Adventsshopping in Frankreich
Herbstnebel tauchte Metz in unwirkliches Licht. Camille atmete auf, als sie das Stadtzentrum erreichte. Es war das erste Mal, dass sie mit dem Auto von Saarbrücken hierherfuhr – und nun hatte sie es geschafft. Trotzdem flackerte die Aufregung in ihr nochmals auf, als sie ihren Smart in das Parkhaus La Cathédrale in Metz steuerte, das ihre Cousine Mia ihr genannt hatte. Mia hatte es sich in den Kopf gesetzt, an nur einem Nachmittag das ultimative Brautkleid zu finden, denn es musste schnell gehen. Die Hochzeit war für den Tag nach den Weihnachtsfeiertagen geplant, und jetzt war bereits Ende November! Aber nicht nur das – Mia wollte auch die perfekten Kleider für drei ganz unterschiedliche Frauen, die ihre Brautjungfern sein sollten.
Camille fand eine Parklücke und stellte ihren Wagen dort ab. Sie sah auf die Uhr, es war kurz nach zwölf. Die anderen würden wohl schon auf sie warten. Der Weg von Saarbrücken nach Metz war leichter zu finden gewesen, als sie erwartet hatte, und was sie bisher von der Stadt gesehen hatte, gefiel ihr ausnehmend gut. Der Lichterschmuck in den Straßen sorgte dafür, dass man das trübe Novemberwetter vergaß und sich auf die gemütlichen Adventstage freute. Aber sie hatte ohnehin eine Schwäche für Frankreich, und das nicht nur, weil sie – wie ihr Bruder Julien – einen französischen Vornamen trug. Es war schwer zu übersehen, dass ihre Eltern wahre Frankreichliebhaber waren. Eigenartig, dachte Camille, dass sie Metz bisher noch nie besucht hatte.
Sie suchte nach dem Ausgang, orientierte sich kurz und hielt dann auf die Kathedrale Saint‑Etienne zu, deren Turm sich über die Dächer von Metz erhob. Direkt am Place Jean‑Paul sollte das Café Brasserie à la Lune sein, in dem sie sich zu einem schnellen Mittagessen treffen wollten. Camille freute sich sehr darauf, ihre Cousine Mia wiederzusehen. Die beiden anderen kannte sie noch nicht, aber das würde sich ja gleich ändern.
Camille blieb stehen und betrachtete verträumt das Hauptportal der Stephanskathedrale. Der Nebel hing in den Türmchen und filigranen gotischen Strebebögen, als hätte man die gelb leuchtende Sandsteinkirche wie ein Lebkuchenhaus mit Zuckerwatte verziert. Sie seufzte wohlig. Hier zu heiraten musste wunderschön sein. Sie freute sich auf die Hochzeit nach Weihnachten. Dann drehte sie sich um und entdeckte den Eingang des Lokals. Neben einem Weihnachtsbäumchen an der Ecke des Gebäudes versprach eine kleine, von Hand beschriftete Tafel lothringische Spezialitäten. Sie blickte zum Himmel, weil sie dachte, einen wärmenden Strahl auf ihrem Rücken gespürt zu haben. Irgendwo über den Wolken musste die Sonne scheinen, denn die wabernden Nebelschleier leuchteten wie von innen heraus. Camille versuchte durch die Fenster und die Glasscheibe der Tür im Innern des Lokals etwas zu erkennen. Tatsächlich, da winkte ihr jemand zu. Erleichtert öffnete sie die Tür und ging hinein.
„Hier sind wir!“ Ihre Cousine war aufgesprungen und winkte noch immer. Die beiden Frauen, die am selben Tisch saßen, hatten sich umgedreht und sahen ihr lächelnd entgegen. Die große Blonde musste Greta Rath sein, mit der ihre Cousine sich in der Berufsschule angefreundet hatte. Mia hatte gesagt, sie gleiche dem holländischen Topmodel Doutzen Kroes, und Camille stimmte ihr zu – sie fiel sofort auf. Ihr ebenmäßiges Gesicht war perfekt geschminkt. Die dichten Haare flossen glänzend wie Honig auf ihre Schultern herab, und das Lächeln auf ihren Wangen strahlte Lebensfreude und ein gesundes Selbstbewusstsein aus.
Die Brünette mit der markanten Brille war demnach Sophie Thielen, die ehemalige Mitbewohnerin und beste Freundin von Mia, die hier in Metz einen Zeitjob angenommen und dann in ihrem Chef ihre große Liebe gefunden hatte. „Eine Geschichte wie aus einem romantischen Liebesfilm“, hatte Mia geschwärmt. Mit ihren roten Haaren, die sie sich in einem irgendwie chaotisch wirkenden Knäuel im Nacken festgesteckt hatte, wirkte Mia dazwischen wie ein aufgeregter Wirbelwind. Ihre Wangen leuchteten rot, eine Eigenart, die sie mit ihrer Cousine gemeinsam hatte – genau wie die fröhlich funkelnden Augen. Camille setzte ihre mollig warme Beaniemütze ab, als sie auf den Tisch zuging. Sie fuhr sich kurz durch die Locken, die sofort in ihre ursprüngliche Form zurücksprangen, dann begrüßte sie die drei Frauen.
Camille ging um den Tisch herum und zog Mia in ihre Arme. Ihre Cousine drückte sie herzlich an sich. „Wie schön, dass du es heute geschafft hast!“ Sie küssten einander auf beide Wangen, dann lösten sie sich voneinander. Mia drehte sich um und deutete auf die große Blonde. „Das ist Greta.“
Greta stand auf, beugte sich über den Tisch und streckte Camille die Hand entgegen. Sie musste mindestens eins achtzig groß sein. „Hallo, Camille, ich freue mich total. Gut, dass du da bist, dann können wir gleich bestellen.“ Sie zwinkerte. „Ich habe einen Mordshunger.“
„Und das ist Sophie Thielen, die heute unsere Fremdenführerin sein wird.“ Mia lachte laut. „Bis wir im richtigen Geschäft gelandet sind zumindest.“
Camille streckte Sophie die Hand hin. Diese beugte sich automatisch vor, um ihr die französischen Bises zu geben, und sofort stieg in Camille eine Erinnerung an ihre vielen Sommerferien in der Bourgogne auf. Sophie schien von innen heraus zu strahlen, fast, als wäre sie die Braut, deren Hochzeit vorbereitet werden sollte. Na ja, sie musste ja gerade auch eine traumhafte Zeit erleben, frisch verliebt wie sie war. Eine Sekunde fragte Camille sich, wann sie zum letzten Mal so gestrahlt hatte.
„Schön, dich kennenzulernen, Camille. Mia hat mir schon viel von dir erzählt. Komisch, dass wir uns früher noch nie begegnet sind, bei einer Geburtstagsfeier oder so.“
Sie setzten sich alle. „Tja, das hängt damit zusammen, dass ich immer in den Sommerferien Geburtstag gefeiert habe“, erklärte Mia. „Und da war Camille mit ihrer Familie in Dijon, ausnahmslos.“
Sophie sah ihr in die Augen. „Hast du ein französisches Elternteil?“
„Nein“, Camille nahm die Speisekarte entgegen, die Greta ihr entgegenstreckte, und schlug sie auf. „Meine Eltern hatten nur immer ein Faible für die Bourgogne. Ich kenne sie quasi wie meine Westentasche.“
„Ein guter Freund von mir stammt aus der Ecke.“ Sophie nickte. „Sehr schöne Gegend.“
„Ich will echt nicht unhöflich sein, Mädels“, sagte Greta, „aber ich hatte nur ein sehr karges Frühstück. Sophie, kannst du Camille schnell die Karte erklären?“
Camille gluckste. „Ich habe vollstes Verständnis. Hunger ist etwas Furchtbares.“ Sie zwinkerte Greta zu und studierte die Speisen. „Da werde ich schon was finden, ich beeile mich auch.“
Greta klatschte in die Hände und grinste. „Sorry. Ist ja klar, dass du die Karte selbst verstehst, wenn du so fit in Französisch bist. Typisch für mich: Reden, ohne vorher nachzudenken.“ Camille, die sich für ihre heißgeliebte Quiche Lorraine entschied, legte die Karte auf den Tisch und lächelte. Sie schloss Greta sofort ins Herz.
Nachdem sie bestellt hatten, räusperte Mia sich und setzte eine ernste Miene auf, die nicht ganz zu dem Blitzen in ihren Augen passen wollte. Camille sah ihrer Cousine an, wie glücklich und aufgeregt sie war. „Eine Rede“, sagte sie. „Na ja, eher eine kurze Ansprache. Ihr habt alle unsere Einladung zur Hochzeit angenommen, worüber wir uns sehr freuen.“ Sie nahm die Einladungskarte in die Hand, die sie auf dem Tisch bereitgelegt hatte, und hielt sie kurz hoch. „Ich wollte euch noch erklären, warum wir uns für Metz entschieden haben.“
„Ja, ich habe mich schon gewundert“, sagte Sophie. „Meine Freundin Florence sagte, dass es echt schwer ist, in der Kathedrale einen Hochzeitstermin zu bekommen. Das machen die normalerweise nicht.“
Camille kicherte und deutete auf den Schriftzug Pourquoi pas? auf der Vorderseite. „Jedenfalls habt ihr euch ein lustiges Motto ausgesucht.“
Die Kellnerin brachte zwei Teller mit Quiche Lorraine und stellte einen vor Camille, einen vor Mia ab.
„Boah, was wir deshalb schon an Kommentaren haben einstecken müssen, ich sag’s euch!“ Mia begann ihr Besteck aus der Serviette zu wickeln, während eine zweite Kellnerin einen Croque Monsieur vor Greta und eine weitere Quiche vor Sophie abstellte.
„Warum das denn?“
„Warum nicht? – das wäre ja wohl kein Grund zum Heiraten, haben Niklas’ Cousinen und Cousins gesagt. Du weißt ja, die sind speziell“, sagte sie in Camilles Richtung.
Camille dachte daran, wie viel Stress die Frage der Sitzordnung Niklas im Vorfeld der ursprünglich geplanten Hochzeit verursacht haben musste. In seiner Verwandtschaft gab es Menschen, die niemals zusammen an einem Tisch sitzen würden. „Ja, ich erinnere mich“, stimmte sie zu. Auch Sophie nickte bei ihren Worten.
„Außerdem haben viele hämisch nachgefragt, ob wir uns inzwischen wenigstens sicher sind oder ob wir dann wieder Fracksausen bekommen.“ Sie prustete die Luft aus. „Okay, vielleicht haben wir das mit unserer Flucht vor der eigenen Courage im Sommer herausgefordert. Aber …“, sie unterbrach sich, „ach egal. Jedenfalls hat mein Vater mich gefragt, ob ich Lust auf eine kirchliche Trauung in Frankreich hätte. Er hat einen Cousin dritten oder vierten Grades, der hier lebt und Pastor ist. Der hat gehört, dass wir im Advent standesamtlich heiraten wollten, und meinen Eltern vorgeschlagen, dass wir anschließend in der Metzer Kathedrale kirchlich heiraten könnten. Er hat ihnen vorgeschwärmt, wie schön Trauungen in der Kathedrale seien. Und er möchte so gern noch ein Mal eine halten, bevor er in den Ruhestand tritt.“
„Okay“, Sophie zog die zweite Silbe des Worts in die Länge, „nun habe ich dich ja nicht unbedingt als eifrige Kirchgängerin erlebt.“ Camille grinste breit, sagte aber nichts, sondern schob sich stattdessen mit der Gabel ein Stück Quiche in den Mund. Sophie wusste offenbar, dass der sonntägliche Besuch der Messe auf Mias To‑do‑Liste für gewöhnlich nicht sehr weit oben stand.
Mia lachte schallend. „Nein, das nicht, aber ihr wisst, dass ich katholisch getauft bin.“
„Klar“, bestätigte Sophie. Greta und Camille nickten.
„Deshalb ist es für mich ein schöner Gedanke, dass wir unsere Ehe auch in einer Kirche schließen werden. Und sei es auch nur als äußeres Zeichen dafür, dass wir beide uns jetzt sicher sind und dazu stehen wollen. Selbst Niklas war von diesem Gedanken begeistert.“
Sophie sah Mia an, dann nickte sie. „Es wird jedenfalls ein wunderschöner Rahmen sein, vor allem wenn es für euch beide mehr als nur Kulisse ist. Ich freue mich für dich.“
„Wir sind auch ganz aus dem Häuschen, dass das klappt. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal vor einem Altar stehen würde. Für mich ist es ein gutes Zeichen.“
„Es wird sicher ein traumhaftes Fest werden. Und ich finde es auch schön, dass ihr alle hierher einladen wollt.“
„Hm … ja. Also, da haben wir ein bisschen umdisponiert. Wir haben die Gäste quasi aufgeteilt. Zahlenmäßig wird die größere Feier in Aachen stattfinden.“ Mia zog die Schultern hoch. „Alles andere wäre einfach nicht bezahlbar und logistisch auch viel zu kompliziert. Zur kirchlichen Trauung kommen deshalb nur die engsten Freunde und der engere Verwandtenkreis.“
Greta schnaubte belustigt. Sie hatte ihren Croque Monsieur bereits verputzt. „Wie regelt ihr das mit Niklas’ komplizierter Verwandtschaft?“
Mia winkte ab. „Die müssen das einfach schlucken. Dadurch dass wir in Metz ein kleineres Grüppchen sind, wird es allerdings nicht einfacher, sondern eher komplizierter. Da werden die Verwandten sich nicht so leicht aus dem Weg gehen können.“ Sie pikte ihr letztes Stück Quiche auf die Gabel. „Aber das kriegen wir hin. Immerhin sind sie alle im Hotel untergebracht. Da werden sie sich schon zu benehmen wissen.“
„Das La Citadelle ist wirklich super schön.“ Sophie strahlte. „Und die Küche ist hervorragend.“
„Gibt’s noch einen Nachtisch?“, fragte Greta.
Eine gute Stunde später befürchtete Camille, dass sie mit ihrem vollen Bauch niemals ein hübsches Cocktailkleid finden würde, in dem sie sich wohlfühlen und trotzdem eine gute Figur abgeben würde. Mit gemischten Gefühlen ließ sie ihre Blicke über die Kleider wandern, in denen die Schaufensterpuppen steckten. Neben den blütenweißen Brautkleidern, um die sich hier alles drehte, waren auch ein paar Abendkleider ausgestellt.
Als sie den Laden betraten, wartete die Verkäuferin bereits auf sie, da Mia das Grüppchen angemeldet hatte. Mit ausgebreiteten Armen kam sie auf die vier zu und wandte sich mit traumwandlerischer Sicherheit an die Größte, um einen Schwall charmant klingender französischer Wörter über sie zu gießen. Greta quittierte ihre Ansprache mit einem Lächeln, bevor sie sich umdrehte. „Ähm, ich habe nichts verstanden. Kann eine von euch dolmetschen?“
„Sie hat uns begrüßt und gemeint, dass du die Braut sein musst.“ Camille zwinkerte, drehte sich dann lächelnd zur Verkäuferin und zog Mia am Ellbogen einen Schritt vor. „Sie ist die Braut, Mia Feveler. Wir“, mit einer Geste umfasste sie sich, Greta und Sophie, „sind die Brautjungfern.“ Die Verkäuferin lachte auf. „Ja, natürlich, Sie haben sich ja extra die Haare hochgesteckt, ma chère. Comme vous êtes belle.“ Sie strahlte Mia an, die bei dem Kompliment errötete. Camille schielte auf Mias Haarknoten und grinste. Ihre Cousine war als kleines Mädchen ein Wildfang gewesen und hatte erst sehr spät in Betracht gezogen, anstatt Hosen auch mal einen Rock oder ein Kleid zu tragen. Bei der Auswahl an Brautkleidern, die auf den ersten Blick zu sehen waren, würde es womöglich gar nicht so leicht werden, etwas zu finden, das Mia gefiel. Diese Kleider waren sehr üppig. War es heute wieder modern, wie eine Disney-Prinzessin aufzutreten? Mit einem Rock, der durch keine Tür passte, und Bergen an Chiffon, Rüschen und Reifröcken?
Die Verkäuferin bot allen ein Glas Crémant an, dann stellte sie sich vor Mia und fixierte sie von oben bis unten. Mit geschürzten Lippen sagte sie: „Alors, Sie sind eine zierliche Person und haben diese spritzigen roten Haare einer Fee. Ich schlage Ihnen etwas vor, das eine Princesse aus Ihnen macht.“ Damit drehte sie sich um und sah nicht, wie Mia die Augen aufriss und lautlos Hilfe murmelte, bevor sich ein übermütiges Lachen in ihren Augenwinkeln festsetzte. Sie schüttelte heftig den Kopf, als die Verkäuferin sich wieder zu ihnen umdrehte und ein Kleid aus einer Reihe von Roben hervorzog, dessen Rock aus einer riesigen weißen Wolke zu bestehen schien. Das Oberteil war eine reich mit Glitzersteinen und Strass besetzte Corsage. Dazu gehörte ein winziges Bolerojäckchen aus filigraner Spitze, ebenfalls mit Strass und Steinchen besetzt. Mia machte dicke Wangen und blies die Luft aus, die Verkäuferin verzog den Mund. „Alors, cela pas“, murmelte sie.
„Nein, das nicht“, wiederholte Mia und ging zielstrebig zur anderen Seite des Verkaufssaals. Dort deutete sie auf eine Schaufensterpuppe, die ein schmal geschnittenes, langärmeliges Kleid trug, dessen Rock in Höhe der Oberschenkel etwas weiter wurde und in einer kurzen Schleppe endete. Das Kleid sah aus, als flösse es wie flüssige Sahne an der Puppe herab, und stach durch seine Schlichtheit hervor. Vorne komplett aus blickdichtem Crêpe Monique verführte der U-Boot-Ausschnitt dazu, sich dem Rücken zuzuwenden, der wie die Rückseite der Ärmel transparent war. Der zarte Hauch von Stoff war mit Organzablüten verziert, und vom Nacken bis zum Po zog sich eine Linie kleiner stoffüberzogener Knöpfchen. Einen Schleier würde Mia mit diesem Kleid nicht brauchen. Sophie, Greta und Camille nickten.
Die Verkäuferin klatschte in die Hände. „Mais bien sûr! Das ist Ihr Kleid! Es hat nur auf Sie gewartet.“
Die Anprobe dauerte keine halbe Stunde, da an dem Kleid nicht das Geringste zu ändern war. Die Brautschuhe hatte Mia von ihrer Mutter geerbt; sie passten perfekt. Ein kleines Täschchen und ein flauschiges Bolerojäckchen für draußen waren ebenfalls sofort gefunden. Die Verkäuferin gab Anweisungen, das Kleid einzupacken, und wirkte beinahe ein bisschen enttäuscht. „Ich glaube, ich hatte noch nie eine Kundin, die sich so schnell entschieden hat.“
„Keine Sorge, wir brauchen ja noch die passenden Kleider für meine Freundinnen.“
Camille musterte Greta mit ihren honigblonden und Sophie mit den kastanienbraunen Haaren. Ihre eigenen Haare passten mit ihrem Ebenholzton zu fast allen Kleiderfarben. Die Verkäuferin schien den gleichen Gedanken nachzuhängen. Sie legte einen Finger an die Lippen.
„Nun, ich denke da an ein zartes Violett.“ Sie ging mit der Stimme ein wenig hoch, als wäre es eine Frage.
Sophie stieß einen halb erstickten Laut aus. „Wie wäre es alternativ mit Babyrosa?“
„Oder Knallpink“, schlug Greta vor. Die Verkäuferin verzog den Mund. Sie erkannte offensichtlich nicht die Ironie in den Vorschlägen und war verunsichert.
„Ich wäre ja für grün-blau-gestreift.“ Mia prustete. „Wir scherzen nur. Aber Violett kommt nicht infrage. Und Babyrosa oder Pink schon gar nicht.“ Zum Glück sahen Sophie und Greta das genauso.
„Wir können ja mal sehen, was die Farbpalette hergibt“, schlug Camille vor. „Es sollte ein warmer Farbton sein, der uns allen gut steht, nicht?“ Die Verkäuferin nickte und führte die vier in einen anderen Verkaufsraum. Dort ging sie zielstrebig zu einer Wand, vor der Ballkleider in hellen Farbtönen hingen. Mia trat vor und zeigte auf ein langes Kleid in A-Linie mit leicht schwingendem Rock aus Seidenchiffon in einem pudrigen Gelb. Das schmale Oberteil aus elfenbeinfarbener Spitze über dem Seidenstoff war zwar ärmellos, hatte aber einen runden Halsausschnitt, der gut in den Winter passte und es schlicht-elegant wirken ließ. Mit einem Bolerojäckchen oder einem Cape kombiniert würde es mit Mias Brautkleid harmonieren, ohne ihm die Show zu stehlen.
Die Verkäuferin nickte und nahm das Kleid vom Haken, um ihnen die Rückansicht zu zeigen. Der Rücken bestand aus Spitze, die sich bis zu einem tief herunterreichenden Ausschnitt zog. „Das ergänzt die Optik der Braut perfekt“, sagte sie begeistert. Dann ließ sie ihren Blick von Greta über Sophie zu Camille wandern. Zufrieden nickte sie. „Und Sie alle können diese A-Form tragen. Ja.“ Sie wandte sich Mia zu. „Sie haben wirklich ein Auge für Mode.“
Greta streckte die Hand nach dem Kleid auf dem Bügel aus. „Lassen Sie es uns anprobieren.“
Anderthalb Stunden später waren sie fertig. Die Verkäuferin hatte Sophies und Camilles Maße notiert, um für die beiden das Kleid in der richtigen Länge und Weite anfertigen zu lassen. Passende Capes waren auch gefunden. Die Kleider würden an ihre jeweiligen Adressen geliefert werden. Lediglich Mia und Greta konnten ihre Kleider sofort mitnehmen, weil daran nichts geändert werden musste. Zufrieden trugen sie die riesigen Papptaschen mit dem wertvollen Inhalt zum Parkhaus, um sie dort im Kofferraum von Mias Wagen sicher zu verstauen, bevor sie noch ein bisschen bummeln wollten.
Ausgelassen schlenderten die vier durch die Fußgängerzone, ließen die Atmosphäre und den Trubel auf sich einwirken, und erst als der Novembernebel sich langsam in einen hauchzarten, aber dichten Nieselregen verwandelte, kehrten sie in einem Café in der Nähe der Galeries Jouvet ein. Nachdem sie an ihren Kaffees genippt hatten, lächelte Sophie Mia an. „Von hier aus habe ich dich vor einem guten halben Jahr angerufen, erinnerst du dich noch? Ich saß da draußen, mit Blick aufs Arsénal, und hab dir mein Leid geklagt.“
Mia nickte. „Oh, ja. Und wie viel seitdem passiert ist!“
„Was denn?“, fragte Greta. „Dürfen wir beide es auch wissen?“ Sie zwinkerte Camille zu. Camille, die nur wenig von Sophies Geschichte und von Mias Herzenstrubel im Sommer gehört hatte, lehnte sich erwartungsvoll zurück.
„Ja, ehrlich gesagt möchte ich auch gern ein bisschen mehr erfahren.“
„Über Sophie oder über mich?“
Sophie legte eine Hand auf Mias Unterarm. „Ich denke, hier geht es um dich. Das ist deine Zeit.“
Mia atmete tief ein und aus. „Also gut, ich erzähle es noch ein letztes Mal. Erinnert ihr euch an den Film Die Braut, die sich nicht traut mit Julia Roberts? So ungefähr müsst ihr euch das vorstellen, nur dass wir keine kirchliche Hochzeit geplant hatten.“ Sie verzog den Mund. „Und dass ich nicht die Einzige war, die Panik hatte …“
„Echt? Niklas wollte auch nicht?“, fragte Greta nach.
Mia nickte. Dann erzählte sie, wie sie beide mehrere Wochen vor der Trauung entschieden hatten, dass sie zwar die Hochzeitsreise in die Bretagne gemeinsam antreten würden, den Termin auf dem Standesamt aber absagen wollten. Zum Glück war es noch früh genug gewesen, um die Restaurantbuchung stornieren und allen Gästen rechtzeitig Bescheid geben zu können. „Und ich hatte auch kein weißes Brautkleid, weil ich das fürs Standesamt sowieso bescheuert gefunden hätte.“ Mia kicherte. „Na ja, und jetzt machen wir es richtig groß.“ Sie hielt inne. Hätte Camille ihre Cousine nicht schon von Geburt an gekannt, hätte sie ihr ihre Unbefangenheit vielleicht abgekauft. So jedoch regte sich in ihr der leise Verdacht, dass Mia sich selbst am meisten davon überzeugen musste, das Richtige zu tun. Sie behielt ihre Gedanken aber für sich. Vielleicht würde sich noch die Gelegenheit ergeben, alleine mit Mia zu sprechen.
„Na ja“, sagte Mia in das Schweigen hinein und zuckte mit den Schultern. „Wir haben unsere vorgezogenen Flitterwochen jedenfalls genossen, und in der Bretagne sind wir auf eine wunderschöne Idee gekommen, die auch euch betrifft“, sie ließ ihren Blick von einer zur anderen wandern und nickte bedeutungsvoll. „Aber Genaueres werde ich euch nicht verraten, Mädels. Das werdet ihr am Tag der Hochzeit herausfinden.“ Sie legte ihre Hand auf Sophies. „Und du denkst daran, dir für den fünfzehnten Dezember freizunehmen? Die Trauzeugen müssen zu beiden Terminen da sein, zuerst beim Standesamt und dann in der Kirche.“
Unter vier Augen
War es Glück, das Mia dieses wunderschöne leichte Gefühl bescherte? Sie fühlte sich energiegeladen, als sie sich von Camille und Sophie verabschiedete. Die beiden hatten sie und Greta ins Parkhaus La Cathédrale begleitet. Camille, weil sie selbst auch dort geparkt hatte, und Sophie, weil sie jede Minute mit ihnen auskosten und alle noch einmal in den Arm nehmen wollte, wie sie gesagt hatte.
„Du tust das Richtige“, flüsterte Sophie in ihr Ohr, als sie sie einen Moment festhielt. Als ahnte sie, dass Mia, die coole Socke, in dieser Angelegenheit doch nicht so cool war. Mia überspielte den Moment, indem sie ihrer besten Freundin ein Küsschen auf die Wange drückte und sich dann aus ihrer Umarmung löste. Sie wandte sich Camille zu und zog auch ihre Cousine an sich. Sie schnaubte, als Camille die gleichen Worte zu ihr sagte, und blickte die beiden abwechselnd an.
„Das weiß ich doch, ihr braucht das nicht so zu betonen.“ Dann wedelte sie mit beiden Händen, als wolle sie sie verscheuchen. „Und jetzt weg mit euch, wir sehen uns ja bald wieder. Ich melde mich, damit wir uns im Advent treffen können, um alles zu besprechen.“ Sie wackelte nachdenklich mit dem Kopf. „Es gibt bestimmt noch einen Haufen Dinge, an die wir nicht gedacht haben. Und dafür sind Brautjungfern ja da.“ Feixend winkte sie Sophie und Camille noch einmal kurz zum Abschied.
Greta saß bereits auf dem Beifahrersitz, als Mia sich hinter das Lenkrad schob. Sie strahlte. „Das hat Spaß gemacht.“
„Ja, mir auch.“ Mia startete den Wagen. „Aber nun los, eine lange Fahrt erwartet uns.“ Sie fand den Weg aus dem Parkhaus hinaus und ließ sich von ihrem Navigationssystem zur Autobahn leiten. Schon bald führte sie mit Greta ein entspanntes Gespräch. Sie beratschlagten über den Brautstrauß und die Sträuße, die die Brautjungfern bekommen würden. Den Floristen, den Mia beauftragt hatte, kannten sie beide noch aus ihrer Ausbildungszeit.
„Ist es für dich wirklich okay, dass ich den Auftrag nicht dir gegeben habe?“
„Ja, ich bin an den Feiertagen voll eingespannt. Ich helfe meiner Mutter beim Kochen. Die Frau Chirurgin hat, wenn es ans Alltägliche geht, zwei linke Hände. Sie ist auf mich angewiesen.“ Greta stieß ein fröhliches Lachen aus, an dem Mia ablesen konnte, wie sehr sie sich auf Weihnachten freute. Wie Mia aus vielen Gesprächen mit ihrer Freundin wusste, waren die Weihnachtsfeiertage für Greta und ihre Familie die unbeschwertesten Tage des Jahres, zumindest wenn ihre Eltern beide frei bekommen konnten, was bei einem Ärzteehepaar nun mal nicht selbstverständlich war. Greta blies sich eine einzelne Haarsträhne aus der Stirn. „Und Carlos Scheidung geht am achtzehnten über die Bühne. Wir wollen ein paar Tage wegfahren.“
„Ich bin total gespannt auf deinen Carlo. Er scheint es ja ernst mit dir zu meinen.“ Sie warf Greta einen Seitenblick zu. „Bist du glücklich?“
Bisher hatte Greta mit ihren Beziehungen immer danebengelegen. Die Männer neigten ganz offenbar dazu, in ihr nur die auffallende Schönheit zu sehen. Dass sie eine intelligente Frau mit Wünschen, Sorgen und Sehnsüchten war, geriet da öfter mal in Vergessenheit. Greta hatte schon oft mit einem halb scherzhaften Seufzen gesagt, sie würde lieber weniger auffallen und dafür als Mensch ernster genommen werden. Sie hatte früh gelernt, selbstbewusst aufzutreten, weil sie sich bereits gegen Anträge der Männerwelt wehren musste, als Mia noch gehofft hatte, endlich mal als Frau wahrgenommen zu werden. Mia, die sich mit Niklas so wohlfühlte wie mit keinem anderen Menschen in ihrem Leben, wünschte Greta einen Partner zur Seite, der sie glücklich machen würde. Sie kannte Carlo noch nicht näher, aber es fiel ihr schwer, über den Altersunterschied hinwegzusehen. Der angesehene plastische Chirurg, den Greta zu Hause bei einem Abendessen kennengelernt hatte, weil er im selben Krankenhaus arbeitete wie ihre Eltern, war nur zehn Jahre jünger als Gretas Vater und damit genau doppelt so alt wie sie.
„Ich weiß schon, du traust ihm nicht, stimmt’s? Aber ja, ich bin glücklich. Weißt du, er ist endlich mal ein erwachsener Mann. Natürlich mag er mein Aussehen, aber schließlich hat er täglich mit Frauen zu tun, die genauso schön sind, oder schöner.“ Mia sah im Augenwinkel, dass sie eine Schulter hochzog. „Das Aussehen allein ist für ihn nicht entscheidend.“
Mia konnte sich ein leises Grunzen nicht verkneifen. Greta reagierte jedoch nicht sauer, sondern mit einem Lachen. „Ich weiß schon, was du sagen willst. Carlo ist auf den ersten Blick kein Hingucker. Aber das macht er mit seiner Wirkung wett. Und im Bett ist er einfach … hmm.“ Ihre Stimme klang schwärmerisch. Beide lachten laut.
„Na, wenn das mal kein Grund zum Heiraten ist!“
„Nein, übers Heiraten denke ich gar nicht nach. Er wird ja gerade erst frei. Ich bin froh, dass die beiden das so zivilisiert hinbekommen. Hat man ja auch nicht immer. Ich hatte schon Bammel, seine Frau würde mich stalken oder so.“
Mia runzelte die Stirn. „Vielleicht warst du nicht die Erste –“, sie biss sich auf die Lippen. Es ging sie nichts an. Oder doch? Schließlich war Greta eine ihrer besten Freundinnen.
Diese verschränkte die Arme vor der Brust. „Was willst du damit sagen? Hast du irgendwas gehört?“
Mia schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts behaupten und will es auch nicht. Da war bloß diese eine Kundin von mir. Sie kaufte einen Blumenstrauß, um ihre Freundin aufzumuntern. Die hatte gerade den Laufpass bekommen. Von einem verheirateten Arzt, der ihr das Blaue vom Himmel herunter versprochen hatte und sie dann doch hat fallen lassen.“
„Ach, und der Arzt war Carlo?“ Die Stimmung im Auto schlug um, von Greta schien ein kalter Hauch herüberzuwehen. Mia bereute es, davon angefangen zu haben.
„Greta, du bist meine Freundin. Ich will nicht, dass du wieder enttäuscht wirst.“ Sie atmete tief ein und aus. „Ja, sie meinte Doktor Capón. Aber das ist schon über ein Jahr her.“
„Über ein Jahr, sagst du? Ich bin seit acht Monaten mit Carlo zusammen. Also, was geht’s mich an?“
Mia warf Greta einen Seitenblick zu. Ihre Freundin kaute auf der Unterlippe herum. Hatte Carlo ihr etwa nichts von ihrer Vorgängerin erzählt?
„Ich will ja nur, dass du vorsichtig bist, okay? Das alles muss nichts zu bedeuten haben. Ich kenne ihn nicht, habe ihn ja erst das eine Mal gesehen, als ihr euch nach unserem gemeinsamen Kinobesuch noch getroffen habt.“ An jenem Abend hatten sie zu viert in den neuen Fluch der Karibik gehen wollen. Niklas und Mia sollten Gretas neuen Freund kennenlernen, womit auch klar war, dass sie es ernst mit ihm meinte, denn davor hatten sie sich noch nie zu viert getroffen. Doktor Carlo Capón hatte sich dann aber entschuldigen lassen. Als er nach dem Film am Kino aufkreuzte, hatte er Greta schon vorher eine SMS geschickt, in der er ihr angekündigt hatte, dass er mit ihr reden müsse.
„Erinnere mich nicht daran, das war ein fürchterlicher Abend. Er hat mir stundenlang von seinem Ehekrach vorgeheult. An dem Tag ist seine Frau ausgeflippt.“ Sie schwieg. Mia traute sich nicht, ihre Bemerkung zu kommentieren. Wenn Greta bereit war zu reden, tat sie es von sich aus. Mia war sich bewusst, dass sie von ihren Freundinnen für ihre Offenheit und ihre klaren Worte geliebt wurde. Aber seit sie und Niklas sich in den letzten Monaten so viele unerbetene Kommentare zu ihren Hochzeitsplänen hatten anhören müssen, war sie mit dem Äußern ihrer Meinung viel vorsichtiger geworden.
Greta schien in Gedanken versunken. Erst nach mehreren Minuten stieß sie einen zischenden Laut aus. „Das sollte heute nicht unser Thema sein, findest du nicht? Wo wir gerade das Brautkleid für deine Hochzeit gekauft haben.“ Sie wedelte mit der Hand. „Ich freue mich wahnsinnig für euch beide! Das wird ein traumhafter Tag.“
Mia lächelte, sagte aber nichts.
„Wird jemand eine Rede halten, so wie in den amerikanischen Filmen? Ich meine, wenn ihr schon das Fest so gestaltet. Brautjungfern, die alle das gleiche Kleid tragen, habe ich bisher nur im Kino gesehen, um ehrlich zu sein.“ Sie kicherte auf ihre gelöste Art, die Mia schon in den ersten Tagen in der Berufsschule aufgefallen war. Anspannungen hatte sie schon damals mit ihrem Lachen die Schwere genommen – weshalb Mia sie sofort ins Herz geschlossen hatte. Vielleicht, weil sie hinter Gretas zur Schau gestellten frechen Art ihren wachen und misstrauischen Geist erkannte. Und ihre Einsamkeit.
„Ja, ein Onkel von mir. Er hat das voll drauf, und wenn schon jemand sowas macht, dann er.“ Mia lachte schallend. „Vielleicht finden manche das übertrieben, aber man darf das alles nicht zu ernst nehmen. Niklas und ich wollen einfach allen zeigen, dass wir zueinander stehen.“
„Wollt ihr das?“, fragte Greta schlicht. Beinahe klang es wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. Mia riss am Lenkrad, weil sie in letzter Sekunde sah, dass sie die Autobahn wechseln musste.
„Ups“, machte Greta und hielt sich am Haltegriff über der Tür fest.
„Sorry, ich hätte beinahe die Ausfahrt verpasst. Ihr kennt mich alle viel zu gut, oder?“
„Wer jetzt?“
„Du, Camille und Sophie.“ Mia schüttelte den Kopf. „Ich hätte nicht geglaubt, dass sogar meine besten Freundinnen auf dieser Geschichte herumreiten würden, aber ihr tut es doch.“
„Wie hast du vorhin zu mir gesagt? Du bist meine Freundin und ich will nicht, dass du wieder enttäuscht wirst.“ Sie hob eine Hand. „Dass du und Niklas zueinander gehört, bezweifelt keiner außer euch beiden.“
„Wir zweifeln nicht.“ Mia schnaubte verärgert. „Deshalb ja das Ganze. Willst du es mir jetzt schlechtreden, oder wie soll ich das verstehen?“
„Eben nicht. Du könntest einfach ein bisschen entspannter sein. Alles wird gut, das weißt du doch, oder?“
„Alles ist gut! Und jetzt hör auf, bitte.“
Zunächst war es ein unangenehmes Schweigen, das sich im Auto ausbreitete. Als Mia tiefe Atemzüge von Greta hörte und sich mit einem Seitenblick vergewisserte, dass sie eingeschlafen war, schickte sie ihre Gedanken auf die Wanderschaft. Rasch stieg ihre Stimmung wieder an. Es war ein wunderschönes Kleid, das hinten im Kofferraum lag. Und auch wenn sie sich noch immer in Hosen viel wohler fühlte, freute sie sich darauf, es an ihrem Hochzeitstag zu tragen. Sie wusste, wie Niklas sie ansehen würde, wenn er sie darin sah, und das allein war es schon wert. Sie liebten sich, und ihre Liebe brauchte keine Bescheinigungen und Beweise. Sie schüttelte leicht den Kopf und ließ ihre Schultern kreisen, um die ungebetenen diffusen Gefühle wieder loszuwerden, die die Bemerkungen ihrer Brautjungfern tief in ihr losgetreten hatten. Stattdessen begann sie im Geiste eine Liste zu erstellen, welche Pflanzen sie bestellen musste. Der Advent stand vor der Tür, und sie war weder dazu gekommen, Kränze zu binden, noch Gestecke vorzubereiten. Es war ihre liebste Jahreszeit. Insofern war es nur konsequent, inmitten von Mistelzweigen und Tannennadeln zu heiraten. Die diffuse Sorge, die Greta mit ihrer lapidaren Frage zuvor in ihr ausgelöst hatte, war unnötig. Alles war gut.