Kapitel 1
»Josie, bitte, kann ich reinkommen?« Josh küsste ihren Hals und ihr rechtes Ohr. Josie Marcus erwiderte seinen Kuss. Es herrschte eine tiefe Stille, die nur von schwerem Atmen unterbrochen wurde.
»Tut mir leid, Josh. Heute ist ein Schultag«, seufzte sie. »Ich muss um zehn dort sein.«
Josh öffnete die kleinen Perlknöpfe an ihrer Bluse, dann küsste er ihre Brüste obenauf.
»Ich bin auch ganz leise«, versprach er.
Mehr Stille. Mehr Küsse. Mehr Seufzer.
»Meine Mutter ist oben«, entgegnete Josie atemlos. »Sie hat Ohren wie eine Fledermaus.«
»Komm mit zu mir«, sagte Josh. »Da gibt’s keine Fledermäuse, nur ’n großes Bett mit frischen Laken und richtig guten Wein.« Er öffnete den Frontverschluss ihres BHs und sagte: »Oh mein Gott.«
Josie war froh, dass das Licht auf der Veranda aus war. Ihre Knie waren schwach. Wohl deshalb hielt sie sich an Josh fest. »Ich kann nicht«, flüsterte sie verzweifelt. »Es geht um meine Tochter, Amelia. Ich muss für sie zu Hause sein.« Josie schloss ihren BH wieder.
»Wie wär’s mit meinem Auto?«, fragte Josh und küsste sie wieder.
»Das steht unter ’ner Straßenlaterne«, keuchte sie. Wenn er sie so küsste, konnte sie kaum widerstehen.
»Die Scheiben werden bald beschlagen sein«, meinte Josh.
Josie hätte beinahe ja gesagt. Dann sah sie, wie die Vorhänge am Haus gegenüber sich bewegten. Jetzt war ihr heiß, doch die Hitze kam vom Zorn.
»Ich kann nicht«, sagte sie. »Mrs. Mueller wird uns sehen.«
»Wer«, sagte er zwischen den Küssen, »ist Mrs. Mueller?«
»Die Tratschtante vom Dienst. Sie wird’s meiner Mutter sagen und mein Leben wird zur Hölle.«
»Josie, wie alt bist du?«, fragte Josh.
»Einunddreißig.«
»Warum machen wir auf deiner Veranda rum wie notgeile Teenager?«
»Bist du nicht froh, dass du dich meinetwegen jung fühlst?« Josie riss sich los und knöpfte ihre Bluse zu.
»So fühl’ ich mich nicht«, entgegnete Josh. »Ich kann bald nicht mehr aufrecht stehen. Wir sind zu alt für das hier.«
»Nein, wir sind genau im richtigen Alter«, sagte Josie. »Wenn wir Teenager wären, würden wir wie verrückt vögeln. Nur Erwachsene haben diese Probleme.«
»Josie, bitte lass mich rein.«
»Josh, ich würde wirklich gern, aber ich kann nicht.« Josie steckte sich die Bluse in die Hose. »Wir hätten früher daran denken sollen.«
»Soll das ’n Witz sein? Ich hab den ganzen Abend lang nur daran gedacht, aber ich wollt’ dich wie ’n Gentleman zum Essen ausführen, anstatt dich einfach anzuspringen. Jetzt schau, was es mir gebracht hat.«
Josie lachte. Josh nicht. »Wer zum Teufel ist diese Mrs. Mueller und warum ist sie so wichtig?«, fragte er.
Josie begutachtete ihn im Sternenlicht. Josh war vier Jahre jünger, klug und rattenscharf. Ihre Freundinnen würden ihr nicht glauben, dass sie ihm nein gesagt hatte. Josh hatte das sensible Gesicht eines Dichters, einen gefährlichen Gang und erfahrene Hände. Er wollte als Science-Fiction-Autor durchstarten, doch im Augenblick war Josh noch der beste Barista in Maplewood; er machte sensationelle Espressos und Cappuccinos mit seiner glänzenden Maschine. Wenn Josh mit Josie zusammen war, zog er alle Register.
Sie küsste seine flinken Finger und versuchte, die Beschränkungen zu erklären, die ihrem Leben auflagen. »Mrs. Mueller beherrscht die Nachbarschaft«, sagte Josie. »Sie ist davon überzeugt, dass ich ’n Flittchen bin, und dabei hab ich nichts getan, als ’n paar schlampige Outfits zur Arbeit zu tragen. Wenn ich mit dir ins Auto geh’, hat sie den Beweis. Sie schießt vielleicht sogar Fotos. Sie wird’s meiner Mutter sagen, die zugleich meine Vermieterin und meine Babysitterin ist und daher absolute Macht hat. Es ist Sonntagabend. Ich muss morgen arbeiten und Amelia muss in die Schule. Wenn ich dich reinlasse, wecken wir Mom auf und ich bekomm’s den Rest meines Lebens zu hören. Selbst wenn wir Mom nicht aufwecken, wird Mrs. Mueller mit der Stoppuhr warten. Sie wird die Schatten auf den Fenstervorhängen beobachten und nach den Bettfedern lauschen.«
»Hört sich besessen an«, meinte Josh.
»Mrs. Mueller hat es auf mich abgesehen, seit ich fünfzehn war. Sie hat mich erwischt, als ich hinter ihrer Garage geraucht hab, und hat mich an Mom verpetzt. Ich hab mich revanchiert, indem ich ’ne Tüte Hundekacke auf ihre Veranda gelegt und sie angezündet hab. Mrs. Mueller hat sie ausgetreten.«
Josh brach in schallendes Gelächter aus. »Mrs. Mueller ist auf den Trick mit der höllischen Hundekacke reingefallen?«
»Du findest’s vielleicht komisch, aber sie hat mir nie verziehen. Mein Name ist beschmutzt. Nein, schlimmer als beschmutzt.«
»Warum kümmert’s dich, was sie denkt?« Josh küsste sie so fest, dass sich beinah ihr letztes bisschen Verstand verflüchtigte.
»Es kümmert mich nicht,« meinte Josie, »aber Mrs. Mueller steht allen großen Kirchenausschüssen und Klubs in der Nachbarschaft vor. Sie herrscht über das gesellschaftliche Leben meiner Mutter. Mom meint, die Sonne geht mit dieser furchtbaren Frau auf und unter. Und um’s noch schlimmer zu machen, hat Mrs. Mueller diese perfekte Tochter namens Cheryl. Sie reibt meiner Mutter ständig Cheryls Leistungen unter die Nase, bis Mom kaum noch ihren Kopf hochhalten kann.
Josh, du lebst allein, also ist das schwer zu verstehen. Wenn es nur um mich ginge, würd’s mich nicht kümmern, aber Maplewood ist wie ’n kleines Dorf. Gerüchte über mich schaden meiner Mutter und meiner Tochter.«
»Ich versteh’ sehr wohl«, sagte er. »Es gefällt mir nur nicht.«
»Amelia übernachtet bald bei jemandem. Vielleicht können wir dann zusammenkommen«, sagte Josie.
Josh küsste sie abermals. Sie standen Händchen haltend auf Josies Veranda und sahen sich die klare Novembernacht an. Die alten Platanenbäume raschelten und das Haus knarzte im warmen Wind. Es war eine der berühmten wirren Wetterumkehrungen in St. Louis. In dieser Nacht war es frühlingshafte achtzehn Grad warm, obwohl es hätte frostig sein sollen.
»Schau«, sagte er. »’ne Sternschnuppe. Wünsch dir was.«
Josie sah, wie die Vorhänge sich wieder bewegten.
»Ich wünschte, Mrs. Mueller bekäme, was sie verdient«, meinte Josie. »Ich wünschte, sie müsste sich so sehr schämen, dass sie ihren Kopf in Maplewood nicht mehr hochhalten kann – nein, im ganzen Gebiet von St. Louis. Ich wünschte, sie würde so tief fallen, dass sie zu mir aufsehen muss.«
Josies Wunsch ging in Erfüllung. Jedes Wort davon würde wahr werden.
Und sie würde ein jedes bereuen.
Kapitel 2
Mel hielt Josies rechten Fuß und fuhr mit seinem Daumen langsam über den Bogen. Seine streichenden Finger krochen auf ihre Zehen zu. Josie versuchte, nicht wegzuzucken.
»Rosa Nagellack ist so feminin«, säuselte Mel.
»Danke«, gab Josie zurück.
Igitt, dachte sie. Ich darf meinen Fuß nicht von diesem Perversling wegziehen. Ich muss so tun, als ob mir das gefällt. Ich hab ’nen Auftrag zu erfüllen. ’n toller Job – meinen Fuß von ’nem Freak begrapschen lassen. Wenn meine Mutter das wüsste, würd’ sie an die Decke gehen. Was, wenn meine Tochter das rausfinden würde?
Wie sollte Amelia das denn rausfinden?, fragte Josies verstohlene Seite. Von dir etwa? Gott bewahre deine Tochter davor, dass sie so ihr Geld verdienen muss.
Mel hatte den spitzen roten Prada-Schuh von Josies anderem Fuß gezogen und begutachtete ihn genau. Sah er sich die Nähte an oder schnüffelte er an ihrem Schuh? Josie drehte sich der Magen um.
Mel hörte damit auf, ihren in Strümpfe gekleideten Fuß zu streicheln und setzte ihn sachte auf seinem abgeschrägten Schemel ab. Sie versenkte ihn in der weichen Polsterung. Wäre es doch nur Josh, der ihr den Fuß massierte. Wäre Josie doch nur nicht im Soft Shoe, dem exklusiven Retro-Schuhladen in St. Louis.
Der Soft Shoe war eine genaue Kopie eines Damenschuhgeschäfts aus den 1950er Jahren mit puderrosa Deko und Verkaufsangestellten, die auf altmodischen, abgeschrägten Schemeln saßen, einem die Schuhe auszogen und dann haufenweise Stilrichtungen zum Anprobieren herbeischafften. Der Laden war der Traum eines jeden Schuhliebhabers.
Mel war sein Albtraum. Er ekelte Josie an, und sie wusste nicht, warum. Er war schlank und gut gekleidet und trug einen wunderschön geschneiderten grauen Anzug. Vielleicht war es die rosa Nelke in seinem Knopfloch. Er sah damit aus wie ein altbackener Gigolo. Mel trug zu viel Herrenparfüm und seine sorgfältig geschnittenen Haare waren etwas ölig. Das war es. Mel war ölig. Sein Gehabe, seine Haare, selbst seine manikürten Hände waren ein wenig ölig und er rieb sie andauernd.
»Ich sehe, dass Sie Qualität zu schätzen wissen«, sagte Mel. »Prada ist gut gemacht. Und sexy obendrein. Ordentlich Zehendekolleté – das gefällt den Herren. Intelligente Frauen wissen das.«
Viele intelligente Frauen wussten nicht, was das war – oder kümmerten sich nicht darum; Zehendekolleté, die Furche zwischen dem großen Zeh und dem zweiten. Mels Hände jedoch wurden feucht, während seine Augen sich auf das kleine Tal zwischen ihren Zehen zubewegten. Josie wünschte, sie trüge die schwarzen Schnürschuhe ihrer Großmutter von Enna Jettick, die ihre Füße komplett verdecken würden, außer, dass die Mel womöglich erst recht erregen würden.
»Sie haben es auf einen Stöckelschuh abgesehen?« Mel lächelte. Ihm fehlte nur noch ein strichdünner Oberlippenbart.
»Ja«, antwortete Josie. »Etwas Besonderes.« Sie erwiderte sein Lächeln. Sie hoffte, dass sie gewinnend aussah und nicht, als ob ihr die Füße wehtaten.
»Ich kenne alle Stilrichtungen, die den Herren gefallen und mit denen Frauen sich schön fühlen«, sagte Mel.
Mel war der landesweit beste Verkäufer bei Soft Shoe, doch die Firma vermutete, dass Mel Schuhe ein wenig zu sehr mochte. Die Geschäftsleitung befand sich in einer prekären Lage. Sollte sie Mel zu Unrecht beschuldigen, könnte er Soft Shoe verklagen, und obendrein würde die Firma ihren besten Verkäufer verlieren; war Mel jedoch tatsächlich ein Fußfetischist und die Firma ließe ihn auf die Kunden los, gäbe es einen furchtbaren Skandal – und noch mehr Klagen. Aus diesem Grund hatten die von Soft Shoe Josies Firma, Suttin Services, damit beauftragt, einen Testkauf im Laden in St. Louis durchzuführen und Mel unter die Lupe zu nehmen.
Harry, Josies Chef, hatte ihr den Auftrag wie folgt übergeben: »Die von der Firma wollen, dass du nach einem Verkäufer namens Mel fragst«, hatte er gesagt. »Er steht auf Damenfüße – du verstehst schon.«
»Du willst, dass ich einen Perversling ausspioniere?«, hatte Josie nachgefragt.
»Er ist nicht gefährlich, Josie«, meinte Harry. »Im schlimmsten Fall massiert er dir die Füße. Könnte deinen müden Zehchen doch guttun. Hör zu, dieser Mel ist vielleicht gar nicht, was die glauben. Man hat bei der Firma ’n bisschen Verdacht geschöpft, das ist alles. Er ist ’n Schuhverkäufer, der sich ’n wenig zu sehr für Damenschuhe interessiert.«
»Ist er ’n Fuß- oder ’n Schuhfetischist?«
»Beides, glaub’ ich«, antwortete Harry. »Zumindest haben sie über beides Beschwerden bekommen. Wie zur Hölle sollte ich das wissen? Ich bin kein Freak.«
Josie hatte gemeint, die Sache stehe zur Debatte, doch nicht jetzt.
»Schau, es gab ein paar Beschwerden von weiblichen Kunden und sie wissen nicht, wie ernst sie die nehmen sollen. Frauen spinnen manchmal – weißt du, was ich meine?«
Josie hatte ihren Chef nicht auf seine sexistische Bemerkung hingewiesen. Harry war ein hoffnungsloser Fall. Außerdem bekam Josie einen Bonus für besondere Aufträge und als Testkäuferin verdiente sie ohnehin nicht viel. Nun aber, da Mel auf seinem abgeschrägten, rosa Schemel saß und über ihre Füße triefte, fragte Josie sich, ob es das extra Geld wert war.
»Warten Sie hier«, sagte Mel. »Ich bin gleich wieder da.«
Mel trat mit einem seltsam gebückten Gang durch die rosa Vorhänge in den Hinterraum. Bis jetzt hab ich nichts Verdächtiges zu berichten, dachte Josie. Was sollte ich sagen? Er hat meinen Fuß etwas länger als üblich gehalten? Er hat mir in anzüglicher Weise über den Bogen gestrichen? Da hör’ ich mich ja bekloppt an. Ich hab nichts außer meinem Gefühl, dass mit Mel was nicht stimmt.
Andererseits musste es anderen Frauen genau so ergangen sein, sonst wäre Josie jetzt nicht dort gewesen. Sie musste weiter Schuhe anprobieren, bis sie sich sicher war. Das war sie ihren Sohlenverwandten schuldig, ebenso wie der Firma.
Josie konnte ihren Testkauffragebogen nicht in den Laden mitnehmen, doch sie kannte die Fragen auswendig. Im Moment bekam Mel die volle Punktzahl. Hatte er sie herzlich begrüßt, als sie den Laden betreten hatte? Hatte er sich auf positive Weise vorgestellt und den Namen des Ladens erwähnt? Hatte er sie umgehend bedient? Hatte er ihr angeboten, die gehobene Ware vorzuzeigen? Ja, ja und ja.
Da war er nun, schleppte Schuhkartons bis zum Kinn aufgestapelt. Aus den Lautsprechern erklang The Big Bopper, der von Chantilly-Spitzen und einem hübschen Gesicht sang. Josies Mutter hatte zu dem Lied getanzt, als sie jung gewesen war.
»Ich hab ein freches paar Bruno Maglis mit offenen Zehen.« Mel nahm den Deckel des Schuhkartons mit einer darbietenden Bewegung ab.
Josie sah sich die Schuhe an. Sie waren niedlich. Hätte sie sich dreihundert Dollar für Schuhe leisten können, hätte sie sie gekauft. Zumindest wurde sie dafür bezahlt, sie anzuprobieren.
»Die mag ich«, sagte sie. »Aber ich hab die falschen Strümpfe an. Meine haben verstärkte Fußspitzen.«
»Woher haben die Frauen die Idee, dass den Männern verstärkte Fußspitzen nicht gefallen?«, fragte Mel, während er Josie die Schuhe anzog. Auf seiner Stirn war Schweiß ausgebrochen, obwohl es in dem Laden nicht warm war. Er wischte ihn mit einem seidenen Taschenquadrat ab.
»Einige von uns Männern sehnen sich nach der guten alten Zeit, als Frauen noch Strümpfe mit verstärkter Ferse und verstärkter Fußspitze trugen«, meinte Mel. »Leider haben Strumpfhosen alles verdrängt. Die sind so orthopädisch. Die Frauen haben ihren Gefallen an Stöckelschuhen verloren. Warum tragen die Frauen keine Absätze mehr wie in den Fünfzigern und den Sechzigern?«
»Weil die wehtun«, antwortete Josie. Sie musste im Zuge ihrer Arbeit als Testkäuferin auf Absätzen zig Meilen durch die Einkaufszentren zurücklegen. Bleistiftabsätze waren eine Tortur.
»Aber Absätze schmeicheln der Wade und dem Bein so. Ich möchte meinen, die Frauen würden etwas Unbehagen hinnehmen, um attraktiv zu wirken«, sagte Mel.
»Humpeln ist unattraktiv«, erwiderte Josie und fragte sich, ob sie mit ihrer Bemerkung gegen Absätze ihre Deckung verloren hatte. »Ich nehm’ die Bruno Maglis.«
»Darf ich Ihnen einen D’Orsay-Pumps von Kenneth Cole zeigen?« Mel flehte sie praktisch auf Knien an, als er den türkisen Schuh mit den offenen Seiten hervorholte.
»Klar doch.«
Mel ließ ihre Füße in das Paar gleiten. Josie stand auf und machte ein paar Schritte auf den langen Spiegel zu. Der seitlich offene Schuh war zweifellos sexy. Ihre Beine sahen umwerfend aus.
»Hinreißend«, sagte Mel. »Ich bin gleich wieder da.« Er verschwand erneut mit der seltsam gebückten Haltung hinter den rosa Vorhängen.
Josie seufzte. Sie würde den ganzen Tag lang hier sein und nichts vorzuweisen haben als malträtierte Füße. Falls Mel sich ungebührlich verhielt, hatte sie ihn nicht dabei erwischt.
Mel kam einige Minuten später mit einem weiteren schwankenden Stoß Schuhkartons zurück. »Ich hab einen wunderschönen Slingback mit Stiletto-Absatz«, sagte er. »Und eine absolut bezaubernde Sandalette mit Knöchelriemen.«
Mel öffnete die Kartons wie ein Höfling, der seiner Königin Juwelen präsentiert. Josie probierte sie an und wünschte sich, sie trüge sie für Josh und nicht für Mel. Nach beinah einer Stunde saß sie knietief in einem Durcheinander aus abgelehnten Schuhen. Sie konnte in ihrem Bericht nur schreiben, dass Mel mehr Zeit mit ihr verbracht hatte als üblich, und dass es für ihn keine verschwendete Zeit war. Sie kaufte drei Paar Schuhe – Ware im Wert von fast eintausend Dollar – glaubte er zumindest.
Verdammt, ich muss nochmal hierher, dachte Josie. Vielleicht find’ ich dann heraus, warum Mel mir gegen den Strich geht. Mit dem Kerl stimmt irgendwas nicht. Ich wünschte, es würde mir einfallen.
»Diese alten Schuhe wollen Sie nicht mitnehmen.« Mel zeigte auf ihre roten Stöckelschuhe.
Doch, dachte Josie, weil ich alles, was ich heute hier gekauft hab, in einem anderen Soft Shoe zurückgebe, im Plaza Frontenac. Josie würde diese wunderschönen Schuhe nicht behalten dürfen. Kürzlich erworbene Artikel in einem weiteren Laden zurückzugeben war eine der weniger glamourösen Aufgaben einer Testkäuferin, aber eine effektive Art und Weise, den Kundendienst zu überprüfen.
»Doch, die möcht’ ich mitnehmen«, entgegnete Josie.
Mel sah traurig aus, genauso wie ihre Pradas aus dem Gebrauchtwarenladen. Waren sie wirklich so abgenutzt? Komisch, wie Schuhe, die attraktiv gewirkt hatten, als sie in den Laden gekommen war, abgewetzt und staubig aussahen, als sie neue gekauft hatte.
»Dann lassen Sie mich sie für Sie putzen«, meinte Mel.
Zumindest bekomm’ ich meine Schuhe gratis saubergemacht, dachte Josie. Das bleibt mir.
Bevor sie etwas sagen konnte hatte Mel ihre Schuhe in der Hand und ging mit diesem seltsam gebückten Gang auf die rosa Vorhänge zu. Er erinnerte sie an Josh, wie er gestern Abend auf ihrer Veranda gestanden hatte.
Plötzlich wusste Josie, was der Verkäufer mit ihren unschuldigen Pradas vorhatte. Sie rannte auf den Hinterraum zu, riss die rosa Vorhänge auf und erwischte Mel, der wie ein halbwüchsiger Junge hinter einem Stoß Schuhkartons kniete.
»Finger weg von dem Schuh, Sie Tunichtgut!«, donnerte sie und entriss ihren noch keuschen Prada-Schuh seinen Klauen.
Josie hatte ihn. Nach ihrem Bericht würde Mel nie wieder einen Pumps missbrauchen.