hörer fest an ihr Ohr gepresst und aus ihren Augen, die starr auf die Fotos fixiert waren, tropften Tränen.

Nach einer halben Ewigkeit räusperte sie sich und sagte leise: „Nein!“

Tobias wäre es lieber gewesen, sie hätte ihn angeschrien.

„In knapp drei Stunden fliegen wir nach Neapel zu dem Ehepaar Mondadori. Wenn du dazu bereit bist, sorge ich dafür, dass du nachkommst. Dort wird sich der Spuk aufklären.“

„Wie stellst du dir das vor? Meine Schüler schreiben diese Woche noch wichtige Klausuren. Ich kann nicht weg!“

„Dann kommst du eben ein paar Tage später nach.“

„Nein!“, fauchte sie. „Diese Leute wollen was von mir und ich nicht von ihnen. Wenn sie mich sehen wollen, sollen sie gefälligst herkommen.“

Es folgte ein Knacken in der Leitung; Beatrice hatte aufgelegt.

Tobias schaute verloren auf den Hörer. Er hatte den Daumen auf der Wiederholtaste. Aber es war besser, Beatrice ihrer Wut zu überlassen. Wie konnte er sie trösten, wenn er ihr nicht glaubte?

„Das war nicht sehr nett von Ihnen, Mr Süliman!“ Mrs Parker stand mit einem neuen Pappbecher in der Tür und blickte ihn mitleidig an.

Am besten sah er zu, so schnell wie möglich von hier wegzukommen. An die mütterliche Brust gedrückt zu werden war das Letzte, was er jetzt brauchte.

„Ist es denn nicht egal, wer die junge Dame ist? Hauptsache, Sie lieben sie.“

Tobias stand auf, schob Mrs Parker zur Seite und floh aus dem Zimmer.

„Ihr jungen Leute heutzutage seid so unromantisch“, rief sie hinter ihm her.

„Jung?“ Tobias drehte sich zu ihr um und lächelte gequält. „Die meisten Männer in meinem Alter sind verheiratet und begleiten ihre Frauen zum Geburtsvorbereitungskurs, Mrs Parker!“ Er winkte ihr zu und eilte zurück in das Büro des Generaldirektors, wo sie alle auf ihn warteten.

Er hatte schon viel zu viel Zeit vergeudet.

3

Tobias machte sich nicht die Mühe anzuklopfen. Noch bevor einer der Männer den Mund aufmachen konnte, schmetterte er die Fotos auf den Tisch.

Brown starrte ihn fassungslos an. „Ich gehe davon aus, Mr Süliman, dass Sie einen triftigen Grund für diese ungeheuerliche Aktion hatten.“

„Ich habe die Fotos eingescannt und meiner Freundin gezeigt, Mr Brown“, ließ Tobias die Bombe platzen. Er konnte nicht anders und lachte auf.

Gordon verbiss sich in das Mundstück seiner Pfeife. „Werden Sie konkret, Doktor!“, herrschte er ihn an.

Tobias wirbelte herum. „Erlauben die Herren, dass ich den Fotos noch eines hinzufüge?“ Er kramte den Geldbeutel aus seiner ärmellosen Weste hervor, zog ein Foto heraus und knallte es mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

Die Männer beugten sich über das zerknitterte Bild und eine schlagartige Stille legte sich über ihre Köpfe.

Gordon fasste sich als Erster und nahm das Foto in seine Hand. Ungläubig starrte er auf Tobias’ Freundin, die mit zerzausten Haaren und leuchtenden Augen eindeutig nackt unter der Bettdecke lag. Tobias drückte sie eng an sich und küsste sie auf den Hals. Gordons ansonsten stets beherrschtes Gesicht wurde weich, seine Augen immer größer.

„Du bist klasse, Tarkan!“, platzte es aus Sascha heraus. Lachend haute er sich auf die Oberschenkel.

Peinlich berührt wandte Tobias den Blick ab.

Gordon drückte Tobias das Foto in die Hand. „Stecken Sie das bescheuerte Selfie ein oder ich vergesse mich!“

„Was Sie alles mit sich herumtragen, mein Lieber“, sagte der Graf mit einem süffisanten Lächeln. „Es gibt Menschen, die wollen keine Bilder von ihren Liebsten im Geldbeutel haben, weil Geld schmutzig ist und stinkt. Aber Sie gehören zur unkomplizierten Sorte, Tobias.“

Mr Brown hatte seine Fassung wiedergewonnen. Mit verschränkten Armen trat er an Tobias heran. „Was haben Sie mit Maria-Stella zu schaffen?“, zischte er.

Tobias vergrub seine Hände in den Gesäßtaschen und zuckte mit den Schultern.

„Egal!“, fuhr Gordon dazwischen. „Stornieren Sie die Flüge nach Neapel, Mr Brown! Wir können uns die Sucherei sparen, denke ich!“

„So schnell waren wir noch nie mit einem Auftrag fertig. Wir werden immer besser, findet ihr nicht?“, witzelte der Graf. „Obwohl ich zugeben muss, dass es etwas langweilig ist, eine Sache so schnell vom Tisch zu fegen. Sie haben uns ganz schön vor den Kopf gestoßen, Tobias.“

„Warten Sie es ab, Jean“, raunte Tobias.

„Sie hätten uns gleich sagen können, dass Sie diese Frau kennen!“, sagte Gordon. „Stattdessen lassen Sie uns warten wie beim Zahnarzt.“

„Die Frau, mit der ich zusammen bin, nennt sich Beatrice und nicht Maria-Stella. Sie behauptet, Signor Mondadori nicht zu kennen. Und da wir in drei Stunden fliegen sollten, ließen Sie mir keine andere Wahl.“

Gordon verdrehte die Augen und klatschte theatralisch in die Hände. „Klarer Fall, Doktor! Töchterchen taucht mit anderem Namen unter und Papi kann nachts nicht schlafen.“

„So ein Zufall, dass sie ausgerechnet bei Ihnen wieder auftaucht, Tobias“, bemerkte der Graf.

„Vorschlag: Sie fliegen mit Töchterchen nach Neapel und sagen Papi, dass Töchterchen bei Ihnen gut aufgehoben ist.“

„So einfach ist das nicht!“

„Der Mann kann seine erwachsene Tochter nicht zwingen, zu ihm zurückzukehren. Er wird seinen zukünftigen Schwiegersohn mehr als passabel finden. Also, vor was haben Sie Angst, Doktor?“

Der zynische Unterton verschlug Tobias die Sprache. Er schloss für einen Moment die Augen und biss die Zähne aufeinander, damit die aufflammende Wut nicht aus ihm herausplatzte. Was für ein Recht hatte Steven Gordon, seine Liebe zu Beatrice in den Dreck zu ziehen? Warum wollte er ihn verletzen?

Tobias versteckte seine zitternden Hände in den Hosentaschen. „Steven, ich sehe, dass Sie sich nicht in mich oder in die Frau, die ich unter dem Namen Beatrice kenne, hineinversetzen können. Seien Sie froh, von keiner Frau geliebt zu werden, der Sie unterstellen müssen, jemand anders zu sein, und der Sie nicht direkt ins Gesicht sagen müssen, dass Sie ihr nicht glauben. Wenn ich mich nicht irre, erwähnte ich es schon: Beatrice kennt Signor Mondadori nicht. Entschuldigen Sie, Steven, aber Ihren beschissenen Vorschlag habe ich überhört.“

„Wüsste nicht, weswegen ich mich bei Ihnen entschuldigen sollte, Süliman! Die Frau, die Sie Beatrice nennen, soll sich den Mondadoris vorstellen und basta. Problem gelöst! Der Rest interessiert mich nicht. Alles andere sind Ihre privaten Familienangelegenheiten, Doktor!“

„Meine Herren!“, rief Henry Brown dazwischen. „Wenn Sie es nicht schaffen, diese Beatrice dazu zu bewegen, sich den Herrschaften Mondadori vorzustellen, kommen wir nicht weiter.“ Er legte Tobias eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid, dass Ihnen der Zufall so übel mitgespielt hat, Mr Süliman, aber meinen Sie nicht, diese Beatrice überreden zu können?“

Tobias seufzte. Nach Neapel käme sie niemals mit, das hatte er ihrer Stimme angehört. Wie sie reagieren würde, empfinge sie die Mondadoris in Freiburg, konnte er nicht voraussagen. Sie hatte schließlich einfach aufgelegt.

Tobias nickte matt. „Können Sie es einrichten, dass sich das Team mit den Mondadoris in Freiburg trifft? Ich denke, dann wäre Beatrice am ehesten bereit. Versprechen kann ich nichts.“

Wortlos verließ er das Büro. Die innere Leere, die ihn überfallen hatte, ertrug er nicht länger; er brauchte frische Luft.

„Warte! Ich komm mit eine rauchen.“ Sascha eilte hinter ihm her.

4

Tobias und Sascha hatten sich im Hinterhof des GSE-Gebäudes auf eine Bank gesetzt, von der man einen Blick auf ein paar penibel gestutzte Thujahecken und auf ein Stiefmütterchenbeet hatte. Zwei vom Londoner Stadtdreck graue Tauben flogen vom Dach und landeten im Hof.

„Fliegende Ratten“, brummte Sascha und warf ihnen Steinchen hin, denen sie aufgeregt hinterhertippelten. „Kann es sein, dass die Flugratten hier blöder sind als bei uns?“

„Merk dir, nach dem wievielten Stein sie es endlich kapieren, dann weißt du’s.“

„Hab ich schon.“

„Und?“

„Keine Ahnung, ich verzähl mich immer.“

Über Tobias’ Gesicht huschte ein Grinsen. Bettelnd hielt er ihm die Hand hin. „Gib mir eine Zigarette, Sascha!“

„Kaugummizigaretten für Nichtraucher habe ich leider nicht.“

„Jetzt mach schon!“, drängte Tobias.

Zögernd zog Sascha sein Päckchen aus seiner Lederjacke. „Seit wann rauchst du, Mann?“

Verdrossen kickte Tobias einen Kieselstein zwischen die Tauben. „Seit jetzt“, sagte er düster.

„So ein Schwachsinn! Ich sag dir eins: Wenn du in dem Zustand anfängst zu rauchen, endest du als Kettenraucher.“

„Dann lass stecken, du Geizhals!“

Sascha nahm ein paar tiefe Züge, lehnte sich zurück und paffte Ringe in die Luft. Er legte den Kopf in den Nacken und beobachtete, wie sich die Ringe allmählich auflösten. „Bei Gordon müsste man mal durchtesten, ob bei ihm noch alles da ist, meinst du nicht? Kommt vom Kiffen. Davon wird das Hirn käsig.“

Tobias reagierte nicht. Frustriert stützte er seinen Kopf auf den Händen ab und beobachtete die Tauben, die auf Saschas Steinchen warteten.

Was war mit Steven Gordon los? Warum wurde er beleidigend? Gordon hatte wieder einmal auf seinem Doktor herumgehackt. Nach zehn Jahren Zusammenarbeit flackerte der Neid immer wieder durch. War es das? Neid?

Er gönnt mir Beatrice nicht, durchfuhr es ihn.

In Gordons Augen war er ein Mustermensch, dem alles mühelos gelang, was er sich vorgenommen hatte; der mehrere Sprachen fließend beherrschte und zu allem Überfluss genügend Charme besaß, um sich eine rassige Schöne zu angeln.

Tobias fuhr sich über das Gesicht. Konnte die Welt so primitiv sein?

Gordon sah gut aus. Groß, dunkelblond. Er war der Typ mit dem kantigen Gesicht, der sich in den Actionfilmen immer als Erster aus dem Hubschrauber stürzte. Tobias hingegen war zwar alles andere als klein, aber seine Nase war zu groß und er trug eine Brille. Sein allmählich ergrauendes Haar hatte die Beschaffenheit von Draht, weswegen er immer ungekämmt aussah. Doch das hatte Beatrice nicht davon abgehalten, sich in ihn zu verlieben. Wie konnte ein Mann wie Gordon, dem die Frauen hinterherstarrten, auf ihn eifersüchtig sein?

Was wusste er schon von Steven Gordon, der selten etwas über sich erzählte? Er lebte in Tring, einem Vorort von London. Was er in der Zeit trieb, in der sie nicht zusammen für die GSE-Company arbeiteten, wusste Tobias nur vage. Gordon war in Tring nur schwer zu erreichen. In seiner freien Zeit schien er über Handy grundsätzlich nie erreichbar zu sein und von E-Mails hielt er nicht viel. Obwohl das seiner knochentrockenen Art am ehesten entsprach.

Und wagte Tobias es, die Festnetznummer anzurufen, so teilte ihm eine Frauenstimme mit asiatischem Akzent mit, Gordon wäre leider nicht zu Hause. Ein Mal, ein einziges Mal erzählte ihm die Stimme, dass Gordon den Jungen mit zum Klettern in die Alpen genommen hätte. Tobias war sich sicher: Gordon hatte ein Verhältnis mit dieser Frau und der Junge war ihr gemeinsamer Sohn. Doch er wagte nicht zu fragen, die Gefahr, in einen gewaltigen Fettnapf zu treten, war zu groß. Tobias traute Gordon eine derartige Verstocktheit durchaus zu. Aber was kümmerte ihn das Privatleben von Steven Gordon?

Tobias war bitter enttäuscht. Die Kluft zwischen dem Doktor und dem Ironman bestand nach zehn Jahren immer noch. Er fragte sich, ob er der GSE-Company nicht besser den Rücken zukehren und sich einen anderen Job suchen sollte. Als Geologe und Sprachwissenschaftler würde er sicher irgendwo unterkommen. 

Er beobachtete Sascha, der lässig ein Bein über das andere gelegt hatte und immer noch Ringe in den Himmel blies. Sie kannten sich aus dem Sandkasten. Sascha wollte damals als Einziger mit der Türkenbrut spielen. Er hatte den Mund nicht mehr zugekriegt, als er erfahren hatte, dass der Türkenjunge wie seine Lieblingscomicfigur hieß: Tarkan. Die Hefte kosteten damals vierzig Pfennige. Auf schnell vergilbenden Seiten bekämpfte ein rothaariger Barbar die Mächte des Bösen. Auf einmal stand Tarkan vor ihm. Leibhaftig.

Sascha war der Einzige, der ihn mit seinem Zweitnamen ansprach. Seitdem waren sie unzertrennlich und passten aufeinander auf. Tobias versteckte Sascha vor dessen gewalttätigem Vater, der ihn in regelmäßigen Abständen grün und blau drosch, und ließ ihn Hausaufgaben abschreiben. Sascha verhinderte, dass Neider, die einen Halbtürken mit mehr Hirn als alle anderen Schüler zusammen nicht ertrugen, Tarkans Kopf in die Kloschüssel steckten und ihm Stinkbomben in den Ranzen legten.

Doch irgendwann hielt es Sascha zu Hause nicht mehr aus. Er haute ab und ließ Tobias im Stich. Von einem Tag auf den anderen war er aus seinem Leben verschwunden, bis ihn Jahre später ein abgemagerter Fixer bei seinem Namen rief. Tobias päppelte ihn auf und leistete harte Überzeugungsarbeit vor Brown, der Sascha mit unguten Gefühlen einen Job bei der GSE-Company gab. Bis jetzt hatte Sascha ihn nicht enttäuscht. Noch nicht. 

Sascha schnippte die Kippe zwischen die Stiefmütterchen und stand auf. „Komm, Tarkan, die große Pause ist um. Gehen wir zurück und erlösen unseren Grafen.“

Tobias folgte ihm – froh um Saschas Anwesenheit.

Im Büro des Generaldirektors fanden sie nur den Grafen und Brown vor. Gordon war gegangen.

„Ich hoffe, die Herren bekommen ihre privaten Querelen in den Griff! Meine Klienten erwarten ein zuverlässiges Team und keine Kampfhähne.“ Brown hielt einen Kugelschreiber hoch. „Wären die Herren so freundlich?“, presste er mit schmalen Lippen hervor und deutete auf den Schreibtisch, wo der Vertrag auf ihre Unterschrift wartete.

Tobias verschränkte die Arme. „Ich fliege nicht nach Neapel.“

Brown drückte Tobias den Kugelschreiber in die Hand. „Das ist jedem, der diesen Affentanz miterlebt hat, klar, Mr Süliman. Das Team trifft sich in Freiburg, zufrieden?“

Stirnrunzelnd blickte Tobias auf Gordons Unterschrift. „Unterschreiben Sie, Jean?“

„Wenn Sie es vor mir tun, gern.“

Tobias gab sich einen Ruck, setzte seine Unterschrift darunter und reichte den Vertrag dem Grafen.

Brown atmete auf. „Für Ihre Unterkunft sorgen Sie gefälligst selbst. Die Flüge nach Neapel sind futsch und wenn Sie glauben, das Geld sprudelt mir aus den Ohren, muss ich Sie enttäuschen“, wetterte er und riss Sascha, der als Letzter unterschrieben hatte, den Wisch aus den Händen.

„Wenn Sie in Ihrem Heim noch ein bescheidenes Plätzchen für mich haben, Tobias, komme ich am besten gleich mit“, sagte der Graf.

„Sie sind mir herzlich willkommen, Jean“, entgegnete Tobias.

„Wenn ich ehrlich bin, kann ich es kaum erwarten, Ihre Beatrice kennenzulernen.“

Brown hielt den drei Männern die Tür auf und verabschiedete sie. Doch kurz bevor er sie hinter sich schloss, hielt er inne und lief ihnen hinterher. „Warten Sie, Mr Süliman!“

Tobias drehte sich überrascht um.

Mr Brown legte Tobias mit ernstem Gesicht seine Hand auf den Oberarm. „Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!“

Tobias war so verdutzt, dass er vergaß, sich zu bedanken.

5

Sascha hatte sich in Tobias’ Wohnzimmer auf dem orangefarbenen Zweisitzer breitgemacht und kaute an einer Pizza vom Bringdienst.

„Wollt ihr nichts?“, fragte er erstaunt.

Jean Louis Baptiste de Boulogne, der interessiert Tobias’ sprachwissenschaftliche Sammlung im Bücherregal betrachtete, winkte ab. „Mein lieber Sascha, ich bin überzeugtes Mitglied der Slow-Food-Vereinigung. Da bin ich eisern. Wenn du mir die Pizza selbst gebacken hättest, dann hätte ich nicht abgelehnt.“

„Haben Sie keinen Hunger?“, fragte Sascha mit vollem Mund.

„Als Arzt sage ich dir, dass es gesünder ist zu verzichten, als sich den Magen mit Essen vollzustopfen, das gegen den gesunden Menschenverstand verstößt.“

Sascha leckte sich das Fett von den Fingern und nahm sich ein weiteres Stück. „Werd mich schon nicht vergiften“, brummte er. „He, was ist mit dir, Tarkan? Hast du auch Angst vor der Pizza?“

Tobias kauerte zusammengesunken in einem Sessel, seine Augen lagen hinter dunklen Schatten. Seine Hoffnung, Beatrice noch heute Abend in ihrer Wohnung anzutreffen und mit ihr zu reden, hatte sich zerschlagen. Das Warten machte ihn krank! Auf Saschas Spielchen hatte er nicht die geringste Lust. „Iss und verschon mich!“, blaffte er ihn an.

„Ist ja gut. Entspann dich, Mann, okay?“, knurrte Sascha. Er aß das Stück zu Ende, doch die Stimmung schien ihm den Appetit zu vermiesen. Angewidert klappte er den Pizzakarton zu.

„Tobias, mein Lieber … wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich?“, versuchte der Graf abzulenken.

Tobias’ Blick ging ins Leere, mit der zur Faust geschlossenen Hand rieb er sich ständig über Unterlippe und Kinn. „Wie geht es jetzt weiter?“, flüsterte er, ohne auf de Boulognes Ablenkungsmanöver einzugehen.

Der Graf seufzte. „Das hängt davon ab, ob Ihre Beatrice bereit ist, sich den Mondadoris zu zeigen.“

Er runzelte die Stirn und tauschte hilflose Blicke mit Sascha aus. Sollte er das Thema meiden? Sascha rückte zur Seite und hob ahnungslos die Hände. Der Graf verharrte unsicher vor dem Regal. Schließlich setzte er sich und verschränkte die Arme.

Tobias faltete die Hände, als wollte er beten. „Das ist ein einziger Albtraum, Jean. Haben Sie eine Erklärung für diesen absurden Zufall, wenn es nun einer ist?“

„Wenn nicht mal Sie mit Ihrem scharfen Verstand eine Ahnung haben, wieso fragen Sie dann mich?“, entgegnete der Graf leise.

Sascha lehnte sich zurück und starrte an die Decke. „Vielleicht hat Gordon recht und Beatrice ist von zu Hause abgehauen. So, wie Mondadori sie mit Küsschen bedeckt hat, muss sie sich doch vorkommen wie eine Schmusepuppe. Das war keine Frau, das war Barbie in Lebensgröße. Und hast du die angemalte Tante im Liegestuhl gesehen, Tarkan?“ Er richtete sich auf und stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab. „Mal im Ernst: Welches Mädchen will heutzutage noch so enden? Beatrice ist nicht der Typ für Stöckelschuhe und Wackelarsch. Wahrscheinlich wollte Mondadori sie an einen reichen Onkel verheiraten. Beatrice hatte die Schnauze voll und ist abgehauen. Kann schon sein, Tarkan, dass neben dir Maria-Stella wohnt.“

Tobias antwortete nicht, die Angst schien sich tief in seine Eingeweide zu graben.

„Nach Saschas lebhaften Ausführungen scheint Ihre Beatrice das Gegenteil von Maria-Stella zu sein. Angenommen, es handelt sich um ein und dieselbe Person, also um Ihre Beatrice, dann wären Saschas Überlegungen durchaus realistisch. Vielleicht haben die Eltern gewisse Erwartungen an die Tochter, die sich jedoch ein ganz anderes Leben vorgestellt hat.“

Tobias wandte den Blick ab; am liebsten hätte er sich Verzweiflung und Wut aus dem Gesicht gerissen. 

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Tobias“, fuhr der Graf vorsichtig fort. „Aber wie Sie wissen, werden Sie unter all den Menschen auf dieser Erde keine zwei finden, die sich bis aufs Haar gleichen, wenn es sich nicht gerade um Zwillinge handelt. Ich denke, wir können das ausschließen, denn Signora Mondadori wird wissen, ob sie ein oder zwei Töchter geboren hat. Wenn es also keine Zwillinge gibt, wird es sich höchstwahrscheinlich um dieselbe Person handeln, die ihre Gründe gehabt hat, ihren Namen abzulegen und unterzutauchen.“

Der Gedanke schien die Luft mit einem lähmenden Gift zu durchsetzen. Schweigen legte sich über ihre Köpfe. 

Verzweifelt versuchte Tobias es zu durchbrechen. „Aber wie kann jemand sein Leben einfach durch ein anderes ersetzen wie eine Schlangenhaut? Beatrice spricht ohne den Hauch eines Akzents. Bisher hat sie mich ihren Eltern nicht vorgestellt, aber sie ruft Menschen an, die sie Mama und Papa nennt. Nur ein Psychopath kann sich derart verstellen.“

Niemand wusste ihm zu antworten.

Der Graf klopfte sich auf die Oberschenkel; er hatte es plötzlich eilig, aufzustehen. „Vielleicht ist es besser, wir beenden die lustige Runde. Ich bin todmüde“, sagte er und verschwand im Bad.

Tobias’ Laune erreichte ihren absoluten Tiefpunkt. Er rümpfte die Nase und zeigte auf die Pizzareste. „Entsorg den Kram, bevor du abhaust. Das Zeug stinkt mir die ganze Bude voll.“

„Wo ist dein Problem?“, murrte Sascha. Er schnappte sich den Karton mit den Pizzaresten, schulterte seinen Rucksack und knallte die Tür hinter sich zu.

6

Beatrice saß in der letzten Straßenbahn, die heute Nacht fuhr. Sie hatte Lena getröstet, weil ihr Mann Thomas wieder einmal auf Dienstreise war. Seit ihre Freundin ihr erstes Kind erwartete, ertrug sie die Einsamkeit nicht und stand Höllenängste aus, wenn Thomas aus geschäftlichen Gründen für zwei Wochen nach Südafrika fliegen musste. Das war, wenn man ein Kind im Bauch hatte, unvorstellbar weit weg. Lena war im sechsten Monat schwanger. Beatrice hatte ihre Hand auf den harten Bauch gelegt und geduldig gewartet, bis sie die zaghaften Bewegungen des Ungeborenen gespürt hatte. Tobias würde wohl nie ein Kind mit ihr haben wollen. Dafür war in seinem Leben kein Platz.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild auf der gegenüberliegenden Seite, ein Wesen mit dunklen Augenhöhlen starrte sie an. Dahinter rasten ein paar Autos wie Geister die leeren Straßen entlang. Ein Gedanke, der sie schon den ganzen Tag verfolgte, seit sie Lenas Bauch mit dem vorgewölbten Nabel berührt hatte, drängte sich wieder auf: Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal ihre Periode gehabt?

Sie schrieb sich so etwas nie auf, es kam und ging, wie es Lust und Laune hatte. Aber diesmal kam ihr der Abstand doch etwas lang vor. Schon seit heute Mittag grübelte sie darüber nach, fast hätte sie gegenüber Lena eine Bemerkung gemacht. Doch auf Lenas Mitleid hatte sie keine Lust.

Tobias war Lena suspekt. Ein Türke mit einem deutschen Namen, ein Weltenbummler, der ein warmes Bett für gewisse Stunden suchte. Lena stand nicht auf Kerle mit ungepflegten Haaren und Klamotten, die an allen erdenklichen Stellen Taschen hatten, in denen sich tückischer Kleinkram versteckte. Seit Lena einmal Tobias’ Wäsche gewaschen hatte, weil seine Waschmaschine kaputt war, und ein vergessener Draht in einer der vielen Taschen die Trommel geschrottet hatte, konnte Lena ihn nicht mehr ausstehen.

Beatrice schwor sich, das nächste Mal ein unauffälliges Kreuzchen in ihren Kalender zu malen (falls es ein nächstes Mal gab).

Es durchfuhr sie kalt, wenn sie daran dachte, dass an dem Abend, an dem er nach sechs Wochen aus der tiefsten Mongolei heimgekehrt war, sie ihm nicht mal Zeit gelassen hatte, sich in der Wanne einzuweichen. Sie hatte ihn wie eine Spinne in ihr Netz gezogen und aufgefressen. Er konnte nicht einmal mehr zappeln. 

Aber wieso sollte immer alles knüppeldick kommen? Sie rieb sich die erröteten Backen, auf einmal wurde ihr heiß. Wie reagierte Tobias, wäre sie tatsächlich schwanger?

Eine extrem helle Leuchtreklame an einer Straßenkreuzung blendete sie. Es wird der Stress sein, dachte sie.

An der nächsten Haltestelle stieg sie aus. Ligusterhecken säumten den Weg wie eine dunkle Wand. Trotz der hellen Beleuchtung machten ihr die gähnend leeren Straßen Angst. Sie hatte es nicht mehr weit, trotzdem rannte sie das letzte Stück – obwohl nur eine dunkle Zweizimmerwohnung mit sich hartnäckig haltendem Fischgeruch auf sie wartete.

Auch in der Wohnung gegenüber, in Tobias’ Wohnung, wäre es mucksmäuschenstill. Wenigstens war er jetzt nicht an irgendwelchen Orten, von denen sie gar nicht wusste, dass es sie auf diesem Planeten gab. Er war in Neapel, praktisch um die Ecke.

Er hatte ihr diese entsetzlichen Bilder gezeigt – popelige Fotomontagen, was sonst? 

Aber was, wenn die gesuchte Person tatsächlich genauso aussah wie sie? Wenn es keine Fälschung war, lebte in Neapel ihr Double. Manchmal fragte sie sich, ob sie das nicht alles nur geträumt hatte.

Und Tobias? Sie hatte das ungute Gefühl, er glaubte ihr nicht.

Sie schleppte sich die Treppe hoch und schloss die Tür auf. Seit ein paar Tagen war sie ständig müde. 

Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, zerrte sie sich die Kleider vom Leib und verteilte sie achtlos auf dem Boden. Sie zog ihr Schlafshirt unter dem Kopfkissen hervor, und zog es sich über, dann kroch sie ins Bett.

Da fielen ihr die korrigierten Mathe-Klausuren ihrer Schützlinge ein, die schon seit Tagen auf Tobias’ Schreibtisch vor sich hin staubten. Sie hatte schon letzte Woche versprochen, sie mitzubringen.

Verzweifelt quälte sie sich aus dem Bett; wollte sie vermeiden, von ungeduldigen Schülern gefragt zu werden, ob bei ihr zu Hause alles in Ordnung sei, blieb ihr nichts anderes übrig, als aufzustehen und die Klausuren jetzt sofort in ihre Tasche zu stecken. Die Wahrscheinlichkeit, sich morgen früh daran zu erinnern, ging gegen null. Seufzend schnappte sie sich Tobias’ Hausschlüssel und dachte noch im letzten Moment daran, ihren eigenen mitzunehmen.

Im Treppenhaus zog es kühl um ihre Beine. Gott, sie stand ohne Hausschuhe und Morgenmantel hier draußen. Schnell drückte sie sich an Tobias’ Wohnungstür und öffnete sie so leise wie möglich. Hoffentlich gaffte die alte Schachtel von gegenüber nicht durch den Spion, sonst lag am nächsten Morgen wieder ein freundlicher Brief mit dem dezenten Hinweis vor ihrer Tür, intime Geräusche bitte nur in Zimmerlautstärke von sich zu geben.

Sie verzichtete auf Licht, das Mondlicht genügte ihr: den Weg zu Tobias’ Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer kannte sie zur Genüge. Drinnen roch es nach kalter Pizza und Kaffee, das hätte sie stutzig machen sollen, aber in ihrem Zustand registrierte sie es nicht. 

Beatrice hatte nicht mehr die Zeit, sich zu wundern, warum der Zweisitzer plötzlich ausgezogen im Raum stand, als hätte er nur auf sie gewartet. Sie stolperte und prallte mit voller Wucht auf einen warmen Körper … der nicht Tobias gehörte.

Entsetzt schrie sie auf. Irgendein Kerl packte sie an den Handgelenken, zwang sie auf den Bauch und drehte ihre Arme auf den Rücken. Beatrice schrie gellend in das Kissen. Der Kerl hatte sie eingekeilt und konnte sie jetzt vergewaltigen.

Das Licht ging an. Entsetzt stellte sie fest, dass plötzlich ein weiterer Mann in Unterhosen im Wohnzimmer stand und dem anderen Kerl auf Französisch etwas zurief. Beatrice glaubte den Verstand zu verlieren, als sie in die dunkle Mündung einer Waffe blickte, die der Kerl in Unterhosen auf sie gerichtet hielt.

Erst als Tobias mit blassem Gesicht die Waffe sicherte, erkannte sie ihn.

„C’est toi, Beatrice?“, fragte er mit spitzer Stimme.

Er legte die Waffe beiseite und überschüttete sie mit einem vorwurfsvollen Schwall auf Französisch. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Sie verstand kein Wort.

Der Mann neben ihr ließ sie sofort los und legte ihr beruhigend einen Arm um die Schultern. „Wir haben ein Kommunikationsproblem, Tobias!“, sagte er auf Deutsch. „Zur Abwechslung dürfen Sie sich mal wieder in Ihrer Muttersprache mit uns unterhalten.“

Tobias hielt einen Moment inne. Er hatte offensichtlich gar nicht bemerkt, dass er die ganze Zeit Französisch gesprochen hatte.

„Wieso machst du kein Licht?“, fragte er wesentlich gefasster. „Herrgott, ich dachte, du wärst ein Einbrecher!“

Beatrice lugte verlegen auf ihre nackten Beine, ihr Shirt war hochgerutscht. Gott sei Dank hatte sie einen einigermaßen vernünftigen Slip an.

Der Mann neben ihr strich sich eine Lockensträhne hinter sein Ohr und lächelte sie an. „Machen Sie sich keine Gedanken“, sagte er mit einem charmanten Akzent, der Beatrice sofort gefiel. „Sie sehen, wir alle sind nicht gerade stadtfein angezogen. Damit würde man selbst beim Gassigehen großes Aufsehen erregen.“

Tobias zog Beatrice hoch und drückte sie fest an sich. „Beschissenes Gefühl, eine Waffe auf dich zu richten, das kannst du mir glauben.“

„Darf ich mich vorstellen?“ Der Fremde mit dem zerzausten Lockenkopf blinzelte ihr zu. „Jean Louis Baptiste de Boulogne.“

Beatrice nahm die dargebotene Hand und schaute in das feingeschnittene Gesicht. Sympathische Lachfältchen bildeten sich um seine Augen, die Beatrice an dunkle Bernsteine erinnerten. Absurd, dass sie vor einer Minute angenommen hatte, dieser Mann wollte sie vergewaltigen.

„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen wehgetan habe“, sagte sie verlegen.

Er strich ihr über die geröteten Handgelenke, auf denen deutliche Druckspuren zu sehen waren. „Ich denke, wir sind quitt, Mademoiselle.“

Tobias schaute ungläubig auf ihre bloßen Füße, als hätte er jetzt erst bemerkt, dass sie halbnackt vor ihnen stand. „Wieso schleichst du um diese Uhrzeit in meiner Wohnung herum? Wo bist du gewesen?“

„Lena hat meinen Beistand gebraucht. Was dagegen? Ich dachte, du wärst in Neapel.“

Tobias rückte seine Brille zurecht und küsste Beatrice noch einmal auf die Wange. „Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“

„Habt ihr euren Auftrag in Neapel etwa schon erledigt?“ 

Er blickte sie lange an. „Morgen, Beatrice. Jetzt ist nicht die Zeit dazu.“

Sie wollte etwas erwidern, aber er schaute sie so eindringlich an, dass ihr fröstelte.

Wortlos klemmte sie sich die Mathe-Klausuren unter den Arm und verschwand aus Tobias’ Wohnung.

7

Beatrice kauerte mit eng umschlungenen Knien auf ihrem Sofa im Wohnzimmer. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie fühlte sich wie schockgefroren, bei der geringsten Bewegung würde sie zersplittern.

In der ganzen Wohnung brannte Licht. Selbst im Bad und in der Küche. Sogar in der Abstellkammer. Sie machte immer alle Lampen in ihrer Wohnung an, wenn die Welt mit ihr in ein tiefes Loch fiel. Denn dann fürchtete sie sich wie ein kleines Kind vor der Dunkelheit. Im Dunkeln lauerte etwas, das sie nicht sehen konnte und die Hand nach ihr ausstreckte.

Wie damals, als ihre Eltern ihr zum achtzehnten Geburtstag mit blassen Gesichtern von der schwarzen Stelle auf der Landkarte ihres Lebens erzählt hatten.

Beatrice war ein Adoptivkind.

Sie würde diesen Tag nie vergessen, der in einem anderen Film, in einem anderen Leben spielte. Sie hatte ungläubig auf die beiden Roboter gestarrt, die ihr etwas von einem roten Knopf erzählt hatten, um die Gefahr zu vernichten. Der Alarm hatte angefangen zu heulen und Beatrice war explodiert.

Als sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und sich nach Stunden immer noch nicht gerührt hatte, hatte Jakob sich vor ihre Tür gesetzt und sich eine Stunde lang gerechtfertigt. Sie habe ein Recht darauf, es von ihnen zu erfahren, sie liebten sie und würden sie immer lieben und es täte ihm unendlich leid. Das war alles. Die Signale waren in den unendlichen Weiten des Alls verschwunden, vielleicht schnappte sie eines Tages ein Außerirdischer auf und wunderte sich. Zu mehr hatte Jakob sich nicht herabgelassen und Heide litt seit der Selbstzerstörung unter Gedächtnisschwund.

Wer war Maria-Stella? Ihre Schwester? Welche Wahrheit wurde Beatrice verschwiegen?

Ihre Füße wurden allmählich kalt, aber das störte sie nicht. Ihr Herz hämmerte wild, sie spürte es in jeder Faser ihres Körpers. Die Vergangenheit, die ihr genommen worden war, holte sie jetzt ein.

Ausgerechnet Tobias, der nichts ahnte, hatte die schlafenden Geister geweckt.